VwGH 82/11/0363

VwGH82/11/036312.12.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des Dipl. Ing. ES in S, vertreten durch Dr. F. Michael Aniwanter, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, Tiroler Straße 18, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 4. Oktober 1984, Zl. 14‑SV‑3222/4/82, betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §28
AZG §28 Abs1
VStG §22 implizit
VStG §44a lita
VStG §44a Z1 implizit
VStG §9
VStG §9 implizit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1982110363.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das Arbeitsinspektorat für den 13. Aufsichtsbezirk in Klagenfurt erstattete am 24. Juni 1980 gemäß § 6 Arbeitsinspektionsgesetz 1974, BGBl. Nr. 143, bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau Strafanzeige gegen das satzungsgemäß zur Vertretung der A Gesellschaft m.b.H. nach außen berufene Organ bzw. dessen eventuell bestellten verantwortlichen Vertreter und stellte entsprechende Anträge hinsichtlich des Strafausmaßes mit folgender Begründung: Anläßlich einer Überprüfung der Arbeitszeiten der Asphaltiererpartie auf der Baustelle der Tauernautobahn am 17. Mai 1980 sei festgestellt worden, daß die zulässige Tagesarbeitszeit des Vorarbeiters RK von zehn Stunden im April 1980 an den einzelnen Arbeitstagen laut beigeschlossener Stundenkarte erheblich überschritten worden sei, ebenso die Tagesarbeitszeit des Kraftfahrers JR. Die Einsatzzeit des Fahrmischerfahrers S habe laut den beigeschlossenen Kopien der Tachographenscheiben am 12. Mai 1980 15 Stunden 50 Minuten und am 7. Mai 1980 15 Stunden 20 Minuten betragen, obwohl die Einsatzzeit 12 Stunden nicht überschreiten dürfe.

Der Beschwerdeführer rechtfertigte sich in dem von der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau eingeleiteten Strafverfahren einerseits damit, daß sämtliche, ihm „durch Überschreitung in der Arbeits- und Einsatzzeit zur Last gelegten Verstöße gegen das Arbeitnehmerschutzgesetz durch die extrem knappen Termine zur Fertigstellung der Tauernautobahn Ende Juni 1980 verursacht“ worden seien; andererseits verwies er darauf, daß für die in Rede stehenden Baustellen zuerst die örtlichen Firmenbauleitungen, dann die Leitung der Niederlassung Spittal/Drau der A Gesellschaft m.b.H. und zuletzt die Geschäftsführung, also seine Person, verantwortlich sei.

Der erste Satz des Spruches des daraufhin ergangenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 25. Februar 1982 lautet:

„Der Beschuldigte Dipl. Ing. ES, wh. in S, hat wie am 17. 5. 1980 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates auf der Baustelle der Tauernautobahn festgestellt wurde, gegen das Arbeitnehmerschutzgesetz verstoßen, da 1. die zulässige Arbeitszeit von 10 Stunden des Vorarbeiters RK überschritten wurde, 2. die zulässige Arbeitszeit des Walzenfahrers JR überschritten wurde und 3. die Einsatzzeit des Fahrmischerfahrers S überschritten wurde und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach 1. § 3 (1) d. BGBl. Nr. 461/69 i. d. F. i. V. § 7 und 9 d. Arbeitszeitges., 2. und 3. § 16 (2) d. Arbeitszeitges. BGBl. Nr. 461/69 i. d. g. F. begangen.“

Gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. wurden über den Beschwerdeführer nachstehende Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt: Zu 1) S 5.000,-- (zwei Wochen), zu 2) S 5.000,-- (zwei Wochen) und zu 3) S 2.000,-- (fünf Tage).

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer sein Verschulden an den ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen mit der Begründung, daß der technische Arbeitsablauf in den einzelnen Betriebsstätten vom hiezu bestellten Bauleiter geleitet und die Arbeiten von ihm ein- und aufgeteilt würden. Die Geschäftsführung selbst habe mit der Arbeitseinteilung nichts zu tun. Auch im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer erst durch die Behördenladung von der Arbeitszeitüberschreitung erfahren. Die behauptete verlängerte Arbeitszeit sei ohne sein Wissen und dann, wenn sie tatsächlich stattgefunden habe, auch gegen seinen Willen erfolgt. Im Zuge des Berufungsverfahrens verwies er darauf, daß er nach dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gegen das Arbeitnehmerschutzgesetz verstoßen habe, weil die dort genannten Personen die zulässige Arbeitszeit überschritten hätten. Er beschäftige diese Herren aber nicht. Er habe ihnen auch nie den Auftrag erteilt, die zulässigen Arbeitszeiten zu überschreiten. Er könne daher gar nicht die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) nicht Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis. In der Begründung wird nach Darstellung des bisherigen Ganges des Verwaltungsstrafverfahrens ausgeführt, die Geschäftsabteilung des Handelsgerichtes Klagenfurt habe am 16. Juli 1980 mitgeteilt, daß Dr. HH und der Beschwerdeführer als vertretungsbefugte Geschäftsführer der A Gesellschaft m.b.H. im Handelsregister eingetragen seien. Gemäß § 9 VStG 1950 fänden, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmten, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit einer Verwaltungsstrafe bedroht sei, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein träfe, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Soweit verantwortliche Vertreter bestellt worden seien, fänden die Strafbestimmungen zunächst auf sie Anwendung. Unbestritten sei die Tatsache, daß bei der Kontrolle des Arbeitsinspektorates für den 13. Aufsichtsbezirk auf der Baustelle der Tauernautobahn durch die Arbeitnehmer K und R die zulässige Arbeitszeit und durch den Arbeitnehmer S die zulässige Einsatzzeit überschritten worden sei. Damit liege eine eindeutige Übertretung der §§ 3, 7, 9 und 16 Abs. 2 AZG vor. Gemäß § 9 VStG 1950 sei der Beschwerdeführer als das satzungsgemäß nach außen vertretende Organ der A Gesellschaft m.b.H. und daher die Strafe als zurecht verhängt anzusehen. Inwieweit sich eine firmeninterne Regelung, die nicht nach außen gelange, hinsichtlich der Organisation und Einhaltung bewege, sei für das gegenständliche Strafverfahren irrelevant. Es folgen Ausführungen zum Strafausmaß.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erblickt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zunächst darin, daß im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau entscheidende Angaben über die Tatzeit, wann er (der Beschwerdeführer) die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes begangen haben solle, fehlten. Weiters fehlten Angaben darüber, wann die Herren RK, JR und S über die zulässige Arbeitszeit hinaus gearbeitet hätten. Der Spruch des Bescheides sei auch insofern unklar und unrichtig, als der Beschwerdeführer die genannten Herren nie beschäftigt habe. Allein aus diesen Gründen sei der angefochtene Beschluß (gemeint Bescheid) gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 unrichtig, unvollständig und rechtswidrig. Diese Einwände sind größtenteils berechtigt.

Durch den Ausspruch im angefochtenen Bescheid, es werde der Berufung „gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) nicht Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt“, hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Sachentscheidung nach den zitierten Bestimmungen den Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz als eigenen Ausspruch übernommen. Dieser Ausspruch ist somit unter dem Gesichtspunkt des § 44 a lit. a VStG 1950 zu überprüfen.

Nach dieser Bestimmung hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, dargelegt hat, ist es nach dieser Bestimmung rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und 2. die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt anlangt, sind entsprechende, d. h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnorm ersetzt werden können. Soweit die Strafbarkeit das Vorliegen bestimmter, in der Person des Täters gelegener besonderer Merkmale voraussetzt, sind insbesondere auch diese Merkmale zu bezeichnen. Was den vorstehenden Punkt 2 anlangt (unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat) muß a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Gemäß § 28 Abs. 1 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, nach den weiteren Vorschriften dieses Paragraphen zu bestrafen. Trifft eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein, so finden sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung (§ 9 VStG 1950 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 176/1983). „Arbeitgeber“ im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG ist in den Fällen des § 9 VStG 1950 das dort genannte Organ (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 1982, Zl. 81/11/0087). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Person nach § 28 AZG setzt somit voraus, daß sie entweder Arbeitgeber (des Arbeitnehmers, durch dessen berufliche Tätigkeit eine Arbeitszeitvorschrift verletzt wurde), in den Fällen des § 9 VStG 1950 das in dieser Bestimmung genannte Organ, oder Bevollmächtigter des Arbeitgebers ist. Zu der nach § 44 a lit. a VStG 1950 gebotenen Umschreibung der Tat hinsichtlich des Täters bedarf es somit der Angabe im Spruch, in welcher Eigenschaft einer Person eine Übertretung nach dem AZG zur Last gelegt wird (vgl. dazu Erkenntnis vom 22. November 1983, Zl. 82/11/0165). Dadurch, daß die belangte Behörde eine solche Angabe zwar in die Begründung, nicht aber in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufgenommen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Rechtswidrig ist der angefochtene Bescheid aber auch deshalb, weil eine nach den obigen Darlegungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984 ausreichende Umschreibung der Tatumstände fehlt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom 21. November 1984, Zlen. 82/11/0091, 0092, dargelegt hat, liegt in strafrechtlicher Hinsicht ein Zuwiderhandeln gegen Arbeitszeitvorschriften durch den Arbeitgeber - dem objektiven Tatbestand nach ‑ immer dann vor, wenn ein in diesem Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer bei seiner beruflichen Tätigkeit Arbeitszeitvorschriften verletzt. Die Zuwiderhandlung besteht in der Beschäftigung des jeweiligen Arbeitnehmers unter Verletzung einer Arbeitszeitvorschrift. Nur dieser objektive Tatbestand ist in der im zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates näher genannten Art zu umschreiben, nicht jedoch die subjektive Tatseite, also, daß die in § 28 Abs. 1 AZG genannte Person ein Verschulden an der Übertretung der Arbeitszeitvorschrift trifft, und die näheren Umstände dieses Verschuldens. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist daher der angefochtene Bescheid nicht deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet, weil im Spruch eine Angabe über die „Tatzeit, wann“ der Beschwerdeführer die ihm „zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes begangen haben soll“ (worunter im Beschwerdezusammenhang zu verstehen ist: wann sich der Beschwerdeführer jener Unterlassungen schuldig gemacht haben soll, die dazu führten, daß Arbeitnehmer über die zulässige Zeit hinaus beschäftigt wurden) fehlt. Wohl aber hätte es, zwecks unverwechselbaren Feststehens der Identität der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen (in der Form des fortgesetzten Deliktes) - im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem denselben Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 82/11/0380 - der Anführung des Tatzeitraumes sowie in diesem Beschwerdefall auch des Tatortes (der Hinweis auf eine Baustelle der Tauernautobahn kann nicht als ausreichend erachtet werden), in dem und an dem die im Spruch genannten Arbeitnehmer unter Verletzung von Arbeitszeitvorschriften beschäftigt wurden, bedurft.

Aus den genannten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen (zum Verschulden des Beschwerdeführers) eingegangen zu werden brauchte.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da einerseits neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes nicht auch jener der davon errechneten Umsatzsteuer gebührt und andererseits ein Stempelgebührenersatz nur in jenem Ausmaß zusteht, in dem Stempelgebühren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entrichten sind.

Wien, am 12. Dezember 1984

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