VwGH 81/04/0136

VwGH81/04/01367.5.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und Dr. Stoll als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde des KN in W, vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien XII, Aichholzgasse 6/13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Mai 1981, Zlen. MA 63‑N 16/80 Str. und MA 63‑N 27/80 Str., betreffend Zurückweisung von Berufungen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §33 Abs3
VStG §51 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981040136.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung seines Ausspruches über die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 16. Bezirk vom 17. Juli 1980, Zl. MBA 16‑14/025/0/Str., als verspätet wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Hingegen wird die Beschwerde, soweit sie den Ausspruch des angefochtenen Bescheides betrifft, daß die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 16. Bezirk vom 20. Oktober 1980, Zl. MBA 16‑14/040/0/Str., als verspätet zurückgewiesen wird, als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Mai 1981 wurden die Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Straferkenntnisse des Magistratischen Bezirksamtes für den 16. Bezirk I.) vom 17. Juli 1980, Zl. MBA 16‑14/025/0/Str., und II.) vom 20. Oktober 1980, Zl. MBA 16‑14/040/0/Str., mit denen über ihn jeweils wegen der Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 (genehmigungsloser Betrieb einer gastgewerblichen Betriebsanlage) Geldstrafen verhängt worden waren, als verspätet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das zu Punkt II.) bezeichnete Straferkenntnis sei am 13. November 1980 (Donnerstag) an den Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters zugestellt worden. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe daher am 27. November 1980 (Donnerstag) geendet. Das Rechtsmittel sei aber erst am fünften Tag nach Verstreichen der Rechtsmittelfrist, nämlich am 2. Dezember 1980 (Dienstag), bei der Behörde eingelangt. Nach § 33 Abs. 3 AVG 1950 würden die Tage des Postenlaufes in die Berufungsfrist nicht eingerechnet. Der Tag der Postaufgabe werde grundsätzlich durch den Poststempel nachgewiesen. Im vorliegenden Fall liege ein solcher Nachweis aber nicht vor, da der Umschlag laut Kanzleivermerk in Verstoß geraten sei. Wenn aber die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist zur Post gegeben worden wäre, hätte sie schon am 28. November 1980 (Freitag), spätestens aber am 1. Dezember 1980 (Montag), bei der Behörde einlangen müssen. Bei einem Einlangen erst am 2. Dezember 1980 sei es somit sicher, daß das Rechtsmittel nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers sei daher zu dieser Frage um eine Äußerung ersucht worden. Er habe ausgeführt, daß die Berufung am 27. November 1980 geschrieben und abgefertigt worden sei. Die Abfertigung erfolge in der Weise, daß das Postkuvert am Abend mit Selbststempler entwertet und in den nächstgelegenen Postkasten eingeworfen werde. Fallweise erfolge der Einwurf nach der letzten Aushebung, also nach 19 Uhr, wie diese der Kanzleibetrieb mit sich bringe. Ausgehend davon habe der Vertreter des Beschwerdeführers folgende Überlegungen angestellt: das Poststück, nach der letzten Aushebung eingeworfen, werde erst am nächsten Vormittag, etwa gegen 9.00 Uhr, ausgehoben. Das wäre im vorliegenden Fall am 28. November 1980 gewesen. Eine Zustellung an die Behörde an diesem Tag wäre daher ausgeschlossen. Die Zustellung hätte somit am 1. Dezember 198o erfolgen müssen. Eine Zustellung erst an 2. Dezember 1980 könne nur im Hinblick darauf erklärt werden, daß vielleicht im Zuge des Weihnachtspostaufkommens eine Verspätung vorgekommen sei, wie es erfahrungsgemäß alljährlich geschehe. Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, daß selbst dann, wenn der Umschlag nicht in Verstoß geraten wäre, die Rechtzeitigkeit der Berufung nicht nachgewiesen worden wäre, da bei Briefsendungen, die mit dem Freistempel einer Freistempelmaschine versehen seien, der Tag der Postaufgabe durch den Stempelaufdruck nicht eindeutig nachgewiesen sei. In diesem Falle könnten die Tage des Postenlaufes nicht auf Grund des Stempelaufdruckes ermittelt werden. Es sei daher die Zeit des Postenlaufes von Amts wegen zu ermitteln, wobei nach Maßgabe der räumlichen Entfernung zwischen Aufgabe- und Zustellort bis zum Einlangen der Sendung bei der Behörde ein gewisser. Mindestzeitraum vergangen sein müsse. Nach diesen Grundsätzen werde bei innerhalb von Wien durch die Post beförderten Briefsendungen angenommen, daß sie am letzten Werktag - ausgenommen Samstag - vor ihrem Einlangen zur Post gegeben worden seien, es sei denn, die Partei weise eine noch frühere Postaufgabe nach: Eine frühere Postaufgabe sei aber im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen worden. Für den Beginn des Postenlaufes sei es: maßgeblich, wann eine Sendung von der Postverwaltung übernommen und damit einer Behandlung zugeführt werde. Es sei daher für den Beginn des Postenlaufes von Bedeutung, wann der Briefkasten, in den eine Sendung eingeworfen werde, tatsächlich ausgehoben werde. Das Schriftstück müsse daher vor der letzten am Briefkasten vermerkten Aushebezeit in diesen eingeworfen werden, um noch an diesem Tag als aufgegeben zingelten. Die mit dem Datum 27. November 1980 versehene Berufung sei daher, wie aus dem Tag ihres Einlangen bei der Behörde zu erschließen sei, frühestens am 27. November 1980 nach der letzten Aushebung in den Briefkasten eingeworfen und somit erst am 28. November 1980 von der Postverwaltung in Behandlung genommen worden. Es stehe daher fest, daß die Berufungsfrist nicht gewahrt worden sei.

Was das Straferkenntnis zu Punkt I.) betreffe, so sei dieses am 11. August 1980 (Montag) an den Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters zugestellt worden. Die Berufungsfrist habe daher am 25. August 1980 (Montag) geendet. Auch in diesem Fäll sei die Berufung erst am zweiten Tag nach Ablauf der Berufungsfrist, nämlich am 27. August 1980 (Mittwoch), bei der Behörde eingelangt, obwohl die Dauer des Postenlaufes nur mit einem Tag anzunehmen sei. Nach Angabe des Vertreters des Beschwerdeführers sei diese Berufung am 25. August 1980 abends zur Post gegeben worden. Daß der Tag des Postenlaufes auch in diesem Fall länger als einen Tag gedauert habe, lasse sich dadurch erklären, daß auch dieses Poststück wohl am 25. August 1980, aber erst nach der letzten Aushebung, in den Briefkasten eingeworfen worden sei was, wie der Vertreter des Beschwerdeführers in dem Verfahren betreffend das Straferkenntnis laut Punkt II.) selbst eingeräumt habe, im Rahmen seines Kanzleibetriebes vorkomme. Demnach sei die Berufung vom 25. August 1980 mit der ersten Aushebung des Briefkastens am 26. August 1980 von der Post in Behandlung genommen worden. Da der Postenlauf aber erst mit der Aushebung des Briefkastens beginne, sei der 26. August als Tag der Einbringung anzusehen, weshalb auch die Berufung gegen das hier in Rede stehende Straferkenntnis als verspätet zurückzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Annahme der Rechtzeitigkeit seiner Berufungen als verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Behörde sei zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet gewesen, eine Ermittlung des Sachverhaltes durch die - in den Äußerungen angebotene - Einvernahme seines ausgewiesenen Bevollmächtigten sei jedoch nicht erfolgt. Im besonderen wird eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides hinsichtlich seines die Berufung gegen das Straferkenntnis laut Punkt II. betreffenden Ausspruches in der Annahme der Behörde erblickt, daß der Einwurf eines Friststückes in den Postkasten nach der letzten Aushebung mit Freistempelung, aber noch vor 24.00 Uhr, nicht für den Tag des Einwurfes fristgerecht sei. Da die Postverwaltung bestimmten Personen durch Genehmigung auf Freistempelung mittels Freistempelmaschine das Recht einräume, das Postaufgabedatum festzustellen, und die richtige Verwendung auch überprüfe, sei davon auszugehen, daß nach der gegebenen Rechtslage die Übergabe des Poststückes an die Postverwaltung durch Einwurf in den Briefkasten auch nach der letzten Aushebung, aber noch vor Ende des Tages - wenn das Poststück mit Freistempelung von diesem Tage versehen sei - als mit diesem Tag geschehen anzusehen sei. Im Zusammenhalt damit wird in der Beschwerde vorgebracht, es sei in der dieses Verfahren betreffenden Äußerung des Beschwerdeführers darauf hingewiesen worden, daß der Einwurf dieses Poststückes erst nach der letzten Aushebung, also nach 19.00 Uhr, erfolgt sei. In Ansehung der Zurückweisung der Berufung gegen das Straferkenntnis laut Punkt I. rügt der Beschwerdeführer eine sich daraus ergebende Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß die belangte Behörde angenommen habe, die Berufung vom 25. August 1980 sei erst nach der letzten Aushebung in den Briefkasten eingeworfen worden, obgleich hinsichtlich dieses Poststückes keine derartige Erklärung seitens des Beschwerdeführers oder seines Bevollmächtigten abgegeben worden sei.

Nach § 51 Abs. 3 VStG 1950 in der Fassung des Art. I Z 9 des Bundesgesetzes vom 2. Februar 1977, BGBl. Nr. 101, beträgt die Berufungsfrist im Verwaltungsstrafverfahren zwei Wochen. Die Tage des Postenlaufes werden gemäß § 33 Abs. 3 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) in diese Frist nicht eingerechnet; dies gilt mangels einer im Gesetz angeordneten Ausnahme uneingeschränkt auch für den Fall der Verwendung einer Freistempelmaschine (vgl. hiezu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai. 1980, Zl. 2737/78, auf das - gleich wie hinsichtlich der in der Folge weiters angeführten nichtveröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes - unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach dargetan hat (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1978, Zl. 2658/77), ist es eine Rechtsfrage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, die die Behörde auf Grund der von ihr festgestellten Tatsachen zu entscheiden hat. Gemäß § 56 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 hat der Erlassung eines Bescheides - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen - die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 AVG 1950 voranzugehen. Dies trifft im Beschwerdefall insbesondere auf den Tag der Postaufgabe zu.

Für den Beginn des Postenlaufes gemäß § 33 Abs. 3 AVG 1950 ist es maßgeblich, wann ein Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wird, woraus aber für den Fall des Einwurfes in einen Briefkasten folgt, daß das Schriftstück, damit eine Frist gewahrt ist, am letzten Tag der Frist vor der letzten am Briekasten vermerkten Aushebezeit eingeworfen werden muß (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1963, Zl. 715/62, Slg. 6085/A). Im Hinblick darauf kann aber der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, daß die Übergabe des Poststückes an die Postverwaltung durch Einwurf in den Briefkasten auch nach der letzten Aushebung, aber noch vor Ende des Tages dann als an diesem Tag geschehen anzusehen ist, wenn das Poststück mit einer Freistempelung von diesem Tag versehen ist, da durch einen derartigen, ein Zeichen der Gebührenentrichtung bewirkenden Vorgang - abgesehen von der Frage dessen im Einzelfall zu beurteilenden Beweiskraft für den Zeitpunkt der tatsächlichen Postaufgabe (vgl. hiezu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1977, Zl. 447/77) - ein „Postenlauf“ jedenfalls nicht in Gang gesetzt wird.

Wenn daher die belangte Behörde unter Hinweis auf den Zeitpunkt des Einlangens der gegen das Straferkenntnis laut Punkt II.) erhobenen Berufung in tatsächlicher Hinsicht zu dem Schluß kam, daß der Einwurf dieses Schriftstückes in den Briefkasten frühestens erst nach der letzten Aushebung am 27. November 1980 erfolgt sein müsse, ist diese Annahme nicht unschlüssig, da der Beschwerdeführer selbst im Verwaltungsverfahren seine Darlegungen auf einen derartigen Umstand abstellte und sich ferner auch aus der Aktenlage keine sonstigen Anhaltspunkte für das Erfordernis, weitere amtswegige Beweise aufnehmen zu müssen, ergaben. Abgesehen davon wird aber auch in der Beschwerde ausdrücklich davon ausgegangen, daß der Einwurf des Poststückes erst nach der letzten Aushebung, also nach 19.00 Uhr, erfolgte, weshalb unter Beachtung der dargestellten Rechtslage - schon aus. diesem Grund ein zur Dartuung eines wahrzunehmenden Verfahrensmangels geeignetes Vorbringen fehlt.

Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Hingegen kommt der Beschwerde Berechtigung zu, insoweit sie die behördliche Annahme, daß auch die Berufung gegen das Straferkenntnis laut Punkt I. am letzten Tag der Berufungsfrist erst nach der letzten Aushebung in den Briefkasten eingeworfen worden sei, bekämpft. Ein derartiger Schluß in tatsächlicher Hinsicht ergibt sich nämlich weder schon zwingend aus dem Umstand eines zweitägigen Postenlaufes noch auch aus der übrigen Aktenlage, und es hat auch der Beschwerdeführer nicht etwa selbst einen derartigen Standpunkt eingenommen. Die belangte Behörde hätte daher in diesem Umfang in Erfüllung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht sowie auch unter Berücksichtigung des in der Äußerung erstatteten Beweisanbotes - Vernehmung des Vertreters des Beschwerdeführers - Ermittlungen darüber stellen müssen, wann die bezeichnete Berufung in den Briefkasten eingeworfen wurde. Erst nach Aufnahme der entsprechenden Beweise - eine vorgreifende Beweiswürdigung ist den Verwaltungsverfahrensgesetzen fremd - hätte die Behörde entsprechende Feststellungen nach ihrer freien Überzeugung treffen können.

Da somit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der angeführten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 - insbesondere auf den § 50 leg. cit. - im Zusammenhält mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft im Hinblick auf die gesetzliche Pauschalierung des Aufwandersatzes (nicht gebührenden) Ersatz der Umsatzsteuer bzw. einen nicht erforderlichen Aufwand für Stempelgebühren.

Wien, am 7. Mai 1982

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