LVwG Tirol LVwG-2021/14/1014-1

LVwG TirolLVwG-2021/14/1014-121.4.2021

EpidemieG 1950 §7
AVG 1991 §57

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.14.1014.1

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seinen Richter Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA, über die Maßnahmenbeschwerde des mj AA, geb xx.xx.xxxx, vertreten durch seine Mutter BB, diese vertreten durch Rechtsanwalt CC, Adresse 1, **** Z, gegen die von der Bezirkshauptmannschaft Z (belangte Behörde) am 15.4.2021 angeordnete Absonderung des Beschwerdeführers bis 28.4.2021 in der Unterkunft Adresse 2, **** Y, folgenden

 

 

B E S C H L U S S:

 

1. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I. Verfahrensgang

 

Mit Maßnahmenbeschwerde vom 15.4.2021, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Tirol am 16.4.2021, beschwerte sich der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, diese wiederum anwaltlich vertreten, gegen die mit mündlichen Bescheid vom 14.4.2021, verschriftlicht mit Bescheid vom 15.4.2021, ***, angeordnete Absonderung bis 28.4.2021 an seiner Unterkunft. Er brachte darin – zusammengefasst – vor, seit Aufhebung des § 7a EpiG (gemeint § 7 Abs 1a zweiter Satz EpiG) durch den Verfassungsgerichtshof (10.3.2021, G 380/2020) stehe nunmehr keine ausdrückliche gesetzliche Möglichkeit offen, gegen den mit Absonderungsbescheid erfolgten Freiheitsentzug in einer Art 5 Abs 4 EMRK entsprechenden Weise direkt ein Gericht anrufen zu können, das ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft zu entscheiden habe. Bei Absonderungsbescheiden handle es sich um Mandatsbescheide nach § 57 AVG, die aufgrund eines unvollständigen, das rechtliche Gehör des Betroffenen nicht berücksichtigenden Ermittlungsverfahren gefällt würde und gegen die nur der Rechtsbehelf der Vorstellung nach § 57 Abs 3 AVG offen stehe, ein nicht aufsteigender Rechtsbehelf ohne aufschiebende Wirkung. Dieser Rechtsbehelf erfülle nicht die Voraussetzungen des Art 5 Abs 4 EMRK. Nachdem der Absonderungsbescheid unmittelbar wirke, ohne dass das rechtliche Gehör des Betroffenen gewahrt wäre und ohne dass die dagegen mögliche Remonstration nach § 57 Abs 3 AVG eine aufschiebende Wirkung böte, liege unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt iSd Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG vor. Somit sei eine Maßnahmenbeschwerde gegen einen Absonderungsbescheid zulässig. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs, worauf dessen Sprecherin in ihrer Presseerklärung ausdrücklich hingewiesen hätte.

Der Bescheid sei absolut nichtig, weil er jede nach §§ 57 bis 60 AVG erforderliche Begründung in Form der Darstellung des individualisierten Sachverhaltes vermissen lasse. Es gehe weder hervor, mit welcher Person der Beschwerdeführer in einer Weise Kontakt gehabt hätte, dass er als Kontaktperson 1 angesehen werden könnte, noch sei festgestellt, ob diese Person überhaupt ansteckungsverdächtig sei. Wie bekannt, könne ein PCR-Test weder ein infektiöses Virus nachweisen, noch eine Erkrankung. Dies hätten unter anderem das VwG Wien (VwG-103/048/322/7/2021) und der OGH festgestellt. Es wäre daher, selbst wenn eine entsprechende Konkretisierung vorläge, allein aufgrund eines positiven Testergebnisses ohne klinische Symptome nicht von einer Ansteckungsgefahr auszugehen. Eine Ansteckungsgefahr bestehe erst, wenn Viren Zellen befallen hätten, sich vermehren könnten und anschließend freigesetzt würden, womit die Wirtszelle zerstört wäre, was entsprechende Symptome verursache. Es möge sein, solche Symptome würden anfänglich nicht auffallen, doch sei ein PCR-Testergebnis ohne ärztliche Untersuchung wertlos –, worauf inzwischen auch die WHO hinweise, auch dürfe ein Labor keine Diagnose stellen, weil dies nach § 2 Abs 2 ÄrzteG Ärzten vorbehalten sei. Jener Schüler, demgegenüber der Beschwerdeführer als Kontaktperson 1 angesehen werde, sei gesund und absolut symptomfrei.

Es gäbe auch keine gesetzliche Grundlage dafür, eine aufgrund einer willkürlichen gesetzlich nicht gedeckten Festlegung, wer Kontaktperson 1 sein solle, als solche, bezeichnete Personen nach § 7 EpiG anzuhalten. Die Bestimmung des § 7 EpiG erlaube nur die Anhaltung kranker, krankheitsverdächtiger oder ansteckungsverdächtiger Personen. Es gäbe nicht den geringsten Anhaltspunkt, dass der Beschwerdeführer krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig sei. Der Beschwerdeführer sei vor dem Schulbesuch am 13.4.2021 dem verpflichtenden Antigentest mit negativem Ergebnis unterzogen worden. Auch sei es völlig willkürlich, die ganze Klasse als K 1 zu qualifizieren und abzusondern, ohne das zumindest eine Kontaktmöglichkeit, die eine Ansteckungsgefahr mit sich bringen könnte, konkret festgestellt werden konnte. Eine solche Kontaktmöglichkeit hätte nicht bestanden, abgesehen davon, dass keine Ansteckungsgefahr beim positiv getesteten Schüler begründet werden konnte.

Abschließend beantragte der Beschwerdeführer die mit Bescheid vom 15.4.2021, ***, angeordnete Absonderung des Beschwerdeführers in seiner Unterkunft mit sofortiger Wirkung aufzuheben, die Rechtswidrigkeit der Absonderung des Beschwerdeführers festzustellen, sowie dem Rechtsträger der belangten Behörde Kostenersatz aufzuerlegen.

 

Mit E-Mail vom 16.4.2021 reichte der Beschwerdeführer die Aktenzahl der angeführten OGH-Entscheidung mit 7 Ob 151/20m sowie eine Produktbeschreibung von PCR-Tests nach. Er führte – abermals zusammengefasst – aus, der OGH hätte festgestellt, das Ergebnis eines PCR-Testes sei nicht maßgeblich, da der PCR-Test nicht geeignet sei, eine Infektion festzustellen. Darüber hinaus sei aus den Produktbeschreibungen ersichtlich, PCR-Tests seien nicht geeignet, Corona-Infektionen nachzuweisen. Eine großangelegte Studie aus Wuhan belege, eine echte asymptomatische Übertragung gebe es nicht. Es könne nur um erst geringfügig symptomatische, so genannte präsymptomatische Fälle gehen, bei denen eine gewisse Ansteckungsgefahr (bei geringer Viruslast) nicht ausgeschlossen werden könnte. Im vorliegenden Fall gebe es nicht den geringsten Hinweis. Das positiv getestete Kind sei nach wie vor gesund, der Beschwerdeführer soundso.

 

 

II. Sachverhalt

 

Im Telefonat am 15.4.2021 verfügte die belangte Behörde die Absonderung des Beschwerdeführers bis zur Zustellung des schriftlichen Bescheides. Mit schriftlichem Bescheid vom 15.4.2021, ***, sprach die belangte Behörde die Absonderung des Beschwerdeführers bis 28.4.2021 in der Unterkunft Adresse 2, **** Y, aus. Die Rechtsmittelbelehrung weist auf die Vorstellung gegen diesen Bescheid hin, welche binnen zwei Wochen bei der belangten Behörde eingebracht werden muss. Der schriftliche Absonderungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Mutter als gesetzliche Vertreterin per E-Mail (BB@hotmail.com ) am 15.4.2021 zugestellt.

 

 

III. Beweiswürdigung

 

Den Bescheid der belangten Behörde vom 15.4.2021, ***, legte der Beschwerdeführer gemeinsam mit der – per E-Mail am 15.4.2021 um 18:39 Uhr eingebrachten – Maßnahmenbeschwerde vor. Dies lässt auf die tatsächlich erfolgte und in der Zustellverfügung vermerkte Zustellung per E-Mail schließen. Die Feststellung hinsichtlich der zuvor erfolgten telefonischen Kontaktaufnahme ergibt sich übereinstimmend aus dem Beschwerdevorbringen und der Begründung des Bescheides.

 

 

IV. Rechtslage

 

Epidemiegesetz (EpiG, BGBl 1950/186 idF I 2021/64)

§ 7 Absonderung Kranker

(1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaß-nahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Jede Anhaltung, die länger als zehn Tage aufrecht ist, ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG, BGBl 1991/51)

§ 57

(1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen.

 

V. Erwägungen

 

A. Unzulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Nach Art 131 Abs 1 B-VG erkennen über Maßnahmenbeschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder, im vorliegenden Fall das Landesverwaltungsgericht Tirol.

 

Nach der stRsp des Verwaltungsgerichtshofs liegt ein Verwaltungsakt in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – somit ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl VwGH 20.11.2006, 2006/09/0188; 22.2.2007, 2006/11/0154). Es muss ein Verhalten vorliegen, das als „Zwangsgewalt“, zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von „Befehlsgewalt“ gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt nach stRsp, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (dazu VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124; 1.3.2016, Ra 2016/18/0008; 29.7.2009, 2008/18/0687 mwN).

 

Die Maßnahmenbeschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG ist grundsätzlich als subsidiäres Rechtsmittel eingerichtet. Diese soll eine Lücke im Rechtsschutzsystem schließen, nicht jedoch Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes schaffen (VwGH 13.2.2020, Ra 2018/01/0402). Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde. Wird ein Bescheid erlassen, können die – bereits vorgenommenen – damit zusammenhängenden faktischen Verfügungen nicht mehr mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden (zB VwGH 20.9.2018, Ra 2018/09/0024). Eine allfällige Rechtswidrigkeit des Bescheides kann nur im Wege der Bescheidbeschwerde geltend gemacht werden (zB VwGH 24.10.2019, Ra 2019/15/0075; 20.10.2020, Ra 2019/16/0107; 22.11.2017, Ra 2017/19/0421 mwN).

Es kann für das gegenständliche Verfahren dahingestellt bleiben, ob – wie vom Beschwerdeführer behauptet – die Absonderung erstmals mit telefonisch erlassenem, mündlichem Bescheid vom 14.4.2021 erfolgte, oder diese – wie von der belangten Behörde im schriftlichen Bescheid angegeben – mit Telefonat vom 15.4.2021 (offenbar ohne Erlassung eines telefonischen Bescheides und somit als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt) verfügt wurde. Unstrittig ist die Erlassung des schriftlichen Absonderungsbescheides am 15.4.2021, welcher dem Beschwerdeführer zu Handen seiner gesetzlichen Vertreterin per E-Mail und somit rechtsgültig zugestellt wurde. Dabei handelt es sich um einen Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG.

 

Mit Entscheidung vom 10.3.2021, G 380/2020, hob der Verfassungsgerichtshof § 7 Abs 1a zweiter Satz EpiG („Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen.“) als verfassungswidrig auf. Diese Entscheidung wurde am 8.4.2021 im Bundesgesetzblatt (I 2021/64) veröffentlicht. Somit gilt für die gegenständliche Absonderung die bereinigte Rechtslage.

 

Wie in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides zutreffend angegeben, besteht – nunmehr aufgrund der vom Verfassungsgerichtshof bereinigten Rechtslage – gegen den schriftlichen Absonderungsbescheid das Rechtsmittel der Vorstellung gemäß § 57 Abs 2 AVG. Eine Rechtswidrigkeit des schriftlichen Absonderungsbescheides ist somit im Wege der Vorstellung und einer Bescheidbeschwerde (gegen den Vorstellungsbescheid) an das Landesverwaltungsgericht Tirol geltend zu machen.

 

Zwar garantiert Art 5 Abs 4 EMRK – worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist – jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme der Haft entzogen ist, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Damit vergleichbar sieht Art 6 Abs 1 PersFrG für jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren vor, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn die Anhaltung hätte vorher geendet.

 

Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben lässt sich jedoch die Zulässigkeit der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde gegen den schriftlichen Absonderungsbescheid nicht argumentieren.

 

Das gegenständliche Rechtsmittel kann auch nicht als „Vorstellung“ gegen einen Mandatsbescheid umgedeutet werden. Bei der Beurteilung, ob ein gegen einen Mandatsbescheid erhobenes Rechtsmittel als Vorstellung oder als unzulässige Beschwerde zu werten ist, kommt es nicht ausschließlich auf seine Bezeichnung an. Lässt sich das Rechtsmittel aufgrund des darin gestellten Begehrens auch als Vorstellung deuten, hat dies zu geschehen. Entscheidend ist, ob sich aus dem Begehren eindeutig ergibt, die Entscheidung welcher Behörde der Rechtsmittelwerber beantragt. Lässt sich aus dem Begehren nichts anderes schließen, als dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts beantragt wird, ist eine Deutung des Rechtsmittels als Vorstellung ausgeschlossen (vgl VwGH 23.10.2015, Ra 2015/02/0029 mwN). Diese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Eine Deutung des erhobenen Rechtsmittels als Vorstellung kommt aus folgenden Gründen nicht in Betracht: Erstens ist dieser Schriftsatz ausdrücklich als „Maßnahmenbeschwerde“ bezeichnet. Zweitens wurde dieser direkt beim Landesverwaltungsgericht Tirol eingebracht und spricht das Verwaltungsgericht auch direkt an. Drittens beantragte der Beschwerdeführer neben der Aufhebung der bescheidmäßig angeordneten Absonderung ausdrücklich die – dem Maßnahmenbeschwerdeverfahren charakteristische – Feststellung der Rechtswidrigkeit und Kostenersatz. Viertens geht die Begründung ausdrücklich auf die Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde gegen den Mandatsbescheid ein. Es liegt daher – zusammengefasst – kein bloß unrichtig bezeichnetes, sondern ein unrichtiges Rechtsmittel vor.

 

Aus diesem Grund ist diese Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

 

B. Entfall der mündlichen Verhandlung

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 und Abs 4 VwGVG entfallen. Erstens wurde diese vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Zweitens lässt – was aus den Akten ersichtlich ist – eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und dem Entfall der Verhandlung stehen weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegen.

 

C. Kosten

Gemäß § 35 VwGVG hat die im Verfahren über Maßnahmenbeschwerden obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Als Aufwendungen gelten (Z 1) Kommissionsgebühren und Barauslagen, (Z 2) Fahrtkosten sowie (Z 3) durch die VwG-AufwandersatzVO festgesetzte Pauschalbeträge (§ 35 Abs 4 VwGVG). Dieser Aufwandersatz ist gemäß § 35 Abs 7 VwGVG auf Antrag der Partei zu leisten. Der belangten Behörde sind weder Aufwendungen entstanden, noch hat sie deren Ersatz beantragt. Somit war dieser auch nicht zuzusprechen.

 

VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Erstens fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, welches Rechtsmittel nach der Aufhebung des § 7 Abs 1a zweiter Satz EpiG durch den Verfassungsgerichtshof (10.3.2021, G 380/2020) nunmehr gegen Absonderungsbescheide existiert. Zweitens besteht aufgrund der immensen Anzahl von Absonderungsbescheiden eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten, was nicht zuletzt die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde veranschaulicht.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von € 240 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

 

 

Landesverwaltungsgericht Tirol

Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA

(Richter)

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte