ABGB §234
ABGB §143
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.13.1442.1
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Dr.in Strele über die Beschwerde des Mohammad AA, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 05.06.2020, GZ ***, betreffend die Gewährung von Leistungen nach dem Tiroler Mindestsicherungsgesetz,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Angefochtener Bescheid, Beschwerdevorbringen, Beweisaufnahme:
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z (im Folgenden: belangte Behörde) vom 05.06.2020, GZ ***, wurden AA (im Folgenden: Beschwerdeführer) unter anderem Leistungen aus der Mindestsicherung gemäß § 6 und §§ 5 und 9 TMSG gewährt. Dabei wurde beim Mindestsatz für Personen, die mit anderen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 5 Abs 2 lit e Z 1 iVm § 9 TMSG), eine Kürzung von Euro 200,00 wegen bestehenden Unterhaltsansprüchen vorgenommen.
In seiner fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde, welche sich gegen die Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt des Sohnes BB richtet, brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber Vorfahren vom Gesetzgeber im Einklang mit der sozialen Struktur als Ausnahme gesehen werde. Im Hinblick darauf, dass die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern nur als Ausnahme in Betracht komme, führe etwa die gröbliche Vernachlässigung zum gänzlichen Anspruchsverlust. Aufgrund des Umstandes, dass BB in seiner Jugend über längere Zeit auf sich gestellt gewesen und es dem Beschwerdeführer und seiner Frau nicht möglich gewesen sei, Unterhalt zu leisten, sei seitens den Eltern die Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn vernachlässigt worden. Da BB im Jahr 2010 die legale Einreise durch die lokalen pakistanischen Mitarbeiter der österreichischen Botschaft in Pakistan verboten worden sei, sei dieser ein Jahr in Pakistan auf sich allein gestellt gewesen, wobei er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes diverse Gelegenheitsjobs durchführen habe müssen. Den Eltern sei es weder zu dieser Zeit noch zum Zeitpunkt der Flucht ihres Sohnes nach Österreich oder während seiner Unterbringung im Asylheim in Y möglich gewesen, Unterhalt zu leisten. Da es den Eltern auch nach einem kurzen gemeinsamen Zusammenleben mit ihrem Sohn in einer Mietwohnung in Österreich und dem Auszug des Sohnes in eine betreute Wohneinrichtung nicht möglich gewesen sei, ihrer Unterhaltsverpflichtung nachzukommen, liege eine gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltsverpflichtung vor.
Neben diesem Umstand müsse auch die Einschränkung des „beneficium competentiae“ berücksichtigt werden, nach welcher die Unterhaltsleistung des Kindes unter Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährden dürfe.
Außerdem obliege es nicht der Mindestsicherungsbehörde, sondern den ordentlichen Gerichten, die Höhe des Unterhaltsanspruches festzusetzen. Zudem wurde vom Beschwerdeführer noch die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, Zahl LWvG-2018/31/2169-2, vom 16.12.2018 zitiert und dazu ausgeführt, dass in diesem Fall in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte für eine Unterhaltsverpflichtung des Sohnes seiner Mutter gegenüber kein Unterhaltsanspruch bestanden habe.
Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Unterhaltsverpflichtung des BB beantragt.
Aufgrund dieser Beschwerde wurde der behördliche Akt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorgelegt.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.
II. Nachstehender Sachverhalt steht als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer AA und seine Frau CC beziehen bereits seit einem längeren Zeitraum Leistungen nach dem Tiroler Mindestsicherungsgesetz. Im Zuge des von der belangten Behörde durchgeführten Verfahrens ist hervorgetreten, dass AA und CC zwei bereits volljährige Kinder haben. Aus diesem Grund hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer und seine Frau mit Bescheid vom 04.03.2020, ***, aufgefordert und ermahnt, Unterhaltsansprüche gemäß § 234 ABGB gegenüber ihrem Sohn BB und ihrer Tochter DD geltend zu machen. Weiters wurden sie dazu angehalten, dem nächsten Verlängerungsantrag eine Bestätigung über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens bzw. einer außergerichtlichen Einigung samt Lohnzettel beizulegen, widrigenfalls der Richtsatz zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 19 Abs 1 lit c TMSG um 20% gekürzt würde. Mit Bescheid vom 20.04.2020, GZ ***, wurden AA und CC erneut dazu aufgefordert, Unterhaltsansprüche geltend zu machen, widrigenfalls der Richtsatz zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 19 Abs 1 lit c TMSG um 30% gekürzt würde.
Mit Eingabe vom 05.06.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Mindestsicherung (Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs), welchem er die Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen seiner Tochter DD sowie seines Sohnes BB der Monate Februar, März und April 2020 beilegte.
Sodann wurde seitens der belangten Behörde der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen.
III. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen sind unstrittig und ergeben sich zweifelsfrei aus dem behördlichen Akt bzw aus den angeführten Beweismitteln.
IV. Rechtliche Beurteilung:
Die verfahrensgegenständlich relevanten Bestimmungen des Tiroler Mindestsicherungsgesetzes (TMSG), LGBl Nr 99/2010 idF LGBl Nr 138/19, lauten wie folgt:
„§ 1
Ziel, Grundsätze
(1) Ziel der Mindestsicherung ist die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Sie bezweckt, den Mindestsicherungsbeziehern das Führen eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen und ihre dauerhafte Eingliederung bzw. Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.
(2) Mindestsicherung ist Personen zu gewähren,
a) die sich in einer Notlage befinden,
b) denen eine Notlage droht, wenn der Eintritt der Notlage dadurch abgewendet werden kann,
c) die eine Notlage überwunden haben, wenn dies erforderlich ist, um die Wirksamkeit der bereits gewährten Leistungen der Mindestsicherung bestmöglich zu sichern.
(3) Mindestsicherung ist auf Antrag oder, wenn den zuständigen Organen (§ 27) Umstände bekannt werden, die eine Hilfeleistung erfordern, auch von Amts wegen zu gewähren.
(4) Leistungen der Mindestsicherung sind so weit zu gewähren, als der jeweilige Bedarf nicht durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte sowie durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Dabei sind auch Hilfeleistungen, die nach anderen landesrechtlichen oder nach bundesrechtlichen oder ausländischen Vorschriften in Anspruch genommen werden können, zu berücksichtigen.
(…)
§ 2
Begriffsbestimmungen
(…)
(8) Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körper- und Gesundheitspflege, Benützung von Verkehrsmitteln, Reinigung, Hausrat und Energie mit Ausnahme der Heizenergie sowie für andere persönliche Bedürfnisse, die eine angemessene soziale und kulturelle Teilhabe ermöglichen.
(9) Die Hilfe zur Sicherung des Wohnbedarfes umfasst den für die Gewährleistung einer bedarfsgerechten Wohnsituation tatsächlich regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, Betriebskosten, Heizkosten und Abgaben.
(…)
§ 5
Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes
(1) Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes besteht in der Gewährung pauschalierter, monatlicher Geldleistungen (Mindestsätze).
(2) Der Mindestsatz beträgt den jeweils folgenden Hundertsatz des Ausgangsbetrages nach § 9:
a) für volljährige Alleinstehende und Alleinerzieher 75 v.H.;
b) für mündige Minderjährige, die Alleinstehende oder Alleinerzieher sind,
1. bis zum Bezug der Familienbeihilfe 75 v.H.,
2. ab dem Bezug der Familienbeihilfe 56,25 v.H.;
c) für Personen, die in Wohngemeinschaften von Opferschutz-, Krisenbetreuungs- oder betreuten Wohnungsloseneinrichtungen oder in Wohngemeinschaften von Einrichtungen der Rehabilitation leben und Leistungen nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz beziehen, sofern ihr Lebensunterhalt nicht zumindest überwiegend im Rahmen der Wohngemeinschaft gedeckt wird 75 v.H.;
d) für Personen, die mit anderen Personen in einer Wohngemeinschaft, die nicht unter die lit. c fällt, leben 56,25 v.H.;
e) für Personen, die mit anderen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft leben,
1. für jede volljährige Person, die nicht unter die Z 2 fällt, 56,25 v.H.,
2. ab der dritten volljährigen Person, sofern diese einer
leistungsbeziehenden Person in der Bedarfsgemeinschaft gegenüber unterhaltsberechtigt ist 37,50 v.H. (…)
§ 9
Ausgangsbetrag
(1) Der Ausgangsbetrag für die Bemessung der Mindestsätze nach § 5 beträgt für das Kalenderjahr 2010 744,01 Euro.
(2) Die Landesregierung hat für jedes folgende Kalenderjahr unter Bedachtnahme auf die Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 ASVG durch Verordnung einen Anpassungsfaktor festzusetzen (Anpassungsverordnung). Der Ausgangsbetrag für die Bemessung der Mindestsätze nach § 5 für dieses Kalenderjahr ergibt sich jeweils durch Multiplikation des Ausgangsbetrages für das vorangegangene Kalenderjahr mit dem Anpassungsfaktor. Die sich aus dem Ausgangsbetrag ergebenden Mindestsätze sind als Anlage zur Verordnung kundzumachen.
(3) Verordnungen nach Abs. 2 können rückwirkend, in einem solchen Fall jedoch frühestens mit dem 1. Jänner jenes Kalenderjahres, für das die Anpassung erfolgt, in Kraft gesetzt werden.
§ 17
Verfolgung von Ansprüchen gegenüber Dritten
(1) Vor der Gewährung von Mindestsicherung hat der Hilfesuchende öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ansprüche auf bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistungen gegen Dritte zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos oder unzumutbar ist.
(2) Mindestsicherung ist unbeschadet der Verpflichtung nach Abs. 1 als Vorausleistung zu gewähren, wenn der Hilfesuchende bis zur tatsächlichen Durchsetzung seiner Ansprüche anspruchsberechtigt im Sinn dieses Gesetzes ist. Die unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung ist jedenfalls zu gewährleisten.
§ 19
Kürzung von Leistungen
(1) Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 kann gekürzt werden, wenn der Mindestsicherungsbezieher
a) seine Notlage vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat,
b) mit den eigenen oder den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln trotz Belehrung und Ermahnung nicht sparsam umgeht,
c) seine Ansprüche gegenüber Dritten nicht in zumutbarer Weise verfolgt,
d) trotz schriftlicher Ermahnung keine Bereitschaft zum Einsatz seiner Arbeitskraft zeigt oder sich nicht um eine ihm zumutbare Beschäftigung bemüht,
e) an einer Begutachtung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit nicht mitwirkt,
f) an einer ihm vom Arbeitsmarktservice oder von einer Behörde vorgeschriebenen Fortbildungs-, Ausbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahme nicht oder nicht im vorgeschriebenen Ausmaß teilnimmt oder, sofern ein Erfolgsnachweis vorgesehen ist, diesen nicht erbringt,
g) an einer ihm vom Arbeitsmarktservice oder von einer Behörde vorgeschriebenen Integrationsmaßnahme, wie einem Deutsch-, Orientierungs- oder Wertekurs, nicht oder nicht im vorgeschriebenen Ausmaß teilnimmt oder, sofern ein Erfolgsnachweis vorgesehen ist, diesen nicht erbringt oder
h) die Erfüllung einer zur besseren Integration vorgeschriebenen Maßnahme nicht oder nicht fristgerecht nachweist.
Die Kürzung ist der Höhe nach mit 66 v. H. des jeweiligen Mindestsatzes nach § 5 begrenzt; sie darf nur stufenweise vorgenommen werden. Eine Kürzung aufgrund der Nichterbringung eines Erfolgsnachweises nach lit. f oder g darf nicht erfolgen, wenn dem Mindestsicherungsbezieher die Erbringung dieses Nachweises insbesondere aufgrund seines Alters, seines physischen oder psychischen Gesundheitszustandes oder seines Bildungsstandes nicht möglich oder zumutbar ist.
(2) Durch die Kürzung darf die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes der mit dem Mindestsicherungsbezieher in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht beeinträchtigt werden.“
Der in § 234 ABGB geregelte Unterhaltsanspruch, wonach ein Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt schuldet, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat, stellt lediglich einen Ausnahmefall dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 23.10.2012, 2011/10/0201, ausdrücklich ausgeführt, dass es sich beim Unterhaltsanspruch von Eltern gegen Kinder gemäß § 143 ABGB (nunmehr: § 234 ABGB) um einen privatrechtlichen Anspruch auf bedarfsdeckende oder bedarfsmindernde Leistungen im Sinn von § 17 Abs 1 Tir MSG 2010 handelt und ein Hilfesuchender einen solchen Anspruch daher zu verfolgen hat, soweit das nicht offensichtlich aussichtslos oder unzumutbar ist. § 23 Abs 3 lit a Tir MSG 2010, wonach ua Kinder nicht zum Kostenersatz verpflichtet sind, steht der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen eines Kindes bei der Bemessung der Mindestsicherungsleistung eines Elternteils nicht entgegen (VwGH 23.10.2012, 2011/10/0201).
Nach § 234 Abs 1 entfällt der Unterhaltsanspruch aber zur Gänze, wenn der Aszendent in der Vergangenheit seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jeweiligen Kind oder Enkel gröblich vernachlässigt hat.
Unter welchen Voraussetzungen von einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht iSd § 143 Abs 1 ABGB auszugehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Insbesondere sind die Dauer der Pflichtverletzung, das bisherige Verhalten des zum Unterhalt Verpflichteten und die Gründe für die Nichterbringung abzuwägen (RIS-Justiz RS0123336, 1 Ob 4/08g).
Der Verwaltungsgerichtshof setzte in seiner Entscheidung vom 29.11.2022, 2007/10/0131, eine gröbliche Vernachlässigung im Sinne von § 143 Abs 1 ABGB der gröblichen Verletzung der Unterhaltspflicht im Sinne von § 198 StGB gleich und führte aus, dass die Unterhaltspflicht im Regelfall darin besteht, dass jemand eine fällige Unterhaltsschuld nicht erfüllt, obwohl er dies könnte. In der Lehre wird die Frage, ob bereits grobe Fahrlässigkeit für die gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht reicht, unterschiedlich beantwortet (Neuhauser in Schwimann/Neumayr § 234 ABGB Rz 2 mwN).
Die Höhe der Unterhaltsverpflichtung eines Kindes gegenüber einem Elternteil richtet sich nach den Lebensverhältnissen sowohl des verpflichteten Kindes als auch des berechtigten Vorfahren und ist grundsätzlich mit 22 % der Bemessungsgrundlage des unterhaltspflichtigen Kindes anzunehmen (vgl E 13. Mai 2011, 2007/10/0304), wobei gemäß § 143 Abs 2 ABGB mehrere Kinder den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten haben (VwGH 23.10.2012, 2011/10/0201). Bei der Unterhaltshöhe kann nicht schematisch auf einen Prozentsatz des Einkommens abgestellt werden, sondern ist der Unterhalt unter Abwägung der Gegebenheiten des Einzelfalles individuell festzusetzen (Stabentheiner/Reiter in Rummel/Lukas, ABGB4 § 234 ABGB [Stand 1.7.2015, rdb.at]). Nachkommen haben nach § 234 Abs 3 ABGB nur soweit Unterhalt zu leisten, als dadurch ihr angemessener Unterhalt und ihre sonstigen Sorgepflichten nicht gefährdet werden (beneficium competentiae).
Im gegenständlichen Fall haben sowohl der Beschwerdeführer AA als auch seine Frau CC beide keine Einkünfte und keinen Anspruch auf Pensionsleistungen nach dem ASVG, weshalb sie iSd § 234 ABGB nicht imstande sind, sich selbst zu erhalten. Zur weiteren Anspruchsvoraussetzung des § 234 ABGB, dem Nichtvorliegen der gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht, ist auszuführen, dass sich vorliegend die Frage, ob bereits grobe Fahrlässigkeit für die gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht ausreicht oder bedingter Vorsatz des Unterhaltspflichtigen erforderlich ist, gar nicht stellt. Der Beschwerdeführer und seine Frau wären aufgrund ihrer eigenen prekären finanziellen Situation selbst nicht in der Lage gewesen, ihre Unterhaltsschuld gegenüber ihrem Sohn zu erfüllen, weshalb im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von keiner gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht iSd § 234 ABGB gesprochen werden kann.
Die belangte Behörde hat die Kürzung des Mindestsatzes wegen der bestehenden Unterhaltsverpflichtung des Sohnes BB gegenüber seinen Eltern AA und CC daher zu Recht angenommen.
Die Unterhaltsverpflichtung der Tochter DD gegenüber ihren Eltern wurde von der belangten Behörde aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse verneint.
Die Berechnung der Höhe des Unterhaltsanspruchs mit circa 22 % des Einkommens von BB kann nicht beanstandet werden, zumal dieser Prozentsatz der ständigen Rechtsprechung des VwGH entspricht und dadurch der angemessene Unterhalt des Leistungspflichtigen selbst nicht angetastet wird.
Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol in einem vergleichbaren Fall der Beschwerde stattgegeben und die Unterhaltspflicht des erwachsenen Sohnes verneint hat, verkennt der Beschwerdeführer, dass in der von ihm zitierten Entscheidung LVwG-2018/31/2169-2 vom 19.12.2018 der Beschwerde stattgegeben wurde, da die belangte Behörde ohne nähere Prüfung der Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin – diese gab im Rahmen des Mindestsicherungsverfahrens an, sie sei sehr wohl selbsterhaltungsfähig und arbeitswillig – einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Sohn bejahte. Im Gegensatz dazu ist im vorliegenden Fall unstrittig, dass AA und CC nicht selbsterhaltungsfähig sind.
Insgesamt war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag.a Dr.in Strele
(Richterin)
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