AbsonderungsV RGBl Nr. 39/1915 idF BGBl I Nr. 20/2020 §1
AbsonderungsV RGBl Nr. 39/1915 idF BGBl I Nr. 20/2020 §2
AbsonderungsV RGBl Nr. 39/1915 idF BGBl I Nr. 20/2020 §4
AbsonderungsV RGBl Nr. 39/1915 idF BGBl I Nr. 20/2020 §5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2022:LVwG.23.11.1522.2022
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Wittmann über die Beschwerde von Frau A B, geb. ***, vertreten durch Herrn C D, Ggasse, J, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom 01.02.2022, GZ: BHMT-70367/2022-1,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde insoweit
F o l g e g e g e b e n ,
als die Absonderung von Frau A B vom 29.01. bis 31.01.2022 rechtswidrig war, jedoch die Absonderung im Zeitraum vom 01.02. bis 05.02.2022 rechtmäßig war.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Wittmann über die Beschwerde von Frau A B, geb. ***, vertreten durch Herrn C D, Ggasse, J, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom 01.02.2022, GZ: BHMT-70367/2022-1, den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG wird der Antrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, als der Passus
„Sie dürfen daher den Aufenthaltsort Bweg, F, oder, im Fall der Verlegung in eine Krankenanstalt, diese nicht verlassen und haben Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden.“
abgeändert wird auf
„Sie haben Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden.“
als unzulässig
z u r ü c k g e w i e s e n .
II. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG wird der Antrag, die belangte Behörde zu verpflichten, die geleistete Pauschalgebühr in Höhe von € 30,00 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution und Verzugszinsen in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 456 UGB an sie zu refundieren, als unzulässig
z u r ü c k g e w i e s e n .
III. Gegen diese Beschlüsse ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom 01.02.2022, GZ: BHMT-70367/2022-1, wurde gemäß der §§ 1, 5, 6, 7, 7a und 17 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr. 186/1950 idF BGBl I 183/2021, (im Folgenden EpiG) und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige, übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II Nr. 15/2020, iVm §§ 1, 2 und 4 der Verordnung des Ministers des Innern betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl Nr. 39/1915 idF BGBl II Nr. 21/2020, und § 57 Abs 1 Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 58/2018, (im Folgenden AVG) zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) die Absonderung von Frau A B (im Folgenden Beschwerdeführerin) mit Wirkung ab 29.01.2022 bis einschließlich 07.02.2022 als bestätigter COVID-19-Erkrankungsfall angeordnet und ihr aufgetragen, dass sie den Aufenthaltsort Bweg, F, oder, im Fall der Verlegung in eine Krankenanstalt, diese nicht verlassen dürfe und Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden habe. Die Absonderung ende mit Ablauf des im Spruch genannten Tages, sofern sie 48h vor diesem Zeitpunkt symptomfrei sei. Sollten noch Symptome bestehen, sei sie verpflichtet, sich umgehend bei der Behörde, die diesen Bescheid erlassen habe, zu melden. Die Absonderung ende frühestens 5 Tage nach Symptombeginn und mindestens 48h Symptomfreiheit oder bei einem asymptomatischen Verlauf frühestens 5 Tage nach Probennahme vorzeitig, wenn sie
- auf behördliche Anordnung getestet werde und das PCR-Testergebnis negativ bzw. der ct-Wert ≥ 30 sei. Im Fall eines negativen Testergebnisses ergehe kein gesonderter Aufhebungsbescheid, sondern ende die Absonderung automatisch mit der Übermittlung des negativen Testergebnisses (beispielsweise per SMS) oder
- ein aufgrund eines selbstständig durchgeführten Heim-PCR-Tests (Gurgeltest) erlangtes negatives Testzertifikat über covid.smtk.gv.at hochlade. In diesem Fall ergehe kein gesonderter Aufhebungsbescheid, sondern ende die Absonderung automatisch mit der Bestätigung der Anerkennung ihres negativen Testzertifikates durch die Behörde (beispielsweise per SMS).
Sofern sie nicht in einer Krankenanstalt abgesondert sei und sie einen Arzt/eine Ärztin benötige, habe sie diese/diesen über ihre positive Testung auf SARS-CoV-2 zu informieren.
Die Vornahme von Untersuchungen sowie die Entnahme von Proben zu labortechnischen Untersuchungen seien zu dulden.
Das Aufsuchen einer stationären Teststraße („Corona-Drive-In“) zur Durchführung eines COVID-19-Tests sei ausschließlich auf Anordnung der Behörde erlaubt. Dies habe unter Vermeidung aller dazu unnötigen Kontakte zu erfolgen. Insbesondere dürfen keine öffentlichen Verkehrsmittel benützt werden.
Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass der SARS-CoV-2-PCR-Test der Beschwerdeführerin positiv gewesen sei, woraus sich ergebe, dass sie eine Trägerin des SARS-CoV-2-Krankheitskeimes sei. Nach Beurteilung der Krankheitsgeschichte durch die zuständige Sanitätsbehörde handle es sich um eine aktuell aufgetretene Infektion mit dem genannten Krankheitskeim. Daher sei sie nicht nur eine Trägerin des SARS-CoV-2-Krankheitskeimes, sondern könne dieses Virus auch verbreiten und andere Personen damit anstecken. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Pandemie-Situation (weltweite Verbreitung einer ansteckungsfähigen Erkrankung) liege Gefahr im Verzug vor, sodass gemäß § 57 Abs 1 AVG die Maßnahme der Absonderung ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren anzuordnen sei. Dies stelle das einzige Mittel zur Verhinderung einer ernstlichen Gefahr für die Gesundheit von anderen Menschen dar und seien daher die im Spruch ersichtlichen Vorkehrungen zu treffen.
Gegen diesen Absonderungsbescheid erhob die Beschwerdeführerin am 03.02.2022 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark und brachte im Wesentlichen vor, dass keine Rechtsgrundlage für die Verfügung der gegenständlichen Absonderung bestehe. Das Sanitätsreferat der Bezirkshauptmannschaft Murtal begründe seinen Bescheid mit der von Mensch-zu-Mensch Übertragbarkeit des Virus durch Tröpfcheninfektion. Ein zumindest 15-minütiger persönlicher Kontakt würde reichen. Weiters führe die belangte Behörde aus, dass es keine spezielle Therapie gegen COVID-19 gebe. Diese Ansicht sei falsch. Laut Bericht des Kurier vom 24.11.2021 habe die Republik Österreich 80.000 Therapiezyklen Molnupiravir sowie 270.000 Therapiezyklen von Paxovid bestellt. Laut Bericht des ORF vom 23.12.2021 soll Molnupiravir noch im Dezember 2021 in Österreich verfügbar sein. Weiters erwähne die belangte Behörde in ihrer Beurteilung nicht, dass es die Immunisierungsmöglichkeit durch eine Schutzimpfung gebe.
Nach § 7 Abs 1a EpiG werden zwei Voraussetzungen normiert, die für die Absonderung einer Person kumulativ vorliegen müssen. Es müsse nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer bestehen. § 4 der AbsonderungsVO normiere, dass Kranke und Krankheitsverdächtige abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen seien. Auch hier sei das gelindeste Mittel anzuwenden. Hinsichtlich der Art der Krankheit führe die belangte Behörde entsprechende Argumente an. Diese können an dieser Stelle mit Einschränkungen der mangelnden spezifischen Therapie als korrekt und dem Stand der Wissenschaft angenommen werden. Hinsichtlich der Gefährlichkeit von COVID-19 in Bezug auf das Vorhandensein einer spezifischen Therapie obliege die Beurteilung dem erkennenden Landesverwaltungsgericht unter Anwendung des Gesetzes. Was hingegen die zweite und zwingende Voraussetzung für eine Absonderung, und zwar das Verhalten des Betroffenen anbelange, habe die belangte Behörde keinerlei Erhebungen angestellt und auch gar nicht behauptet, dass von ihrem Verhalten in Kombination mit ihrem positiven Testergebnis eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Menschen ausgehe oder ausgehen würde. Wenn sich die belangte Behörde darauf berufe, dass aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens Gefahr in Verzug sei, sei festzuhalten, dass die Behörde keinen Mandatsbescheid iSd § 57 Abs 1 AVG erlassen habe. Es habe nach ihrer Wahrnehmung auch keine Begutachtung durch einen Amtsarzt stattgefunden. Mit ihr sei diesbezüglich kein Kontakt aufgenommen worden, noch sei sie beim Amtsarzt vorstellig gewesen. Bisher sei keinerlei ärztliche Untersuchung bei ihr durchgeführt worden. Die Behörde habe durch das Telefonat am 01.02.2022, in dem unter anderem ihr Aufenthaltsort erhoben worden sei, ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Aufgrund des Inhaltes dieses Telefonates hätte die Behörde erkennen müssen, dass sie sich kooperativ verhalte und sinnvolle Maßnahmen, die zur Eindämmung der Verbreitung des Virus geeignet seien, mittrage. Wenn die belangte Behörde erst über drei Tage nach Vorliegen und Übermittlung des positiven Testergebnisses tätig werde, so sei von keinem unmittelbaren bzw. unverzüglichen Handeln aufgrund von Gefahr in Verzug auszugehen. Für die bloße Zustellung des Bescheides am elektronischen Weg habe die belangte Behörde nach dem Telefonat beinahe weitere 24 Stunden benötigt. Die Behörde führe aus, dass die Viren von Mensch-zu-Mensch übertragbar seien und ein 15-minütiger Kontakt für eine Infektion ausreiche. Somit sei ein persönlicher Kontakt über einen gewissen Zeitraum für eine Infektion erforderlich. Unter Anbetracht der Ansicht der belangten Behörde, den wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie ihres Verhaltens stelle die rigorose Absonderung und das Verbot, ihren Aufenthaltsort zu verlassen, nicht das gelindeste Mittel dar. Die Anordnung des gelindesten Mittels werde aber durch § 7 Abs 1a EpiG zwingend vorgeschrieben. § 4 AbsonderungsVO normiere, dass auch andere, gelindere Verkehrsbeschränkungen ausreichen können. Vielmehr gehe die belangte Behörde, ohne diesbezügliche Erhebungen angestellt und Behauptungen aufgestellt zu haben, davon aus, dass sie durch ihr Verhalten, ohne Nutzung des Hausverstandes und ohne Eigenverantwortung das Strafgesetz insofern verletze, als sie ein Verhalten setze, das zumindest zur fahrlässigen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten geeignet sei. Dem österreichischen Strafrecht liege die Unschuldsvermutung iSd § 8 StPO zugrunde. Dies werde durch das Verhalten der belangten Behörde missachtet, indem die belangte Behörde ohne jegliche Erhebungen und ohne Grund zur Annahme davon ausgehe, sie würde strafrechtlich relevantes Verhalten verwirklichen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass nicht beide zwingend zu erfüllenden Bedingungen des § 7 Abs 1a EpiG für die Möglichkeit einer Absonderung erfüllt seien. Die belangte Behörde habe aus diesem Grund ohne Vorliegen einer Rechtsgrundlage die Anhaltung verfügt.
Insbesondere bei Eingriffen in verfassungs- und menschenrechtlich geschützte Grundrechte habe die belangte Behörde erhöhte Sorgfalt walten zu lassen. Vorliegend werde ihr durch Art. 5 EMRK gesichertes Grundrecht auf Freiheit durch die bloße Behauptung der belangten Behörde, die Absonderung wäre das einzige Mittel zur Verhinderung einer ernstlichen Gefahr für die Gesundheit anderer Menschen und ohne Interessenabwägung hinsichtlich des in § 7 Abs 1a EpiG vorgeschriebenen gelindesten Mittels, durch die belangte Behörde eingeschränkt. Weiters sei die belangte Behörde durch die Erlaubnis, mit dem eigenen PKW eine „Corona-Drive-In-Teststraße“ aufzusuchen, selbst der Ansicht, dass sowohl der Weg vom Aufenthaltsort zum Abstellort des eigenen PKWs, als auch Ausfahrten mit dem eigenen PKW nicht geeignet seien, eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Menschen darzustellen. Warum also beispielsweise verboten werde, zu Randzeiten (beispielsweise nachts) den Müll hinaus zu bringen und damit hygienische Grundbedürfnisse zu decken, sei nicht begründet und stelle nicht das gelindeste Mittel zur Verhinderung einer Verbreitung des Virus dar. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe in einem Rechtsatz zu LVwG-Q-11/001/2021 festgehalten, dass eine Absonderung nach § 7a Abs 1a EpiG als Anhaltung zu qualifizieren sei. Weiters habe das LVwG Niederösterreich erkannt, dass die belangte Behörde in jedem Einzelfall besonders genau prüfen müsse, ob eine Anhaltung erforderlich sei oder, ob mit gelinderen Mitteln das Auslangen zum Zweck der Vermeidung der Verbreitung des Virus das Auslangen gefunden werden könne. Derartige Erhebungen habe die belangte Behörde gegenständlich in keinster Art und Weise durchgeführt. In der zugrundeliegenden Entscheidung des LVwG Niederösterreich sei mangels Möglichkeit, einer Dreijährigen das Tragen einer FFP2-Maske aufzutragen, die Absonderung zwar als gerechtfertigt angesehen worden. Der Gesetzgeber vertrete jedoch die Ansicht, dass diese Maßnahme Personen in meinem Alter zumutbar sei. Aus diesem Grund sei die Vorschreibung einer solchen Maßnahme möglich und stelle in Kombination mit dem Gebot, den Kontakt zu anderen Personen zu vermeiden, ein geeignetes und gelinderes Mittel zur Vermeidung der Verbreitung des Virus dar.
Sollte also wider Erwarten festgestellt werden, dass für die Möglichkeit der Absonderung eine Rechtsgrundlage bestehe, sei zusammenfassend festzustellen, dass die belangte Behörde unter Missachtung der Gesetzeslage und der Rechtsprechung das schärfste ihr zur Verfügung stehende Mittel ergriffen habe. Die bei Eingriffen in Grundrechte nötige Sorgfältigkeit sei grob vernachlässigt worden.
Abschließend stellte die Beschwerdeführerin die Anträge
1.) den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, als der Passus
„Sie dürfen daher den Aufenthaltsort Bweg, F, oder, im Fall der Verlegung in eine Krankenanstalt, diese nicht verlassen und haben Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden“
abgeändert wird auf
„Sie haben Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden“;
2.) zu erkennen, dass das verhängte Verbot, ihren Aufenthaltsort zu verlassen, rechtswidrig verfügt worden sei;
3.) die belangte Behörde zu verpflichten, die geleistete Pauschalgebühr in Höhe von € 30,00 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution und Verzugszinsen in Höhe von 9,2 %-Punkten über den Basiszinssatz gemäß § 456 UGB an sie zu refundieren;
4.) auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der ihr am Stand der Technik die Teilnahme in elektronischer Form ermöglicht werde.
Da die Bezirkshauptmannschaft Murtal mit Bescheid vom 05.02.2022 die Absonderung der Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirkung aufhob, bestand für das Landesverwaltungsgericht Steiermark keine Verpflichtung innerhalb der Wochenfrist gemäß § 7a Abs 4 EpiG zu entscheiden.
Am 30.03.2022 fand vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an der die Beschwerdeführerin und ihr anlässlich der Verhandlung bevollmächtigter Vertreter teilnahmen und in deren Verlauf die Beschwerdeführerin sowie der Zeuge Dr. G H einvernommen wurden. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
II. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist *** Jahre alt. Sie wohnt in F, Bweg. Beschäftigt ist sie in der Verwaltung der I J GmbH in J, Ggasse. Sie war bereits zwei Mal gegen COVID-19 geimpft und erhielt die dritte Impfung („Booster“) am 20.01.2022. Bei sämtlichen Impfungen erhielt sie den Impfstoff des Pharmakonzerns Pfizer.
Am Donnerstag, dem 27.01.2022, ließ die Beschwerdeführerin einen PCR-Test durchführen, der ein negatives Ergebnis zeigte. Am nächsten Tag, dem 28.01.2022, war ein in der I J GmbH durchgeführter Antigen-Test positiv. Daraufhin wurde in der hauseigenen Teststraße ein PCR-Test durchgeführt. Danach verließ die Beschwerdeführerin ihren Arbeitsort und begab sich nach Hause.
Am Samstag, dem 29.01.2022, wurde die Beschwerdeführerin in der Früh per SMS davon verständigt, dass ihr PCR-Test ein positives Ergebnis (mit einem ct-Wert von 29,54) erbracht hat. Am Dienstag, dem 01.02.2022, wurde die Beschwerdeführerin von einer Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Murtal in der Früh angerufen und eruiert, dass es keine Kontaktpersonen im gemeinsamen Haushalt der Beschwerdeführerin gibt. Kurze Zeit später erhielt die Beschwerdeführerin per E-Mail den Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom 01.02.2022 für den Zeitraum 29.01.2022 bis einschließlich 07.02.2022 als bestätigter COVID-19-Erkrankungsfall. Am darauffolgenden Tag, Mittwoch, dem 02.02.2022, wollte sich die Beschwerdeführerin freitesten und ließ einen PCR-Test durchführen, der ein positives Ergebnis (ct-Wert 31) ergab. Vom Ergebnis wurde die Beschwerdeführerin per SMS am 03.02.2022 verständigt. Am Freitag, dem 04.02.2022 ließ die Beschwerdeführerin neuerlich einen PCR-Test durchführen, der neuerlich einen ct-Wert von 31 ergab. Vom Testergebnis wurde die Beschwerdeführerin am 05.02.2022 per SMS verständigt. In der Früh nahm auch der Epidemiearzt Dr. K L Kontakt mit der Beschwerdeführerin auf. Die Beschwerdeführerin hatte nur am vorangegangenen Wochenende Symptome in Form von Kopf- und Halsschmerzen. Danach hatte sie keine Symptome mehr. Dr. K L kam zum Schluss, dass ein leichter Krankheitsverlauf vorliege und dass die Absonderung aufgehoben werden könne. Daraufhin wurde noch am selben Tag, dem 05.02.2022, von der Bezirkshauptmannschaft Murtal ein Bescheid erlassen und die Absonderung der Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Am Montag, dem 07.02.2022, kontaktierte die Beschwerdeführerin die Bezirkshauptmannschaft Murtal, weil ihr nicht klar war, warum die Absonderung aufgehoben wurde, obwohl das Testergebnis nach wie vor positiv war. Die Beschwerdeführerin wurde kurz darauf vom Epidemiearzt Dr. G H zurückgerufen und teilte ihr Dr. G H mit, dass aufgrund des ct-Wertes über 30 (nämlich 31) und der vorliegenden Symptomfreiheit die Absonderung aufgehoben werden konnte.
Bereits am 03.02.2022 hatte die Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den Absonderungsbescheid vom 01.02.2022 beim Landesverwaltungsgericht Steiermark eingebracht.
In der Steiermark gab es am 28.01.2022 4.350 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2, am 29.01.2022 3.946, am 30.01.2022 3.127, am 31.01.2022 3.030, am 01.02.2022 6.524, am 02.02.2022 5.920, am 03.02.2022 5.390, am 04.02.2022 5.079 und am 06.02.2022 4.105 Neuerkrankungen (insgesamt im Zeitraum vom 28.01. bis 06.02.2022 41.471 Neuerkrankungen). Am 29.01.2022 gab es in der Steiermark 33.577 aktiv Infizierte.
Ende Jänner/Anfang Februar 2022 war bereits nach der Delta-Variante die noch ansteckendere Variante Omikron in Österreich bei Neuinfektionen vorherrschend. Antivirale Medikamente (Regkirona, Xevudy sowie Paxovid) sind in Österreich nur für Patienten zugelassen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben (z.B. Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, geschwächtes Immunsystem). Die Beschwerdeführerin gehört nicht zu dieser Risikogruppe.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Infektion der Beschwerdeführerin mit dem Coronavirus, ihre durchgeführten PCR-Tests sowie ihre Absonderung beziehungsweise die Aufhebung der Absonderung basieren auf den Angaben der Beschwerdeführerin im Zuge der Verhandlung am 30.03.2022 sowie dem von der belangten Behörde vorgelegten Absonderungsbescheid vom 01.02.2022 bzw. dem Bescheid über die Aufhebung der Absonderung vom 05.02.2022. Der als Zeuge einvernommene Dr. G H konnte Auskunft über das von ihm mit der Beschwerdeführerin am 07.02.2022 geführte Aufklärungsgespräch geben und weiters, dass die Aufhebung der Absonderung durch seinen Kollegen Dr. K L am 05.02.2022 erfolgte. Die Einvernahme von Dr. K L war nicht erforderlich, weil der Sachverhalt bezüglich des Krankheitsverlaufes von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, sondern es ihr in erster Linie darum geht, dass bei der Entscheidung über die Absonderung auf ihr Verhalten nicht Bezug genommen wurde und keine gelinderen Mittel in Betracht gezogen wurden. Die Feststellungen über die Zahl der in der Steiermark Ende Jänner beziehungsweise Anfang Februar 2022 mit dem Coronavirus Neuinfizierter konnte aufgrund der im Internet abrufbaren Statistik des Landes Steiermark getroffen werden. Dass in Österreich antivirale Medikamente bei einer Erkrankung mit SARS-CoV-2 nur für Risikopatienten zugelassen sind, ergibt sich aufgrund einer entsprechenden Information auf der Homepage des Gesundheitsministeriums.
IV. Rechtsgrundlagen:
§ 28 Abs 1 und 2 VwGVG:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr. 684/1988 idgF (PersFrG):
Artikel 1
(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).
(2) Niemand darf aus anderen aus den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.
(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.
…
Artikel 2
(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
…
5. wenn Grund zu Annahme besteht, dass er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde;
…
Artikel 6
(1) Jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen 1 Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.
Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention lautet:
(1) jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a) wenn er rechtmäßig nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht in Haft gehalten wird;
b) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, wegen Nichtbefolgung eines rechtmäßigen Gerichtsbeschlusses oder zur Erzwingung der Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung;
c) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, sofern hinreichender Verdacht dafür bestehet, dass der Betreffende eine strafbare Handlung begangen hat, oder begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer strafbaren Handlung oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d) wenn es sich um die rechtmäßige Haft eines Minderjährigen handelt, die zum Zweck überwachter Erziehung angeordnet ist, oder um die rechtmäßige Haft eines solchen, die zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde verhängt ist;
e) wenn er sich in rechtmäßiger Haft befindet, weil er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten bildet, oder weil er geisteskrank, Alkoholiker, rauschgiftsüchtig oder Landstreicher ist;
f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.
(2) Jeder Festgenommene muss in möglichst kurzer Frist und in einer ihm verständlichen Strafe über die Gründe seiner Festnahme und über die gegen ihn erhobene Beschuldigungen unterrichtet werden.
(3) jede nach der Vorschrift des Abs 1 c dieses Artikels festgenommene oder in Haft gehaltene Person muss unverzüglich einem Richter oder einem anderen gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten vorgeführt werden. Er hat Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens. Die Freilassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhängig gemacht werden.
(4) Jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, hat das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird.
(5) Jeder, der entgegen den Bestimmungen dieses Artikels von Festnahme oder Haft betroffen worden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz.
Die für das Verfahren wesentlichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr. 186/1950 idF BGBl I Nr. 255/2021, lauten:
§ 1:
Anzeigepflichtige Krankheiten
…
(2) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann, wenn dies aus epidemiologischen Gründen gerechtfertigt oder auf Grund internationaler Verpflichtungen erforderlich ist, durch Verordnung weitere übertragbare Krankheiten der Meldepflicht unterwerfen oder bestehende Meldepflichten erweitern.
…
§ 5:
Erhebung über das Auftreten einer Krankheit
(1) Über jede Anzeige sowie über jeden Verdacht des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit haben die zuständigen Behörden durch die ihnen zur Verfügung stehenden Ärzte unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten. Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige sind verpflichtet, den zuständigen Behörden die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sich den notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen. Zum Zwecke der Feststellung von Krankheitskeimen sind hiebei nach Möglichkeit fachliche Untersuchungsanstalten in Anspruch zu nehmen.
…
§ 6:
Einleitung von Vorkehrungen bei Auftreten anzeigepflichtiger Krankheiten
(1) Über jeden Fall einer anzeigepflichtigen Krankheit sowie über jeden Verdachtsfall einer solchen Krankheit sind, neben den nach § 5 etwa erforderlichen Erhebungen, ohne Verzug die zur Verhütung der Weiterverbreitung der betreffenden Krankheit notwendigen Vorkehrungen im Sinne der folgenden Bestimmungen für die Dauer der Ansteckungsgefahr zu treffen.
…
§ 7:
Absonderung Kranker
(1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.
(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen abgesondert oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden , sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann.
(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.
…
§ 7a_
Rechtsschutz bei Absonderungen
(1) Personen, die gemäß § 7 abgesondert werden oder abgesondert wurden oder denen gegenüber eine Absonderung angeordnet wurde, haben das Recht, das Landesverwaltungsgericht mit der Behauptung, in ihren Rechten verletzt zu sein, anzurufen.
(2) Gegen die Anordnung der Absonderung mittels Mandatsbescheids (§ 57 Abs. 1 AVG) ist eine Vorstellung nicht zulässig.
(3) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass die belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat oder der die Absonderung zuzurechnen ist. Örtlich zuständig ist das Landesverwaltungsgericht jenes Landes, in dem die belangte Behörde ihren Sitz hat. Das Landesverwaltungsgericht hat die belangte Behörde umgehend über das Einlangen der Beschwerde zu informieren.
(4) Die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes über die Rechtmäßigkeit der Absonderung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Absonderung hätte vorher geendet. Hat das Landesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird die Zeit bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist in die Entscheidungsfrist nicht einberechnet.
(5) Sofern die Absonderung noch andauert, hat das Landesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Absonderung maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(6) Soll eine Absonderung länger als 14 Tage dauern, ist sie dem Landesverwaltungsgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde, die sie verfügt hat, unverzüglich anzuzeigen. Das Landesverwaltungsgericht hat in längstens vierwöchigen Abständen ab der Absonderung oder der letzten Überprüfung über die Notwendigkeit der Absonderung zu entscheiden. Die Bezirksverwaltungsbehörde, die die Absonderung verfügt hat, hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Landesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt, und hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Absonderung notwendig ist. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für die abgesonderte Person eingebracht. Das Landesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Absonderung maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Absonderung verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde nach Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
§ 43:
Behördliche Kompetenzen
…
(4) Die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetze vorgeschriebener Erhebungen und Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten beziehungsweise die Überwachung und Förderung der in erster Linie von den zuständigen Sanitätsorganen getroffenen Vorkehrungen sind Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde.
Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtiger, übertragbarer Krankheiten 2020, BGBl II Nr. 15/2020:
Aufgrund des § 1 Abs 2 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl I Nr. 37/2018, wird verordnet:
„Der Anzeigepflicht nach dem Epidemiegesetz 1950 unterliegen Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle an 2019 nCoV („2019 neuartiges Coronavirus“).“
Verordnung des Ministers des Innern im Einvernehmen mit dem Minister für Kultus und Unterricht vom 22.02.1915, betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl Nr. 39/1915 idF BGBl II Nr. 21/2020 (in der Folge: Absonderungsverordnung):
Auf Grund der §§ 7, 17 und 21 des Gesetzes vom 14. April 1913, R. G. Bl. Nr. 67, betreffend die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, wird verordnet, wie folgt:
§ 1:
Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer anzeigepflichtigen Krankheit (§ 1 des Gesetzes vom 14. April 1913, R. G. Bl. Nr. 67, und Artikel I des Bundesgesetzes vom 3. Dezember 1925, B. G. Bl. Nr. 449) können gegenüber kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen Maßnahmen zum Zwecke der räumlichen Absonderung oder anderweitiger bestimmter Verkehrsbeschränkungen verfügt werden.
Als krank gelten jene Personen, bei denen die Krankheit bereits festgestellt ist, als krankheitsverdächtig solche, die Erscheinungen zeigen, die das Vorhandensein der Krankheit vermuten lassen, als ansteckungsverdächtig solche, die zwar keine Krankheitserscheinungen aufweisen, bei denen jedoch bakteriologisch nachgewiesen ist, daß sie als Träger des Krankheitskeimes anzusehen sind, oder bei denen sonst feststeht oder erfahrungsgemäß anzunehmen ist, daß sie der Ansteckung ausgesetzt waren und die Weiterverbreitung vermitteln können.
§ 2:
Die Absonderung oder Verkehrsbeschränkung der Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen hat auf die Dauer der Ansteckungsgefahr derart zu erfolgen, daß eine Weiterverbreitung der Krankheit hintangehalten wird.
Die Absonderung besteht in der Unterbringung der im Absatze 1 erwähnten Personen in gesonderten Räumen.
Unter den Verkehrsbeschränkungen können eine besondere Meldepflicht, die sanitätspolizeiliche Überwachung, die periodische ärztliche Untersuchung usw. als selbständige Maßregel angeordnet werden. Der Besuch von Lehranstalten, öffentlichen Lokalen und Versammlungsorten, die Benützung öffentlicher Transportmittel u. dgl., ferner Beschäftigungen, die einen häufigen Verkehr mit anderen Personen bedingen, können verboten werden.
Durch entsprechende Vorkehrungen ist Vorsorge zu treffen, daß nicht durch die Aus- und Abscheidungen des Kranken, Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen die Krankheit weiterverbreitet werde.
Auch kann angeordnet werden, daß Tiere, insbesondere Ungeziefer, Fliegen, Stechmücken u. dgl., vor allem sofern eine Weiterverbreitung der Krankheit durch diese in Betracht kommt, ferngehalten oder beseitigt werden.
Welche der vorstehenden Verfügungen zu treffen sind, ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Verordnung fallweise auf Grund des Gutachtens des zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes anzuordnen.
…
§ 4:
Bei Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr (Dysenterie), epidemischer Genickstarre, Flecktyphus, Blattern, asiatischer Cholera, Pest, Rückfalltyphus, gelbem Fieber, Rotz der Poliomyelitis anterior acuta, SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome),viralem hämorrhagischem Fieber oder MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus/“neues Corona-Virus“) sind die Kranken oder Krankheitsverdächtigen abzusondern und Influenzainfektion mit dem Virus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus. Bei Wochenbettfieber, Aussatz (Lepra) oder Wutkrankheit und wenn eine besondere Gefahr der Übertragung besteht, auch bei ägyptischer Augenentzündung (Trachom) oder Milzbrand, sind die Kranken abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen. Bei Masern od er Infektion mit 2019-nCoV (“2019 neuartiges Coronavirus„) sind die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen.
§ 5:
Bei Ansteckungsverdächtigen sind jene der in § 2 bezeichneten Maßnahmen anzuwenden, die fallweise nach dem Gutachten des im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes erforderlich sind.
…
V. Rechtliche Beurteilung:
Aufgrund der seit 09.04.2021 im Hinblick auf § 7 Abs. 1a EpiG 1950 geänderten Rechtslage (vgl. VfGH 10.03.2021, G 380/2021-17 ua; kundgemacht: BGBl. I Nr. 64/2021 am 08.04.2021) ist zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde das Landesverwaltungsgericht Steiermark zuständig.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss.
„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).
Beschwerdegegenstand ist im vorliegenden Fall die Frage, ob die belangte Behörde die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 29.01.2022 bis 05.02.2022 aufgrund ihrer SARS-CoV-2-Erkrankung gesetzes- und verordnungsgemäß abgesondert hat.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 5 PersFrG und Art. 5 Abs 1 lit e EMRK darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei. Diese Bestimmungen bilden die verfassungsrechtliche Grundlage für den präventiven Freiheitsentzug nach dem TuberkuloseG und dem EpiG. Demnach ist die Anhaltung aufgrund eines Wahrscheinlichkeitsurteils möglich, das von bestimmten krankheitsspezifischen Eigenschaften der betreffenden Person und einem prognostischen Element „Gefahr“ abhängt (vgl. LG St. Pölten 20.1.2021, 7 R 4/21z). Nicht erforderlich ist, dass die betroffene Person selbst an der Krankheit leidet, sondern es muss von ihr nur die Gefahr der Ausbreitung der Krankheit ausgehen; in diesem Zusammenhang spielen freilich epidemiologische Merkmale der Krankheit (Übertragungswege, Infektiosität etc.) eine Rolle.
Die im Zuge einer Absonderung angeordneten Freiheitsentziehungen sind nur zulässig, soweit sie im Sinne des Art. 1 Abs. 3 PersFrG notwendig bzw. verhältnismäßig sind.
Nach § 7 Abs. 1 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) werden durch Verordnung jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können. Mit Verordnung vom 26.01.2020, BGBl II Nr. 15/2020 hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz die Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle an 2019-nCoV („2019 neuartiges Coronavirus“) dieser Anzeigepflicht unterworfen.
Aufgrund § 7 Abs. 1a Epidemiegesetz 1950 können zur Verhütung der Weiterverbreitung derartiger anzeigepflichtiger Krankheiten kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann.
Zumal das EpiG – anders als das TuberkuloseG – keinen Rechtsschutz ex ante einräumt, muss im Fall einer Anhaltung („Absonderung“) nach § 7 Abs. 1a EpiG in jedem Einzelfall besonders genau geprüft werden, ob eine Absonderung im Sinne einer Anhaltung tatsächlich erforderlich ist oder ob nicht mit verkehrsbeschränkenden Maßnahmen das Auslangen gefunden werden kann (vgl. Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts (2020), S. 122).
Dies geht auch aus den Bestimmungen der Absonderungsverordnung hervor, wonach (gemäß § 2) „fallweise“ auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens anzuordnen ist, welche Verfügungen zu treffen sind, (gemäß § 4) Kranke und Krankheitsverdächtige (mit COVID-19) abzusondern oder „nach den Umständen des Falles“ lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen sind und (gemäß § 5) bei Ansteckungsverdächtigen Maßnahmen anzuwenden sind, die „fallweise“ nach einem amtsärztlichen Gutachten erforderlich sind.
Ansteckungsverdächtige Personen sind nach § 1 der Verordnung betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger (Absonderungsverordnung) unter anderem solche, die zwar keine Krankheitserscheinungen aufweisen, bei denen jedoch sonst feststeht oder erfahrungsgemäß anzunehmen ist, dass sie einer Ansteckung ausgesetzt waren und die Weiterverbreitung vermitteln können.
Als Verkehrsbeschränkungen können gemäß § 2 Abs 3 AbsonderungsV eine besondere Meldepflicht, die sanitätspolizeiliche Überwachung, die periodische ärztliche Untersuchung usw. angeordnet werden. Weiters kann der Besuch von Lehranstalten, öffentlichen Lokalen und Versammlungsorten, die Benützung öffentlicher Transportmittel und dergleichen wie auch Beschäftigungen, die einen häufigen Verkehr mit anderen Personen bedingen, verboten werden. Die Grundlage für die Entscheidung, ob eine Absonderung oder sonstige Verkehrsbeschränkungen verfügt werden, ist gemäß § 2 der AbsonderungsV „dass eine Weiterverbreitung der Krankheit hintangehalten wird“.
Zum Beschwerdevorbringen, es müsse nicht nur auf die Art der Krankheit, sondern auch auf das Verhalten des Betroffenen Rücksicht genommen werden und weiters, dass nur das gelindeste Mittel anzuwenden wäre, ist Folgendes auszuführen:
Zur Prüfung der Zulässigkeit von Anhaltungen aufgrund einer bestätigten Erkrankung an COVID-19 ist auszuführen, dass die vom Gesetz geforderte „ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen“ wohl schon in der Art der Krankheit liegt, sodass dem Verhalten des Betroffenen weniger Bedeutung zukommt. Da der Erreger bisher unbekannt war, hoch infektiös ist (insbesondere die zuletzt aufgetretenen Varianten Delta und nunmehr Omikron) und es der medizinischen Wissenschaft auch noch nicht gelungen ist, Aussagen über sämtliche Übertragungswege, etwa wie lange das Virus auf Oberflächen überlebt, zu treffen, liegt schon in der Art der Krankheit, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie in mittlerweile recht zahlreichen Fällen einen lebensbedrohenden bis tödlichen Verlauf nehmen kann, ein Umstand, der die Gesundheit Anderer ernstlich und erheblich gefährdet, und damit eine den Freiheitsentzug rechtfertigende Grundlage darstellt. Ob der Erkrankte außerhalb seiner Wohnung Hygienevorschriften befolgen und eine Schutzmaske tragen würde, wird demnach zur Beurteilung der Zulässigkeit der Absonderung keine Bedeutung zukommen, zumal dies auch kaum bzw. gar nicht kontrollierbar wäre. Von der Behörde kann auch nicht erwartet werden, eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob die betroffene Person aufgrund des Ausbildungsstandes, Berufes und ihrem Auftreten so vernünftig ist, sich an allfällige Vorgaben von Verkehrsbeschränkungen zu halten. Bei den angeführten Fallzahlen (am 29.01.2022, 33.577 aktiv Infizierte) kann eine „fallweise“ Einzelüberprüfung und die Anordnung individueller einzelner Verkehrsbeschränkungen als nicht vollziehbar und damit auch nicht zur Eindämmung des Corona-Virus geeignet angenommen werden. Um also die in § 2 AbsonderungsV normierte Hintanhaltung der Weiterverbreitung der Krankheit zu erwirken, muss im Rahmen der Pandemie mit Absonderungen vorgegangen werden.
Auch muss berücksichtigt werden, dass durch die Absonderung am Wohnort der Beschwerdeführerin gegenüber einer Absonderung in einer Krankenanstalt das gelindere Mittel gewählt wurde. Somit hat die belangte Behörde nicht – wie in der Beschwerde ausgeführt – das schärfste ihr zu Verfügung stehende Mittel gewählt. Demnach gibt es für den gesamten infektiösen Zeitraum kein gelinderes Mittel zur angeordneten Absonderung bzw. Heimquarantäne. Die Anhaltung ist entsprechend den im gegenständlichem Fall maßgeblichen, nach dem aktuellen Stand der Forschung geltenden Empfehlung und Leitlinien jedenfalls zulässig, wenn eine Erkrankung an COVID-19 – wie im gegenständlichen Fall – nachgewiesen ist (siehe dazu die Empfehlung für die Gesundheitsbehörde zur Entlassung von bestätigten Fällen aus der Absonderung; Stand 25.03.2022 und behördliche Vorgehensweise bei SARS-CoV2-Kontaktpersonen; Stand 21.03.2022; LVwG Niederösterreich 07.06.2021, GZ. LVwG-AV-623/001-2021; Mokrejs-Weinhappel, Die gerichtliche Überprüfung von Anhaltungen wegen COVID-19 nach dem Epidemiegesetz – Ein Überblick iFamZ 2020, 84 ff.).
Geht man nun davon aus, dass die Beschwerdeführerin an SARS-CoV-19 erkrankt war (PCR-Test mit einem ct-Wert unter 30), es sich bei der zu diesem Zeitpunkt bereits vorherrschenden Variante Omikron um eine noch gefährlichere weil noch ansteckendere Variante gehandelt hat, zu diesem Zeitpunkt Ende Jänner/Anfang Februar die täglichen Infektionszahlen sprunghaft angestiegen sind, kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, dass die Beschwerdeführerin an ihrem Wohnort bescheidmäßig abgesondert wurde.
Zum Einwand, dass es spezifische Therapien gegen COVID-19 gebe, ist Folgendes zu sagen:
Es gibt zwar Impfstoffe, gegen das Corona-Virus, jedoch bietet keiner der zugelassenen Impfstoffe einen 100%-igen Schutz. Dies kann man ja auch im gegenständlichen Fall sehen, wonach trotz einer „Booster“-Impfung am 20.01.2022 die Beschwerdeführerin eine Woche später an SARS-CoV-19 erkrankte und auch in der ersten Krankheitsphase Symptome in Form von Kopf- und Halsschmerzen hatte. Zu den Zeitungsberichten über bestellte Medikamente für die Behandlung der Erkrankung ist darauf zu verweisen, dass diese antiviralen Medikamente nur für Risikopatienten, die einen schweren Verlauf haben, zugelassen sind. Laut Standard vom 02.05.2022 kann einer vom Pharmakonzern Pfizer in Auftrag gegebenen Studie Zufolge das COVID-19 Medikament Paxlovid des Unternehmens Infektionsübertragungen nicht verhindern.
Die Behörde hat die wegen Gefahr in Verzug notwendigen Ermittlungen geführt. Die telefonische Erfragung des Aufenthaltsortes war erforderlich, weil dieser für den Absonderungsbescheide erforderlich war. Die Frage nach Kontaktpersonen bzw. Personen im gemeinsamen Haushalt war erforderlich, weil bejahendenfalls von der Behörde weitere Maßnahmen zu treffen gewesen wären.
Zum Einwand, dass es nicht erklärbar sei, dass Gefahr in Verzug vorliege, wenn die Behörde nachdem sie am 29.01.2022 vom Testergebnis erfahre, erst am darauffolgenden Dienstag, dem 01.02.2022, den Absonderungsbescheid erlassen hat, ist darauf zu verweisen, dass gerade in diesem Zeitpunkt ein starker Anstieg an Neuinfektionen stattfand und allein in der Steiermark im Zeitraum vom 28.01. bis 05.02.2022 insgesamt 41.471 Neuinfektionen zu verzeichnen waren. Abgesehen davon, dass bei derart hohen Infektionszahlen ein Contact Tracing nicht mehr sinnvoll zu bewerkstelligen war, war es den Bezirksverwaltungsbehörden auch nicht möglich, sämtliche Absonderungsbescheide umgehend zu erlassen. Dies ändert aber nichts daran, dass aufgrund der festgestellten Erkrankung zweifellos Gefahr in Verzug bestand.
Wenn darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerdeführerin entlegen auf dem Berg wohne, kein Holz zum Heizen holen habe können und nicht zu ihrem Postkasten gelangt sei, ist zu bemerken, dass es lebensfremd wäre, bei derart hohen Infektionszahlen, auf die Lebensverhältnisse der erkrankten Personen Bezug zu nehmen und individuell abgestimmte Verhaltensweisen als gelindere Mittel vorzuschreiben. Somit war das Verbot, ihren Aufenthaltsort während der Absonderung zu verlassen, für den eingeschränkten Zeitraum vom 01.02. bis 05.02.2022 nicht rechtswidrig und der Antrag diesbezüglich abzuweisen.
Der Einwand, es sei ja auch erlaubt, eine „Corona-Drive-In“ Teststraße aufzusuchen, ist nicht nachvollziehbar, dient diese Maßnahme (unter strengen Auflagen: Anordnung durch die Behörde, Vermeidung aller dazu unnötigen Kontakte, keine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) doch dazu, sich im Fall einer 48-stündigen Symptomlosigkeit frühestens nach 5 Tagen „freizutesten“, damit im Fall eines negativen PCR-Tests die Absonderung eben so früh wie möglich beendet werden kann.
Die Bezirkshauptmannschaft Murtal hat aber bei der Erlassung ihres Bescheides vom 01.02.2022 nicht beachtet, dass eine Absonderung durch Bescheid nach § 7 EpiG in die Zukunft gerichtet zu sein hat und keine rechtliche Grundlage dafür besteht, im Nachhinein – und damit rückwirkend – eine Absonderung durch Bescheid auszusprechen (vgl. VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173; 10.02.2022, Ro 2022/03/0002). Daher war mit der nunmehrigen Entscheidung auszusprechen, dass die Absonderung der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 29.01. bis 31.01.2022 rechtswidrig, für den Zeitraum 01.02. bis 05.02.2022 aber rechtmäßig war.
Der Antrag, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführerin nur vorgeschrieben wird, Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden, war als unzulässig zurückzuweisen, weil nur insgesamt zu überprüfen war, ob die Absonderung im ausgesprochenen Zeitraum rechtswidrig oder rechtmäßig war. Es kann aber nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein, im Nachhinein, also rückwirkend, bescheidmäßig ein anderes Verhalten vorzuschreiben und kommt dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine diesbezügliche Kognitionsbefugnis nicht zu.
Der Antrag, die belangte Behörde zu verpflichten, die geleistete Pauschalgebühr in Höhe von € 30,00 zu refundieren, war ebenfalls zurückzuweisen, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gibt.
Zulässigkeit der ordentlichen Revision bezüglich des Erkenntnisses:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren die Rechtsfrage zu lösen war, ob und inwieweit bei der Überprüfung der Absonderung bei einer festgestellten COVID-19-Erkrankung gelindere Mittel zu prüfen sind und eine solche Rechtsprechung fehlt.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision bezüglich des Beschlusses:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil bezüglich der mit Beschluss zurückgewiesenen Anträge keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
