LVwG Salzburg 405-3/921/1/7-2022

LVwG Salzburg405-3/921/1/7-202219.4.2022

BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1
ROG Slbg 2009 §57 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGSA:2022:405.3.921.1.7.2022

 

 

 

B E S C H L U S S

 

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg beschließt durch die Richterin Mag. Andrea Resch über die Beschwerde von AB AA, AJ, vertreten durch Rechtsanwälte AD, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 16.12.2021, Zahl xxx:

 

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG an die belangte Behörde zurückverwiesen.

 

II. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

1. Verfahrensgang:

 

1.1 Mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg (im Folgenden: belangte Behörde) vom 16.12.2021, Zahl xxx (im Folgenden: angefochtener Bescheid) wurde die baupolizeiliche Bewilligung über Ansuchen des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 25.03.2021, zuletzt modifiziert am 02.11.2021, für die Errichtung eines Wohnhauses auf Grundstück Nr aa/b KG AK (im Folgenden: Bauliegenschaft) gemäß Projektunterlagen der AL GmbH & Co KG (ON 40 im Bauakt der belangten Behörde) gemäß § 9 Abs 1 Z 2 und Z 3 Salzburger Baupolizeigesetz 1997 (im Folgenden: BauPolG) versagt. Begründend ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die im Bebauungsplan verordnete Bauhöhe und die Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz durch das projektierte Vorhaben nicht eingehalten würden. Die Besonderheit des beschwerdegegenständlichen Vorhabens liege nach Ansicht der belangten Behörde darin, dass die Längsseiten des projektierten Baukörpers unter „Ausnutzung“ des Privilegs für Giebelfronten errichtet werden solle und nicht wie bei Satteldächern üblich und auch dem Salzburger Baurechtssystem entsprechend, die Schmalseite (Stirnseite) des Hauses als Giebelfront ausgeführt werde. Das „Giebelprivileg“ im Sinn des § 57 Abs 3 zweiter Satz ROG 2009 idF LGBl Nr 9/2016 sei lediglich für Giebel bzw Giebelwände (Giebelbereiche) anwendbar, die an der Stirnseite im Sinn von der schmäleren Seite eines Gebäudes projektiert seien; beim Bauvorhaben des Bf seien die Giebelwände nicht an der Schmal-, sondern an der Längsseite des (rechteckigen) Baukörpers projektiert, sodass die Giebelwand sowohl bei der Beurteilung der Bauhöhe als auch bei der Beurteilung der Abständenach § 25 Abs 3 Bebauungsgrundlagengesetz (im Folgenden: BGG)zu berücksichtigen sei. Sowohl die Interpretation des Wortlautes als auch die Frage nach dem Sinn und Zweck der Norm untermauere die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach das „Giebelprivileg“ des § 57 Abs 3 zweiter Satz ROG 2009 idF LGBl Nr 9/2016 lediglich für Giebel bzw Giebelwände (Giebelbereiche) zur Anwendung gelange, die sich an der „Stirnseite“ (im Sinn von derschmäleren Seite) eines Gebäudes mit Satteldach befänden.

 

1.2 Gegen die Versagung der beantragten Baubewilligung mit dem angefochtenen Bescheid hat der Bf fristgerecht Bescheidbeschwerde erhoben und darin die Erteilung der beantragten Baubewilligung, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und neuerliche Entscheidung und Verhandlung unter Abstandnahme von den geltend gemachten Abweisungsgründen beantragt. Der Bf wendet sich zusammengefasst gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach das „Giebelprivileg“ im Sinn des § 57 Abs 3 zweiter Satz ROG 2009 nur für Giebel und Giebelwände an den Schmalseiten eines Gebäudes anwendbar wäre. Der Bf bringt vor, das projektierte Vorhaben halte sowohl die gesetzlichen Mindestabstände als auch die verordnete Bauhöhe (zwei oberirdische Geschoße) ein. Die belangte Behördelege die verfahrensgegenständlichen Rechtsnormen unrichtig aus. Es sei keineswegs zwingend, dass Häuser nur zwei Giebel bei einem durchgehenden First hätten; es seien ebenso Objekte mit Kreuzgiebel möglich und gebräuchlich als auch Objekte, die den First über die „schmale“ Hausseite spannen würden. Dass sich der „Giebelbereich“ nur auf Schmalseiten oder überhaupt nur auf zwei Seiten beschränken würde, sei nicht nachvollziehbar und sei weder durch die Judikatur des VwGH noch durch die Absicht des Gesetzgebers belegbar. Die Privilegierung des § 57 Abs 3 zweiter Satz ROG 2009 („Giebelprivileg“) gelte für jeden der Dachform entsprechenden Giebelbereich. Demgemäß sei durch das projektierte Vorhaben weder eine Verletzung der gesetzlichen Mindestabstände noch ein Widerspruch zur verordneten Bauhöhe gegeben, womit die von der belangten Behörde herangezogenen Versagungsgründe nicht vorliegen würden.

 

1.3 Die fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Note der belangten Behörde vom 20.01.2022, eingelangt am 24.01.2022, dem Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) samt Akt (Zahl xxx) der belangten Behörde zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Im Vorlageschreiben hat die belangte Behörde einen Verhandlungsantrag gestellt und sich weiteres Vorbringen vorbehalten.

 

1.4 Vom Verwaltungsgericht wurde bei der belangten Behörde die für die Bauliegenschaft maßgebliche Bauplatzerklärung als auch der für die Bauliegenschaft maßgebliche Bebauungsplan (Bebauungsplan der GrundstufeAK-AM 17/G1 AO, im Folgenden: Bebauungsplan) beigeschafft.

 

1.5 In der Beschwerdesache fand am 21.03.2022 eine öffentlich mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht statt in welcher die Verfahrensparteien angehört und die jeweils eingenommenen Rechtsstandpunkte mit den Verfahrensparteien mündlich erörtert wurden.

 

2. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

Der Bf ist Eigentümer des Grundstückes Nr aa/b, KG AK, Liegenschaft AO 12 in AJ (im Folgenden: Bauliegenschaft).

 

Die Bauliegenschaft fällt in den Anwendungsbereich des Bebauungsplanes der Grundstufe „AK-AM 17/G1, beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Salzburg am 1a.0X.199c, kundgemacht im Amtsblatt Nr x/xx (im Folgenden: Bebauungsplan). Der Bebauungsplan ist seit 01.0X.199crechtswirksam.

 

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.03.2021, Zahl yyy wurde gemäß § 14 Abs 2 iVm § 24 Abs 1 und 3 BGG dem Ansuchen des Bf stattgegeben und der Bescheid vom 28.09.192X, Zahl zzz ad. (Nacherfassung: xy/2003), mit welchem die Bauliegenschaft zum Bauplatz erklärt wurde, dahingehend abgeändert, dass die im Lageplan der Geometer AP GmbH, GZ bb, grün angelegte und rot umrandete Teilfläche der Bauliegenschaft einen Bauplatz in einem Flächenausmaß von 508 m2 bildet und gemäß § 64 Abs 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (im Folgenden: ROG 2009) sämtliche mit Bescheid vom 28.09.1926 festgelegten Bebauungsgrundlagen ersatzlos aufgehoben wurden. WeitereBebauungsgrundlagen wurden im Bescheid vom 22.03.2021 nicht festgelegt.

 

Im Bebauungsplan ist (soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz) die zulässige Bauhöhe für die Bauliegenschaft mit zwei oberirdischen Geschoßen (§ 33 Abs 2 ROG 1998)verordnet.Die Geschoßflächenzahl ist für die Bauliegenschaft mit 0,5, die Grundflächenzahl ist für die Bauliegenschaft mit 0,35 im Bebauungsplan verordnet. Weiters sind im Bebauungsplan die Straßenfluchtlinien, der Verlauf der Gemeindestraße sowie eine Baufluchtlinie zur AO(Grundstück Nr aa/c KG AK) verordnet. Andere (im Beschwerdefall maßgebliche) Bebauungsgrundlagen für die Bauliegenschaft insbesondere betreffend maximale Firsthöhe, betreffend Lage der Bauten im Bauplatz,betreffend der äußeren architektonischen Gestaltung (Dachform, Dachneigung, Firstrichtung) oder betreffend Mindest- und Höchstabmessungen der Bauten (Länge, Breite) sind weder im Bebauungsplan verordnet noch in der abgeänderten Bauplatzerklärung festgelegt.

 

Das projektierte Vorhaben des Bf, zuletzt modifiziert am 02.11.2021, ist in den Projektunterlagen der AL GmbH & Co KG (ON 40 im Akt der belangten Behörde zu Zahl xxx) dargestellt. Das projektierte Gebäude sieht ein Kellergeschoß, ein Erdgeschoß, ein Obergeschoß und ein Dachgeschoß vor. Die projektierte Firstrichtung des Satteldaches verläuft nord-/südlich parallel zur schmäleren Gebäudeseite des rechteckigen (Haupt-)Baukörpers. Die Giebelbereiche sind an der längeren Gebäudeseite projektiert.

 

Die belangte Behörde hat das Ermittlungsverfahren zum Bauansuchen des Bf auf eine (magistratsinterne) Vorprüfung beschränkt und das Ermittlungsverfahren nicht vollständig abgeschlossen. Die belangte Behörde hat Parteien des Baubewilligungsverfahrens nach § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG nicht angehört oder in dasErmittlungsverfahren eingebunden. Zustimmungserklärungen im Sinn des § 7 Abs 9 BauPolG iVm der Baupolizeilichen Formularverordnung der Salzburger Landesregierung idF LGBl Nr 33/2005 sind nicht aktenkundig. Eine mündliche Bauverhandlung unter Einbindung von Nachbarn wurde nicht durchgeführt.

 

Eine architektonische Beurteilung des projektierten Bauvorhabens im Sinn des § 4 BauTG 2015 ist durch die belangte Behördeunterblieben.

 

3. Beweiswürdigung:

 

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zu den verfahrensgegenständlichen Bebauungsgrundlagen ergeben sich nach Einsichtnahme in den Bebauungsplan und der (abgeänderten) Bauplatzerklärung durch das Verwaltungsgericht. Demgemäß waren die Feststellungen zu treffen, dass neben den im Bebauungsplan verordneten Bebauungsgrundlagen keine Bebauungsgrundlagen für die Bauliegenschaft im Zusammenhang mit einer maximalen Firsthöhe, Firstrichtung, Dachform, Dachneigung, Mindest- und Höchstabmessung (Länge, Breite) der Bauten festgelegt wurden.

 

Die Feststellungen, dass sich das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde auf eine magistratsinterne Vorprüfung des Bauansuchens beschränkte, das Ermittlungsverfahren von der belangten Behörde nicht abgeschlossen wurde, eine Einbindung und Anhörung von Parteien des Bewilligungsverfahren im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG bislang nicht erfolgte und eine Beurteilung der architektonischen Gestaltung des Bauvorhabens nach § 4 BauTG von der belangten Behörde zur Gänze unterblieben ist, ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.Entscheidungswesentliche Widersprüche auf Sachverhaltsebene, die beweiswürdigend aufzulösen gewesen wären, sind im Beschwerdefall, in dem vordergründig Rechtsfragen zu lösen waren, nicht hervorgekommen.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

4.1 Zur Bauhöhe:

 

Die belangte Behörde geht nach rechtlicher Interpretation der Bestimmung des § 57 ROG 2009 und „Untersuchung, ob der Giebel (Giebelbereich, Giebelwand, Giebelmauer) eines Satteldaches lediglich auf der Schmalseite des Gebäudes projektiert werden könne bzw ob das „Giebelprivileg“ des § 57 Abs 3 zweiter Satz ROG 2009 im Hinblick auf die Zulässigkeit des Überragens der Umrissfläche 45°/1,6m auch bei einer Anordnung an der Längsseite zur Anwendung gelange“ davon aus, dass das projektierte Vorhaben die verordneten Bauhöhe von zwei oberirdischen Geschoßen nicht einhalte, womit das Ansuchen des Bf nach § 9 Abs 1 Z 2 BauPolG zu versagen gewesen sei. § 57 Abs 3 zweiter Satz ROG 2009 könne kein Inhalt unterstellt werden, der Gedanken des Nachbarschutzes diametral entgegenlaufe. Die Anordnung des Giebelbereiches an der Längsseite eines Gebäudes unter Heranziehung der Privilegierung des § 57 Abs 3 zweiter Satz ROG 2009 idF 9/2016 führe in aller Regel zu überdimensionalen Giebelwänden mit tendenziell stark überhöhten Firstlinien, womit eine unverhältnismäßig hohe bzw unzumutbare Beeinträchtigung von Nachbarliegenschaften zu erwarten und kaum zu verhindern sei. Der Sinn und Zweck der Norm verlange daher eine Auslegung dahingehend, dass das „Giebelprivileg“ des § 57 Abs 3 zweiter Satz leg cit lediglich an der Schmalseite eines Gebäudes zur Anwendung gelange, um den Interessen von Nachbarn entsprechend Rechnung zu tragen. Die Grundsatzregel (allseitiges Zurücktreten des Dachgeschoßes) solle lediglich in einem speziellen Anwendungsfall in den Hintergrund treten, nämlich zur Umsetzung bzw Ermöglichung der traditionellen Dachform (insbesondere dem klassischen Satteldach). Das Ziel einer untergeordneten Erscheinung des Dachgeschoßes bzw damit auch das Ziel des Nachbarschutzes trete nach dem Willen des Gesetzgebers in diesem begrenzten Umfang insoweit in den Hintergrund. Diese Regelung schaffe somit die Grundlage für eine Ausnahmeregelung (Giebelprivileg), derzufolge die in § 57 Abs 3 ROG 2009 definierte Umrissfläche an bestimmten Stellen des Dachgeschoßes überragt werden dürfe. Ohne diese Ausnahme sei die Realisierung von Satteldächern nicht möglich, da diese Giebelbereiche lediglich bei unüblich geringen Dachneigungen und Raumhöhen die definierte Umrissfläche einhalten würden. Um dies zu vermeiden bzw die im Land Salzburg traditionelle Satteldacharchitektur nicht zu verunmöglichen, sei das Giebelprivileg als klar umrissene Ausnahme von der Grundsatzregel (Zurücktreten des Dachgeschoßes) normiert. An einen erweiterten Anwendungsbereich der Ausnahme (Giebelprivileg auch an Längsseiten von Gebäuden) sei nicht gedacht worden und würde auch dem Sinn und Zweck der Norm (Nachbarschutz) entgegenstehen. Die im Bebauungsplan verordnete Bauhöhe von zwei Geschoßen werde überschritten, da „die Umrissfläche gemäß § 57 Abs 3 ROG 2009 von 1,60/45° an der Längsseite des Gebäudes“ nicht eingehalten werde.

 

Die von der belangten Behörde beurteilte Rechtsfrage ist im Kern darauf zusammenzufassen, ob das vom Bf projektierte Dach(geschoß) mit der Firstausrichtung parallel zur kürzeren Gebäudeseite des grundsätzlich rechteckigen (Haupt)Baukörpers die Umrissfläche im Sinn des § 57 Abs 3 ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009 einhält, womit das projektierte Dachgeschoß nicht auf die Anzahl der oberirdischen Geschoße, die für die verordnete Bauhöhe maßgeblich ist, anzurechnen wäre.

 

Gemäß dem für die Bauliegenschaft anzuwendenden Bebauungsplan der Grundstufe „AK-AM 17/G1“ (Beschluss des Gemeinderates vom 14.0X.199c, kundgemacht im Amtsblatt Nr x/xx vom 30.04.1999), der am 01.0X.199c wirksam wurde, sind als Höchsthöhe zwei oberirdische Geschoße (§ 33 Abs 2 ROG 1998) verordnet.

 

Gemäß § 86 Abs 6 ROG 2009 idgF sind auf mit 01.01.2018 rechtswirksame Bebauungspläne und darauf basierende Bauplatzerklärungen § 57 Abs 2 und 3 in der Fassung vor der Novelle LGBl Nr 82/2017 weiterhin anzuwenden.

 

§ 57 Abs 3 ROG in der anzuwendenden Fassung LGBl Nr 30/2009 normiert:

 

„Bauhöhe

§ 57

(1) Die Bauhöhe kann als Höchsthöhe und wegen besonderer Erforderlichkeit für bestimmte Flächen zusätzlich auch als Mindesthöhe festgelegt werden.

(2) Die Bauhöhe hat sich bei Festlegung in Metern auf den höchsten Punkt des Baues und das oberste Gesimse oder die oberste Dachtraufe, gemessen von der Meereshöhe oder vom natürlichen Gelände, zu beziehen. Die Bauhöhe kann auch durch die Anzahl der oberirdischen Geschoße (§ 56 Abs. 5) festgelegt werden. Dabei gelten, wenn ein oberirdisches Geschoß höher als 3,50 m ist, jede 3,50 m der darüber hinausgehenden Höhe als ein weiteres Geschoß. Das unterste Geschoß ist unter den Voraussetzungen gemäß § 56 Abs. 4 Z 2 lit. a nicht zu zählen.

(3) Dächer und sonstige, höchstens eingeschoßige Aufbauten unbeschadet ihrer Konstruktion und Gestaltung dürfen unter Beachtung des zulässigen höchsten Punktes des Baues eine von der zulässigen höchsten Lage des obersten Gesimses oder der obersten Dachtraufe ausgehende, 45° zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche nicht überragen. Dies gilt nicht für den der Dachform entsprechenden Giebelbereich. Bei einer Höhenfestsetzung durch die Anzahl der Geschoße ist für die 45° zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche von einem 1,60 m über der Deckenoberkante des letzten Geschoßes liegenden Schnittpunkt der Außenwand mit der gedachten Umrissfläche auszugehen.

(4) Unter die Höhenbegrenzung fallen nicht:

  1. 1. im Gesamtbild des Baues untergeordnete Bauteile (Rauchfänge, einzelne Dachausbauten udgl);
  2. 2. Sonderbauten (Kirchtürme, Funk- und Fernsehtürme, Industrieschornsteine udgl); für diese sind die Mindest- und Höchsthöhen unter grundsätzlicher Bedachtnahme auf Abs. 5 sowie auf den Zweck der einzelnen Bauten im Einzelfall durch die Gemeindevertretung festzulegen.

(5) Die Bauhöhe ist unter Bedachtnahme auf die nach anderen Rechtsvorschriften bestehenden Höhenbegrenzungen und die besonderen örtlichen Erfordernisse festzulegen; dabei ist insbesondere auf gesundheitliche Aspekte sowie gegebenenfalls auf die Erhaltung oder Gestaltung eines charakteristischen Ortsbildes einzugehen.

 

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Umrissfläche (1,60°/45°) deshalb nicht eingehalten werde, weil der Giebelbereich an der Längsseite des Gebäudes angeordnet werde. Das „Giebelprivileg“ kommenur zur Anwendung, wenn der Giebel eines Satteldaches an der „Stirnseite“im Sinn von der schmaleren Gebäudeseiteprojektiert werde.

 

Die Gesetzesmaterialen zur Vorgängerbestimmung des § 57 ROG 2009 (vgl§ 33 Abs 3 zweiter Satz ROG 1992, vgl BlgLT 118 10. GP 4. Session, S 100) führen aus:

„Der neue zweite Satz im Abs 3 stellt die Zulässigkeit der im Land Salzburg traditionellen Bauform des Satteldaches klar: Das Giebeldach an den beiden Stirnseiten ist (wie natürlich auch die Giebelmauern) von der 45°-Beschränkung für Dächer (und sonstige Aufbauten) nicht betroffen. Das gleiche gilt auch für seitliche Giebel (bei Kreuzgiebel und ähnliche Dachformen). Die Ergänzung hat keine Auswirkungen auf den notwendigen Nachbarabstand: Für dessen Berechnung bleibt die Bauhöhe bis zu den Endpunkten der Dachtraufen maßgeblich.“

 

Aus § 57 Abs 3 ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009 (sowie zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 33 Abs 3 ROG 1998) ergibt sich, dass ein Dachgeschoß, dass sich innerhalb der in dieser Bestimmung näher beschriebenen Umrissfläche hält, nicht auf die Anzahl der oberirdischen Geschoße, die für die Bauhöhe maßgeblich ist, anzurechnen ist. Ob das Gebäude optisch besonders hoch wirkt oder nicht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, maßgeblich sind vielmehr die Kriterien des § 57 Abs 3 ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009 (vgl VwGH 26.05.2008, 2008/06/0023).

 

Unter einem Dach, das nach den Salzburger Bauvorschriften nicht definiert wird, ist der obere Abschluss eines Gebäudes zu verstehen, bestehend aus Tragwerk und der Dachdeckung (Dachhaut), (vgl VwGH 17.12.2009, 2008/06/0080). Die Dachhaut ist der Teil eines Daches, der vor Niederschlag, Wind und Sonne schützt, und auf der tragenden Dachkonstruktion aufliegt (vgl Definition: Wikipedia).

 

Bei einer Höhenfestsetzung durch die Anzahl der Geschoße ist für die 45° zur Waagrechten geneigte gedachte Umrissfläche von einem 1,60 m über der Deckenoberkante des letzten Geschoßes liegenden Schnittpunkt der Außenwand mit der gedachten Umrissfläche auszugehen (vgl § 57 Abs 3 letzter Satz ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009). Das Dachgeschoß zählt nach § 57 Abs 3 ROG 2009 dann nicht als Geschoß, wenn es sich innerhalb dieser gedachten Umrissfläche hält.

 

Der gedachte Umriss, innerhalb dessen das Dachgeschoß im Fall der Festlegung der Gebäudehöhe durch die Anzahl der Geschoße nicht zur Bauhöhe zu zählen ist, wird geformt durch die Ebene der Außenwand, bis zu einer Höhe von maximal 1,60 m über der obersten Rohdeckenoberkante verschnitten mit einer, von dieser Schnittlinie unter 45° zur Waagrechten aufgehenden Ebene („Kniestockregelung“ - vgl dazu die Abbildung im Handbuch Raumordnung, Amt der Salzburger Landesregierung, 12. Auflage, Teil 8 Kapitel 8.3, Seite 8 und 10)

 

 

Die im Umriss dieser „Kniestockregelung“ bleibenden Geschoße zählen bei einer Höhenfestlegung durch die Anzahl der oberirdischen Geschoße nicht mit. Als „Kniestock“ (oder auch Drempel beziehungsweise Trempel) bezeichnet man die an der Traufseite eines Hauses über die Rohdecke des letzten Obergeschosses hinaus gemauerte Außenwand, auf der die Dachkonstruktion aufliegt (siehe Definition Wikipedia).

 

In Ansehung der mit LGBl Nr 1/1996 geschaffenen „Kniestockregelung“ (dh die lotrechte Verlängerung der Außenwände des Baukörpers über der letzten Geschoßdecke) (vgl LGBl Nr 1/1996 und Erläuterungen RV 647 Blg. LT 11. GP, 2. Session) aus Anlass der Entscheidung des vom VwGH 09.03.23.10.2007, 2006/06/0121 ist in Ansehung der Beschreibung der „Kniestockregelung“ bei der gedachten Umrissfläche auf den Schnittpunkt der Außenwand der Traufenseite abzustellen.

 

Die „Dachtraufe“ ist der untere, waagrechte Rand einer geneigten Dachfläche, über den das Regenwasser abtropft (vgl Giese, Salzburger Baurecht2, Rz 9 zu § 25 BGG mwN); die Länge der Dachtraufe entspricht beim Satteldach idR der Länge der Dachflächenbreite.

Bei einem Satteldach stoßen zwei schräg gestellte Dachflächen am First zusammen; an den Unterseiten (Traufen) hängt die Dachrinne (vgl VwGH 04.08.2015, Ro 2014/06/0022).

 

Die fallbezogen von der belangten Behörde beanstandete Giebelfläche, die nach Ansicht der belangten Behörde eine Anwendung des Giebelprivilegs verhindere, wird projektgegenständlich dadurch erreicht, dass der Dachfirst parallel zur kürzeren Gebäudeseite des grundsätzlich rechteckigen Gebäudes (13,30 m x 8,80 m) projektiert ist. Für eine Auffassung, dass in solchen Fällen kein „Giebelbereich“ im Sinn des § 57 Abs 3 ROG 2009 gegeben wäre, findet sich im Gesetz selbst keine Grundlage. Darauf lassen auch die Gesetzesmaterialien (vgl RV 118 BlgLT 10. GP, 4. Session) nicht schließen, die sowohl auf Giebeln an Stirnseiten als auch seitliche Giebel verweisen. Ein Giebel kann dreieckig, segmentförmig, abgetreppt, in mehreren Winkeln gebrochen oder kurvenförmig ausgebildet sind (vgl VwGH 11.10.2011, 2009/05/0331); das Gesetz stellt allein auf den der Dachform entsprechenden Giebelbereich ab.

 

Auf das gegenständliche Bauvorhaben übertragen folgt daraus, dass die geneigten Dachflächen ost-westseitig projektiert sind, sodass auch die Ost und Westseitigen Außenwände des projektierten Gebäudes als Traufenseiten zu beurteilen sind. Eine Einschränkung dahingehend, dass bei rechteckigen Baukörpern mit Satteldach, die gedachte Umrissfläche zwingend an der längeren Gebäudeseite anzulegen ist, findet sich im Gesetz nicht. Infolge der Anwendbarkeit der „Kniestockregelung“ ist auf die Traufenseiten abzustellen.

 

In Ansehung der Projektunterlagen und Beachtung der „Kniestockregelung“ (vgl VwGH 18.12.2008, 2007/06/0147) kann nicht erkannt werden, inwieweit das fallbezogen projektierte Dachgeschoß nicht innerhalb der an der Traufenkante gedachten Umrissfläche („Kniestockregelung“) im Sinn des § 57 Abs 3 ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009 zu liegen käme. Das im Beschwerdefall projektierte Dachgeschoß ist also nicht auf die Anzahl der oberirdischen Geschoße, die für die Bauhöhe maßgeblich ist, anzurechnen (vgl VwGH 26.05.2008, 2008/06/0023).

 

Ob das Gebäude im Ergebnis optisch besonders hoch wirkt oder nicht, ist im Sinn der Judikatur für die Beurteilung der Bauhöhe im Sinn des § 57 ROG 2009 unerheblich; maßgeblich sind die Kriterien des § 57 Abs 3 ROG 2009 (vgl VwGH 26.05.2008, 2008/06/0023).

 

Eine Ausnützung der Regeln findet freilich in den Bestimmungen des § 4 BauTG ihre Grenze.

 

Die von der belangten Behörde vorgenommene Rechtsauslegung führt dazu, dass die Traufenseiten eines rechteckigen Baukörpers mit Satteldach nur an den längeren Gebäudeseiten zu liegen kommen dürften, womit eine Firstrichtung des Satteldaches zwangsläufig bloß parallel zur längeren Gebäudeseite zulässig wäre; eine solche Auslegung käme nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes aber einer nicht durch Bebauungsgrundlagen verordneten Firstrichtung gleich, was im Sinne der Judikatur des VwGH zur Baufreiheit nicht überzeugt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich aus dem Recht des Eigentümers einer Liegenschaft, seine Sache nach Willkür zu benützen (§ 362 ABGB), den Grundsatz der Baufreiheit abgeleitet, der es dem Eigentümer gestattet, jeden mit dem Gesetz in Einklang stehenden Bauwillen zu realisieren. Die diesbezüglichen Eigentümerrechte genießen auch den Grundrechtsschutz des Art 5 StGG bzw des Art 6 MRK (vgl VwGH 27.05.2008, 2007/05/0067).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind gesetzliche Beschränkungen im Zweifel zugunsten der Baufreiheit auszulegen und ist vom Fehlen einer (gesetzlichen) Beschränkung der Freiheitssphäre des Eigentümers auszugehen (vgl VwGH 27.05.2008, 2007/05/0067 mwN aus der Judikatur). Das Fehlen von Bebauungsgrundlagen im gegebenen Zusammenhang hat nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes die Bedeutung, dass die Bauliegenschaft im Hinblick auf die Anordnung der Traufen bzw der Giebelbereiche (Firstausrichtung) keiner allgemeinen Beschränkung unterworfen ist und für den Bf unter Beachtung der Bauvorschriften grundsätzlichfrei wählbar ist. Regelt nämlich weder der Bebauungsplan noch die Bauplatzerklärung eine Fristrichtung, Dachneigung oder Dachform, können letztlich im Sinne der Baufreiheit die vom Gesetz eröffneten Möglichkeiten zur Bauhöhe nicht durch eine von der belangten Behörde vorgenommene einschränkende Gesetzesauslegung beschränkt werden. Im gegebenen Zusammenhang gilt es zu bedenken, dass die Grenzen der aus dem Grundrecht des Eigentums erfließenden Baufreiheit zu Gunsten der Freiheit zu ermitteln und baurechtlich relevante Normen daher im Zweifel im Sinne der Baufreiheit auszulegen sind (vgl VwGH 19.12.2005, 2005/06/0095 mwN aus der Literatur).

 

Den von der belangten Behörde befürchteten Bedenken (Gewährleistung eines ausreichenden Lichteinfalls) kann nach den Salzburger Baurechtsvorschriften bereits vorausschauend durch die Festlegung entsprechender Bebauungsgrundlagen (zB durch Anordnung einer Dachneigung und Firstrichtung) im Bebauungsplan bzw in der Bauplatzerklärung begegnet werden.

 

Der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid herangezogene Versagungsgrund zur Bauhöhe im oben dargestellten Sinn liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes daher nicht vor.

 

4.2 Zum Abstand:

 

Im Beschwerdefall ist nun weiters strittig, ob die an der längeren Gebäudeseite des rechteckigen Baukörpers projektierte Giebelfront als nicht abstandsrelevante Giebelfront angesehen werden kann.

 

Aus Sicht der belangten Behörde sei der projektierte Giebelbereich nicht privilegiert und damit der an der längeren Gebäudeseite des rechteckigen Baukörpers projektierte Giebelbereich als abstandsrelevante Front bei der Beurteilung des gesetzlichen Mindestabstandes nach § 25 Abs 3 BGG zu werten. Auf das beschwerdegegenständliche Projekt bezogen bedeute dies nach Ansicht der belangten Behörde eine Unterschreitung der geforderten Mindestabstände nach § 25 Abs 3 BGG zu den seitlichen Liegenschaften Nr 2xy/c und 2xy/z KG AK um bis zu 4,15 m, weil bei der Abstandsermittlung auf die projektierte Firsthöhe abzustellen sei. Die belangte Behörde geht unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 33 Abs 3 ROG 1992 (RV 118 BlgLT 10. GP 4. Session) und die Entscheidung des VwGH vom 09.03.1993, 92/06/0227 davon aus, dass der Gesetzgeber beim „Giebelprivileg“ einen ganz bestimmten Sachverhalt vor Augen gehabt habe, nämlich ein Satteldach mit stirnseitig angeordneten Giebelmauern. Nur solche Giebelbereiche seien als nicht abstandsrelevant anzusehen. Eine Beliebigkeit der Anordnung der Giebelfront könne nicht angenommen werden. Bei einem Satteldach könne der Giebel nur über die Schmalseite des Baukörpers gespannt werden. Werde die Traufe nicht an der längeren (Gebäude)Seite situiert, so sei von einerabstandsrelevantenGiebelfrontauszugehen und auf den höchsten Punkt (fallbezogen auf die projektierten Firsthöhen im Norden und Süden) abzustellen.

 

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 09.03.1993, 92/06/0227unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (obiter) klargestellt, dass nach Absicht des Landesgesetzgebers bei Satteldächern bei der Abstandsermittlung generell von der seitlichen Traufe der Giebelfront auszugehen ist und der Giebelbereich einer Front (Giebelbereich im Sinn des § 33 Abs 3 ROG 1998) nicht abstandsrelevant ist.

 

In seiner Entscheidung vom 21.10.2009, 2009/06/0136, hat der VwGH verdeutlicht, dass es solche (nicht abstandsrelevante) Giebelbereiche nicht nur bei Satteldächern gebe könne, weil § 33 Abs 3 ROG 1998 nicht auf bestimmte Dachformen beschränkt sei und grundsätzlich gestaltungsneutral formuliert sei, was nach Ansicht des VwGH aber nicht bedeute, dass „Giebelbereiche“ welcher Form und Ausdehnungen auch immer, wie sie bei den unterschiedlichsten Dachformen denkbar seien, niemals abstandsrelevant wären; vielmehr gelte für solche Giebelbereiche – um sachwidrige Ergebnisse zu vermeiden - die Beschränkung des § 33 Abs 3 ROG 1998, was heiße, dass solche Giebelbereiche nur insoweit nicht abstandsrelevant seien, als sie sich innerhalb des in diesem ersten Satz umschriebenen gegebenenfalls fiktiven Dachumriss (gemeint § 33 Abs 3 ROG 1998) halten. Dem Beschwerdefall lag zugrunde, dass eine maximale Firsthöhe als zulässigen höchsten Punkt des Baues im Sinn des § 33 Abs 3 erster Satz ROG 1998 festgelegt war.

 

In Ansehung dieser Rechtsprechung des VwGH und der Bestimmung des § 57 Abs 3 letzter Satz ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009 ist davon auszugehen, dass der Giebelbereich einer Front jedenfalls dann nicht als abstandsrelevant anzusehen ist, solange er sich innerhalb der geforderten 45 Grad zur waagrechten gedachten Umrissfläche hält. In Ansehung der Projektunterlagen und Anwendbarkeit der dargestellten „Kniestockregelung“ zur Ermittlung der (gedachten) Umrissfläche ist nicht zu erkennen, inwieweit die projektierte Giebelfront diese gedachte Umrissfläche nicht einhalten würde.

 

Dass eineFront bei einem Satteldach nur dann als „Giebelfront“ angesehen werden könnte, wenn derGiebel an der schmäleren Gebäudeseite eines rechteckigen Baukörpers ausgerichtet ist (womit die Firstausrichtung zwingend parallel an der längeren Gebäudeseite eines rechteckigen Baukörpers auszurichten wären und die Traufen nur an der längeren Gebäudeseite zu liegen kämen), ist in Ansehung der dargestellten Entscheidungen des VwGH nicht anzunehmen. Insbesondere in seiner Entscheidung vom 21.10.2009, 2009/06/0136 hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, dass „Giebelbereiche“ welcher Form und Ausdehnung immer, bei den unterschiedlichsten Dachformen denkbar sind.

Abzustellen ist auf den Giebelbereich einer Front im Sinn des § 33 Abs 3 ROG 1998 (nunmehr § 57 Abs 3 ROG 2009 in der Stammfassung LGBl Nr 30/2009), der solange als nicht abstandsrelevant anzusehen ist, solange er sich innerhalb des gedachten Umriss im Sinn des § 57 Abs 3 ROG 2009 bewegt.

 

Als Giebel bezeichnet man den senkrechten, meist dreieckigen Dachabschluss zwischen den geneigten Dachflächen des Daches. Ein Giebel kann aber auch dreieckig, segmentförmig, abgetreppt, in mehreren Winkeln gebrochen oder kurvenförmig ausgebildet sein (vgl VwGH 11.10.2022, 2009/05/0331). Das Gesetz stellt allein auf den der Dachform entsprechenden Giebelbereich ab. Bei einem Satteldach stoßen zwei schräg gestellten Dachflächen am First zusammen; an den Unterseiten (Traufen) hängt die Dachrinne (vgl VwGH 04.08.2015, Ro 2014/06/0022). Als Traufpunkt wird der Schnittpunkt zwischen der senkrechten Außenfläche und der Dachhaut bezeichnet (vgl VwGH 20.10.2009, 2008/05/0140). Die Dachhaut ist der Teil eines Daches, der vor Niederschlag, Wind und Sonne schützt, und auf der tragenden Dachkonstruktion aufliegt (vgl Definition: Wikipedia).

 

Die von der belangten Behörde gestützte Rechtsansicht läuft im Kern darauf hinaus, dass bei der Ermittlung der gedachten Umrissfläche („Kniestockregelung“) im Sinn des § 57 Abs 3 letzter Satz ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009 zwingend auf die Außenwand der „längeren“ Gebäudeseiten eines rechteckigen Baukörpers abzustellen wäre; diese Rechtsanwendung führt nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf eine (im Beschwerdefall nicht verordnete) Firstrichtung hinaus, was im Sinn der Baufreiheit nicht überzeugt und nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes auch nicht aus der Judikatur des VwGH abzuleiten ist.

 

Für das Verwaltungsgericht folgt, dass auch bei einer Firstausrichtung parallel zur kürzen Seite eines rechteckigen Baukörpers bei der Ermittlung der gedachten Umrissfläche im Sinn der „Kniestockregelung“ des § 57 Abs 3 ROG 2009 idF LGBl Nr 30/2009 auf die Außenwand der Traufenseite (Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut) abzustellen ist (vgl die dargestellte Abbildung) und daher die Giebelfront im Sinn der Judikatur (vgl VwGH 21.10.2009, 2009/06/0136) solange als nicht als abstandsrelevant anzusehen ist, als sie sich innerhalb der gedachten Umrissfläche hält. Für das Verwaltungsgericht ist in Ansehung der Planunterlagen nicht erkennbar, inwieweit dies nicht der Fall sein sollte.

 

Demgemäß ist die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Versagung des Bauansuchens herangezogene Abstandsverletzung nicht zu erkennen.

 

Eine Verletzung von Bestimmungen über die Bebauungsdichte wurden von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht als tragenden Versagungsgrund herangezogen, sodass auch eine verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzung nicht angezeigt war.

 

4.3 Zur Zurückweisung:

 

Gemäß § 28 Abs 2 und Abs 3 VwGVG kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen in Betracht, wenn diese jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl VwGH 26.06.2021, Ro 2014/03/0063; 12.11.2014, Ra 2014/20/0029 mwN).

 

Fallbezogen hat die belangte Behörde das Ansuchen des Bf einer magistratsinternen Vorprüfung im Sinn des § 8 Abs 1 BauPolG unterzogen und das Ansuchen – in Verkennung der Rechtslage – bereits im Vorprüfungsverfahren versagt. Das weitere Ermittlungsverfahren – insbesondere die Einbindung und Anhörung der Nachbarn im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG zur Geltendmachung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte – ist zur Gänze unterblieben. Ebenso hat die belangte Behörde eine Beurteilung nach § 4 BauTG zur Gänze unterlassen.

 

Nur dann, wenn aufgrund unzweifelhafter Weise feststeht, dass das Bauansuchen zu versagen ist, darf die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren auf ein „Vorprüfungsverfahren“ im Sinn des § 8 Abs 1 BauPolG beschränken. Der Gesetzgeber hat nämlich formuliert, dass im Zweifelsfall nicht mit einer Abweisung sondern mit der Anberaumung einer Bauverhandlung, also dem Einstieg in das Ermittlungsverfahren unter Einbindung aller Verfahrensparteien vorzugehen ist (vgl dazu Hauer, Salzburger Baurecht2, Anmerkung 4 zu § 8 BauPolG). Fallbezogen war in Ansehung der von der belangten Behörde beanspruchten Auslegungsmethoden von keinem „unzweifelhaftem“ Ergebnis im oben angeführten Sinn auszugehen. Die belangte Behörde hätte also in das weitere Ermittlungsverfahren einzusteigen gehabt.

 

Die belangte Behörde hat den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt, weil – sie in Verkennung der Rechtslage – mangels Einbindung der Nachbarn in das Verfahren in der Sache noch keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat (vgl VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009 und VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088). Fallbezogen wären die fehlenden Ermittlungen vom Verwaltungsgericht daher nicht bloß zu ergänzen, sondern in Bezug auf Parteien im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG sowie der Beurteilung nach § 4 BauTG zur Gänze erstmals in die Wege zu leiten. Zustimmungserklärung von Nachbarn im Sinn des § 7 Abs 9 BauPolG sind nicht aktenkundig. Im vorliegenden Fall bestehen die maßgeblichen fehlenden Ermittlungen darin, dass Parteien im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 lit a BauPolG zu hören und allfälliges Einwendungsvorbringen auf dessen Zulässigkeit und Begründetheit (in der Regel unter Beiziehung von Sachverständigen) zu klären sind. Im Hinblick auf das nachzuholende Parteiengehör der Nachbarn ist unklar, welche Sachverhaltselemente in Beurteilung eines Einwendungsvorbringens (unter Heranziehung welcher Beweismittel) zu ermitteln ist. Zudem ist das Bauvorhaben im Hinblick auf § 4 BauTG einer Beurteilung durch Sachverständige zu unterziehen. Die noch fehlenden Ermittlungen sind aufwändig, weil sie insbesondere eine sachverhaltsbezogene und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit dem konkreten Vorbringen der Nachbarn sowie einer Beurteilung nach § 4 BauTG erfordern. Die belangte Behörde kann unmittelbar und direkt im Rahmen einer Bauverhandlung nach Anhörung der Nachbarn Beweiserhebungen vor Ort durchführen; zudem sind der belangten Behörde eine Vielzahl an Sachverständige aus dem relevanten Fachgebiet beigegeben. Die noch fehlenden Ermittlungsschritte in Bezug auf die Nachbarn sowie im Hinblick auf § 4 BauTG sind daher effizienter, rascher und kostengünstiger von der belangten Behörde vorzunehmen.

 

Durch die bislang unterbliebene Einbindung von Nachbarn im Sinn des § 7a Abs 1 Z 1 lit a BauPolG sowie durch die unterbliebene Beurteilung nach § 4 BauTG erreichen die die im Beschwerdefall fehlenden Ermittlungen ein Ausmaß, die eine Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen. Von bloßen ergänzenden Ermittlungen, die vom Verwaltungsgericht vorzunehmen gewesen wären, kann daher keine Rede sein.

 

Die fehlenden Ermittlungen wurden in den aufgezeigten Punkten nicht einmal begonnen. Das Verwaltungsgericht hatte die fehlenden Ermittlungsschritte daher nicht selbst (erstmals) in die Wege zu leiten, sondern konnte die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG an die belangte Behörde zurückverweisen (vgl VwGH 31.08.2015, Ra 2015/11/0039).

 

Durch die vorgenommene Aufhebung und Zurückverweisung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat.

 

Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes zulässig, weil – soweit für das Verwaltungsgericht überblickbar – bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur von der belangten Behörde aufgeworfenen Rechtsfrage besteht, wonach das „Giebelprivileg“ im Sinn des § 57 Abs 3 ROG bei Baukörpern mit Satteldach 2009 dann ausgeschlossen sei, wenn die Giebelfront an der längeren Gebäudeseite eines rechteckigen Baukörpers projektiert wird.

 

Insgesamt war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

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