LVwG Niederösterreich LVwG-AV-1271/001-2020

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-1271/001-202017.5.2021

WaffG 1996 §10
WaffG 1996 §21 Abs2
WaffG 1996 §22 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1271.001.2020

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Weber als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch Rechtsanwalt B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 24.09.2020, Zl. ***, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 07.04.2021 zu Recht erkannt:

 

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

 

1.1

Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 23.10.2018 bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling den Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei genehmigungspflichtige Schusswaffen (Kategorie B). Begründend führte er aus, seit dem 08.05.2018 massiv mit dem Tod bedroht zu werden. Die Ermittlungen gegen eine verdächtige Person würden bereits bei der StA *** und dem LKA *** laufen. Sein Gegenüber sei ein schwerreicher Millionär, der keine Skrupel habe, ihn wegräumen zu lassen, seine Familie, seine Tiere und seine Freunde zu töten. Seiner Einschätzung nach handle es sich um einen Psycho- oder Soziopathen, der über genug Geld verfüge. Er selbst sei nicht einmal sicher, wenn diese Person im Gefängnis sitze. Die Bedrohungslage habe sich zugespitzt und sei für ihn nicht mehr tolerierbar. Personenschutz könne er sich nicht leisten und mit einem Pfefferspray werde er im Ernstfall nicht viel ausrichten können. Es sei ihm nahegelegt worden, eine Waffe auf jeden Fall zu tragen. Ein Delikt wegen Führen ohne Waffenpass wiege nicht so schwer und sei besser, als zu riskieren, dass ihm etwas angetan werde. Das sei ihm von einem Polizisten empfohlen worden. Er wolle sich jedoch unbedingt richtig verhalten und sehe den rechtlichen Rahmen auch als gegeben.

 

1.2.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 24.09.2020 wurde der oben angeführte Antrag gemäß den §§ 10, 21 Abs 2 und 22 Abs 2 Waffengesetz 1996 abgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, mit seinem Vorbringen einen Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen nachzuweisen bzw. konkrete Anhaltspunkte vorzulegen, die vermuten lassen, dass ihm von seinem Feind C an entlegenen Orten, wenn er mit dem PKW beruflich unterwegs sei, Gefahr für Leib und Leben drohe. Wie bereits ausgeführt, liege die Abwehr von gefährlichen Angriffen bei den Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive. Es sei daher zumutbar, gegebenenfalls die Sicherheitsbehörde zu verständigen, falls sich eine Gefahrensituation ergebe. Es sei daher nicht gelungen, der Behörde glaubhaft zu machen, dass er außerhalb von Wohn- und Betriebsräumen oder eingefriedeter Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt sei, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Die Behörde habe auch keine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten treffen können, da auch sonst keine Tatsachen bekannt seien, die die Ausstellung eines Waffenpasses rechtfertigen würde. Daher müsse das öffentliche Interesse an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Schusswaffen der Kategorie B ganz besonders verbundenen Gefahren vor das private Interesse gestellt werden, da das Mitsichführen von Schusswaffen der Kategorie B auch durch eine verlässliche Person mit Gefahren verbunden sei. Diese Gefahrenmomente möglichst gering zu halten, liege jedoch im öffentlichen Interesse.

 

2. Zum Beschwerdevorbringen:

 

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 29.10.2020 fristgerecht Beschwerde und führte begründend aus, dass es die belangte Behörde konkret unterlassen habe festzustellen, ob bzw. welche gefährlichen Drohungen durch C gegen ihn ausgesprochen worden seien. Die Behörde habe es unterlassen, C näher einzuvernehmen und sich selbst ein Bild von der Bedrohungslage zu machen. Hätte die Behörde aufgrund der von ihm vorgelegten Screenshots seines Handys die Voraussetzungen für die Bewilligung des beantragten Waffenpasses geprüft, wäre diese zum Schluss gekommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

 

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wolle

a) den angefochtenen Bescheid aufheben und die Verwaltungssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen, in eventu

b) den angefochtenen Bescheid abändern und die beantragte Ausstellung eines Waffenpasses zum Führen von zumindest einer Schusswaffe der Kategorie B bewilligen und in jedem Fall

c) eine mündliche Verhandlung anberaumen.

 

3. Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 07.04.2021 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters sowie des Zeugen C eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

Der Beschwerdeführer führte aus, in *** eine Lüftungsfirma zu betreiben und somit selbständig zu sein. Seit 2015 sei er im Besitz einer Waffenbesitzkarte. Er sei leidenschaftlicher Sportschütze und auch Mitglied im Schützenverein D sowie im Landesschützenverband E. Er besitze zwei Faustfeuerwaffen Glock 19, wobei eine Waffe davon seine Turnierwaffe sei. Die zweite Waffe verwende er zum Selbstschutz, welche in einem Safe eingesperrt sei. Am 23.10.2018 habe er sich entschlossen, den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses zu stellen, wobei er als Bedarf Nachstehendes ausführe:

 

Er habe zwei Freunde, nämlich Herrn F und Herrn G. Herr F habe mit der Ehegattin des Herrn C, nämlich mit Frau H, ein außereheliches Verhältnis angefangen. Irgendwann habe Herr C von diesem Verhältnis Wind bekommen und seine Gattin sowie Herrn F darauf angesprochen. In weiterer Folge habe Herr C versucht, Herrn F wirtschaftlich zu zerstören. Er selbst habe am 18.11.2017 bei sich zuhause gemeinsam mit seinen Freunden F und G eine Sexparty veranstaltet. Bei dieser Party habe neben ihnen drei auch eine Frau I teilgenommen. Von dieser Party habe es auch Videoaufnahmen gegeben, woraus ersichtlich sei, dass die Dame nicht mit K.O.-Tropfen gefügig gemacht worden sei. Frau H habe ihre Ehe damit gerettet, indem sie ihrem Mann gegenüber angegeben habe, von Herrn G K.O.-Tropfen bekommen zu haben. Die Familie C und H habe Frau I Geld gegeben, um zu behaupten, auch K.O.-Tropfen bei der besagten Nacht bekommen zu haben. In weiterer Folge seien gegen ihn, Herrn F und Herrn G Ermittlungen wegen Vergewaltigung eingeleitet worden, aufgrund seiner Videoaufzeichnungen und weiterer Ermittlungen sei das Verfahren jedoch durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Dann sei jedoch Anklage gegen Herrn C, Frau H und Frau I wegen Verleumdung, falscher Zeugenaussage vor Gericht bzw. der Kriminalpolizei und wegen Anstiftung zur Falschaussage erhoben worden. Diese Verfahren hätten jedoch alle mit einem Freispruch im Zweifel geendet. Im April 2018 sei Frau H zu ihm in die Firma gekommen, um sich nach einer Klimaanlage zu erkundigen. Er sei mit ihr nach Hause gefahren und habe sich die Örtlichkeiten angesehen. Dann habe er ein Angebot gelegt und Frau H habe immer wieder versucht, mit ihm zu flirten. Am 08.05.2018 sei er noch einmal in die Wohnung zu Frau H gefahren, um dieser zu erklären, dass er an einer Beziehung nicht interessiert sei. Dort habe er neben Frau H auch Herrn C angetroffen. Im Zuge des Gespräches habe Herr C ihm mitgeteilt, dass seine Frau von Herrn F vergewaltigt worden sei und er die Videoaufzeichnungen im Zusammenhang mit Frau I haben wolle. Er habe sich mit Herrn C in sein Büro begeben, jedoch die Videos nicht herausgegeben. Das habe Herrn C nicht gefallen und er habe 2018 schließlich Droh-SMS erhalten. Darin sei gedroht worden, seine Katzen und seinen Vater umzubringen und er sei auch bedroht worden. Diese Droh-SMS seien von Handys der Familie C und H gekommen und hätten den Zweck gehabt, dass er der Vernichtung des Herrn F nicht im Weg stehen solle. Diese SMS seien jedoch nur auf seinem Handy vorgefunden worden, jedoch nicht auf den Handys der Familie C und H, weshalb die Verfahren gegen diese Familie auch eingestellt worden seien. Befragt, ob Herr C ihm gegenüber auch handgreiflich geworden sei, erkläre er, dass das nicht der Fall gewesen sei. Herr C sei nicht gewalttätig bzw. gefährlich, dieser habe jedoch Geld, damit derartige Sachen andere Leute erledigen können. Herr C habe Kontakte zu zwielichtigen Detektiven, die keine Lizenz bzw. Berechtigung haben, jedoch sei in diese Richtung nichts herausgekommen. Zusammenfassend erklärt habe er keine Angst vor Herrn C selbst, sondern davon, dass von diesem beauftragte Personen ihm etwas antun können. Es sei das letzte Jahr jedoch bereits viel ruhiger gewesen und er sehe momentan keine Gefährdung mehr. Derzeit seien nur mehr zivilrechtliche Verfahren im Laufen.

 

Der Beschwerdeführer verzichtete ausdrücklich auf eine zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn C und erklärte, dass sich die Bedrohungslage seit dem Zeitpunkt der Antragstellung wesentlich vermindert habe. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe er keinen Bedarf für einen Waffenpass mehr gegeben, jedoch könne sich die Bedarfslage jedoch auch wieder ändern.

 

4. Rechtliche Ausführungen:

 

§ 10 Waffengesetz 1996 bestimmt:

„Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.“

 

§ 21 Abs. 2 Waffengesetz 1996 bestimmt:

„Die Behörde hat verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und bei denen – soweit es sich nicht um Angehörige der in § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 genannten Berufsgruppen handelt – keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Polizeiliches Staatsschutzgesetz, BGBl. I Nr. 5/2016, begehen werden und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, und bei denen keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Polizeiliches Staatsschutzgesetz, BGBl. I Nr. 5/2016, begehen werden, liegt im Ermessen der Behörde.“

 

§ 22 Abs. 2 Waffengesetz 1996 bestimmt:

„Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn

1. der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann oder

2. es sich um ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes handelt (§ 5 Abs. 2 SPG) oder

3. es sich um einen Angehörigen der Militärpolizei oder

4. es sich um einen Angehörigen der Justizwache handelt.

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellt fest, dass der im § 22 Abs. 2 Waffengesetz angeführte Bedarf einerseits eine besondere Gefahr voraussetzt, welche andererseits außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder eingefriedeter Liegenschaften für den Betroffenen bestehen muss und darüber hinaus dieser Gefahr am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann.

 

Es ist alleine Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachzuweisen und die besondere Gefahrenlage glaubhaft zu machen, welcher am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann (vgl. VwGH vom 19.12.2013, Zl. 2013/03/0017). Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substantieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Darlegung einer Gefährdung nicht aus, so lange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründete Ziel nicht erreicht werden kann. Zum anderen ist es erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. VwGH vom 20.01.2012, 2012/03/0037).

 

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, dass es im letzten Jahr bereits viel ruhiger geworden sei, er momentan eine Gefährdung nicht sehe und dass aus seiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt kein Bedarf für einen Waffenpass mehr gegeben sei, kommt das erkennende Gericht, welches die Sach- und Rechtslage zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt heranzuziehen hat, zum Schluss, dass kein Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B vorliegt.

 

Die Abwehr von durch den Beschwerdeführer genannten Gefahren durch mögliche Straftäter kommt nach dem Sicherheitspolizeigesetz den Sicherheitsbehörden und den Organen des Sicherheitsdienstes zu (vgl. VwGH vom 20.06.2012, Zl. 2012/03/0037) und es ist keinesfalls die Absicht des Gesetzgebers, jede Person, die irgendwann einem tätlichen Angriff ausgesetzt sein könnte, mit dem Recht, Schusswaffen der Kategorie B zu führen, auszustatten. Vielmehr besteht das öffentliche Interesse, die Gefahren, welche mit dem Führen von Schusswaffen der Kategorie B auch durch verlässliche Personen, entstehen, möglichst gering zu halten. Die durch die belangte Behörde vorgenommene Ermessensentscheidung gemäß § 21 Abs. 2 iVm § 10 Waffengesetz erweist sich als rechtskonform, da der Versuch Gefahrensituationen mit Waffengewalt hintanzuhalten, auch zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen kann.

 

Es war daher der Beschwerde keine Folge zu geben und der verwaltungsbehördliche Bescheid zu bestätigen.

 

5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

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