BauO NÖ 2014 §48
BauO NÖ 2014 §63
European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.744.002.2018
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde der A, vertreten durch die B Rechtsanwälte OG in ***, ***, gegen den Bescheid des Stadtrats der Stadtgemeinde *** vom 12. Juni 2018, Zl. ***, betreffend Baubewilligung, (mitbeteiligte Partei: C), zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass er zu lauten hat: „Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.“.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Feststellungen und wesentlicher Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 12. Mai 2016, Zl. ***, wurde C (in der Folge: Bauwerber) die Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaus beim bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. ***, KG *** (in der Folge: das verfahrensgegenständliche Grundstück) gemäß angeschlossener Beschreibung, Pläne und Projektunterlagen erteilt. Das verfahrensgegenständliche Grundstück ist als Bauland-Kerngebiet gewidmet.
1.2. Mit Eingabe vom 23. Mai 2017 beantragte der Bauwerber die Genehmigung des Bauvorhabens „Änderung des Zubaues zum bestehenden Haus C“ unter Anschluss des Auswechslungsplans vom 21. Mai 2017, Zl. ***, sowie einer Baubeschreibung.
1.3. Mit nachweislich zugestelltem Schreiben vom 16. Juni 2017 wurde dem Bauwerber – im Anschluss an eine Verhandlung samt Lokalaugenschein am 14. Juni 2017 – die Verbesserung der Einreichunterlagen aufgetragen.
1.4. Mit Eingabe vom 19. August 2017, eingelangt am 21. August 2017, legte der Bauwerber einen mit 18. August 2017 datierten Austauschplan, Zl. ***, samt darauf bezogener Baubeschreibung und Energieausweis vor. Am 21. September 2018 legte der Bauwerber einen mit 18. September 2017 datierten Austauschplan, Zl. ***, vor.
Projektiert ist darin die Errichtung eines Zubaus zum bestehenden Wohnhaus, in dem drei Wohneinheiten (Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß) sowie ein Keller geschaffen werden. An der Südseite des Zubaus wird im Erdgeschoß und Obergeschoß jeweils ein Balkon (je 18,52 m2), im Dachgeschoß eine Dachterrasse (36,80 m2) errichtet. Diese Freiflächen sind ausschließlich von den jeweiligen Wohneinheiten, insbesondere den Wohn- und Esszimmern, begehbar.
1.5. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 zog der Bauwerber die Einreichunterlagen „von Mai 2017“ gemäß § 13 Abs. 7 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) zurück. Er führte aus, dass bei dem genehmigten Bauvorhaben im Zuge der Ausführung umfangreiche Änderungen geplant seien, für die mit 21. August 2017 bzw. 21. September 2017 neue Pläne vorgelegt worden und um Baubewilligung angesucht worden sei.
Die Einreichunterlagen vom August und September 2017 unterscheiden sich von den zurückgezogenen Einreichunterlagen vom Mai 2017 insbesondere dahingehend, dass auf dem Baugrundstück nunmehr der Abbruch des Nebengebäudes, das unmittelbar an die Feuermauer auf dem Grundstück der A (in der Folge: Beschwerdeführerin) angrenzt, sowie die Errichtung von drei PKW-Abstellplätzen im Freien vorgesehen ist.
1.6. Mit nachweislich zugestellten Schreiben vom 10. Oktober 2017 wurden die Nachbarn gemäß § 21 Abs. 1 NÖ BO 2014 vom Antrag auf Baubewilligung verständigt. Den Nachbarn wurde Gelegenheit gegeben, in die Planunterlagen und sonstigen Beilagen während der Amtsstunden Einsicht zu nehmen. Sie wurden aufgefordert, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben schriftlich binnen einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung einzubringen, und darauf hingewiesen, sollten innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben werden, dass die Baubehörde das Bauvorhaben genehmigen dürfe und dass eine mündliche Verhandlung im Sinne der §§ 40 bis 44 AVG nicht stattfinde.
1.7. Mit Schriftsatz vom 02. November 2017 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung Einwendungen.
Geltend gemacht wurde eine Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 48 NÖ BO 2014: Es sei eine örtlich unzumutbare Lärmbelästigung zu erwarten, resultierend aus der Schaffung von Wohnraum für zumindest neun weitere Personen, aus der Errichtung von Balkonen bzw. einer Terrasse je Wohneinheit in einem Abstand von nicht einmal 15 Meter unmittelbar in Richtung des Wohngebäudes der Beschwerdeführerin sowie durch die Errichtung von weiteren Stellplätzen. Aufgrund der projektierten Situierung der Balkone und der Terrasse drohe eine ortsunübliche Belästigung durch Geruch und Staub (etwa durch Nutzung der Balkone zu Grillzwecken). Darüber hinaus führe eine Beleuchtung der Balkone durch die Bewohner zu unzumutbaren Lichtimmissionen und stelle die Vollauslastung der neuen Wohneinheiten – es sei mit einem Zuzug von bis zu zwölf Personen zu rechnen – eine unzumutbare örtliche Belästigung des Grundstücks der Beschwerdeführerin (unzulässige Personendichte) dar. Auch sei zu erwarten, dass es aufgrund der geplanten Veränderung der Gebäudehöhe zu einer ortsunüblichen und unzumutbaren Verschattung des Grundstücks der Beschwerdeführerin komme.
Darüber hinaus machte die Beschwerdeführerin Verstöße gegen die NÖ BO 2014 geltend, namentlich die konsenslose Bauführung/Bauführung trotz Bauverbots, die Nichteinhaltung des Bauwichs, die Nichtgewährleistung des Brandschutzes, mangelnde Ortsbildgestaltung, eine Überdimensionierung der projektierten Parkflächen sowie die Nichteintragung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks im Grenzkataster (strittige Grundgrenze). Auch seien unzulässige Bauarbeiten an der Grundstücksgrenze beabsichtigt, wodurch das Grundstück der Beschwerdeführerin in seiner Standfestigkeit geschädigt werde. Die Beschwerdeführerin spreche sich gegen den Abbruch der Garage (Nebengebäude) aus, welche unmittelbar an ihre Feuermauer angrenze, da aufgrund der Abrissarbeiten die akute Gefahr bestehe, dass die Bausubstanz der Feuermauer erheblich in Mitleidenschaft gezogen werde.
1.8. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 11. Januar 2018, Zl. ***, wurde dem Bauwerber die baubehördliche Bewilligung für das projektierte Bauvorhaben erteilt und die im Baubewilligungsverfahren erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Begründend ist – auf das Wesentliche zusammengefasst – ausgeführt, dass hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin eingewendeten Emissionen durch Lärm und Geruch zwar grundsätzlich ein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 48 NÖ BO 2014 bestehe, jedoch der Schutz vor jenen Emissionen ausgenommen sei, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Zwecken jeder Art von Wohnnutzung ergeben. Darüber hinaus wurden die Einwendung der Beschwerdeführerin, etwa hinsichtlich der Nichteinhaltung des Bauwichs, der Brandschutzbestimmung und hinsichtlich des Abbruchs des Nebengebäudes, als unbegründet abgewiesen sowie – mangels Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte – als unzulässig zurückgewiesen.
1.9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung der Beschwerdeführerin vom 29. Januar 2018, in der die unzureichende Würdigung ihrer Einwendungen geltend gemacht wird. Die Behörde hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass das projektierte Bauvorhaben die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Schutz vor örtlich unzumutbaren Emissionen verletze. Bei der Nutzung von Balkonen handle es sich um keine Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken, vielmehr sei die Benützung dem Freizeitvergnügen zuzurechnen; es wäre daher ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Lärmtechnik einzuholen gewesen. Darüber hinaus würde zu Unrecht eine Inanspruchnahme des Grundstücks der Beschwerdeführerin für Bautätigkeiten erfolgen und sei der angefochtene Bescheid, soweit über eine Bewilligung nach § 7 NÖ BO 2014 abgesprochen werde, ersatzlos zu beheben. Auch lägen keine rechtlich gesicherten Grenzen vor. Beantragt wurde die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass dem Bauwerber die Baubewilligung nicht erteilt werde, in eventu die ersatzlose Behebung und Beauftragung der Baubehörde erster Instanz, die erforderlichen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens vorzunehmen und einen neuen Bescheid zu erlassen.
1.10. In dem aus Anlass der Berufung durchgeführten Ermittlungsverfahren erstattete die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 16. Mai 2017 eine Stellungnahme, in der die bislang unzureichende Prüfung der Standfestigkeit der Feuermauer des Wohnhauses der Beschwerdeführerin durch den Abbruch des Nebengebäudes vorgebracht und erneut auf die konsenslose Bauführung hingewiesen wird.
1.11. Mit dem angefochtenen Bescheid des Stadtrats der Stadtgemeinde *** (in der Folge: belangte Behörde) vom 12. Juni 2018, Zl. ***, wurde
- die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen,
- der Antrag auf Abänderung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich einer Nichterteilung der Baubewilligung als unbegründet abgewiesen sowie
- der Antrag den Bescheid ersatzlos zu beheben und der Baubehörde erster Instanz eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens [aufzutragen] als unbegründet abgewiesen.
Begründend ist – auf das Wesentliche zusammengefasst – ausgeführt, dass die mit der Wohnungsnutzung typischerweise verbundenen Immissionen von der Beschwerdeführerin zu dulden seien. Aufgrund der Einreichunterlagen sowie der bisherigen Nutzung des Gebäudebestands sei von einer typischen Wohnnutzung auszugehen und werde lediglich die gesetzlich vorgesehene Anzahl an KFZ‑Abstellplätzen (drei Abstellplätze bei drei Wohneinheiten) geschaffen. Aus den Einreichunterlagen ergebe sich, dass sowohl im Gebäudebestand als auch im Zubau Raumnutzungen für Wohnzwecke (Wohnzimmer, Esszimmer, etc.) und hierfür notwendige Bereiche wie etwa Technikraum, Pelletslager, Kellerabteile, vorgesehen seien. Auch die neu entstehenden Balkone und Dachterrasse seien nur für Wohnzwecke vorgesehen, da diese Bereiche nur über die Wohnbereiche erreichbar seien und somit nur mit Zustimmung der Wohnungseigentümer und Nutzer betreten werden könnten. Der Abstand vom Zubaubereich des Hauptgebäudes, der zur Wohnnutzung entstehe, zur Grundgrenze der Beschwerdeführerin betrage als 10 Meter und sei damit größer als die Gebäudehöhe mit 8 Meter. Der Abbruch des Nebengebäudes an der südlichen Grundgrenze würde ohne Inanspruchnahme des Grundstücks der Beschwerdeführerin erfolgen und könne die Standsicherheit der Feuermauer der Beschwerdeführerin durch diesen Abbruch nicht beeinträchtigt sein, da die Feuermauer zeitlich vor dem Nebengebäude errichtet worden und von keiner statischen Verbindung zum Nebengebäude auszugehen sei. Darüber hinaus seien die Grenzen gesichert, da das Grundstück des Bauwerbers im Grenzkataster eingetragen sei.
1.12. Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde vom 11. Juli 2018.
Vorgebracht wird, dass sich die belangte Behörde nicht mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin befasst habe: Es sei eine Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten nach §§ 6 iVm 48 NÖ BO 2014 behauptet worden und habe die belangte Behörde hierzu kein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Beschwerdeführerin komme ein subjektiv-öffentliches Recht auf Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Bebauungsplan und dem Flächenwidmungsplan zu, wenn mit der Widmung des Grundstücks auch ein Immissionsschutz verbunden sei. Eine stark erhöhte Geräuschentwicklung werde insbesondere aus der Errichtung der Balkone resultieren. Bei der Nutzung von Balkonen handle es sich um keine Benützung des Gebäudes zu Zwecken der Wohnnutzung, sondern dienen die Balkone rein dem Freizeitvergnügen der Bewohner. Demgemäß seien Balkone nicht von der Ausnahme in § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 48 NÖ Bauordnung erfasst. Die Balkone würden Platz für drei bis vier Personen bieten und die Dachterrasse mit einer Größe von 36,80 m2 beinahe das doppelte Flächenausmaß eines Balkons aufweisen. Bei Vollauslastung dieser Freiluftgelegenheiten werde es zweifellos zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung am Grundstück der Beschwerdeführerin kommen. Ein solcher Lärmanstieg käme dem Geräuschpegel einer mittelgroß dimensionierten Betriebsanlage gleich, wodurch das Widmungsmaß des Bauplatzes überstiegen werde. Der angefochtene Bescheid bleibe um die Einholung eines lärmtechnischen Gutachtens ergänzungsbedürftig.
Beantragt wird die Einholung eines Gutachtens eines Amtssachverständigen für Lärmtechnik, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass der Antrag auf Baubewilligung abgewiesen werde sowie in eventu der belangten Behörde die Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung aufzutragen.
1.13. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übermittelte dem Bauwerber die Beschwerde zur Kenntnis mit der Möglichkeit zur Stellungnahme. In dessen Stellungnahme vom 08. August 2018 führte dieser im Wesentlichen aus, dass die von der Beschwerdeführerin angesprochenen Aspekte, wie etwa die „Nutzung eines Balkons“ oder „Grillen auf dem Balkon“, geradezu typische Aspekte der Wohnnutzung seien.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen – einschließlich des dargelegten Verfahrensgangs – gründen auf den eindeutigen Inhalten des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der darin enthaltenen Einreichunterlagen (insbesondere Auswechslungsplan vom 18. September 2017; Baubeschreibung vom 18. August 2017). Die getroffenen Feststellungen sind überdies zwischen den Parteien unstrittig.
3. Rechtslage:
3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten:
„§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
[…]
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
[…]“
„§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]“
3.2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) lauten:
„§ 6. (1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:
[…]
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z. B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn),
[…]
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das fertiggestellte Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten oder als Inhaber eines Fahr- und Leitungsrechtes nach § 11 Abs. 3 beeinträchtigt werden können.
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung, der NÖ Aufzugsordnung 2016, LGBl. Nr. 9/2017 in der geltenden Fassung, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
[…]
2. den Schutz vor Emissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Zwecken jeder Art der Wohnnutzung ergeben (z. B. aus Heizungs- und Klimaanlagen), gewährleisten
[…]“
„§ 48. Emissionen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase und Erschütterungen, die originär von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen Menschen weder in ihrem Leben oder ihrer Gesundheit gefährden noch örtlich unzumutbar belästigen.“
„§ 63. (1) Wird ein Bauwerk gemäß Z 1 bis 7 errichtet, vergrößert oder dessen Verwendungszweck geändert oder die Anzahl von Wohnungen erhöht, sind dem voraussichtlichen Bedarf entsprechend Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge herzustellen. Die Mindestanzahl der Stellplätze ist mit Verordnung der Landesregierung festzulegen:
Für | nach Anzahl der | |
1. | Wohngebäude | Wohnungen |
[…]“
4. Erwägungen:
4.1. Zur Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens:
4.1.1. In Bezug auf die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte gilt, dass das Verwaltungsgericht die Angelegenheit zu entscheiden hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes geht im Bauverfahren nicht weiter als die der Berufungsbehörde im jeweiligen Verfahren; der äußerste Rahmen für die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts ist die „Sache“ des bekämpften Bescheides (vgl. etwa VwGH 23.05.2017, 2015/05/0021; VwGH 16.02.2017, Ra 2015/05/0060; VwGH 03.08.2016, Ro 2016/07/0008, jeweils mwN).
Die von der belangten Behörde gewählte Formulierung des Spruches – Zurückweisung der Berufung, Abweisung des Antrags auf Nichterteilung der Baubewilligung und Abweisung des Eventualantrags auf Behebung und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Baubehörde erster Instanz zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens – lässt ein Vergreifen im Ausdruck erkennen:
Bei einer Gesamtbetrachtung des angefochtenen Bescheides, in dessen Betreff das Wort „ABWEISUNG“ angeführt ist und in dessen Begründung ausgeführt ist, dass die Einwände der Rechtsvertretung als „unbegründet abzuweisen“ seien, kommt der Wille der belangten Behörde – im Einklang mit dem zugrunde liegenden Beschlussprotokoll über deren Sitzung vom 11. Juni 2018 – klar und eindeutig zum Ausdruck, dass mit dem angefochtenen Bescheid eine Sachentscheidung und nicht nur eine verfahrensrechtliche Entscheidung getroffen wird (vgl. etwa VwGH 14.07.2005, 2003/06/0015). Mit einer Sachentscheidung wird auch dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin Rechnung getragen, das sich (auch) im Rahmen von rechtzeitig eingewendeten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten bewegte (siehe hierzu VwGH 12.09.2016, Ro 2015/04/0018 [zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeit], wonach die Berufung nur dann zurückzuweisen ist, wenn sich das Berufungsvorbringen einer Partei mit eingeschränkter Parteistellung außerhalb des Rahmens der ihr möglichen Einwendungen bewegt).
Die gegenständliche Beschwerde ist daher gegen die mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 2018 verfügte Abweisung der Berufung gegen die dem Bauwerber mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 11. Jänner 2018 erteilte Baubewilligung und damit gegen die inhaltliche Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung (und nicht gegen eine verfahrensrechtliche Entscheidung) gerichtet.
4.1.2. Darüber hinaus ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. etwa VwGH 28.04.2006, 2005/05/0171 mwN). Nachbarn haben daher aufgrund ihrer beschränkten Mitsprachemöglichkeit keinen Rechtsanspruch darauf, dass ein Vorhaben sämtlichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, sondern nur einen Rechtsanspruch darauf, dass ein Vorhaben die rechtzeitig geltend gemachten, durch Vorschriften eingeräumte subjektiv-öffentliche Rechte nicht verletzt. Die den Nachbarn eingeräumten prozessualen Rechte können hierbei nicht weiterreichen als die ihnen durch das Gesetz gewährleisteten materiellen Rechte (vgl. etwa VwSlg. 8032 A/1971).
Der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts wird überdies durch § 27 VwGVG bestimmt, wonach sich das Verwaltungsgericht mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der Prüfung des angefochtenen Bescheides inhaltlich auseinanderzusetzen hat. Das Verwaltungsgericht hat daher die Sache des angefochtenen Bescheides, hier (materiell) die Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin, im Hinblick auf die Beschwerdegründe, hier die in der Beschwerde aufrecht erhaltenen Einwendungen, zu überprüfen.
Die Beschwerdeführerin macht nunmehr ausschließlich die Verletzung in den subjektiv-öffentlichen Rechten auf Schutz vor örtlich unzumutbaren Emissionen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase und Erschütterung gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 48 NÖ BO 2014 geltend und erblickt in der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Lärmtechnik eine Verletzung von Verfahrensvorschriften.
4.2. Zur behaupteten Rechtsverletzung gemäß §§ 6 iVm 48 NÖ BO 2014:
4.2.1. Die Beschwerde ist nicht begründet.
4.2.2. Die gemäß der NÖ BO 2014 den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren zukommenden subjektiven Rechte sind in § 6 Abs. 2 NÖ BO 2014 taxativ aufgezählt (vgl. VwGH 24.04.2018, Ra 2018/05/0046, mwN). Nach § 6 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 werden subjektiv-öffentliche Rechte von Nachbarn nur durch jene Bestimmungen insbesondere dieses Gesetzes begründet, die den Schutz vor Emissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Zwecken jeder Art der Wohnnutzung ergeben (zB aus Heizungs- und Klimaanlagen), gewährleisten. Gemäß § 48 NÖ BO 2014 dürfen Emissionen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase und Erschütterung, die originär von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, Menschen weder in ihrem Leben oder in ihrer Gesundheit gefährden noch örtlich unzumutbar belästigen. Ausgenommen davon sind Lärmemissionen von Kindern auf Spielplätzen, in Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen oder ähnlichen Anlagen, Emissionen aus der Nutzung von Stellplätzen, sofern sie einem Vorhaben nach § 63 Abs. 1 erster Satz leg.cit. zugeordnet sind, sowie Emissionen von öffentlichen Warneinrichtungen.
4.2.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die mit der Wohnnutzung typischerweise verbundenen Emissionen vom Nachbarn hinzunehmen (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2016/05/0023).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen handelt es sich bei der Benützung der projektierten Freiflächen (Balkone und Dachterrasse) um eine „Benützung eines Gebäudes zu Zwecken jeder Art der Wohnnutzung“ im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014.
Die in Rede stehenden Freiflächen sind den drei projektierten Wohneinheiten zugeordnet und damit Bestandteil der Wohnbebauung. Sie sind nicht öffentlich zugänglich, sondern können ausschließlich von den projektierten Wohneinheiten (insbesondere den Wohn- und Esszimmern) betreten werden. Auch stellt eine Benützung von Freiflächen, wie Balkonen und Terrassen, entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu „Freizeitzwecken der Bewohner“ eine Wohnnutzung im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 dar, kommt doch schon durch den Wortlaut dieser Bestimmung zum Ausdruck, dass darunter nicht bloß eine Wohnnutzung im engen Sinn, wie zB die Nutzung im Zusammenhang mit der Befriedigung von Grundbedürfnissen, sondern „jede Art der Wohnnutzung“, folglich auch zur Erholung und im Zusammenhang mit der Freizeitgestaltung der Bewohner, umfasst ist (vgl. auch Pallitsch/Pallitsch/Kleewein, BauR NÖ10, § 6 Rz. 30 wonach auch die Auswirkungen der Benützung des Zubehörs, wie etwa Heizung, Aufzug, Hauskanal und Pflichtstellplätze, hinzunehmen sind). Die Benützung der projektierten Freiflächen auch durch mehrere Personen zum gemeinsamen Aufenthalt begründet daher eine Benützung zu Wohnzwecken; daraus möglicherweise resultierende Emissionen wie Lärm oder Gerüche sind auf eine reine Wohnnutzung zurückzuführen und daher nicht vom Nachbarschutz umfasst.
Dem steht auch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegen, wonach die Flächenwidmung Bauland-Kerngebiet dem Nachbarn einen Immissionsschutz und damit ein subjektives Recht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan gewährt, ist doch diese Rechtsprechung auf Bauvorhaben bzw. Gebäude bezogen, die nicht der Wohnnutzung dienen (etwa Produktions- und Lagerhallen; vgl. VwGH 16.09.2009, 2008/05/0038). Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass es sich bei befürchtetem Lärm aus der Benützung von Balkonen oder Terrassen, etwa dadurch, dass dort gesprochen werde, um Lärmemissionen handelt, die in der Widmungskategorie Bauland‑Kerngebiet nicht als ortsunüblich anzusehen sowie in einem städtischen Wohngebiet durchaus üblich sind (vgl. hierzu VwGH 25.02.2010, 2009/06/0117; VwGH 23.01.1996, 95/05/0004).
Darüber hinaus begründen die Emissionen, die aus der Benützung der drei Abstellplätze für Kraftfahrzeuge resultieren, keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte. Die Abstellplätze entsprechen der Mindestanzahl von Abstellanlagen für Kraftfahrzeuge gemäß § 11 Abs. 1 NÖ Bautechnikverordnung (vgl. auch § 63 Abs. 1 NÖ BO 2014) und stellen demnach gemäß § 48 NÖ BO 2014 keine Emissionen dar, die einen nachbarrechtlichen Immissionsschutz begründen.
4.2.4. Da die in Rede stehenden Emissionen keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 48 NÖ BO 2014 begründen, war die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Lärmtechnik weder durch die belangte Behörde noch durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erforderlich.
4.2.5. Es war daher – unter Korrektur des Spruchs des angefochtenen Bescheides – spruchgemäß zu entscheiden (zur Spruchkorrektur vgl. Punkt 4.1.1.; durch die Abweisung der Berufung gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz gelten die im Rahmen des Berufungsbegehrens gestellten Anträge auf Abweisung der Baubewilligung sowie eventualiter Zurückverweisung der Angelegenheit an die Baubehörde erster Instanz als miterledigt).
5. Zum Entfall der öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Die – beantragte – öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Der Sachverhalt war durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes vollständig geklärt. Das Beschwerdevorbringen war außerhalb der subjektiven Nachbarrechte gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 iVm § 48 NÖ BO 2014 gelegen bzw. auf die Lösung einer Rechtsfrage – Anwendung des nachbarrechtlichen Immissionsschutzes auf die Benützung von Freiflächen eines Wohngebäudes (Balkone und Dachterrasse) – bezogen.
6. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich überdies auf den eindeutigen Wortlaut der angewendeten Gesetzesbestimmungen der NÖ BO 2014 stützen kann (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei eindeutigen Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen etwa VwGH 23.05.2017, Ra 2017/05/0086).
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