B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:I406.2275929.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus HINTNER und Emanuel STRAKA über die Beschwerde der XXXX und der XXXX , geboren am XXXX , StA. Serbien, beide vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Klaus P. PICHLER, Schillerstraße 17, 6850 Dornbirn, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice (AMS) Bregenz vom 19.04.2023, ABB-Nr. XXXX , betreffend die Nichtzulassung von XXXX als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben.
II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 19.01.2023 stellte XXXX , eine Staatsangehörige von Serbien, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. einer Rot-Weiß-Rot Karte für Fachkräfte in Mangelberufen.
Dem Antrag war eine Arbeitgebererklärung beigelegt, laut der XXXX bei der XXXX als Köchin beschäftigt werden soll. Zusätzlich wurden Unterlagen zum Nachweis dafür, dass XXXX die geforderte Qualifikation habe, vorgelegt.
2. Mit Schreiben vom 27.01.2023 informierte das AMS die XXXX , dass derzeit die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien zum Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht erreicht werde, um XXXX als Fachkraft in einem Mangelberuf zuzulassen.
Das AMS gab der XXXX Gelegenheit, binnen einer Woche ab Zustellung des Schreibens zu den Einwendungen schriftlich Einwendungen zu erheben und Unterlagen vorzulegen.
Daraufhin übermittelte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer weitere Unterlagen an das AMS Bregenz.
3. Mit angefochtenem Bescheid vom 19.04.2023 wies das AMS nach Anhörung des Regionalbeirats den Antrag vom 19.01.2023 auf Zulassung von XXXX als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG ab.
Begründend führte das AMS aus, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass statt der erforderlichen Mindestpunkteanzahl von 55 nur 40 angerechnet werden hätten können.
Mittels Parteiengehör vom 13.02.2023 sei über die Ablehnungsgründe informiert worden. Die vorgebrachten Unterlagen vom 14.04.2023 hätten kein anderes Ergebnis herbeiführen können. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 08.05.2023, in welcher ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde. Im Wesentlichen wird vorgebracht, dass der gegenständliche Bescheid keinen Sachverhalt aufweise und es an jeglicher Beweiswürdigung fehle.
Aus dem Bescheid sei aus objektiver Sicht nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Punktevergabe für die in Anlage B angeführten Kriterien zum Ausländerbeschäftigungsgesetz erfolgt sei. Hätte die Behörde den Sachverhalt richtig festgestellt, hätte sie 19 zusätzliche Punkte vergeben müssen, sodass der Bescheid positiv ausgestellt worden wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 19.01.2023 stellte XXXX , eine Staatsangehörige von Serbien, einen Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot Karte für Fachkräfte in Mangelberufe, dem sie eine Arbeitgebererklärung für die beabsichtigte Tätigkeit als Köchin und einige Qualifikationsnachweise beilegte.
Mit Bescheid des AMS Bregenz vom 19.04.2023, ABB-Nr. XXXX , wurde nach Anhörung des Regionalbeirats der Antrag auf Zulassung von XXXX als Fachkraft in einem Mangelberuf abgewiesen. In diesem Bescheid findet sich folgende Begründung:
„Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass statt der erforderlichen Mindestpunkteanzahl von 55 nur 40 angerechnet werden konnten.
Es wurden für unten angeführte Kriterien gemäß Anlage B folgende Punkte vergeben:
Qualifikation: 30
Ausbildungsadäquate Berufserfahrung: 0
Sprachkenntnisse Deutsch: 5
Sprachkenntnisse Englisch: 0
Alter: 40 Jahre 5
Zusatzpunkte für Englischkenntnisse: 0
Mittels Parteiengehör vom 13.02.2023 wurden sie über die Ablehnungsgründe informiert. Die vorgebrachten Unterlagen vom 14.04.2023 konnten kein anderes Ergebnis herbeiführen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
Abgesehen von dieser Begründung traf das AMS Bregenz im Bescheid keine Ausführungen dazu, auf welcher Sachverhaltsgrundlage die dargestellte Punktevergabe erfolgte.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des AMS, der vorgelegten Unterlagen, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des AMS und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 19.04.2023 und dem Beschwerdevorbringen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Behebung des angefochtenen Bescheides und zur Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 12a AuslBG (Ausländerbeschäftigungsgesetz) werden Ausländer in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und
sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.
Anlage B - Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a
Kriterien | Punkte |
Qualifikation | maximal anrechenbare Punkte: 30 |
abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf | 30 |
ausbildungsadäquate Berufserfahrung | maximal anrechenbare Punkte: 20 |
Berufserfahrung (pro Halbjahr) Berufserfahrung in Österreich (pro Halbjahr) | 1 2 |
Sprachkenntnisse | maximal anrechenbare Punkte: 25 |
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A1) Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2) Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 10 15 |
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2) Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 10 |
Französischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 |
Spanischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 |
Bosnisch-, Kroatisch- oder Serbischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 |
Alter | maximal anrechenbare Punkte: 15 |
bis 30 Jahre bis 40 Jahre bis 50 Jahre | 15 10 5 |
Summe der maximal anrechenbaren Punkte Zusatzpunkte für Englischkenntnisse, sofern die vorherrschende Unternehmenssprache Englisch ist | 90 5 |
erforderliche Mindestpunkteanzahl | 55 |
| |
Gemäß § 60 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) sind in der Begründung (eines Bescheides) die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird (§ 58 Abs 2 AVG).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den konkreten Fall
In der Beschwerde wird zu Recht vorgebracht, dass der angefochtene Bescheid weder eine Sachverhaltsdarstellung noch eine Beweiswürdigung enthält und somit nicht ersichtlich ist, wie die Punktevergabe hinsichtlich der Zulassungskriterien in Anlage B für Fachkräfte in Mangelberufen erfolgte.
Eine Bescheidbegründung muss jedoch in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise dartun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und weshalb sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl Rz 7 sowie etwa VwGH 30. 3. 2006, 2002/20/0055; 5. 9. 2006, 2004/20/0237; 29. 1. 2014, 2013/12/0100).
Liegen die Voraussetzungen des § 58 Abs 2 AVG nicht vor, müssen Bescheide in schlüssiger und vollständiger Weise begründet werden (VwGH 30. 5. 1963, 95/63) bzw – anders ausgedrückt – die Vorgangsweise der Behörde bis zur Erlassung des Bescheides widerspiegeln (Svoboda, Begründung 258; vgl auch Mannlicher/Quell AVG § 60 Anm 3; Schulev-Steindl6 Rz 259; ferner Herz, AnwBl 1956, 4).
§ 60 AVG erfordert in einem ersten Schritt die Darstellung jenes (in einem gem § 39 Abs 2 AVG amtswegig geführten Ermittlungsverfahren erhobenen [vgl VwGH 2. 5. 2012, 2011/08/0326]) Sachverhalts, welchen die Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde legt (so auch VwGH 20. 10. 2004, 2001/08/0020; vgl auch VwGH 29. 1. 2014, 2013/12/0100; VwSlg 18.839 A/2014; 18.953 A/2014), in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche sie im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse dazu bewogen hat, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnis zum Spruch des Bescheides geführt hat (VwGH 27. 6. 1995, 92/07/0184; 29. 1. 2014, 2013/12/0100; VwSlg 18.953 A/2014; VwGH 20. 9. 2017, Ro 2014/11/0082; 15. 2. 2021, Ra 2020/11/0179).
Verfehlt eine Entscheidung die Trennung dieser drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu separierenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten Entscheidung in einer Weise, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die VwG maßgeblich beeinträchtigt wird, führt ein solcher Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung (VwSlg 18.953 A/2014; VwGH 20. 5. 2015, Ra 2015/20/0067; 6. 3. 2018, Ra 2018/02/0009).
Der Begründungspflicht wird durch bloß pauschale oder abstrakte (vgl auch Hauer, ÖGZ 1971, 435), inhaltsleere (vgl VwGH 7. 9. 1990, 90/18/0038) oder leerformelartige (vgl VwGH 25. 2. 2004, 2003/12/0027) Feststellungen oder Behauptungen nicht Genüge getan (vgl etwa auch VwGH 19. 3. 1985, 84/07/0126; 26. 11. 2003, 2001/20/0457).
Die Begründungserfordernisse des § 60 AVG schließen auch in jenen Fällen, in denen der maßgebende Sachverhalt von vornherein klar gegeben ist, die Verpflichtung der Behörde mit ein, in der Bescheidbegründung in eindeutiger Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen sie bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist (Rechtssatz VwGH 11.05.1990, 90/18/0018, Hinweis E 23.1.1979, 451/78).
Der angefochtene Bescheid erfüllt diese grundlegenden gesetzlichen Erfordernisse nicht:
Indem lediglich die vergebenen Punkte in den einzelnen Kategorien angeführt werden und darüberhinaus ausgeführt wird, „Die vorgebrachten Unterlagen vom 14.04.2023 konnten kein anderes Ergebnis herbeiführen“ wird den oben dargelegten Anforderungen nicht Genüge getan, in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und aus welchen Erwägungen die Behörde zu ihrer Ansicht gelangte.
Insbesondere die Formulierung „Die vorgebrachten Unterlagen vom 14.04.2023 konnten kein anderes Ergebnis herbeiführen“ läßt den Beschwerdeführer darüber im unklaren, aus welchen Gründen dies so ist und ermöglicht es ihm somit nicht, die Entscheidung begründet zu bekämpfen.
Daher war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zu beheben.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war zurückzuweisen, da im konkreten Fall die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt.
Durch die aufschiebende Wirkung kann niemals mehr erreicht werden als durch die Beschwerde selbst. Den Beschwerdeführern kann mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht eine bessere Rechtsposition eingeräumt werden als jene, die vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bestanden hat.
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kam im vorliegenden Fall auch deshalb nicht in Betracht, weil der angefochtene Bescheid, mit welchem in einer Angelegenheit des AuslBG ein Antrag auf Zulassung als Fachkraft abgewiesen worden ist, einem Vollzug gar nicht zugänglich ist und mit ihm keinem Dritten Rechte eingeräumt werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zu den inhaltlichen Anforderungen, denen ein Bescheid entsprechen muss, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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