BVwG G315 2269542-1

BVwGG315 2269542-112.6.2023

AVG §78
B-VG Art133 Abs4
FPG §60 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:G315.2269542.1.00

 

Spruch:

 

G315 2269542-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias: XXXX ), geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Nordmazedonien, vertreten durch RAST & MUSLIU Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2023, Zahl XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Einreiseverbotes, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:„Ihr Antrag vom 14.09.2022 auf Aufhebung des gegen Sie mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2020 erlassenen Einreiseverbotes wird gemäß § 60 Abs. 1 FPG als unzulässig zurückgewiesen.“

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Per E-Mail vom 14.09.2022 beantragte die Ehefrau des Beschwerdeführers, das gegen ihn mit Bescheid vom 21.09.2020 erlassene Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren aufzuheben.

2. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 19.09.2022 ein schriftliches Parteiengehör eingeräumt und er zur Beantwortung konkreter Fragen binnen vier Wochen ab Zustellung des Parteiengehörs aufgefordert.

3. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers langte per E-Mail vom 27.09.2022 beim Bundesamt ein. Unter einem wurden vom Beschwerdeführer nachfolgende Unterlagen vorgelegt:

- Kopie seines nordmazedonischen Personalausweises (vgl. AS 95);

- Kopie des österreichischen Reisepasses seiner Ehefrau (vgl. AS 97);

- Kopie der nordmazedonischen Heiratsurkunde vom 05.09.2022 (vgl. AS 101);

- Kopie einer nordmazedonischen Strafregisterauskunft samt Apostille und beglaubigter Übersetzung ins Deutsche vom 09.08.2022 (vgl. AS 103 ff);

- Kopie eines rechtskräftigen nordmazedonischen Bescheides vom 10.11.2020 über die Änderung des Nachnamens des Beschwerdeführers samt Apostille und beglaubigter Übersetzung ins Deutsche (vgl. AS 111 ff);

- Kopie einer Bestätigung der nordmazedonischen Arbeitsagentur über die Meldung des Beschwerdeführers als arbeitslos ohne Bezug von Geldleistungen vom 08.08.2022 samt beglaubigter Übersetzung ins Deutsche (vgl. AS 121 ff);

4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 28.02.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14.09.2022 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.09.2020 erlassenen Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 1 FPG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerdeführer gemäß § 78 AVG verpflichtet, Bundesverwaltungsabgaben in Höhe von EUR 6,50 binnen einer Zahlungsfrist von vier Wochen zu entrichten (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem fünfjährigen Einreiseverbot erlassen worden sei, weil er bei „Schwarzarbeit“ betreten wurde und sich daher rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Bescheid über die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot sei in erster Instanz in Rechtskraft erwachsen. Er sei am 24.09.2020 unbegleitet nach Nordmazedonien abgeschoben worden. Er sei in Nordmazedonien und in Österreich strafgerichtlich unbescholten, gehe jedoch keiner Erwerbstätigkeit nach und verfüge er über kein regelmäßiges Einkommen in Nordmazedonien. Zwar habe der Beschwerdeführer im September 2022 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet, er führe mit dieser aber unstrittig kein tatsächliches Familienleben in Österreich, wo seine Ehefrau lebe. Die übrige Kernfamilie lebe nicht in Österreich und verfüge der Beschwerdeführer auch sonst über keine sozialen Kontakte im Bundesgebiet. Es sei nach Ansicht des Bundesamtes daher zu keiner wesentlichen Änderung des Persönlichkeitsprofils des Beschwerdeführers seit Erlassung des Einreiseverbotes gekommen und habe sich auch seine finanzielle Lage nicht verbessert. Seiner Ehefrau könne zugemutet werden, ihren Lebensmittelpunkt nach Nordmazedonien zu verlagern. Es bestehe im Zusammenhang mit der Dauer des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers daher nach wie vor die Gefahr, aufgrund seiner Mittelosigkeit zu einer Belastung für eine Gebietskörperschaft zu werden. Sein Lebensunterhalt sei nicht gesichert und bestehe ebenso die hohe Gefahr, dass er seinen Unterhalt wieder durch „Schwarzarbei finanziere. Es lägen daher die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Verkürzung des Einreiseverbotes nicht vor.

Mit Verfahrensanordnung vom 28.02.2023 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt.

Der gegenständliche Bescheid sowie die Verfahrensanordnung wurden der dazu bevollmächtigten Ehefrau des Beschwerdeführers am 28.02.2023 per E-Mail zugestellt.

5. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 28.03.2023, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verfahren an das Bundesamt zurückverweisen; in eventu eine mündliche Verhandlung durchführen.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Feststellungen des Bundesamtes dahingehend, dass der Beschwerdeführer nach wie vor eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle sowie keine wesentlichen Änderungen in Bezug auf seine Familiensituation eingetreten wären, unrichtig seien. Der Beschwerdeführer habe das Bundesgebiet nach Erlassung des Einreiseverbotes am 24.09.2020 fristgerecht verlassen und sich seitdem nicht mehr im Bundesgebiet aufgehalten. Er habe sich daher durchgehend an das Einreiseverbot gehalten. Am 05.09.2022 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, die im Bundesgebiet seit 01.03.2013 durchgehend einer Vollzeitbeschäftigung als Sachbearbeiterin nachgehe und monatlich netto rund EUR 1.900,00 (ohne Zulagen) ins Verdienen bringe. Sie sei Mieterin einer näher angeführten Wohnung und verfüge der Beschwerdeführer in Österreich bereits über eine Einstellungszusage in einem Maler-Betrieb. Es könne daher keinesfalls von einer möglichen Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Die Beurteilung des Bundesamtes, wonach weiterhin die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer einer unrechtmäßigen Beschäftigung nachgehen würde, würden daher jeglicher Grundlage entbehren. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch den Beschwerdeführer liege gegenständlich daher nicht mehr vor. Es werde weiters festgehalten, dass der Beschwerdeführer inzwischen mehr als die Hälfte der Dauer des gegen ihn verhängten Einreiseverbotes eingehalten habe, obwohl dieser Umstand keine Voraussetzung für eine Aufhebung des Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 1 FPG darstelle. Er sei weiters weder in Österreich noch in Nordmazedonien strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Unter einem wurden zudem nachfolgende Unterlagen (sofern nicht bereits aktenkundig) vorgelegt:

- Einstellungszusage vom 14.03.2023 (vgl. AS 247);

- Mietvertrag der Ehefrau für eine Gemeindewohnung in XXXX (vgl. AS 249 ff);

- Gehaltsabrechnungen der Ehefrau für November 2022 bis März 2023 (vgl. AS 253 ff);

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt, wo sie am 03.04.2023 einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden auch als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.2. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nordmazedonien (vgl. aktenkundige Kopien des nordmazedonischen Personalausweises, etwa AS 95).

1.3. Er reiste etwa Mitte des Jahres 2020 unter seinem vormaligen Nachnamen „ XXXX “ in das Schengen-Gebiet ein, wo er sich in Deutschland aufhielt, bevor er Anfang September 2020 nach Österreich reiste und hier am 17.09.2020 von der Polizei bei einer nicht legalen Arbeit auf einer Baustelle betreten und festgenommen wurde. Der Beschwerdeführer hatte dort am 16.09.2020 und am 17.09.2020 (dem Tag der Betretung) Fliesen verlegt. Dafür war ein Entgelt in Höhe von EUR 80,00 pro Tag vereinbart (vgl. eigene Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 17.09.2020, AS 31 ff).

Er war in Österreich von 10.09.2020 bis 04.06.2021 mit einem Hauptwohnsitz und zusätzlich von 17.09.2020 bis 24.09.2020 mit einem Nebenwohnsitz im Polizeianhaltezentrum gemeldet. Unter seinem seit 09.11.2020 geänderten Nachnamen weist der Beschwerdeführer jedoch keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 19.04.2023 zur ehemaligen Identität des Beschwerdeführers und vom 03.04.2023 zur aktuellen Identität; Beschluss vom 09.11.2020 über die Namensänderung, AS 115 ff).

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.09.2020, rechtskräftig am 20.10.2020 in erster Instanz, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nordmazedonien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 und Z 7 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) (vgl. aktenkundiger Bescheid, AS 27 ff).

Der Beschwerdeführer wurde am 24.09.2020 auf dem Luftweg unbegleitet nach Nordmazedonien abgeschoben (vgl. etwa Fremdenregisterauszug vom 03.04.2023). Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig entgegen dem bestehenden Einreiseverbot wieder nach Österreich bzw. in den Schengen-Raum gereist ist.

Gegen den Beschwerdeführer besteht somit ein aufrechtes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes und mit 20.10.2020 rechtkräftiges Einreiseverbot, welches basierend auf seiner Ausreise am 24.09.2020 bis 24.09.2025 gültig ist (vgl. Fremdenregisterauszug vom 03.04.2023).

1.5. Der Beschwerdeführer ist in Nordmazedonischen geboren und aufgewachsen. Er hat dort die Schule bis zum Gymnasium absolviert und war dann von Beruf als Maler erwerbstätig. Seine Eltern und zwei Schwestern leben in Nordmazedonien (vgl. eigene Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 17.09.2020, AS 31 ff; schriftliche Stellungnahme vom 27.09.2022, AS 89 ff).

Am 02.09.2022 hat der Beschwerdeführer in Nordmazedonien die österreichische Staatsangehörige XXXX , geboren am XXXX in Nordmazedonien, geheiratet (vgl. aktenkundige Kopie der nordmazedonischen Heiratsurkunde samt Apostille und beglaubigter Übersetzung, AS 101 ff; aktenkundige Kopie des österreichischen Reisepasses der Ehefrau, AS 97).

Die Ehefrau des Beschwerdeführers lebt in Wien, hat dort eine Wohnung gemietet und ist seit 01.03.2013 durchgehend als Angestellte bei demselben Unternehmen sozialversichert erwerbstätig. Ihr Bruttogehalt beträgt monatlich aktuell EUR 2.614,52, das entspricht netto EUR 1.891,31 (vgl. aktenkundige Kopie des Mietvertrages, AS 249 ff; Sozialversicherungsdatenauszug der Ehefrau vom 19.04.2023; Brutto-Netto-Rechner des BMF, https://onlinerechner.haude.at/BMF-Brutto-Netto-Rechner/ , Zugriff am 21.04.2023).

Abgesehen von seiner Ehefrau verfügt der Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären oder sonstigen privaten Bindungen. Er hat keine Kinder und ist gesund (vgl. schriftliche Stellungnahme vom 27.09.2022, AS 89 ff).

In Nordmazedonien verfügt er aktuell über kein Einkommen (vgl. schriftliche Stellungnahme vom 27.09.2022, AS 89 ff; Kopie einer Bestätigung der nordmazedonischen Arbeitsagentur über die Meldung des Beschwerdeführers als arbeitslos ohne Bezug von Geldleistungen vom 08.08.2022 samt beglaubigter Übersetzung ins Deutsche, AS 121 ff; Beschwerdevorbringen).

Hingegen verfügt er über eine aktuelle, mit 14.03.2023 datierte, Einstellungszusage in Österreich in einem Malereibetrieb (vgl. AS 247).

Bisher ging er in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer erlaubten Erwerbstätigkeit nach (vgl. Abfragen der Sozialversicherungsdaten zu beiden Nachnamen vom 19.04.2023).

1.6. Der Beschwerdeführer ist sowohl in Nordmazedonien als auch in Österreich strafgerichtlich unbescholten (vgl. nordmazedonische Strafregisterbescheinigung, AS 239; Strafregisterauszüge vom 03.04.2023 und vom 19.04.2023).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Aktenkundig ist weiters eine Kopie des gültigen, nordmazedonischen Personalausweises des Beschwerdeführers, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm hinsichtlich des Beschwerdeführers Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Fremdenregister, das Schengener Informationssystem, die Sozialversicherungsdaten sowie das Strafregister des Beschwerdeführers, und hinsichtlich seiner Ehefrau in deren aktuelle Sozialversicherungsdaten, und holte die aktenkundigen Auszüge ein.

Auch wenn der Beschwerdeführer im Zentralen Melderegister bis 04.06.2021 (unter seinem ehemaligen Nachnamen) mit einem Hauptwohnsitz gemeldet war, ergeben sich sonst im Verfahren keinerlei Hinweise, dass der Beschwerdeführer seit seiner Abschiebung am 24.09.2020 in den Schengen-Raum bzw. nach Österreich zurückgekehrt wäre und wurde dies auch seitens des Bundesamtes weder festgestellt noch angenommen. Unter seinem neuen Nachnamen, welchen der Beschwerdeführer laut aktenkundigem nordmazedonischem Bescheid schon am 09.11.2020 angenommen hat, weist der Beschwerdeführer in Österreich keine Wohnsitzmeldung auf. Es ist daher begründet anzunehmen, dass eine Abmeldung des Wohnsitzes zu einem verspäteten Zeitpunkt vom Vermieter oder von Amts wegen vorgenommen wurde.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln, welche jeweils in Klammer zitiert und vom Beschwerdeführer bzw. dem Bundesamt zu keiner Zeit bestritten wurden, sowie den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und in der Beschwerde, welche der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I.:

Der mit „Verkürzung, Gegenstandslosigkeit und Aufhebung“ betitelte § 60 FPG idgF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:

„§ 60. (1) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(2) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(3) Die Rückkehrentscheidung wird gegenstandslos, wenn einem Drittstaatsangehörigen

1. der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird;

2. ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 erteilt wird.

(Anm.: Abs. 4 und 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Gegen den Beschwerdeführer wurde ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 FPG erlassen. Demnach ist in seinem Fall § 60 Abs. 1 FPG maßgeblich. Voraussetzung für eine Verkürzung oder Aufhebung des Einreiseverbotes ist daher, die fristgerechte Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten.

Die Möglichkeit der Verkürzung oder Aufhebung eines Einreiseverbotes steht damit nur in jenen Fällen zur Verfügung, in denen der Drittstaatsangehörige fristgerecht und damit freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist ist und diese fristgerechte Ausreise nachweisen kann (vgl. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 60 FPG 2005 (Stand 01.01.2015, rdb.at)).

Diese Antragsvoraussetzung liegt aber beim Beschwerdeführer gegenständlich gar nicht vor, zumal ihm mit Bescheid vom 21.09.2020 die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt, ihm eben keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt und er am 24.09.2020 aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde (vgl. dazu etwa auch VwGH vom 07.03.2023, Ra 2022/21/0069; vom 08.04.2021, Ra 2021/21/0046).

Der Antrag erweist sich daher mangels Vorliegens der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen als unzulässig und war die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Antrag zurückgewiesen wird.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass bei zwingenden Gründen des Art. 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG die Möglichkeit besteht, die Gegenstandslosigkeit (§ 60 Abs. 3 Z 2 FPG) einer Rückkehrentscheidung und eines damit verbundenen Einreiseverbotes, auch wenn es einer Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG nicht zugänglich ist, zu erwirken (vgl. VwGH vom 16.12.2015, Ro 2015/21/0037). Dieser Sichtweise hat sich auch der VfGH angeschlossen, weshalb er die gegen § 60 Abs. 1 FPG unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu teilen vermochte (VfSlg. 20049/2016, G534/2015 vom 29.02.2016). VwGH und VfGH haben sich in den zitierten Erkenntnissen konkret auf die Konstellation bezogen, dass mangels fristgerechter Ausreise Verkürzung oder Aufhebung eines Einreiseverbotes nach dem Gesetzeswortlaut nicht in Betracht kommen (vgl. VwGH vom 25.01.2018, Ra 2017/21/0256, RS 2).

3.2. Zu Spruchpunkt II: Bundesverwaltungsabgaben:

§ 78 AVG idgF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

„§ 78. (1) Den Parteien können in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung (unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung, übertragener Wirkungsbereich der Gemeinden in Bundesangelegenheiten) für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgesetzt ist. Wenn ein im Verwaltungsverfahren als Partei auftretender Rechtsträger zur Vollziehung der Gesetze berufen ist, so unterliegt er insoweit der Verpflichtung zur Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben nicht, als die Amtshandlung eine unmittelbare Voraussetzung der dem Rechtsträger obliegenden Vollziehung der Gesetze bildet. Die Gebietskörperschaften unterliegen ferner der Verpflichtung zur Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe nicht, wenn diese der als Partei einschreitenden Gebietskörperschaft zufließen würde.

(2) Für das Ausmaß der Bundesverwaltungsabgaben sind, abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen, durch Verordnung der Bundesregierung zu erlassende Tarife maßgebend, in denen die Abgaben mit festen Ansätzen, die nach objektiven Merkmalen abgestuft sein können, bis zum Höchstbetrag von 1 090 Euro im einzelnen Fall festzusetzen sind.

(3) Das Ausmaß der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeverwaltung richtet sich nach den auf Grund des Finanz-Verfassungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften.

(4) Die Bundesverwaltungsabgaben sind von der Behörde einzuheben und fließen der Gebietskörperschaft zu, die deren Aufwand zu tragen hat.

(5) Die Art der Einhebung ist für die Bundesbehörden durch Verordnung der Bundesregierung, für die Behörden der Länder und Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung zu regeln.“

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG ist im Spruch des Bescheides neben der Hauptsache nach Möglichkeit die allfällige Kostenfrage zu erledigen. Gemäß § 78 Abs. 1 AVG können Parteien in Angelegenheiten der Bundesverwaltung unter anderem für wesentliche, in ihrem Privatinteresse gelegene Amtshandlungen Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden. Gemäß § 78 Abs. 2 AVG sind die von der Bundesregierung mit Verordnung erlassenen Tarife maßgebend.

Gemäß Tarif A Z 2 Bundesverwaltungsabgabenverordnung (BVwAbgV), BGBl. Nr. 235/1984 idgF BGBl. II Nr. 371/2006, haben Parteien für sonstige Amtshandlungen, die wesentlich in ihrem Privatinteresse liegen, soweit nicht eine andere Tarifpost zur Anwendung kommt, eine Bundesverwaltungsabgabe in der Höhe von Euro 6,50 zu entrichten.

Die Aufhebung oder Verkürzung eines Einreiseverbotes kann weder nach § 60 Abs. 1 noch Abs. 2 FPG von Amts wegen erfolgen, auch wenn die Behörde Grund zur Annahme hätte, ein von ihr verhängtes Einreiseverbot werde aktuell nicht mehr von der Sach- oder Rechtslage getragen (vgl. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 60 FPG 2005 Anm. 4 (Stand 01.01.2015, rdb.at)).

Demnach liegt die Erlassung des gegenständlichen Bescheides über den Antrag des Beschwerdeführers in seinem Privatinteresse, weshalb die Voraussetzung für die Auslösung einer Gebührenschuld in der Höhe von EUR 6,50 iSd § 78 AVG iVm § 1 Abs. 1 iVm Tarif A Z 2 BVwAbgV vorliegt.

Da die Beschwerde zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids überdies keinerlei Ausführungen enthielt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückweisen ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung eines Einreiseverbotes ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

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