ASVG §59
B-VG Art133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W145.2263839.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX GmbH, vertreten durch die XXXX -Gesellschaft m.b.H., gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich, vom 02.11.2022, BKNR XXXX betreffend den Antrag auf Nachsicht der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 2 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Die XXXX GmbH (DGNR XXXX , BKNR XXXX ), XXXX , (im Folgenden: Beschwerdeführerin) stellte am 24.05.2022 einen Antrag auf Nachsicht der Verzugszinsen in Höhe von EUR 56.758,50 gemäß § 59 Abs. 2 ASVG an die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde). Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass aufgrund einer Beitragsprüfung für die Vorjahre Beitragsnachforderungen in beträchtlicher Höhe vorgeschrieben worden seien. Die gegen diese Beitragsnachforderungen erhobenen Rechtsmitteln seien jedoch alle negativ beschieden worden. Durch die Dauer der Rechtsmittelerledigungen und der zwischenzeitig verstrichenen Zeit sei es zu einem Beitragsrückstand an Kapitalforderungen von EUR 363.451,16 zuzüglich EUR 56.758,50 Verzugszinsen, somit zu einem Gesamtrückstand von EUR 420.209,66 gekommen. Der Geschäftsführer und 100% Gesellschafter der Beschwerdeführerin habe infolgedessen durch persönliche Haftung einen Bankkredit, in maximal möglicher Höhe von EUR 350.000,00 sowie ein Privatdarlehen in Höhe von EUR 13.451,16 zur Tilgung aufgenommen. Gemäß § 59 Abs. 2 ASVG könne der Versicherungsträger die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch die Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären.
Wesentlich für die Beurteilung der Lage der Beschwerdeführerin sei die Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva zum 31.12.2021. Im Zuge dieser Gegenüberstellung ergebe sich eine Überschuldung von rund EUR 129.000,00, wobei darin die Verzugszinsen in Höhe von EUR 56.758.50 enthalten seien. In Prozent ausgedrückt, resultiere die Überschuldung somit in Höhe von rund 44% aus den vorgeschriebenen Verzugszinsen und führen diese somit auch zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens. Die Beschwerdeführerin sei derzeit zwar buchmäßig überschuldet, aufgrund der derzeitigen positiven Geschäftsentwicklung in Zusammenhang mit dem Erzielen von Gewinn werde es möglich seien, diese Überschuldung rasch abzubauen. Ohne Verzugszinsen hätte die Beschwerdeführerin bei Erzielen von Gewinnen gemäß Planrechnung in zirka einem Jahr wiederum ein positives Eigenkapital.
Im Sinne des § 59 Abs. 2 ASVG stelle daher die Vorschreibung und Einforderung der Verzugszinsen eine wesentliche Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse dar und es werde um Nachsicht derselben in Höhe von EUR 56.758,50 ersucht.
Dem Antrag wurden mehrere Anlagen beigefügt.
2. Mit Bescheid vom 02.11.2022, BKNR XXXX , hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin im Spruchpunkt I. verpflichtet EUR 50.886,82 an Verzugszinsen bei sonstiger Durchführung von Zwangsmaßnahmen zu bezahlen. Im Spruchpunkt II. wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 24.05.2022 auf Nachsicht der Verzugszinsen in Höhe von EUR 56.758,50 teilweise, nämlich in der Höhe von EUR 5.670,00, stattgegeben. Im Spruchpunkt III. wurde ausgesprochen, dass eine allfällige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat.
Zu Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin Dienstgeberin sei und ihr das von der belangten Behörde geführte Beitragskonto BE XXXX zugeordnet sei. Aufgrund von drei Sozialversicherungsprüfungen gemäß § 41a ASVG sei es zu folgenden Nachverrechnungen an Kapital und Verzugszinsen gekommen:
Sozialversicherungsprüfung vom 26.09.2012, Prüfzeitraum 01.01.2007-31.12.2011: Nachverrechnung von EUR 146.398,21 an Kapital und EUR 31.564,28 an Verzugszinsen.
Sozialversicherungsprüfung vom 31.07.2017, Prüfzeitraum 01.01.2012-31.12.2015: Nachverrechnung von EUR 152.426,43 an Kapital und EUR 17.893,85 an Verzugszinsen.
Sozialversicherungsprüfung vom 22.09.2021, Prüfzeitraum 01.01.2016-31.12.2018: Nachverrechnung von EUR 45.591,18 an Kapital und EUR 2.604,73 an Verzugszinsen.
Mit den am 07.03.2022 von der Beschwerdeführerin geleisteten Zahlungen seien sämtliche Nachverrechnungen an Kapital, welche aus den Sozialversicherungsprüfungen gemäß § 41a ASVG resultierten vollständig beglichen. Am Beitragskonto der Beschwerdeführerin würden bis auf aktuell aufgelaufene Beiträge nur mehr Verzugszinsen in Höhe von EUR 50.886,82 unberichtigt aushaften.
Zu Spruchpunkt II. führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass gemäß § 59 Abs. 2 ASVG der zur Entgegennahme der Zahlung berufene Versicherungsträger die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen könne, wenn durch die Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären.
Zur Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse werde festgehalten, dass die Herabsetzung bzw. Nachsicht der Verzugszinsen nur dann gerechtfertigt sei, wenn gerade durch die Einhebung der Verzugszinsen eine Gefährdung eintreten würde. Bei der Ermessensübung sei auf sozialversicherungsrechtliche Aspekte auch außerhalb der unmittelbaren Regelung des § 59 ASVG Bezug zu nehmen.
Im Zuge der Sozialversicherungsprüfungen seien Personen beim der Beschwerdeführerin betreten worden, welche nicht zur Sozialversicherung gemeldet waren. Innerhalb der einzelnen Prüfzeiträume seien immer wieder Schwarzarbeiter beschäftigt worden, der Dienstgeber sei daher über einen längeren Zeitraum seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen. Ein derartiges wiederholtes pflichtwidriges Verhalten wiege um ein Vielfaches schwerer, als zum Beispiel für einzelne Dienstnehmer für einzelne Monate nicht abgerechnete Zulagen und lasse das Argument der wirtschaftlichen Gefährdung einen anderen Stellenwert erlangen als bei einem grundsätzlich korrekt agierenden Dienstgeber. Das Verschulden der Beschwerdeführerin, nämlich die fortlaufende Beschäftigung von nicht zur Sozialversicherung gemeldeten Personen wiege so schwer, dass eine Nachsicht der Verzugszinsen nicht denkbar sei.
Um der Beschwerdeführerin jedoch einen Anreiz zu geben, in Zukunft ihren (Melde)verpflichtungen korrekt nachzukommen und auch aufgrund der Tatsache, dass es wegen der Covid-19 Pandemie zu massiven Liquiditäteinbüßen gekommen sei bzw. immer noch komme, habe die ÖGK im Sinne einer Ermessensentscheidung einen Betrag in Höhe von EUR 5.670,00 an Verzugszinsen nachgesehen.
Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass für den Fall des Zuwartens mit der Vollstreckung die konkrete Gefahr bestehe, dass die Beiträge – im Fall einer Insolvenz des Dienstgebers – nicht mehr einbringlich gemacht werden können. Es drohe daher ein unmittelbarer gravierender Nachteil für das öffentliche Wohl.
3. Mit Schriftsatz vom 28.11.2022 erhob die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte zu Spruchpunkt I. und II. aus, dass die belangte Behörde eine falsche Ermessensausübung vorgenommen habe. Aus den vorgelegten Unterlagen sei klar ersichtlich, dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführerin ein deutlich höherer Verzugszinsennachlass ableitbar gewesen wäre.
Der Bankkredit sei durch die persönliche Haftung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin aufgenommen worden. Nicht jede Gesellschaft und jeder Geschäftsführer wäre diesen Weg gegangen, Abgabenschuldigkeiten durch Rückgriff auf private Vermögenswerte des Geschäftsführers zu finanzieren. Verwiesen werde auch darauf, dass seitens der ÖGK stetig versichert wurde, jedoch ohne konkrete Zusage, dass sich die Beitragseinbringung günstig auswirken würde um eine deutliche Nachsicht bei den Verzugszinsen zu erhalten.
Es werde zugestanden, dass die Beschäftigung von Schwarzarbeitern in die Ermessensausübung einfließen müsse, jedoch könne diese bei Gefährdung der wirtschaftlichen Situation durch Vorschreibung der Verzugszinsen nicht zu einem fast kompletten Ausschluss der Nachsicht führen, sondern nur in einer verminderten Form der Nachsicht den Ausdruck finden.
Aufgrund der angeführten doch nachweisbaren Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Meldeverstöße, sei eine Nachsicht im Ausmaß von 60 % der Verzugszinsen als angemessener zu sehen als bloß ein Verzicht in Höhe von EUR 5.670,00 oder rund 10 % der gesamten Verzugszinsen.
Zu Spruchpunkt III. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die von der belangten Behörde angeführten Gründe bezüglich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nicht dem notwendigen Konkretisierungsgebot entsprechen. Es fehle sohin an einer für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung notwendigen konkreten Gefahr.
4. Mit Schreiben vom 06.12.2022 legte die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.Feststellungen:
Aufgrund von drei Sozialversicherungsprüfungen gemäß § 41a ASVG ist es bei der Beschwerdeführerin zu folgenden Nachverrechnungen an Kapital und Verzugszinsen gekommen:
Sozialversicherungsprüfung vom 26.09.2012, Prüfzeitraum 01.01.2007-31.12.2011: Nachverrechnung von EUR 146.398,21 an Kapital und EUR 31.564,28 an Verzugszinsen.
Sozialversicherungsprüfung vom 31.07.2017, Prüfzeitraum 01.01.2012-31.12.2015: Nachverrechnung von EUR 152.426,43 an Kapital und EUR 17.893,85 an Verzugszinsen.
Sozialversicherungsprüfung vom 22.09.2021, Prüfzeitraum 01.01.2016-31.12.2018: Nachverrechnung von EUR 45.591,18 an Kapital und EUR 2.604,73 an Verzugszinsen.
Mit den am 07.03.2022 geleisteten Zahlungen der Beschwerdeführerin sind sämtliche Nachverrechnungen an Kapital, welche aus den Sozialversicherungsprüfungen gemäß § 41a ASVG resultierten vollständig beglichen worden. Am Beitragskonto der Beschwerdeführerin haften bis auf aktuell aufgelaufene Beiträge nur mehr Verzugszinsen in Höhe von EUR 50.886,82 als unberichtigt aus.
Hintergrund der Nachverrechnungen war, dass im Zuge der drei Sozialversicherungsprüfungen gemäß § 41a ASVG Personen bei der Beschwerdeführerin betreten wurden, welche nicht zur Sozialversicherung gemeldet waren.
Mit Schreiben vom 24.05.2022 ersuchte die Beschwerdeführerin um Nachlass der Verzugszinsen.
Mit Bescheid vom 02.11.2022, BKNR XXXX , hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin im Spruchpunkt I. verpflichtet EUR 50.886,82 an Verzugszinsen bei sonstiger Durchführung von Zwangsmaßnahmen zu bezahlen. Im Spruchpunkt II. wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 24.05.2022 auf Nachsicht der Verzugszinsen in Höhe von EUR 56.758,50 teilweise, nämlich in der Höhe von EUR 5.670,00, stattgegeben. Im Spruchpunkt III. wurde ausgesprochen, dass eine allfällige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat.
3. Beweiswürdigung:
Der oben dargestellte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsakts und aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Es wurde in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Insbesondere wurden die Hintergründe der Beitragsnachverrechnungen, nämlich die Beschäftigung von Schwarzarbeitern über einen längeren Zeitraum bei der Beschwerdeführerin, nicht bestritten. Der Sachverhalt steht daher unstrittig fest.
4. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die Österreichische Gesundheitskasse.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im gegenständlichen Fall liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
„§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
Zu A): Abweisung der Beschwerde:
Die maßgebliche Bestimmung des ASVG zu den Verzugszinsen lautet wie folgt:
§ 59 (2) Der zur Entgegennahme der Zahlung berufene Versicherungsträger kann die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch ihre Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.
Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Rechtsprechung zu Art. 130 Abs. 2 B-VG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 betont, dass die Ermessensübung einer - nach der alten Rechtslage unmittelbar bei ihm selbst angefochtenen - letztinstanzlichen Verwaltungsbehörde nur dann als rechtswidrig erkannt werden könne, wenn diese nicht "im Sinne des Gesetzes", also nicht im Sinne der im Gesetz festgelegten Kriterien der Ermessensübung entschieden habe. Im Hinblick auf diese Einschränkung seiner Befugnis habe der Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen, ob die Behörde unter Einbeziehung der im Gesetz festgelegten Kriterien (noch) eine vertretbare Lösung gefunden habe oder ob ihr ein Ermessensfehler zum Vorwurf gemacht werden müsse, d. h. ob sie bei der Ermessensübung zu berücksichtigende Umstände unbeachtet gelassen, unsachliche Ermessenskriterien herangezogen, die gebotene Abwägung überhaupt unterlassen oder dabei das Gewicht der abzuwägenden Sachverhaltselemente grob verkannt habe. Bei Ermessensentscheidungen wie der vorliegenden ist die Behörde verpflichtet, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist. Diese auf Art. 130 Abs. 2 B-VG aF gestützte Überlegung ist angesichts des Art. 130 Abs. 3 B-VG auf die Überprüfung von behördlichen Ermessensentscheidungen durch ein Verwaltungsgericht zu übertragen. Es ist demnach Aufgabe des Verwaltungsgerichtes zu überprüfen, ob sich die (nur) teilweise Herabsetzung der Verzugszinsen als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erwies. Ist dies der Fall, so ist die Beschwerde - ohne dass das Verwaltungsgericht befugt wäre, in eine eigene Ermessenentscheidung einzutreten - abzuweisen. Erst wenn sich die behördliche Ermessensübung im Ergebnis als nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt erwiesen hätte - was insbesondere auch der Fall wäre, wenn die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände nicht frei von Verfahrensmängeln oder unvollständig festgestellt wurden - wäre das Verwaltungsgericht befugt, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Abs. 2 VwGVG) eigenes Ermessen zu üben. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst wäre nach § 28 Abs. 4 VwGVG vorzugehen (vgl. VwGH vom 02.06.2016, Ro 2015/08/0030).
Verzugszinsen haben keinen pönalen Charakter, sondern stellen ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsenverlust dar, den der Beitragsgläubiger dadurch erleidet, dass er die geschuldete Leistung nicht fristgerecht erhält; daher kommt es für die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß den Beitragspflichtigen am Zahlungsverzug ein Verschulden trifft (VwGH 2013/08/0107, SVSlg 62.915). Die Verzugszinsen beruhen auf einem bereicherungsrechtlichen Gedanken (VfGH G 249/93, VfSlg 13.823) und fallen verschuldensunabhängig an (VwGH 99/08/0124, SVSlg 45.003). Der Normzweck liegt darin, einer Schädigung der SVTr aber auch der ihrer Beitragspflicht rechtzeitig nachkommenden DG vorzubeugen (ErläutRV 770 BlgAH 18. Sess 7 zur Vorgängerbestimmung in § 4 des G RGBl 1909/29): Es geht also um den Schutz der Versichertengemeinschaft aber auch der rechtstreuen DG. Verzugszinsen gehen somit auch über die Abschöpfung eines allfälligen Nutzens hinaus. Sie sollen nämlich – abgesehen von der Abgeltung eines durch die Säumnis verursachten Verwaltungsmehraufwands – auch verhindern, dass der DG durch Nichtzahlung der Beiträge einen günstigen Kredit („billiges Geld“) erlangt (VfGH G 249/93, VfSlg 13.823) vgl. Resch in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 59 ASVG (Stand 1.3.2016, rdb.at).
Die Voraussetzungen des § 59 Abs. 2 ASVG sind im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu prüfen (VwGH 87/08/0037, ZfVB 1988/993 = SVSlg 32.485; 95/08/0243, SVSlg 42.138, 45.001 = ZfVB 1999/240). Auch ein nachträglich (also nach Einhebung der Verzugszinsen) gestellter Antrag ist möglich (VwGH 95/08/0243, SVSlg 42.138, 45.001 = ZfVB 1999/240). Der Verzicht steht als "Kann"-Bestimmung formuliert - im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers. Zu unterscheiden sind zwei Fallvarianten, nämlich die Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der kurzfristige Zahlungsverzug. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass dabei auf sozialversicherungsrechtliche Aspekte auch außerhalb des § 59 ASVG Bezug zu nehmen ist, insbesondere auf das Vorliegen und die Intensität von Verschuldenselementen (Derntl in Sonntag, ASVG 11. Auflage § 59 Rz 27).
Das Abstellen auf die Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners darf nicht dazu führen, dass dieses Argument jeder Schuldner vorbringt, der die Beiträge nicht fristgerecht bezahlt hat und allenfalls schon Exekutionen durch die belangte Behörde ausgesetzt ist (Derntl in Sonntag, ASVG 11. Auflage § 59 Rz 23). Somit wird zu Recht eine einschränkende Interpretation vorgenommen.
Der Antragsteller hat durch ein konkretes und mit Beweisanboten untermauertes Vorbringen alle Umstände darzulegen, in welcher Weise die wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Einhebung der Verzugszinsen in voller Höhe gefährdet werden (VwGH 87/08/0037).
Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne des § 59 Abs. 2 Satz 1 ASVG kann sich daraus ergeben, dass der Beitragsschuldner zur Aufbringung der Mittel für die Entrichtung der Verzugszinsen einen Kredit aufnehmen muss, dessen Rückzahlung den Beitragsschuldner wirtschaftlich gefährden könnte, oder dass er wegen der Bezahlung der Verzugszinsen gehindert ist, die hiefür aufgewendeten Mittel in anderer Weise, z.B. zur Tilgung anderer Schulden oder für betriebsnotwendige Investitionen, einzusetzen, und dass ihm daraus eine wirtschaftliche Gefährdung erwachsen ist oder erwachsen könnte (VwGH 87/08/0037, ZfVB 1988/993 = ARD 3967/1/88 = SVSlg 32.485). Nicht ausreichend aussagekräftig ist der auf einen einzigen Stichtag abstellende Status ohne Gewinn- und Verlustrechnung (VwGH 88/08/0183, ZfVB 1990/732 = SVSlg 32.486).
Der Verzicht nach § 59 Abs. 2 Satz 1 ASVG setzt voraus, dass gerade durch die Einhebung eine Gefährdung der wirtschaftlichen Verhältnisse eintreten würde, d.h. dass eine solche Gefährdung nicht schon durch andere Umstände (wie z.B. die Einhebung der SV-Beiträge selbst) eingetreten ist: Nicht ausreichend ist daher eine angespannte wirtschaftliche Lage des Unternehmens, sondern es muss durch die Einhebung der Zinsen eine konkrete wirtschaftliche Gefährdung eintreten, die ansonsten nicht gegeben wäre (VwGH 95/08/0243, SVSlg 42.138, 45.001 = ZfVB 1999/240). Der angestrebte Verzugszinsenverzicht muss somit zu einer wesentlichen Sanierung des Unternehmens beitragen können (VwGH 99/08/0004, SVSlg 53.053).
Die Beschwerde richtet sich gegen die Ermessensausübung der belangten Behörde mit dem Zweck eine höhere Herabsetzung der Verzugszinsen zu erreichen.
Wie oben bereits ausgeführt ist bei der Ermessensübung auch auf sozialversicherungsrechtliche Aspekte außerhalb des § 59 ASVG Bezug zu nehmen, insbesondere auf das Vorliegen und die Intensität von Verschuldenselementen (Derntl in Sonntag, ASVG 11. Auflage § 59 Rz 27). Der Kommentar führt als Beispiel dazu aus: ,,Zu denken ist etwa an den Beitragsschuldner, der jahrelang Schwarzarbeiter beschäftigt hat und aufgrund einer Sozialversicherungsprüfung mit einer enormen Nachverrechnung samt entsprechenden Verzugszinsen konfrontiert ist. Das Argument einer wirtschaftlichen Gefährdung wird hier einen anderen Stellenwert erlangen als bei einem grundsätzlich korrekt agierenden Dienstgeber.“
Selbst in der Beschwerde vom 28.11.2022 wird nicht bestritten, dass eben genau ein solcher Fall vorliegt. Im Zuge der drei Sozialversicherungsprüfungen gemäß § 41a ASVG sind Personen bei der Beschwerdeführerin betreten worden, welche nicht zur Sozialversicherung gemeldet waren. Wenngleich daraus, wie in der Beschwerde ausgeführt, nicht zwangsläufig abgeleitet werden kann, dass es in solchen Fällen nie zu einer positiven Ermessensübung kommen kann, wird in solchen Fällen eine Nachsicht, wenn überhaupt, nur im unteren Spektrum in Betracht kommen können. Dies schon alleine deswegen, weil Verzugszinsen – abgesehen von der Abgeltung eines durch die Säumnis verursachten Verwaltungsmehraufwands – auch verhindern, dass der Beitragsschuldner durch Nichtzahlung der Beiträge einen günstigen Kredit („billiges Geld“) erlangt. Eine völlige oder auch nur eine, wie in der Beschwerde geforderte, bedeutende Nachsicht der Verzugszinsen würde im vorliegenden Fall, in welchem jahrelang Schwarzarbeiter beschäftigt wurden und konsequent gegen die Meldeverpflichtung verstoßen wurde, zu einem unbilligen Ergebnis führen.
Wie schon in der Beschwerde selbst ausgeführt kann aus einer etwaigen stetigen Versicherung der belangten Behörde, ohne konkreter Zusage, die Verzugszinsen bei Beitragseinbringung deutlich nachzusehen, kein Rechtsanspruch abgeleitet werden.
Aus dem Argument in der Beschwerde, dass nicht jede Gesellschaft und jeder Geschäftsführer Abgabenschuldigkeiten durch Rückgriff auf private Vermögenswerte des Geschäftsführers finanziert hätte, lässt sich wenig gewinnen, da die beträchtlichen Abgabenschuldigkeiten aufgrund von Nachverrechnungen resultierten die aus einer langen Beschäftigung von Schwarzarbeitern entstanden sind.
Die belangte Behörde hat mit dem Nachsehen von EUR 5.670,00 um der Beschwerdeführerin einen Anreiz zu geben, in Zukunft ihren Meldeverpflichtungen korrekt nachzukommen und auch aufgrund der massiven Liquiditätseinbußen im Zuge der Covid-19 Pandemie ihr Ermessen in zulässiger Weise ausgeübt. Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im konkreten Fall aufgrund der Schwere des Verschuldens der Beschwerdeführerin eine höhere Nachsicht ablehnt.
Die Ermessensentscheidung wurde daher im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des VwGH getroffen. Damit erschöpft sich die Befugnis einer inhaltlichen Überprüfung der Ermessensausübung durch das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde erweist sich vor dem Hintergrund der oben angeführten Judikatur des VwGH als unbegründet und war daher spruchgemäß abzuweisen.
Ein gesonderter Abspruch bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. Er war unstrittig. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an derartiger Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
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