BVwG W228 2260991-1

BVwGW228 2260991-19.3.2023

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W228.2260991.1.00

 

Spruch:

 

W228 2260991-1/7EIM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. XXXX , LLM, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2022, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.02.2023 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 26.08.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.08.2021 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, er habe Syrien aufgrund des Krieges verlassen und fürchte er um sich und seine Familie.

Am 07.06.2022 wurde der Beschwerdeführer durch die gegenständlich belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), einvernommen. Der Beschwerdeführer führte zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, sein Haus liege auf der Grenze zwischen dem Gebiet des syrischen Regimes und dem kurdischen Gebiet. Im Jahr 2012 sei er als Reservist vom Regime gesucht worden, habe aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten gelebt und gearbeitet. Er sei 2019 nach Syrien zurückgekehrt und an den Kontrollpunkten angehalten worden, damit er einrücke. Am 07.04.2021 habe er den Einrückungsbefehl erhalten. Er sei auch von einem Strafgericht verurteilt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.09.2022 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte diesem den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte (Spruchpunkt III.). Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt I. zusammengefasst aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde vom Militär gesucht, nicht glaubwürdig sei. Überdies stamme der Beschwerdeführer aus einem kurdischen Gebiet, wo er nicht dem Zugriff des Regimes unterliegen würde.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 10.10.2022 binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, worin er im Wesentlichen vorbrachte, die belangte Behörde habe ihm in Verkennung der Sachlage keinen Glauben geschenkt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.02.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinem Fluchtvorbringen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen wie im Spruch bezeichnet fest. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitisch-islamischen Glaubens. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX im gleichnamigen syrischen Gouvernement, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2021 lebte. Die Stadt befindet sich in kurdisch kontrolliertem Gebiet, weist aber eine Enklave unter Kontrolle des Regimes auf (sogenanntes „Sicherheitsquadrat“; vgl. Liveuamaps).

Der Beschwerdeführer lebte und arbeitete in den Vereinigten Arabischen Emiraten in den Jahren 2006 bis 2019 als LKW-Fahrer. Im Jahr 2019 kehrte er nach Syrien zurück, wo er weiterhin als LKW-Fahrer bzw. Mechaniker arbeitete.

Die Ehegattin und die gemeinsamen Kinder leben nach wie vor im Herkunftsstaat; seit Herbst 2022 leben sie in der Provinz Latakia aufgrund der dort befindlichen Bildungseinrichtungen. Diese Wohnsitzänderung hat auf die Festlegung der Herkunftsregion des BF keine Auswirkung.

Am 26.08.2021 stellte der Beschwerdeführer in Österreich den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seither in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es wird berichtet, dass die Altersgrenze weniger von allgemeinen Einberufungsregelungen abhängt, sondern von den Mobilisierungsanstrengungen der Regierung und lokalen Entwicklungen. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Einzelnen Berichten zufolge wird die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat, das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung. Abhängig vom Rang wurden fallweise auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren eingezogen bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (LIB, Wehr-und Reservedienst).

Aufgrund des Ausbruchs der COVID-19 Pandemie und der Beendigung großer militärischer Einsatzoperationen im Nordwesten Syriens zu Beginn des Jahres 2020, sind die Rekrutierungsaktivitäten der syrischen Armee zurückgegangen und die syrische Regierung hat begonnen, Soldaten mit entsprechender Dienstzeit abrüsten zu lassen. Die syrische Regierung hält jedoch weiterhin an der Wehrpflicht fest, um den laufenden Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten und um eingeschränkt militärisch operativ sein zu können. Ein neuerliches „Hochfahren“ des Systems ist derzeit nicht wahrscheinlich, kann aber bei Notwendigkeit jederzeit wieder umgesetzt werden. Gleichzeitig werden Berichten aus dem Jahr 2021 zufolge weiterhin neue Rekruten und Reservisten eingezogen und Rekrutierungskampagnen werden aus allen Gebieten unter Regimekontrolle gemeldet, besonders auch aus den wiedereroberten Gebieten (LIB, Rekrutierungsbedarf und partielle Demobilisierung).

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an eine der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (LIB, Umsetzung Wehr-und Reservedienst). Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden. Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden, berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden (LIB, Umsetzung Wehr-und Reservedienst).

Der Beschwerdeführer leistete in den Jahren 1999 bis 2001 den gesetzlich verpflichtenden Wehrdienst im Gouvernement Damaskus-Land ab. Er war dort als Funker im Rang eines einfachen Soldaten tätig. Über eine spezielle militärische Ausbildung oder militärische Spezialkenntnisse verfügt der Beschwerdeführer nicht.

Mit einem Alter von bereits 42 Jahren und mangels besonderer militärischer Kenntnisse ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als Reservist zur syrischen Armee einberufen würde. Der Beschwerdeführer wurde nicht dazu gedrängt, als Fahrer von Schwerlastfahrzeugen für das Militär zu arbeiten und hat auch keinen Einberufungsbefehl von der Regierung erhalten.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt und die Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.02.2023. Betreffend die Lage im Herkunftsstaat wurden die folgenden Quellen konsultiert:

 Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 8, veröffentlicht am 29.12.2022 (LIB).

 Live Universal Awareness Map Syrien, Stand 28.02.2023, https://syria.liveuamap.com/ (Liveuamap)

Die Identität des Beschwerdeführers und seine Staatsangehörigkeit stehen aufgrund des vorgelegten syrischen Personalausweises fest.

Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, in XXXX mit seiner Familie im Haus seiner Mutter im Sicherheitsquadrat gelebt zu haben. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, es handle sich um ein Gebiet unter Kontrolle der Regierung stimmt mit der aktuellen Datenlage (Liveuamaps) grundsätzlich überein.

Die weiteren Feststellungen zu Person und Herkunft des Beschwerdeführers beruhen auf seinen diesbezüglichen konsistenten Angaben im gesamten bisherigen Verfahren in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen (Übersetzung des Heiratsvertrages, Familienregisterauszug, Familienbuch, Reisedokumente sowie Zivilregisterauszüge der Ehegattin sowie der Kinder, jeweils in Kopie). Der Beschwerdeführer gab bereits im Rahmen der Erstbefragung an, dass er als LKW-Fahrer gearbeitet habe und war sein weiteres diesbezügliches Vorbringen auch vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht konsistent. Der Beschwerdeführer legte zur Untermauerung seines Vorbringens der belangten Behörde eine Kopie seines Führerscheins aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mehrere Fotos von Schwerlastfahrzeugen vor.

Die Feststellungen zum Wohnort seiner Ehegattin und seinen Kindern ergibt sich aus den Angaben des BF in der Verhandlung. Diese Wohnsitzänderung hat auf die Festlegung der Herkunftsregion des BF keine Auswirkung, da diese erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgte und sich somit die Herkunft des BF nicht mehr verändern kann.

Antragstellung und Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage und sind unbestritten. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Einsichtnahme in das Strafregister am 15.02.2022.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zum Reservedienst, seiner Durchsetzung bzw. den Konsequenzen einer Entziehung sowie zu aktuellen Rekrutierungsaktivitäten ergeben sich aus den in Klammer zitierten Länderinformationen, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA.

Da die darin enthaltenen Informationen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Durch Einsichtnahme in die aktuell verfügbare Karte auf Liveuamap hat sich das Bundesverwaltungsgericht davon vergewissert, dass die Feststellungen bezogen auf den Herkunftsstaat dem derzeitig verfügbaren Informationsstand entsprechen. Hierbei wird nicht verkannt, dass betreffend den Syrienkonflikt nach wie vor ein Informationsdefizit besteht (vgl. LIB, Länderspezifische Anmerkungen).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, sich zu den Länderinformationen zu äußern. Sein Rechtsvertreter verwies auf das Beschwerdevorbringen, worin auf die Möglichkeit der Einberufung als Reservist bis zum Alter von 42 Jahren sowie stattfindende willkürliche Inhaftierungen, Misshandlungen und Verschwindenlassen durch das Regime hingewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer legte der belangten Behörde Kopien seines Wehrbuches vor und gab an, den Wehrdienst bereits abgeleistet zu haben. Nach Angaben des bei der Einvernahme anwesenden Dolmetschers sei dem Wehrbuch ein Militärdienst von März 1999 bis November 2011 zu entnehmen. Der Beschwerdeführer selbst brachte im Verfahren konsistent und plausibel vor, dass er als Funker im Rang eines einfachen Soldaten tätig gewesen sei. Angesichts der Feststellungen zum Alter und seiner militärischen Erfahrung in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen zum Reservedienst ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass bezüglich des Beschwerdeführers ein Rekrutierungsinteresse des Regimes besteht.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei vom syrischen Sicherheitsdienst gesucht worden, da er als LKW-Fahrer für Schwertransporte rekrutiert werden sollte (Protokollseite 3). Er habe nach seiner Rückkehr nach Syrien zunächst als Mechaniker gearbeitet und sei ab Jahresbeginn 2021 wieder mit dem LKW gefahren. Schon zu Beginn dieser Tätigkeit sei er an den Kontrollpunkten des Regimes, die er passiert habe, angehalten worden. Zunächst habe man ihm Geld für seine Kooperation angeboten, später haben die Botschaften sich zur Drohung gesteigert, man werde ihn holen, schließlich habe er am 07.04.2021 einen Einberufungsbefehl zugeschickt bekommen (Protokollseite 5). Nachdem er dieses Schreiben erhalten habe, habe er sich zuhause versteckt gehalten und seine illegale Ausreise vorbereitet. Am 05.05.2021 habe er ein gerichtliches Schreiben erhalten, in dem ihm der Handel mit fremden Devisen vorgeworfen wurde. In dem Zeitpunkt habe er realisiert, dass er mit allen Mitteln unter Druck gesetzt werden sollte und sei aus dem Sicherheitsquadrat nach XXXX geflüchtet (Protokollseiten 3 f.).

Der Beschwerdeführer begründete das Interesse an seiner Person damit, dass es einen Mangel an LKW-Fahrern gegeben und man ihn mit dem Laster gesehen habe (Protokollseite 6).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers war insgesamt nur oberflächlich gehalten, nicht nachvollziehbar und wies einige Ungereimtheiten auf.

Zunächst ist nicht plausibel, warum der Beschwerdeführer trotz des behaupteten Mangels an LKW-Fahrern über drei Monate lang wiederholt ohne weitere Konsequenzen zum Antritt des Reservedienstes aufgefordert worden sein soll, aber es vor dem 07.04.2021 zu keinerlei weiteren Handlungen gekommen sein soll, obwohl der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bei seiner Arbeit regelmäßig mehrere Kontrollpunkte passieren musste (Protokollseite 5). Auch das Verhalten des Beschwerdeführers, der sich trotz verbaler Drohungen („wir werden dich holen“) erst nach dem schriftlichen Einberufungsbefehl versteckt gehalten haben will, ist nicht plausibel, zumal er sich demzufolge weiterhin in jenem Stadtteil aufgehalten haben will, der unter Regierungskontrolle steht.

Auf die Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, warum der Beschwerdeführer nicht gleich bei einem Kontrollpunkt mitgenommen worden sei, gab dieser zur Antwort, da man Personen in seinem Alter in der Regel nicht mehr einziehe, sei er zunächst mit Geld gelockt worden. Durch seinen Einberufungsbefehl am 07.04.2021 habe man eine Grundlage geschaffen, ihn beim nächsten Mal am Kontrollpunkt anzuhalten (Protokollseite 5 f.). Diese Begründung vermag jedoch nicht zu überzeugen und weder die verstrichene Zeit bis zum behaupteten Einberufungsbefehl noch die anfängliche Gelassenheit des Beschwerdeführers zu erklären, zumal willkürliches Handeln im syrischen Regime nach den Länderinformationen durchaus üblich ist.

Trotz der Drohungen an den Kontrollpunkten und des nicht befolgten Einberufungsbefehls soll der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben vorerst unbehelligt in seinem Zuhause geblieben sein, was angesichts des Vorbringens, dass sich dieses im Sicherheitsquadrat befunden habe und ein Zugriff durch das Regime somit möglich wäre, auch nicht plausibel ist. Umso mehr, als es der Beschwerdeführer so darstellte, als sei auch der nachfolgende Vorwurf des Devisenhandels konstruiert worden, um ihn unter Druck zu setzen (AS 89; Protokollseite 4).

Sein Vorbringen, er habe nach dem Einberufungsbefehl (im April) seine Ausreise vorbereitet bzw. nach dem Schreiben des Gerichts (im Mai) die Stadt verlassen und versucht, einen Schlepper zu organisieren, steht zudem im offenen Widerspruch mit den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstbefragung – welche er vor der belangten Behörde ausdrücklich bestätigt hat (AS 86) –, dass er seinen Ausreiseentschluss im Juli 2021 gefasst habe.

Trotz Aufforderung durch die belangte Behörde brachte der Beschwerdeführer weder den Einberufungsbefehl noch das Schreiben des Gerichts im Original bei, wodurch diese einer (umfassenden) Beurteilung der Echtheit nicht zugänglich waren und somit der freien Beweiswürdigung in Zusammenschau mit der Glaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des BF unterliegen.

Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Erstbefragung sämtliche Fluchtgründe vorgebracht werden (vgl. VwGH 16.07.2020, Ra 2019/19/0419), doch fällt im gegenständlichen Fall auf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung zwar angegeben hat, dass sein Beruf LKW-Fahrer gewesen sei (AS 7), jedoch die nachfolgend im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit behaupteten Probleme mit dem Regime keinerlei Erwähnung fanden (vgl. AS 15).

Dies fügt sich nicht zuletzt in das gewonnene Gesamtbild, dass der Beschwerdeführer zwar als LKW-Fahrer für Schwertransporte tätig gewesen ist, das darauf aufbauende Vorbringen betreffend seine Einziehung als Reservist jedoch nicht den Tatsachen entspricht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Es muss objektiv nachvollziehbar sein, dass der Beschwerdeführer im Lichte seiner speziellen Situation und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsstaat Furcht vor besagter Verfolgung hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Gegenständlich brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, ihm drohe im Herkunftsstaat die Einziehung als Reservist zum Wehrdienst, wo er als LKW-Fahrer gebraucht werde.

In den Länderleitlinien der Europäischen Asylagentur (EUAA) zu Syrien vom Februar 2023 – denen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zukommt (vgl. etwa VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0457) – wird zum Risikoprofil der Militärdienstverweigerer (Kapitel 4.2.2.) ausgeführt, grundsätzlich sei davon auszugehen, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung nachgewiesen werden könne. Das Gesetz sehe bestimmte Ausnahmen von der Militärpflicht vor, deren Anwendung in der Praxis jedoch kaum vorhersehbar sei. Mögliche in Zusammenhang stehende Konventionsgründe seien die (zugeschriebene) politische Überzeugung und/oder Religion (bei Personen, die den Militärdienst aus Gewissensgründen verweigern).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch einer Wehrdienstverweigerung Asylrelevanz zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa bei Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Würde der Wehrdienst dazu zwingen, an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilzunehmen, kann nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch schon eine Bestrafung mit einer „bloßen“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 13.11.2019, Ra 2019/18/0274, mwN; vgl. auch VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0330).

Wie bereits in den Feststellungen und der zugehörigen Beweiswürdigung ausgeführt wurde, ist es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelungen, die aktuelle und konkrete Gefahr der Einziehung in den Wehrdienst/Reservedienst glaubhaft zu machen. Angesichts seines Alters, fehlender Spezialkenntnisse sowie mangels sonstiger (glaubhafter) Anhaltspunkte für ein dennoch bestehendes Interesse an seiner Rekrutierung ist eine solche nicht anzunehmen. Infolgedessen muss der Beschwerdeführer auch nicht befürchten, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der Weigerung zu kämpfen und damit seiner politischen Überzeugung von staatlicher Seite verfolgt zu werden.

Auch eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Ausreise aus Syrien und der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen: Diesbezüglich führt auch die Europäische Asylagentur in ihren Länderleitlinien aus, dass die Tatsache, dass eine Person Syrien verlassen hat, normalerweise für sich genommen nicht bedeutet, dass für sie eine hinreichend große Gefahr besteht, um eine begründete Furcht vor Verfolgung festzustellen. Begründete Furch vor Verfolgung können in der Regel einem anderen der von EUAA genannten Risikoprofile zugeordnet werden, insbesondere jener „Vermeintlich regierungsfeindlichen Personen“. Mitunter ist es auch denkbar, dass Rückkehrende Handlungen ausgesetzt sind, die aufgrund ihrer Schwere einer Verfolgung gleichkommen (z. B. Haft, Folter) und bei denen möglicherweise ein Zusammenhang mit einem Verfolgungsgrund nachgewiesen werden kann (EUAA, Kapitel 2).

Im Übrigen ist das in Syrien allgemein hohe Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, maßgeblich für eine subsidiäre Schutzgewährung, die im Fall des Beschwerdeführers bereits erfolgt ist.

Angesichts der festgestellten Lage in Syrien und kann im Ergebnis nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte