BVwG W269 2255715-1

BVwGW269 2255715-129.7.2022

AlVG §24 Abs2
AlVG §25 Abs1
B-VG Art133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W269.2255715.1.00

 

Spruch:

 

W269 2255715-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf NORTH und Peter STATTMANN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 06.12.2021 betreffend den Widerruf und die Rückzahlungsverpflichtung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 16.03.2020 bis 30.06.2020 in der Höhe von € 3.758,91, zu Recht erkannt:

 

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass das Arbeitslosengeld für den Zeitraum von 23.03.2020 bis 30.06.2020 widerrufen und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 3.513,- verpflichtet wird.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stand zuletzt vom 19.08.2019 bis 15.03.2020 in einem vollversicherten Dienstverhältnis. Ab dem 16.03.2020 stand er im Bezug von Arbeitslosengeld. Vom 23.03.2020 bis 30.06.2020 war er geringfügig beim Dienstgeber „ XXXX .“ gemeldet. Vom 01.07.2020 bis 25.09.2020 stand er in einem vollversicherten Dienstverhältnis beim Dienstgeber „ XXXX und vom 26.09.2020 bis 12.10.2020 bezog er eine Urlaubsersatzleistung.

2. Mit Bescheid vom 06.12.2021 sprach das Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: AMS) aus, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 16.03.2020 bis 30.06.2020 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 3.758,91 verpflichtet werde. Begründend führte das AMS aus, der Beschwerdeführer sei durch den Erhebungsdienst des AMS befragt worden und habe dabei bekannt gegeben, dass er ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze für diesen Zeitraum erzielt habe. Eine Stundenaufzeichnung liege vor. Der Beschwerdeführer hätte erkennen müssen, dass ihm die Leistung in diesem Zeitraum nicht gebühre.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass sein Dienstverhältnis erst am 23.03.2020 begonnen habe. Mit seinem Dienstgeber sei eine geringfügige Beschäftigung vereinbart worden. Zusätzlich sei er zur Leistung von Mehrstunden aufgefordert worden, diese sollte er ab 01.07.2020 als Zeitausgleich verbrauchen. Das die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Entgelt sei ein Vorschuss auf seinen Lohn ab Juli 2020 und daher dem Zeitraum 01.07.2020 bis 30.09.2020 zuzuordnen. Im Zeitraum 01.07.2020 bis 30.09.2020 sei er vollversichert beschäftigt gewesen und habe er in diesem Zeitraum keine Leistungen vom AMS erhalten bzw. die erhaltene Leistung zurückbezahlt. Der Widerruf und die Rückforderung der Leistung im beschwerdegegenständlichen Zeitraum seien unzulässig, weil in diesem Zeitraum eine geringfügige Beschäftigung vorgelegen sei. Jedenfalls habe er nicht erkennen müssen, dass ihm für diesen Zeitraum keine Leistung gebühren solle, weil ihm sein ehemaliger Dienstgeber versichert habe, dass diese Vorgehensweise – Leistung von Mehrstunden und Verbrauch als Zeitausgleich in den Folgemonaten – zulässig sei. Er beantrage daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Zuerkennung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 16.03.2020 bis 30.06.2020.

4. Am 09.06.2022 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlageschreiben führte das AMS ergänzend aus, dass der Beschwerdeführer im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Lohnzahlungen über der Geringfügigkeitsgrenze erhalten habe. Dies ergebe sich aus der vorliegenden Stundenabrechnung sowie aus den Angaben des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe weder die Aufnahme der Beschäftigung noch die daraus resultierenden Einkünfte gemeldet. Durch eine falsche Auskunft seines Dienstgebers werde der Beschwerdeführer nicht von seiner Verpflichtung entbunden, dem AMS alle Zahlungen unverzüglich bekanntzugeben. Der Beschwerdeführer habe maßgebende Tatsachen verschwiegen und sei demzufolge zum Rückersatz der ausbezahlten Leistung zu verpflichten.

Da der Beschwerdeführer die Beschäftigung erst mit 23.03.2020 aufgenommen habe, wäre der gegenständliche Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 23.03.2020 bis 30.06.2020 zu widerrufen und das unberechtigt empfangene Arbeitslosengeld in Höhe von € 3.513,- rückzufordern sei.

5. Mit Schreiben vom 13.06.2022 wurde dem Beschwerdeführer das Vorlageschreiben der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer stand zuletzt vom 19.08.2019 bis 15.03.2020 in einem vollversicherten Dienstverhältnis.

Vom 23.03.2020 bis 30.06.2020 bezog der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld in der Höhe von € 35,13 täglich. Der Leistungsbezug betrug sohin in diesem Zeitraum insgesamt € 3.513,00 (100 x € 35,13).

Im Zuge seiner Antragstellung wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass er gemäß § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet ist, jede Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse oder jede andere für den Fortbestand und das Ausmaß seines Anspruches maßgebende Änderung spätestens innerhalb einer Woche nach Eintritt des Ereignisses dem AMS mitzuteilen.

Am 23.03.2020 nahm der Beschwerdeführer eine Beschäftigung beim Dienstgeber „ XXXX .“ auf, wobei mit dem Dienstgeber ein geringfügiges Dienstverhältnis vereinbart wurde. Zusätzlich wurde der Beschwerdeführer von seinem Dienstgeber zur Leistung von Mehrstunden aufgefordert. Im März 2020 leistete der Beschwerdeführer insgesamt 19 Stunden, im April 2020 192,25 Stunden, im Mai 2020 113,25 Stunden und im Juni 2020 97,25 Stunden. Der Beschwerdeführer führte selbst Stundenaufzeichnungen. Der Beschwerdeführer traf mit seinem Dienstgeber eine mündliche Arbeitsvereinbarung, wonach er für seine Tätigkeit einen Stundenlohn von € 10,- erhielt. Der Beschwerdeführer erhielt als Lohn jeweils monatlich € 460,- auf sein Konto überwiesen. Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer monatlich ein Betrag zwischen € 1.000,- und € 1.500,- in bar ausbezahlt.

Die Beschäftigungsaufnahme sowie die daraus resultierenden Einkünfte gab der Beschwerdeführer gegenüber dem AMS nicht bekannt. Dem Beschwerdeführer war bewusst, dass er eine geringfügige Beschäftigung vereinbarte hatte und auf Aufforderung seines Dienstgebers Mehrstunden leistete.

Die maßgebliche Geringfügigkeitsgrenze lag im Jahr 2020 bei € 460,66.

Vom 01.07.2020 bis 25.09.2020 stand der Beschwerdeführer in einem vollversicherten Dienstverhältnis beim Dienstgeber „ XXXX .“ und vom 26.09.2020 bis 12.10.2020 bezog er eine Urlaubsersatzleistung.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und den nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakt.

Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen des Beschwerdeführers, zum Bezug der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie zur Höhe des im beschwerdegegenständlichen Zeitraum bezogenen Arbeitslosengeldes basieren auf dem Datenauszug und den weiteren Aufzeichnungen des AMS.

Die Information über die Meldepflichten gemäß § 50 AlVG findet sich im Formular für die Beantragung des Arbeitslosengeldes.

Dass der Beschwerdeführer ab 23.03.2020 mit seinem Dienstgeber ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vereinbarte und zusätzlich zur Leistung von Mehrstunden aufgefordert wurde, ergibt sich aus den Beschwerdeausführungen sowie den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (siehe Protokoll der Niederschrift vor dem AMS vom 08.10.2021, Seite 2 f). Die Feststellungen hinsichtlich der vom Beschwerdeführer geleisteten Arbeitsstunden basieren auf den im Akt einliegenden, vom Dienstgeber geführten Stundenlisten. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem AMS gab dieser an, dass er selbst ebenfalls Stundenaufzeichnungen geführt habe; er bestätigte die Richtigkeit der dem AMS vorliegenden und vom Arbeitgeber geführten Stundenaufzeichnungen.

Die Feststellungen zum vom Beschwerdeführer bezogenen Arbeitslohn ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Demnach traf er mit seinem Arbeitgeber die Vereinbarung, dass er € 10,- pro Stunde erhalte. Zu Monatsbeginn erhielt der Beschwerdeführer jeweils € 460,- auf sein Konto überwiesen und wurde ihm am 15. jeden Monats bei einem persönlichen Treffen ein Betrag von ca. € 1.000,- bis € 1.500,- in bar ausbezahlt (siehe Protokoll der Niederschrift vor dem AMS vom 08.10.2021, Seite 2).

Dass der Beschwerdeführer dem AMS die Aufnahme seiner Beschäftigung mit 23.03.2020 sowie die daraus resultierenden Einkünfte nicht meldete, ergibt sich aus den chronologischen Aufzeichnungen des AMS. Im Vorlageschreiben hat das AMS ferner explizit festgehalten, dass keine diesbezügliche Meldung des Beschwerdeführers aufscheint. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren auch zu keiner Zeit behauptet, die Beschäftigungsaufnahme gemeldet zu haben. Stattdessen berief sich der Beschwerdeführer auf eine Auskunft seines Dienstgebers, wonach seitens des Dienstgebers alles mit dem AMS abgeklärt und die Höhe des Verdienstes mit dem AMS abgesprochen worden sei (siehe Protokoll der Niederschrift vor dem AMS vom 08.10.2021, Seite 3). Für die geleisteten Mehrstunden hätte der Beschwerdeführer seinem Dienstgeber zufolge zu einem späteren Zeitpunkt Zeitausgleich nehmen sollen. Dieses Vorbringen ist jedoch angesichts des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer zufolge der Lohn für die von ihm geleisteten Stunden auch ausbezahlt wurde (zum Teil per Überweisung, zum Teil in Form von Bargeld bei persönlichen Treffen), lediglich als Schutzbehauptung zu werten, sodass sich der Beschwerdeführer nicht etwa darauf zurückziehen kann, dass ihm der Umstand des Ableistens von Mehrstunden und der daraus resultierenden Einkünfte nicht bekannt gewesen sei.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

Zu A)

3.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) lauten auszugsweise:

„Arbeitslosigkeit

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(2) …

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a) wer in einem Dienstverhältnis steht;

b) bis g) ...

h) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, daß zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.

(4) bis (5) …

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

b) bis g) …

(7) bis (8) …

Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf gemäß Abs. 2 und eine spätere Rückforderung gemäß § 25 werden dadurch nicht ausgeschlossen.

(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.

§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.

(2) – (7) …

Anzeigen

§ 50. (1) Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Bei Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 5 trifft die Anzeigepflicht auch den Träger der Einrichtung. Bei Bezug von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld trifft die Anzeigepflicht auch den Arbeitgeber.

(2) Die regionale Geschäftsstelle ist berechtigt, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch zweckdienliche Erhebungen zu überprüfen.“

3.3. Zum Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes:

Der Beschwerdeführer nahm seine Tätigkeit am 23.03.2020 auf, wobei zunächst ein geringfügiges Dienstverhältnis intendiert war. Den Feststellungen folgend war ein Stundenlohn von € 10,- vereinbart und erhielt der Beschwerdeführer als Lohn jeweils monatlich € 460,- auf sein Konto überwiesen. Darüber hinaus wurde ihm monatlich ein Betrag zwischen € 1.000,- und € 1.500,- in bar ausbezahlt.

Es gilt folglich zu prüfen, in welchem Zeitraum ein die Geringfügigkeitsgrenze überschreitendes Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, welches gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes entgegenstand.

Im März 2020 arbeitete der Beschwerdeführer laut vorliegenden Arbeitszeitaufzeichnungen 19 Stunden und würde sich demnach bei einem Stundenlohn von € 10,- ein Anspruch auf Lohnauszahlung in Höhe von € 190,- ergeben.

Dieser Betrag überschritt zwar nicht die maßgebliche monatliche Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 2020 von € 460,66, jedoch wird gemäß § 5 Abs. 3 Z 1 ASVG bei für mindestens einen Monat oder unbefristet vereinbarten Beschäftigungen das Eintreten der Vollversicherung nicht dadurch verhindert, dass die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nur deshalb nicht überschritten wird, weil das Entgelt wegen des Beginns oder Endes oder einer Unterbrechung des Dienstverhältnisses im Laufe des Kalendermonats geringer ist. Das Entgelt für die Arbeitstage im Anfangs-, End- oder Unterbrechungsmonat wird daher auf den Kalendermonat hochgerechnet (Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 5 ASVG Rz 53 (Stand 1.7.2020, rdb.at)).

Nachdem der Beschwerdeführer am 23.03.2020 seine Tätigkeit aufgenommen hat, entfallen auf den Monat März 2020 lediglich 9 Arbeitstage. Das im Ein- bzw. Austrittsmonat (Rumpfmonat) verdiente Entgelt ist auf den Bezug des vollen Monats hochzurechnen (also Entgelt des Rumpfmonats dividiert durch die Anzahl der Arbeitstage x 30). Hochgerechnet ergibt sich sohin im vorliegenden Fall für März 2020 ein Entgelt in Höhe von € 633,33 (€ 190,- : 9 x 30), welches die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von € 460,66 übersteigt. Damit lag im März 2020 ein die Arbeitslosigkeit ausschließendes vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis vor.

Im April 2020 wurden laut vorliegenden Arbeitszeitaufzeichnungen 192,25 Stunden, im Mai 2020 113,25 Stunden und im Juni 2020 97,25 Stunden geleistet und ergibt sich sohin bei einem Stundenlohn von € 10,- im April 2020 ein Anspruch auf Lohnauszahlung in Höhe von € 1.922,50, im Mai 2020 in Höhe von € 1.132,50 und im Juni 2020 in Höhe von € 972,50. Diese Berechnung deckt sich im Übrigen auch mit den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er monatlich € 460,- auf sein Konto überwiesen bekam und ihm darüber hinaus monatlich ein Betrag zwischen € 1.000,- und € 1.500 in bar ausbezahlt wurde. Diese Summen übersteigen jeweils die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von € 460,66 und wurde daher auch in den Monaten April 2020, Mai 2020 und Juni 2020 ein Entgelt über der maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze bezogen.

Der Beschwerdeführer brachte dazu in der Beschwerde vor, er sei zur Leistung von Mehrstunden aufgefordert worden, welche er ab 01.07.2020 als Zeitausgleich verbrauchen sollte. Das die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Entgelt sei als Vorschuss auf seinen Lohn ab Juli 2020 anzusehen und daher dem Zeitraum 01.07.2020 bis 30.09.2020 zuzuordnen.

Diesem Vorbringen ist jedoch entgegenzuhalten, dass dem Beschwerdeführer der tatsächliche Stundenlohn für die geleistete Arbeitszeit ausbezahlt wurde und es keine Abgeltung in Form von Zeitausgleich gegeben hat. Weiters gilt es festzuhalten, dass jenes vom Beschwerdeführer bezogene Entgelt (auch für geleistete Mehrstunden) als Geldbezug im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG zu werten ist. Es handelt sich dabei um laufendes Entgelt des jeweiligen Lohnzahlungszeitraumes, der mit dem Beitragszeitraum für die allgemeinen Beiträge (§ 44 Abs. 1 ASVG) übereinstimmt. Dieses Entgelt ist zufolge des Entgeltanspruchsprinzips dem jeweiligen Lohnzahlungszeitraum (= Beitragszeitraum) zuzurechnen, in dem die Leistung erbracht wurde (vgl. VwGH 21.04.2004, 2001/08/0048).

Das bezogene Entgelt bzw. der Lohnanspruch waren daher jenen Zeiträumen zuzuordnen, in denen die Leistung tatsächlich erbracht wurde. Da der Beschwerdeführer die Beschäftigung mit 23.03.2020 (und nicht mit 16.03.2020) aufgenommen hat, war der Zeitraum des Widerrufs des angefochtenen Bescheides dahingehend zu korrigieren, dass das Arbeitslosengeld für den Zeitraum von 23.03.2020 bis 30.06.2020 zu widerrufen war.

3.4. Zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes:

3.4.1. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Der Tatbestand „Verschweigung maßgebender Tatsachen“ wird in der Regel durch Verletzung der Meldepflicht nach § 50 AlVG erfüllt. Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist, wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, verpflichtet, jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche, seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

Die Verletzung der Meldepflicht des § 50 Abs. 1 AlVG rechtfertigt die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen iSd § 25 Abs. 1 AlVG und somit die Rückforderung des unberechtigten Empfangenen (VwGH 03.10.2002, 97/08/0611).

Der Zweck des § 50 Abs. 1 AlVG ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist (VwGH 23.04.2003, 2002/08/0284). Es kommt nicht darauf an, ob die Änderung Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen hat (z.B. Meldung der Aufnahme eines Fernstudiums, VwGH 20.09.2006, 2005/08/0146). Ihren Grund findet diese Meldepflicht im massenhaften Auftreten gleichartiger Verwaltungssachen, weshalb die Behörde naturgemäß nicht in der Lage ist, den Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen von Amts wegen in jedem Einzelfall im Auge zu behalten und regelmäßig zu überprüfen, um daraus gegebenenfalls die Konsequenzen für den Leistungsanspruch zu ziehen (VwGH 17.02.1998, 98/08/0014).

Der Empfänger einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung hat die Aufnahme jeder Beschäftigung zu melden. Dies selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag (etwa VwGH 03.10.2002, 97/08/0654).

Die Beurteilung, ob diese Beschäftigung als geringfügig zu werten ist und daher durch die Aufnahme der Erwerbstätigkeit der Zustand der Arbeitslosigkeit nicht beseitigt wurde, kann nicht dem Empfänger des Bezuges anheim gestellt sein; diese Beurteilung unterliegt ausschließlich der behördlichen Beschlussfassung (VwGH 20.10.2010, 2010/08/0185).

Erforderlich ist lediglich, dass der Leistungsbezieher jene Umstände, die zu melden gewesen wären, gekannt hat.

3.4.2. Dadurch, dass der Beschwerdeführer die Meldung seiner Beschäftigung, des Ableistens von Mehrstunden und der daraus erzielten Einkünfte unterließ, verletzte er die ihn gemäß § 50 Abs. 1 AlVG treffende Verpflichtung. Darauf, dass insbesondere auch geringfügige Beschäftigungen zu melden sind, wurde der Beschwerdeführer im Antragsformular explizit hingewiesen.

Der Umstand, dass sein Arbeitsgeber ihm versichert habe, alles mit dem AMS abgeklärt zu haben, entbindet den Beschwerdeführer jedenfalls nicht von seinen Meldepflichten. Die aus § 50 AlVG resultierenden Verpflichtungen treffen den Beschwerdeführer persönlich.

Das Erfordernis, dass der Leistungsbezieher jene Umstände, die zu melden gewesen wären, gekannt haben muss, ist im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllt. Dem Beschwerdeführer war bewusst, dass er ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vereinbart hatte und auf Aufforderung seines Arbeitgebers Mehrstunden ableistete. Sein Vorbringen, wonach ihm mitgeteilt worden sei, dass diese Mehrstunden zu einem späteren Zeitpunkt als Zeitausgleich abgegolten würden, kann angesichts des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer zufolge der Lohn für die von ihm geleisteten Stunden auch ausbezahlt wurde (zum Teil per Überweisung, zum Teil in Form von Bargeld bei persönlichen Treffen), nur als Schutzbehauptung gewertet werden, sodass im vorliegenden Fall der für das Verschweigen maßgebender Tatsachen erforderliche bedingte Vorsatz gegeben war.

Die Rückforderung des empfangenen Arbeitslosengeldes konnte somit zulässigerweise auf § 25 Abs. 1 AlVG gestützt werden (vgl. VwGH 10.06.2009, 2007/08/0343).

Die Rückforderung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 23.03.2020 bis 30.06.2020 in Höhe von € 3.513,- erfolgte zu Recht; für den Zeitraum vom 16.03.2020 bis 22.03.2020 war hingegen kein Rückforderungstatbestand gegeben.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen.

Der Beschwerdeführer hat einen solchen Antrag gestellt. Der erkennende Senat erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nicht für erforderlich, weil angesichts der im Zuge des Verfahrens vom Beschwerdeführer getätigten Angaben der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides hinreichend geklärt erschien und daher durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen. Zudem liegt keine Rechtsfrage von besonderer Komplexität vor. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/08/0225).

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