AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W101.2243335.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch RA MMag. Dr. Franz Stefan PECHMANN, gegen den Spruchteil I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2021, Zl. 1271753408-201205517, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der kurdischen Volksgruppe mit sunnitisch-islamischem Bekenntnis, reiste spätestens am 01.12.2020 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz (in Folge: Asylantrag) stellte. Am Tag der Antragstellung fand eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Am 17.03.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) einvernommen. Mit Bescheid vom 21.04.2021, Zl. 1271753408-201205517, wies das BFA den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF ab (Spruchteil I.) und erklärte, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt werde (Spruchteil II.); ferner erteilte das BFA dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchteil III.). Gegen den Spruchteil I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 27.05.2021 fristgerecht eine Beschwerde. Die Spruchteile II. und III. dieses Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. Am 08.06.2022 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und im Beisein des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Das BFA blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts am 01.12.2020 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an:
Nach der illegalen Ausreise aus seinem Herkunftsstaat im Jahr 2014 habe er sich in Folge sechs Jahre lang in der Türkei aufgehalten, bis er über Griechenland, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist sei.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, er sei vom syrischen Militär als Reservist einberufen worden. Auch die kurdische Miliz habe ihn zur Teilnahme an den Kämpfen aufgefordert.
Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 17.03.2021 gab der Beschwerdeführer, insbesondere zu seinen Fluchtgründen befragt, vor dem BFA zusammengefasst und im Wesentlichen Folgendes an:
In Folge der Eroberung von XXXX durch den IS im September 2014 sei der Beschwerdeführer aus seinem Herkunftsstaat ausgereist, da er zum Reservedienst für das syrische Militär einberufen werden hätte sollen. Den regulären Wehrdienst habe er bereits abgeleistet.
Das BFA stellte im o.a. Bescheid vom 21.04.2021 im Wesentlichen fest:
Die Identität des Beschwerdeführers stehe lediglich für die Annahme einer Verfahrensidentität mit ausreichender Gewissheit fest. Er sei zum Entscheidungszeitpunkt im 42. Lebensjahr, syrischer Staatsangehöriger und gehöre der Volksgruppe der Kurden und der sunnitisch-muslimischen Glaubensrichtung an. Er sei verheiratet, Vater von vier Kindern, gesund und unbescholten. Seine Gattin und Kinder hielten sich in der Türkei auf.
Zu seinen Fluchtgründen sei der Beschwerdeführer nicht glaubhaft. Er habe den Wehrdienst bei der syrischen Armee im Jahr 2000 als gewöhnlicher Soldat vollständig abgeleistet und habe keine besonderen militärischen Qualifikationen erworben. Es ließe sich nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass im Falle einer Rückkehr nach Syrien zum Reservedienst herangezogen werden würde. Der dort herrschende Bürgerkrieg stelle jedoch ein Rückkehrhindernis dar. Ihm wurde daher subsidiärer Schutz gewährt.
Das BFA traf auf den Seiten 16 bis 45 des o.a. Bescheides Länderfeststellungen zur Lage in Syrien.
Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus:
Aufgrund von unrichtigen Angaben hinsichtlich seines Geburtsdatums und des lange zurückliegenden Ausstellungsdatums des vorgelegten Personalausweises könne in Bezug auf den Beschwerdeführer lediglich eine Verfahrensidentität festgestellt werden. Die Feststellungen zu seiner Person ergäben sich im Wesentlichen aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben und den von ihm vorgelegten Dokumenten. Seine Unbescholtenheit ergäbe sich aus einer Einschau in das österreichische Strafregister.
Betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaats führte das BFA im Wesentlichen aus, dass glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer wegen des Bürgerkrieges aus Syrien ausgereist sei. Dies sei jedoch keine Verfolgung iSd GFK. Mit 42 Jahren befände sich der Beschwerdeführer an der oberen Altersgrenze einer möglichen Einberufung zum Reservedienst. Eine zukünftige Einberufung und Verwendung als Reservist sei wegen der geringen Bedeutung des Wehr- und Reservedienstes und der stark abgenommenen Kampfhandlungen nicht mehr zu erwarten. Die Angaben des Beschwerdeführers seien widersprüchlich und nicht glaubhaft.
Zu den Feststellungen zu seiner Situation im Falle der Rückkehr führte das BFA aus, dass die Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers als unsicher einzustufen sei. Für ihn als Zivilperson sei daher eine reale Gefahr und somit ein Rückkehrhindernis gemäß Art. 3 EMRK gegeben.
Die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat basierten auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA.
Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes führte das BFA im o.a. Bescheid zu § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (= Spruchteil I.) insbesondere aus:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergäbe sich, dass die Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, unbegründet sei. Das Asylrecht habe nicht die Aufgabe, vor allgemeinen Unglücksfolgen wie etwa einem Bürgerkrieg zu bewahren. Das Vorliegen einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehenden Gruppenverfolgung sei zu verneinen.
In Bezug auf die Entscheidung über den subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (= Spruchteil II.) führte das BFA im Wesentlichen aus:
Im Fall des Beschwerdeführers sei eine reale Gefahr für ihn als Zivilperson als gegeben anzusehen. Die Sicherheitslage in Syrien spräche gegen seine Rückkehr. Auch stünde ihm keine subjektiv zumutbare innerstaatliche Fluchtroute zur Verfügung und es liege kein Aberkennungsgrund vor. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilte das BFA im o.a. Bescheid (= Spruchteil III.) dem Beschwerdeführer für ein Jahr eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
Gegen den Spruchteil I. des o.a. Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 27.05.2021 fristgerecht eine Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen Folgendes ausführte:
Dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung aus politischen Gründen und wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Kurden. Für den Beschwerdeführer bestünde die Gefahr, zum Kriegsdienst gezwungen zu werden. Er sei im wehrfähigen Alter und aus den Länderberichten ergäbe sich, dass das syrische Regime Personalbedarf habe. Die Einberufungen würden willkürlich geschehen. Der Beschwerdeführer werde wegen der ihm unterstellten politischen Gesinnung verfolgt, da er aus einer Region mit starker Präsenz der Rebellen stamme und Kurde sei. Alleine aufgrund seines längeren Auslandsaufenthalts könne ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden.
Ihm sei daher die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen. Zudem beantragte der Beschwerdeführer die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 08.06.2022 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an:
Der Beschwerdeführer sei im Alter von 19 Jahren zum Pflichtwehrdienst eingezogen worden. Diesen habe er innerhalb von zweieinhalb Jahren abgeleistet. In dieser Zeit habe er eine Ausbildung absolviert und in Folge die Aufgabe gehabt, an der Reparatur von Fahrzeugen mitzuwirken. Er habe neben seiner Tätigkeit in der Werkstatt auch weitere Ausbildungen absolviert. Im Jahr 2014 sei sein Herkunftsort zerstört worden. Er sei mehrmals von den kurdischen Milizen zur Teilnahme an den Kämpfen aufgefordert worden. Jedoch habe er nie für die Kurden gekämpft. In den syrischen Medien sei verkündet worden, dass Personen, die den regulären Wehrdienst absolviert haben, sich zum Reservedienst melden müssten. Der Beschwerdeführer würde demnach gezwungen werden, für das syrische Regime zu kämpfen. Über einen Anwalt habe er zudem Dokumente erlangt, die seine drohende Einberufung belegen würden.
Im Zuge des Verfahrens legte der Beschwerdeführer einen Personalausweis und eine Bestätigung über die Ableistung des regulären Militärdienstes im Original sowie Auszüge aus dem Familienstands- und Zivilregister und eine Geburtsurkunde in Kopie vor. Weiters legte der Beschwerdeführer während der Verhandlung eine Einberufungsanordnung und eine Verständigung über die Pflicht zum Antritt des Wehrdienstes im Original in arabischer Sprache vor. Diese wurden von der anwesenden (gerichtlich beeideten) Dolmetscherin übersetzt.
Als weiteres Beweismittel im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurde von Amts wegen die Länderinformation der Staatendokumentation (LIB) Syrien, Version 6, mit dem Veröffentlichungsdatum 27.04.2022, herangezogen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Folgendes ist als glaubwürdiges Vorbringen des Beschwerdeführers zu qualifizieren und als maßgebender Sachverhalt festzustellen:
Der am XXXX geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Syriens und gehört der Volksgruppe der Kurden an. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnit).
Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX (Provinz XXXX ), das sich derzeit unter Kontrolle der Kurden befindet. Dies ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Karte https://syria.liveuamap.com/ .
Die Gattin und die Kinder des Beschwerdeführers halten sich in der Türkei auf.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigter und ist laut aktuellem Strafregisterauszug unbescholten.
Der am XXXX geborene Beschwerdeführer ist gesund und befindet sich im noch wehrpflichtigen Alter. Er hat (noch vor Ausbruch des Bürgerkrieges) von 1998 bis September 2000 seinen regulären Wehrdienst in der Dauer von 2,5 Jahren bei der syrischen Armee abgeleistet. Während des Militärdienstes wurde er an Waffen ausgebildet und er hat sich auch ein Spezialwissen bei der Reparatur von Militärfahrzeugen angeeignet.
Im September 2014 reiste der Beschwerdeführer in Folge der Eroberung von XXXX durch den IS illegal auf dem Landweg aus Syrien aus und in die Türkei ein, da er zum Reservedienst für das syrische Militär einberufen werden hätte sollen.
Nach seiner Ausreise wurde für den 15.02.2015 angeordnet, dass er zum Reservedienst einberufen wird.
Vor dem Hintergrund des obigen als glaubwürdig befundenen Vorbringens bleibt festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit für eine Asylgewährung hinreichend intensive Verfolgung durch staatliche Organe zu befürchten hätte.
2. Beweiswürdigung:
Die zuständige Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde gegen den Spruchteil I. des o.a. Bescheides auf der Grundlage der durchgeführten mündlichen Verhandlung folgende Erwägungen getroffen:
Die Staatsangehörigkeit, das Alter, der Geburtsort und die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben und den von ihm vorgelegten Dokumenten.
Dass er gesund ist, folgt aus seinen diesbezüglich übereinstimmenden und glaubwürdigen Angaben in seinen Befragungen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug.
Die Feststellung zur Militärdienstzeit von 1998 bis 2000 ergibt sich aus den glaubwürdigen (und gleichlautenden) Angaben des Beschwerdeführers. Zudem hat er als Beweis den Nachweis über die Ableistung des Militärdienstes im Original vorlegen können. Aufgrund des oben festgestellten Spezialwissens des Beschwerdeführers besteht auch die Möglichkeit, dass er nach Vollendung seines 43. Lebensjahres für das syrische Regime bzw. das Militär noch von Interesse ist.
Dass der Beschwerdeführer am 15.02.2015 aufgefordert wurde, seinen Reservedienst anzutreten, ergibt sich aus den heutigen vorgelegten Bestätigungen in arabischer Sprache und mittels Übersetzung.
Aus der herangezogenen Länderinformation der Staatendokumentation ergibt sich u.a., dass der Ort XXXX im September 2014 durch die IS erobert wurde und ansonsten unter der Kontrolle der YPG bzw. der PKK steht. Auch dies bekräftigt das Vorbringen des Beschwerdeführers.
Laut den Länderberichten besteht in Syrien in Gebieten unter der Kontrolle der kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) ein verpflichtender Militärdienst für Männer von 18 bis 40 Jahren.
Der Beschwerdeführer wird im August dieses Jahres 43 Jahre alt. Da er für die YPG nicht mehr im wehrfähigen Alter ist, ist es hingegen nicht glaubwürdig gewesen, der Gefahr der Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen ausgesetzt zu sein.
Entgegen der Ansicht des BFA erachtet die zuständige Einzelrichterin das fluchtkausale Vorbringen des Beschwerdeführers – wie festgestellt – für glaubhaft.
Das BFA hat im Spruchteil I. des o.a. Bescheides im Wesentlichen zusammengefasst betont, dass der Beschwerdeführer den regulären Wehrdienst im Jahr 2000 vollständig abgeleistet und keine besonderen militärischen Qualifikationen erworben habe. Es ließe sich nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass er im nicht mehr wehrfähigen Alter von 42 Jahren im Falle seiner Rückkehr nach Syrien zum Reservedienst herangezogen werden würde. Der Beschwerdeführer habe Syrien wegen des Bürgerkrieges und der schlechten Lage verlassen.
Tatsächlich hat der Beschwerdeführer jedoch bereits im Zuge der Erstbefragung und im weiteren Verfahren durchgehend gleichbleibend glaubhaft angegeben, aus wohlbegründeter Furcht vor einer ihm drohenden Einberufung als Reservist ausgereist zu sein. So schilderte er sowohl in der Einvernahme als auch während der mündlichen Verhandlung widerspruchsfrei den über die syrischen Medien verbreiteten Aufruf zur Meldung als Reservist. Dass ihm diesbezüglich konkrete Verfolgung und die Gefahr der Einziehung als Reservist droht, konnte er durch Vorlage diesbezüglicher Dokumente im Zuge der mündlichen Verhandlung glaubhaft machen. Weiters wird sein Vorbringen durch den Umstand gestützt, dass er im Zuge seines regulären Wehrdienstes Ausbildungen gemacht und an der Reparatur von Fahrzeugen gearbeitet hat, sodass er entgegen der Ansicht des BFA durchaus über Qualifikationen verfügt, die eine Einberufung durch das syrische Militär wahrscheinlicher erscheinen lassen. Aus den herangezogenen Länderberichten ergibt sich, dass die Altersgrenze bei Personen mit besonderen Qualifikationen erhöht werden kann (vgl. AS 131), sodass das Alter des Beschwerdeführers nicht gegen das Vorliegen einer Verfolgungsgefahr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit spricht. Weiters ergibt sich aus den herangezogenen Länderberichten im Gegensatz zu den Feststellungen des BFA sehr wohl, dass das syrische Militär weiterhin großen Personalbedarf hat und dass sich das Maß der Willkür hinsichtlich der Praxis der Einberufungen zuletzt sogar erhöht hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.3. Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt der Beschwerdeführer nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
Da für männliche syrische Staatsangehörige zwischen 18 und 42 Jahren die Ableistung des Wehrdienstes in Syrien gesetzlich verpflichtend ist, droht dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine neuerliche Einberufung als Reservist zum Militärdienst. Der Beschwerdeführer verweigert die Ableistung des Militärdienstes.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Wehrdienstverweigerung (auch im Reservedienst) dann Asylrelevanz zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa bei der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Würde der Wehrdienst dazu zwingen, an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilzunehmen, kann auch schon eine Bestrafung mit einer „bloßen“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (VwGH 13.11.2019, Ra 2019/18/0274).
Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geht hervor, dass Wehrdienstverweigerung in Kriegszeiten mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft wird. Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab. Zudem betrachtet die syrische Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck politischen Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen. Die Regierung wird zudem beschuldigt, völkerrechtswidrige Militäraktionen, wie etwa willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, durchzuführen.
Die Tatsache, dass die syrische Regierung Wehrdienstverweigerung als Ausdruck politischen Dissens betrachtet (auch in Kombination mit den, den Betroffenen drohenden, völlig unverhältnismäßigen Sanktionen), kann nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung als Reservist eine oppositionelle Gesinnung (zumindest) unterstellt.
Es ist im Ergebnis glaubhaft, dass dem kurdischen Beschwerdeführer die Einberufung als Reservist von Seiten der syrischen Regierung, Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung und somit Verfolgung aufgrund seiner (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Es sind auch im Zuge des Verfahrens keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in § 6 Abs. 1 Z 1 bis Z 4 AsylG 2005 genannten Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe oben unter 3.3. zit. Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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