BVwG W187 2243810-1

BVwGW187 2243810-115.7.2021

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W187.2243810.1.00

 

Spruch:

W187 2243810-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag XXXX vertreten durch RIHS Rechtsanwalt GmbH, Kramergasse 9/3/13, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Rahmenvertrag für Systemteilnehmerprüfungen“ der Auftraggeberin VKS Verpackungskoordinierungsstelle gemeinnützige Gesellschaft mbH, Mariahilfer Straße 84/30, 1070 Wien, vertreten durch die Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH, Jasomirgottstraße 6/5, 1010 Wien, vom 25. Juni 2021 beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der XXXX „die einstweilige Verfügung zu treffen, der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung über den unter I. ausgeführten Nachprüfungsantrag bei sonstiger Nichtigkeit die Angebotsöffnung zu untersagen“, gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin VKS Verpackungskoordinierungsstelle gemeinnützige Gesellschaft mbH für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren „Rahmenvertrag für Systemteilnehmerprüfungen“, die Angebote zu öffnen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2021, beim Bundesverwaltungsgericht am 28. Juni 2021 eingelangt, beantragte die XXXX vertreten durch RIHS Rechtsanwalt GmbH, Kramergasse 9/3/13, 1010 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Durchführung eines Nachprüfungsverfahren und einer mündlichen Verhandlung, die Akteneinsicht, die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung und den Ersatz der Pauschalgebühr sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „Rahmenvertrag für Systemteilnehmerprüfungen“ der Auftraggeberin VKS Verpackungskoordinierungsstelle gemeinnützige Gesellschaft mbH, Mariahilfer Straße 84/30, 1070 Wien, vertreten durch die Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH, Jasomirgottstraße 6/5, 1010 Wien.

1.1 Nach Darstellung der Bezeichnung und Darstellung des Vergabeverfahrens, der Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung, der Auftraggeberin und der vergebenden Stelle der Antragstellerin und der handelnden Personen gibt die Antragstellerin den Sachverhalt wieder, gibt den drohenden Schaden und ihr Interesse am Vertragsabschluss an. Sie macht Angaben zur Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrags. Die Antragstellerin erachtet sich in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Nicht-Ausscheiden ihres ausschreibungskonformen Teilnahmeantrags und damit auf Teilnahme am weiteren Vergabeverfahren verletzt. Der Teilnahmeantrag der Antragstellerin sei mängelfrei. Die Auftraggeberin missachtet mit ihrer rechtswidrigen Entscheidung die unionsrechtlichen Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot sowie die Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Teilnehmer bzw Bieter im Vergabeverfahren Sie führt zur Rechtwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen wie folgt aus.

1.2 Die Auftraggeberin stütze ihr Entscheidung auf die – verfehlte – Auslegung der Ausschreibungsunterlagen Teil I.A.1 Punkt 7.2. Die XXXX brauche als notwendige Subunternehmerin keine Befugnis zur Durchführung der Prüftätigkeiten von Wirtschaftsprüfern oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

1.3 Nach Abs 1 der zitierten Festlegung müsse „Bewerber oder ein notwendiger Subunternehmer“ über die Befugnis verfügen, Wirtschaftsprüferleistungen zu erbringen. Die Antragstellerin verfüge zweifelsfrei über die Befugnis zur Erbringung von Wirtschaftsprüferleistungen. Bei der XXXX handle es sich um ein verbundenes Unternehmen, das aufgrund des Konzernverhältnisses und der personellen Verflechtungen von den Führungskräften der XXXX -Gruppe gesteuert werde. Es erscheine somit vergaberechtswidrig, von beiden dieselbe Befugnis zu verlangen.

1.4 Hilfsweise weise die Antragstellerin darauf hin, dass die XXXX für jene Teilleistungen, die Gegenstand des ausgeschriebenen Rahmenvertrages seien, über eine ausreichende Befugnis verfüge. XXXX sei bei der deutschen „Zentralen Stelle Verpackungsregister“ (ZSVR) akkreditiert. Die in dem Teilnahmeantrag genannten Schlüsselpersonen seien bei der Antragstellerin bzw deren Subunternehmern beschäftigt und bei der ZSVR als Prüfer registriert.

1.5 Eine Bestätigung der durch die XXXX geprüften Unternehmen durch diese selbst zum Nachweis als Referenz, ebenfalls die namentliche Nennung der im Antrag aufgeführten Unternehmen, scheide aus Gründen der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes aus. Wenn die Antragsgegnerin entsprechende Referenzen durch eine Bestätigung der von der XXXX in Deutschland geprüften Unternehmen verlange, so benachteilige und diskriminiere sie diese gegenüber den bisher in Österreich tätigen Unternehmen, weil diese gegenüber der Auftraggeberin keine Referenz abgeben müssten bzw sich auf die bisherigen Prüfaufträge der Antragsgegnerin berufen könnten. Alle im deutschen VerpackG aufgeführten Berufsträger könnten sich bei der ZSVR diskriminierungsfrei registrieren lassen, um im deutschen Rechtsraum tätig zu werden. Dies gelte auch, wenn es sich um im EU-Ausland ansässige Personen handle. Die Antragstellerin erbringe Prüfleistungen auch in Frankreich, Luxemburg, Schweden und Belgien. Dort würden die Nachweise über die Befugnis der XXXX zur Erbringung von Prüfleistungen von öffentlichen Auftraggebern ohne Beanstandung akzeptierten.

1.6 Die Antragstellerin ersuche die Auftraggeberin, direkten Kontakt mit der deutschen „Zentralen Stelle Verpackungsregister“ in Osnabrück aufzunehmen und sich von ihrem deutschen Pendant bestätigen zu lassen, dass die Anzahl der von der XXXX genannten Prüfungen im fraglichen Zeitraum korrekt sei.

1.7 Die XXXX sei in Deutschland – und damit entsprechend dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit auch in Österreich – befugt, entsprechende Prüfleistungen vorzunehmen. Der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit, der in § 6 WTBG seinen Niederschlag gefunden habe, erlaube es Staatsangehörigen mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der EU, die im Herkunftsstaat den Beruf eines selbstständigen, freiberuflichen Wirtschaftstreuhänders auf einem bestimmten dem WTBG entsprechenden Fachgebiet gemäß § 2 und § 3 WTBG befugt ausübten, auch in Österreich vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen auf diesem Fachgebiet zu erbringen. Die Antragstellerin könne sich entgegen den nicht näher konkretisierten Zweifeln der Auftraggeberin tatsächlich auf die Erbringung der Leistungen im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit berufen. Laut Tätigkeitsbericht des VKS 2019 seien im Berichtszeitraum 750 Systemteilnehmerprüfungen erbracht worden. 2020 seien soweit bekannt 1030 Systemteilnehmerprüfungen durchgeführt worden. Die Antragstellerin errechnet 47 Arbeitstage in Österreich. Diese Leistungen könnten jedenfalls unter Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit grenzüberschreitend erbracht werden, ohne dass dafür eine eigene Niederlassung in Österreich begründet werden müsste. Ein erheblicher Teil der vor Ort stattfindenden Prüftätigkeit könne tatsächlich auch in Deutschland geleistet werden.

1.8 Der Versicherungsnachweis sei ausreichend, müsse nicht jedes Jahr erneuert werden.

1.9 Die Antragstellerin erhebt ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag zum Vorbringen für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Antragstellerin habe ein rechtlich geschütztes Interesse am Zuschlag der verfahrensgegenständlichen Rahmenvereinbarung. Sie sei entsprechend befugt und befähigt, die auftragsgegenständlichen Dienstleistungen im Rahmen des ausgeschriebenen Rahmenvertrags auszuführen. Die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig. Das rechtswidrige Ausscheiden des Teilnahmeantrags der Antragstellerin diskriminiere diese offenkundig, beeinträchtige den Wettbewerb und stelle einen weiteren groben Verstoß gegen das BVergG 2018 dar. Die Antragsgegnerin beabsichtige unzulässigerweise eine unbefristete Vergabe der Konzession. Die Antragstellerin möchte am gegenständlichen Vergabeverfahren teilnehmen. Sie erfülle alle Voraussetzungen für die Teilnahme und für einen Zuschlag. Infolge ihres Ausscheidens und dem damit verbundenen Ausschluss vom weiteren Vergabeverfahren drohten ihre Aufwendungen für die Ausarbeitung des Teilnahmeantrags und die Beantwortung der „Aufforderung zur Mängelbehebung“ und für das gegenständliche Nachprüfungsverfahren sowie die bisher aufgelaufenen Vertretungskoten frustriert zu werden. Durch die grob rechtswidrige und gegen sämtliche vergaberechtliche Grundsätze verstoßende Entscheidung des Ausscheidens der Antragstellerin und die Fortsetzung des Vergabeverfahrens ohne die Antragstellerin entstehe dieser ein schwerer, unwiederbringlicher wirtschaftlicher Schaden. Verzögerungen durch ein Vergabenachprüfungsverfahren müsse der Auftraggeber nach der Rechtsprechung zeitlich einkalkulieren. Diese stellten per se keine besondere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar. Besondere öffentliche Interessen an der (unverzüglichen) Fortführung seien im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Die Zuschlagserteilung würde den Rechtsschutz der Antragstellerin wesentlich beeinträchtigen und den vergaberechtlichen Rechtsschutz letztlich aushebeln. Jedenfalls seien die verletzten Interessen des Antragstellers im Verhältnis zu etwaigen öffentlichen Interessen an einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens erheblich.

2. Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2021 legte die Antragstellerin eine Versicherungsbestätigung über € 4 Millionen Versicherungssumme vom 28. Juni 2021 vor.

3 Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2021 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und verzichtete auf eine Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

4. Am 6. Juli 2021 legte die Auftraggeberin die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor.

5. Mit Schreiben vom 7. Juli 2021 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Antragstellerin auf, € 16.240 an Pauschalgebühren nachzuzahlen.

6. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 erstattete die Antragstellerin eine Stellungnahme. Darin führt sie im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin über die Leistungsfähigkeit verfüge und ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt habe. Der Mangel bezüglich der Dokumentation einer Haftpflichtversicherung über zusammen € 5 Millionen sei jedenfalls verbesserungsfähig. Durch die Nachreichungen entsprechender Nachweise entstehe keinerlei Wettbewerbsvorteil für die Antragstellerin. Die Antragstellerin und die XXXX , die ein verbundenes Unternehmen darstellten, erbrächten sämtliche ausschreibungsgegenständliche Prüfleistungen und -Tätigkeiten in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und verfügten über entsprechende Befugnis und Befähigung in Deutschland. Entsprechend dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit dürften sie diese Tätigkeiten auch in Österreich erbringen. Die Ausschreibung verlange, dass die Bieterin über die Befugnis zum Wirtschaftstreuhänder verfüge. Dies sei bei der Antragstellerin zweifelsohne der Fall.

6.1 Die XXXX habe mit ihrem Teilnahmeantrag eine Bestätigung über Versicherungssummen von € 2 Millionen für Vermögensschäden und € 5 Millionen für Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtschäden/Umweltschäden vorgelegt. Die Versicherung beziehe sich auf Tätigkeiten innerhalb der Beratung, Prüfung und Bescheinigungserstellung für Drittfirmen im Bereich des Umweltrechts, insbesondere Verpackungsverordnung. Versichert sie auch die private und gerichtliche Sachverständigentätigkeit von Geschäftsführer XXXX und XXXX im Auftrag der XXXX für die genannten versicherten Tätigkeitsfelder. Aus der mit dem Teilnahmeantrag vorgelegten Bestätigung der Berufshaftpflichtversicherung der Antragstellerin ergebe sich eine Versicherungssumme je Versicherungsfall von € 4 Millionen. Aufgrund der mit dem Teilnahmeantrag vorgelegten Unterlagen ergebe sich somit eine gemeinsame Versicherungssumme von insgesamt € 6 Millionen je Schadensfall. Die Antragstellerin weise darauf hin, dass es sich bei dem von der Antragsgegnerin als Ausscheidensgrund geltend gemachten Mangel um einen verbesserungsfähigen Mangel handle.

6.2 Die Antragstellerin sei befugt und befähigt, die ausschreibungsgegenständlichen Prüfdienstleistungen zu erbringen. Die Zusammenarbeit der Antragstellerin mit dem ihr verbundenen Unternehmen, der XXXX , gewährleiste, dass sämtliche relevanten rechtlichen Anforderungen an die Art der Tätigkeit erfüllt würden. Da es sich um verbundene Unternehmen handle, sei auch gewährleistet, dass die Antragstellerin einen einheitlichen Ansprechpartner auf Seiten der Unternehmensgruppe der Antragstellerin habe und sämtliche Prüfdienstleistungen durch die Antragstellerin und ihr verbundenes Unternehmen ordnungsgemäß erbracht würden. Die Antragstellerin könne die ausgeschriebene Prüftätigkeit im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit erbringen. Sie sei zusammen mit den mit ihr verbundenen Unternehmen XXXX in Deutschland berechtigt, sämtliche ausgeschriebenen Tätigkeiten zu erbringen. Die Antragstellerin sei zum freien Beruf der Steuerberatung und Wirtschaftstreuhand zugelassen. Das mit ihr verbundene Unternehmen, die XXXX , übe sämtliche Tätigkeiten bzw Leistungen der Überprüfung von Verpackern nach dem deutschen Verpackungsgesetz und der Verpackungsverordnung rechtmäßig aus. Sie übe diese Tätigkeiten auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit aus. Die Tätigkeit von Systemprüfungen nach dem Abfallwirtschaftsrecht sei in Deutschland nicht den Wirtschaftsprüfern vorenthalten. Die im Teilnahmeantrag genannten Schlüsselkräfte des verbundenen Unternehmens seien registrierte Sachverständige. Aus der Ausschreibung und dem WTBG ergebe sich, dass die Antragstellerin Leistungen im Zuge der Dienstleistungsfreiheit in Österreich erbringen dürfe. Die Schlüsselpersonen seien auch wegen ihrer Eintragung in das Verzeichnis der „Zentralen Stelle Verpackungsregister“ selbstverständlich berechtigt, befugt und befähigt, die ausschreibungsgegenständlichen Prüftätigkeiten durchzuführen. Der Verweis auf eine Bieterauskunft in einem vergangen Vergabeverfahren sei nicht zielführend, weil die Ausschreibung anhand der Formulierungen der gegenständlichen Ausschreibung auszulegen sei. Die Antragstellerin sei berechtigt, die ausgeschriebenen Leistungen und Tätigkeiten im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in Österreich zu erbringen.

6.3 Die Antragstellerin übe die vorgelegten Tätigkeiten zusammen mit dem verbundenen Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Schweden und Belgien aus. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin diese nicht auch in Österreich ausüben dürfe.

7. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 legte die Antragstellerin einen Überweisungsbeleg vom 9. Juli 2021 über die ausständige Pauschalgebühr vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Die VKS Verpackungskoordinierungsstelle gemeinnützige Gesellschaft mbH schreibt unter der Bezeichnung „Rahmenvertrag für Systemteilnehmerprüfungen“ einen Dienstleistungsauftrag über Prüftätigkeiten mit dem CPV-Code 79210000-9 – Rechnungslegung und -prüfung in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem zwanzigfachen des Schwellenwerts gemäß § 12 Abs 1 Z 3 BVergG 2018. Vergebende Stelle ist die Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH. Die Bekanntmachung der Ausschreibung wurde in Österreich zur Zahl 4/VKS-PRÜ 2021 und unionsweit im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 24. November 2020 zur Zahl 2021/S 089-229651, beide abgesandt am 3. Mai 2021 veröffentlicht. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.2 Das Vergabeverfahren befindet sich im Stadium der Prüfung der Teilnahmeanträge. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.3 Am 18. Juni 2021 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin die Nichtzulassung zur Teilnahme am Vergabeverfahren im Wege des Vergabeportals mit. (Angaben der Auftraggeberin; Zuschlagsentscheidung in den Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch den Zuschlag erteilt. (Angaben der Auftraggeberin; Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von € 19.440. (Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf. Nach Auskunft der Verrechnungsstelle des Bundesverwaltungsgericht langte die nachgeforderte Pauschalgebühr am 12. Juli 2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2019/44 lauten:

„Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 220/119, lauten:

„Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) …

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

…“

3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:

„Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

(2) …

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) …

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) …

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) …

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

Verfahrensrechtliche Bestimmungen

§ 352. (1) Parteien des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unverzüglich, längstens jedoch binnen 10 Tagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden. Musste der Antrag zur Verbesserung zurückgestellt werden, ist über ihn längstens binnen 15 Tagen zu entscheiden. Die Frist ist gewahrt, wenn die Erledigung an alle Parteien nachweislich vor ihrem Ablauf abgesendet wurde.

(3) …“

3.2 Zu Spruchpunkt A) –Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die VKS Verpackungskoordinierungsstelle gemeinnützige Gesellschaft mbH. Ihr Geschäftszeig ist jener einer Koordinierungsstelle für Sammel- und Verwertungssysteme von Verpackungen. Die Stammeinlage wird zur Gänze von der Umweltbundesamt Gesellschaft mbH gehalten, deren Stammeinlage zur Gänze vom Bund gehalten wird. Da die Aufgabe der Auftraggeberin im öffentlichen Interesse und nichtgewerblich ist, die Auftraggeberin Rechtspersönlichkeit genießt und sie durch Beteiligung mittelbar vom Bund beherrscht wird, handelt es sich bei der Auftraggeberin um eine öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (zur vergleichbar konstruierten BALSA Bundesaltlastensanierungsgesellschaft mbH zB BVwG 26. 3. 2015, W187 2017416-2/26E; 22. 12. 2016, W187 2134620-2/53E; BVA 21. 10. 2011, N/0103-BVA/14/2011-18). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 7 BVergG 2018. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 3 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 1 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 327 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Frage der Ausschreibungswidrigkeit des Angebots der Antragstellerin, wie sie die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 6. Mai 2021 vorgebracht hat, hat die Auftraggeberin nicht zum Anlass genommen, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden. Sie ist wegen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und des Parteiengehörs im Hauptverfahren zu klären. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher – bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 – Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und der Zuschlagserteilung.

3.3.2.3 Die Auftraggeberin spricht sich nicht gegen eine einstweilige Verfügung im beantragten Umfang aus.

3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Fortsetzung des Vergabeverfahrens erforderlich machen würden, machte die Auftraggeberin nicht geltend. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine anderen öffentlichen Interessen ersichtlich.

3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und die Zuschlagserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags ist die Auftraggeberin verpflichtet, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Rechtsmittelrichtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden, vielmehr ist sie Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).

3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Einladung anderer Bewerber zur Angebotslegung und Öffnung der Erstangebote im Verhandlungsverfahren ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung der Angebotsöffnung (zB BVwG 12. 11. 2018, W187 2208747-1/4E; 23. 1. 2019, W123 2213111-1/3E; 28. 9. 2020, W120 2235161-1/2E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).

3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Wenn die Auftraggeberin nun eine Befristung von sechs Wochen ab der Erlassung der einstweiligen Verfügung begehrt, ist dem zu entgegnen, dass zu erwarten ist, dass das Bundesverwaltungsgericht innerhalb dieser Frist entscheiden wird, und das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 jederzeit über Antrag oder von Amts wegen über die Dauer der einstweiligen Verfügung neu entscheiden kann. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

3.3 Zu Spruchpunkt B) – Nichtzulassung der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138; 30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254; 29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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