BVwG I403 1433956-2

BVwGI403 1433956-227.3.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:I403.1433956.2.00

 

Spruch:

I403 1433956-2/20E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX, StA. Demokratische Republik Kongo, vertreten durch: Caritas Burgenland, Mag. Michael Weiss, Mag. Monika Vychytil, Dr. Wolfgang Weeber gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2016, Zl. 821051205/1528739, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.03.2018 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es anstelle des ersten Spruchteiles des Spruchpunktes III. wie folgt zu lauten hat:

 

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt."

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin der Demokratischen Republik Kongo, stellte am 11.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am folgenden Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie als Fluchtgrund an, dass sie in der Demokratischen Republik Kongo für die Organisation "Pacte Social" als Pressesprecherin tätig gewesen sei. Aufgrund dieser Funktion sei sie von der Regierung bedroht worden. Sie legte eine Wahlkarte vor. Ihre Angaben zu ihrer Ankunft mit dem Flugzeug in Wien wurden überprüft, konnten aber nicht verifiziert werden (AS 19).

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 27.11.2012 erklärte die Beschwerdeführerin, aus einer finanziell gut gestellten Familie in Kinshasa zu stammen. Sie habe sich sehr gegen Gewalt an Frauen eingesetzt. Sie sei für "Pacte Social" tätig gewesen, einer Organisation mit Sitz in der XXXX; eine Internetadresse würde es dazu aber nicht geben. Nachdem sie bei einem Radiointerview der Regierung vorgeworfen habe, zu wenig im Kampf gegen Vergewaltigungen zu unternehmen, seien Leute gekommen und würden eine schriftliche Drohung hinterlassen haben. Eines Abends seien diese Leute wiedergekommen. Sie habe sich versteckt, ihre zwei Adoptivkinder seien mitgenommen worden. Sie selbst habe sich dann einige Wochen in einem Kloster versteckt, ehe sie ausgereist sei. Über den Verbleib ihrer Kinder wisse sie nichts. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert, bis zum 10.12.2012 Beweismittel zur Existenz der genannten Organisation vorzulegen.

 

Am 20.12.2012 wurden eine Mitgliedskarte der Beschwerdeführerin bei "Pacte Social" (vom 03.03.2010), eine Bestätigung des Präsidenten der Organisation namens XXXX über die Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin bei "Pacte Social" seit 2001, eine Registrierung des im Juli 2001 gegründeten "Pacte Social" bei der "Societé Civile du Congo" aus dem Jahr 2003, ein Schreiben des Justizministeriums vom 06.10.2003, wonach der "Pacte Social" im Vereinsregister aufgenommen wurde, sowie eine Vollmacht für die Vertretung durch die Caritas Burgenland vorgelegt. Am 17.01.2013 wurde ergänzend ein weiteres Schreiben des kongolesischen Justizministeriums aus dem Jahr 2001 vorgelegt, wonach XXXX der Präsident der Organisation sei.

 

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 21.01.2013 wurden der Beschwerdeführerin Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Demokratischen Republik Kongo übermittelt und die Beschwerdeführerin aufgefordert, "klare, unmissverständliche und objektivierbare Beweismittel" vorzulegen, da es in ihrem Herkunftsland "notorisch und breitgefächert zur Vorlage von selbstproduzierten Papieren" käme.

 

Am 11.02.2013 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den Länderfeststellungen ein. Darin wurde erklärt, dass die generelle Ablehnung der vorgelegten Beweismittel unzulässig sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin decke sich mit verschiedenen Berichten, welche von "Vergewaltigung als Kriegswaffe" in der Demokratischen Republik Kongo sprechen würden.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.03.2013, Zahl 12 10.512-BAE, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß

 

§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und in Spruchpunkt III. die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Demokratische Republik Kongo ausgewiesen.

 

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.03.2013, zugestellt am 14.03.2013, brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht am 27.03.2013 Beschwerde ein. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2015, Zl. W215 1433956-1/10E wurde der Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß

 

§ 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die belangte Behörde habe das Verfahren mit einem Mangel belastet, indem sie keine konkrete Länderrecherche zum Vorbringen der Beschwerdeführerin durchgeführt habe.

 

In einer (trotz Abschluss des Beschwerdeverfahrens an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten) Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 22.12.2015 wurde wiederholt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Einsatzes für die Organisation "Pacte Social" und ihrer öffentlichen Kritik an Missständen in Bezug auf Vergewaltigungsopfer massiven Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei. Berichte über sexuelle Gewalt an Frauen wurden auszugsweise zitiert. Beigelegt war eine Anfragebeantwortung des Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (ACCORD) vom 19.02.2015 zur Demokratischen Republik Kongo: "Informationen zur Lage von Frauen und zur wirtschaftlichen Lage im Land" (a-9070).

 

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete eine Anfrage an die Staatendokumentation, welche insbesondere Fragen zu "Pacte Social" und der behaupteten Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin bei der Organisation beinhaltete. Der Anfragebeantwortung, welche unter Heranziehung der Recherche einer Vertrauensperson der ÖB Nairobi am 26.02.2016 erstellt worden war, ist zu entnehmen, dass eine Organisation namens "Pacte Social" nicht existiere, auch nicht beim Register des Justizministeriums aufscheine und eine Recherche bei der von der Beschwerdeführerin angegebenen Adresse ergeben habe, dass dort keine Organisation ihren Sitz hatte.

 

Mit Schreiben vom 22.03.2016 übermittelte das BFA der Beschwerdeführerin nochmals Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in der Demokratischen Republik Kongo sowie die Ergebnisse der Anfrage und gewährte ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme. Mit Stellungnahme vom 07.04.2016 wurden die Angaben in der Anfragebeantwortung als vage und unfundiert bezeichnet und wurde nochmals auf die bereits eingebrachten Beweismittel verwiesen. Es wurde um eine Einvernahme durch eine weibliche Referentin ersucht, da Auslöser für das Engagement der Beschwerdeführerin persönlich erlebte sexuelle Übergriffe gewesen seien. Beigelegt wurde (neben den bereits eingebrachten Beweismitteln) ein Befundbericht eines Allgemeinmediziners vom 31.03.2016, in welchem auf die Einnahme eines Blutdruckmedikaments durch die Beschwerdeführerin verwiesen wurde.

 

Schließlich wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2016 der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 11.08.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Demokratische Republik Kongo abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Demokratische Republik Kongo zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Die von der Beschwerdeführerin angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes wurden für unglaubwürdig befunden und dies insbesondere darauf gestützt, dass die Existenz der Organisation "Pacte Social" in der Anfragebeantwortung verneint worden war.

 

Gegen den Bescheid wurde am 12.05.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben und wurden verschiedene Dokumente in Vorlage gebracht:

 

* Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs vom 03.05.2016

 

* Zeitungsbericht über ein Adventskonzert von Flüchtlingen, an dem die Beschwerdeführerin teilnahm

 

* Verschiedene Lichtbilder

 

* Ausweis über die Berechtigung, eine Straßenzeitung zu verkaufen

 

* Online Bericht über den Besuch der schwedischen Außenministerin in Kinshasa

 

* Laborbefunde vom 03.11.2015 sowie vom 26.01.2016

 

Kritisiert wurde insbesondere, dass die Beschwerdeführerin vom BFA nicht auf das in § 20 AsylG 2005 enthaltene Recht auf Einvernahme durch eine weibliche Referentin bzw. Dolmetscherin aufmerksam gemacht worden sei und ihrem Ersuchen auf nochmalige Einvernahme nicht nachgekommen worden sei. Es wurde auf die bereits vorgelegten Beweismittel verwiesen und erklärt, dass der Vertrauensanwalt die Organisation an der falsch protokollierten Adresse gesucht habe. Die Beschwerdeführerin leide an hohem Blutdruck und in der Folge häufig an Kopfweh; sie gerate auch bei Stress rasch in Panik. Sie sei in Österreich gut integriert. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine Beschwerdeverhandlung anberaumen und der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Beschwerdeführerin Asyl gewährt werde, in eventu subsidärer Schutz gewährt werde, in eventu feststellen, dass eine Ausweisung [gemeint wohl:

Rückkehrentscheidung] auf Dauer unzulässig ist.

 

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.05.2016 vorgelegt.

 

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die Rechtssache per 25.10.2017 der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

 

Am 30.01.2017 wurden verschiedene Deutschzeugnisse, Fotos und Nachweise über ehrenamtliche Tätigkeiten vorgelegt.

 

Am 28.02.2017 wurden dem Bundesverwaltungsgericht der Amnesty International Report 2016/17 zur Demokratischen Republik Kongo sowie die bereits ins Verfahren eingebrachte Anfragebeantwortung von ACCORD zur Lage von Frauen und ein Deutschzeugnis der "Deutschakademie" der Stufe B1(1) vom November 2016 vorgelegt. In weiterer Folge wurde auch das ÖSD Zertifikat B1 vom 03.03.2017 eingebracht.

 

Am 14.03.2018 wurde in einer weiteren schriftlichen Stellungnahme unter Bezugnahme auf die der Beschwerdeführerin übermittelten Länderfeststellungen zur Demokratischen Republik Kongo der aktuelle Amnesty International Bericht 2017/2018 auszugsweise zitiert.

 

Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 15.03.2017 am Bundesverwaltungsgericht wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Fluchtvorbringen und legte verschiedene Unterlagen zur Integration sowie einen Befundbericht eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.03.2018 vor.

 

Nach Übermittlung des Verhandlungsprotokolls an die belangte Behörde beantragte das BFA mit Email vom 19.03.2018 die Abweisung der Beschwerde.

 

Am 26.03.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht sechs Empfehlungsschreiben ein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie lebte vor ihrer Ausreise in Kinshasa.

 

Die Beschwerdeführerin absolvierte in ihrer Heimat eine universitäre Ausbildung zur Pädagogin und arbeitete von 1997 bis 1999 als Lehrerin, gab die Tätigkeit aber wegen der schlechten Bezahlung auf. Vor ihrer Ausreise war sie in Kinshasa als Änderungsschneiderin tätig.

 

Die Beschwerdeführerin ist ledig und hat keine leiblichen Kinder. In der Demokratischen Republik Kongo sorgte sie für zwei Kinder aus ihrem Verwandtenkreis.

 

Die Beschwerdeführerin gab an, am 11.08.2012 in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein, dies kann aber nicht festgestellt werden.

 

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist erwerbsfähig.

 

Die Familie der Beschwerdeführerin lebt in der Demokratischen Republik Kongo; es handelt sich dabei um ihren Vater, zwei Schwestern und vier Brüder der Beschwerdeführerin. Sie steht mit einem ihrer Brüder in Kontakt.

 

Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten der Beschwerdeführerin in Österreich. Die Beschwerdeführerin ist um eine Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht bemüht. Die Beschwerdeführerin legte bereits die B1-Prüfung ab und engagiert sich ehrenamtlich. Sie verkauft eine Straßenzeitung und würde gerne in der Sozialarbeit tätig werden; eine konkrete Einstellungszusage liegt nicht vor. Insgesamt hat sich die Beschwerdeführerin gut in Österreich integriert, doch kann insbesondere aufgrund des fehlenden Familienlebens und der fehlenden Integration am Arbeitsmarkt nicht von einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden.

 

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten und lebt von der Grundversorgung.

 

Entgegen ihrem Fluchtvorbringen ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo wegen ihres Einsatzes für eine NGO und damit wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie als Pressesprecherin für eine Organisation namens "Pacte Social" tätig war und infolgedessen ihre Wohnung von Angehörigen des Sicherheitsapparates durchsucht und ihre Adoptivkinder entführt worden wären.

 

Es besteht keine reale Gefahr, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

 

1.2. Zur Situation in der Demokratischen Republik Kongo:

 

Die folgenden Feststellungen wurden dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Demokratischen Republik Kongo vom 08.05.2017 entnommen:

 

Politische Lage

 

Die Demokratische Republik (DR) Kongo befindet sich weiterhin in einer Übergangsphase. Die gewaltsamen nationalen und internationalen Auseinandersetzungen im Land endeten zwar offiziell 2002, jedoch können die Konflikte des Landes auch heute noch immer nicht als überwunden gelten (AA 6.9.2015). Das Parlament der DR Kongo besteht aus zwei Kammern: Nationalversammlung und Senat. Der Staatspräsident wird direkt gewählt und hat weitreichende Machtbefugnisse. In den nach Manipulationsvorwürfen umstrittenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom 28.11.2011 errang das Parteienbündnis "Präsidentielle Mehrheit" im Parlament eine Mehrheit (340 von 500 Sitzen). Dazu gehören als größte Parteien die von Staatspräsident Kabila gegründete PPRD "Parti du Peuple pour la Reconstruction et la Démocratie" (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie) mit 62 Sitzen, deren neugegründete Schwesterpartei PPPD (28 Sitze), der MSR (27 Sitze) sowie die PALU (19 Sitze) (AA 8 .2016). Premierminister ist seit April 2017 Bruno Tshibala (Radio Okapi 10.4.2017, vgl. Rfi 7.4.2017).

 

Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt. Am 31.07.2006 fanden Präsidentschaftswahlen und Wahlen zu Kongos Provinzparlamenten statt. Knapp 26 Millionen Wahlberechtigte hatten zum ersten Mal seit über 40 Jahren die Chance, in freien Wahlen an ihrer politischen Zukunft mitzuwirken. Die letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden am 28.11.2011 statt. Laut der vom Obersten Gericht verkündeten Endergebnisse gewann der Amtsinhaber Joseph Kabila die Präsidentschaftswahlen mit rund 49 Prozent. Unabhängige Beobachter, einschließlich Vertreter der Europäischen Union, der katholischen Kirche und der Zivilgesellschaft sprachen von massiven Wahlfälschungen. Bis zu drei Millionen Stimmen sollen gefälscht worden sein (LIPortal 7.2016).

 

Kabilas letzte Amtszeit lief endgültig im Dezember 2016 aus; seither versucht der Sohn des vorherigen Präsidenten Laurent Kabila, sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten. Erst Ende 2016 unterzeichneten Regierung und Oppositionsparteien am Silvesterabend unter Vermittlung der katholischen Bischöfe einen Kompromiss.

Zentrale Bestandteile: Neuwahlen binnen eines Jahres und Kabilas Zugeständnis, nicht mehr anzutreten und auch keine Verfassungsänderung anzustreben, die ihm dies ermöglichen könnte (derStandard 20.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Infolge des offiziellen Endes der zweiten Amtszeit des Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo am 19.12.2016 ist es in Kinshasa und anderen kongolesischen Städten zu - teilweise gewalttätigen - Protesten gekommen. Regierung und Opposition haben inzwischen zwar eine Vereinbarung über den politischen Übergang (Anm.: anstehende Präsidentenwahl) getroffen; deren Umsetzung ist bislang jedoch nicht vorangekommen. Am 28.3.2017 kam es in diesem Zusammenhang in der Hauptstadt Kinshasa zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Weitere Proteste, die jederzeit einen gewaltsamen Verlauf nehmen können, sind angekündigt. Dabei sind weitgehende Störungen des öffentlichen Lebens nicht auszuschließen (AA 26.4.2017).

 

Der Nordosten der Demokratischen Republik Kongo ist seit dem Genozid in Ruanda (1994) von Wellen der Gewalt gekennzeichnet. Hintergrund ist die "Gier" der unterschiedlichsten Waffenträger nach Rohstoffen wie Coltan, Gold und Diamanten. Zeitweise bewegten sich 14 verschiedene bewaffnete Gruppen und Rebellenorganisationen im Gelände. Ungelöst ist das Problem des Verbleibs der FDLR (Demokratische Front zur Befreiung Ruandas), jener Rest-Hutu-Armee, die seit dem Ende des Genozids 1994 ihr gewalttätiges Unwesen in der ganzen Region - einschließlich Ruanda - treibt. Am 08.1.2013 beschließt die Afrikanische Union 4.000 Soldaten in die Region zu entsenden. MONUSCO erhält von den Vereinten Nationen mit der Resolution 2098 erstmalig den Auftrag, die Befriedung der Region mit Gewalt zu erzwingen. Unter ugandischer Federführung kommt es am 13.12.2013 zur Unterzeichnung eines Friedensvertrags zwischen der kongolesischen Regierung und Repräsentanten der Rebellengruppe M-23. Die Kampfkraft der verschiedenen Rebellengruppen - allen voran die der FDLR nahestehenden - bleibt ungebrochen. Die im Oktober und November 2015 begonnenen aktiven Angriffe und Kämpfe der MONUSCO haben bisher nichts an der Situation verändert. Seit Januar 2017 operiert erneut die "wiederauferstandene" M-23 in den Bergen im Osten des Landes. Bereits im Januar kam es zu ersten militärischen Auseinandersetzungen mit regulären kongolesischen Truppen (LIPortal 7.2016).

 

Die Provinz Kasaï ist ein neuer Konfliktherd im Kongo. Seit der brutalen Ermordung des regionalen Milizenführers Kamwina Nsapu durch Soldaten im Sommer 2016 liefern sich die dort ansässigen Rebellen einen Kleinkrieg mit der Armee. Laut UNO, die 19.000 Blauhelme im Land stationiert hat, zwang der Konflikt seit letztem August 216.000 Menschen zur Flucht. 600 Personen seien insgesamt ums Leben gekommen. Der Osten des Riesenreichs wird schon seit Jahrzehnten von zahlreichen Milizen heimgesucht. Sie kämpfen um Einflussgebiete und die Kontrolle über reiche Mineralienvorkommen, etwa Gold, Diamanten und Coltan. Rebellengruppen aber auch Regierungssoldaten werden immer wieder für Massentötungen an der Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht. Sie mischen regelmäßig in den mafiösen Verteilungskämpfen mit oder gehen äußerst brutal gegen Oppositionelle oder Rebellen vor (derStandard 20.2.2017).

 

In den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Orientale, Ituri und Maniema finden häufig kriegerische Handlungen zwischen den zahlreichen Rebellengruppen und der Armee sowie der Mission der Vereinten Nationen (MONUSCO) statt (BMEIA 26.4.2017). Lokale und von außen beeinflusste Konflikte setzen sich insbesondere in den Ostprovinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Tanganyika, Ituri, Haut-Uele und Bas-Uele fort. Ausländische Rebellen- und Milizgruppen (RMGs) wie u.a. die demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR), die vereinten Kräfte zur Befreiung Ugandas (ADF/NALU), die nationalen Befreiungskräfte (FNL), die Lord's Resistance Army (LRA), aber auch indigene RMGs, wie die lokalen Mai-Mai-Gruppen (z.B. die Mazembe, Charles Shetani, Yakutumba und andere), bekämpften Regierungstruppen, sich gegenseitig und attackierten die Zivilbevölkerung. Dabei kam es immer wieder zu massiven Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten, die nur gelegentlich zur Anklage kamen. Zur Neutralisierung dieser bewaffneten Gruppen installierte die UNO die Mission MONUSCO mit ca. 17.500 Soldaten und einer Interventionsbrigade (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Während gesetzlich eine unabhängige Justiz vorgesehen ist, war die Justiz in der Praxis Korruption und politischer Einflussnahme unterworfen. Beamte und andere einflussreiche Personen zwangen Richter oft zur Nötigung um genehme Urteilssprüche zu erhalten. Richtermangel führte zu langwierigen Gerichtsverfahren, insbesondere in den Provinzen. Behörden missachteten regelmäßig Gerichtsurteile. Disziplinarkommissionen beschäftigten sich mit zahlreichen Fällen von Korruption und Amtsmissbrauch, die in Entlassungen und Suspendierungen von Richtern mündeten (USDOS 3.3.2017, vgl. AA 6.9.2015).

 

Gemäß der Verfassung ist die Demokratische Republik Kongo ein Rechtsstaat. Das Rechtssystem wurde in enger Anlehnung an das belgische Recht festgelegt. In der Praxis funktioniert das Rechtswesen nur sehr unzureichend. Es gibt eine sehr eingeschränkte Rechtssicherheit. Die Ursachen sind vielfältig: ausufernde Korruption, Postenschieberei und schlechte Bezahlung auf allen Ebenen sowie mangelnde Ausbildung, Bezahlung und Disziplin der Polizei. Besonders in den ländlichen Gebieten kommt das traditionelle Recht zum Tragen, hier werden örtliche Streitigkeiten von den traditionellen Entscheidungsträgern entschieden (LIPortal 7.2016).

 

Die Militärjustiz ist für alle Vergehen von und gegen Soldaten und Polizisten zuständig. Sie ist überlastet, aber nach Einschätzung des Menschenrechtsbüros von MONUSCO und des Menschenrechtskommissars sehr bemüht, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, die Straflosigkeit bei Angehörigen der Sicherheitsdienste wirksam zu bekämpfen (AA 6.9.2015).

 

Straffreiheit blieb ein Problem, insbesondere im Falle von höherrangigen Personen und Mitgliedern bewaffneter Gruppen, resultierend aus mangelnder finanzieller Ausstattung der Richter und justizieller Unabhängigkeit (AI 22.2.2017, vgl. HRW 12.1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die kongolesische Nationalpolizei (Police National Congolaise - PNC) untersteht dem Innenministerium. Zur PNC gehören die "Schnelle Eingreiftruppe" und die "integrierte Polizeieinheit". Die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) unterstehen dem Verteidigungsministerium und spielen auch eine Rolle im Bereich der inneren Sicherheit. Angehörige der PNC und FARDC sind regelmäßig für die Einhebung illegaler Bestechungsgelder und Erpressung von Zivilisten an Checkpoints verantwortlich. Die FARDC ist überdies durch schlechte Führung und Organisation, mangelnde Ausbildung und Loyalität, besonders im östlichen Landesteil gekennzeichnet. Obwohl es zu Verurteilungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte kam, blieb die Straffreiheit ein Problem. In diesem Zusammenhang betrieben die Behörden zusammen mit der UN-Schutztruppe MONUSCO gemeinsame Menschenrechtskomitees und nutzten diesbezügliche internationale Einrichtungen, um Vergehen von Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte bzw. disziplinäre Probleme zu untersuchen und zu bestrafen (USDOS 3.3.2017).

 

Bei Protesten gegen die Regierung kam es immer wieder zur Anwendung von übertriebener Gewalt mit Todesfolge durch die Sicherheitskräfte. Insbesondere im nach wie vor konfliktträchtigen Osten des Landes kommt es zu regelmäßigen und zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch das Militär aber auch durch Aufständische, wobei es nur in Einzelfällen zu Verurteilungen kam (AI 22.2.2017).

 

Laut einem Bericht von GlobalSecurity existiert eine richtige kongolesische Armee, gemessen an modernen Kriterien, gar nicht. Vielmehr gäbe der Staat nur vor eine zu haben. Die FARDC wurde 2003 aus verschiedenen bewaffneten Gruppen unterschiedlicher politischer Gruppierungen geformt, die seit dem kaum als einheitlicher Armeekörper in Erscheinung tritt und durch mangelnde Loyalität, Disziplin und eine kaum vorhandene Befehlskette gekennzeichnet ist. Daneben leidet die Armee unter schlechter Ausbildung und schlechtem Kriegsmaterial, Korruption, schwachen Kommandostrukturen, Versorgungsproblemen und unregelmäßiger Bezahlung, was dazu führt, dass Mitglieder der Armee oft in Plünderungen und Überfällen auf Zivilisten, einhergehend mit massiven Menschenrechtsverletzungen und selbst am ständigen Hin- und Her-Wechsel zwischen den Fronten beteiligt sind. Ein Reformplan zur Umwandlung der Truppe in eine moderne Armee, wurde 2009 dem Parlament präsentiert. Lt. MONUSCO hat die kongolesische Armee bedeutende Schritte zur Hebung der Armeedisziplin durch Verfolgung von durch Soldaten begangener Menschenrechtsverletzungen unternommen. Trotzdem bleibt Straffreiheit in der Armee weiterhin ein großes Problem (GlobalSecurity o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Das Gesetz kriminalisiert zwar die Anwendung von Folter, dennoch gibt es Berichte von Menschenrechtsorganisationen, dass die Sicherheitskräfte weiterhin Zivilisten, vor allem Häftlinge, foltern und grausame und entwürdigende Bestrafungen anwenden. Andererseits gibt es auch einige Berichte, dass Regierungsbehörden gegen die für solche Taten verantwortliche Personen vorgehen und Gerichte Verurteilungen aussprechen (USDOS 3.3.2017, vgl. AA 6.9.2015).

 

Folter und andere Misshandlungen sind im ganzen Land weit verbreitet und werden von den Sicherheitskräften häufig während rechtswidriger Festnahmen und Inhaftierungen angewendet. Sowohl die Polizei als auch Angehörige der Geheimdienste werden beschuldigt, für Folter und andere Misshandlungen verantwortlich zu sein (AI 22.2.2017, vgl. FCO 21.7.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Korruption

 

Gesetzlich sind Strafen für Korruption durch Beamte zwar vorgesehen, jedoch setzte die Regierung diese Vorgaben nicht effektiv um und war oft mit Straflosigkeit verbunden. Auch auf dem Gebiet der Wirtschaft ist diese stark verbreitet. So kommt es z.B. im industriellen Bergbau durch Korruption auf allen Ebenen zu beträchtlichen staatlichen Einnahmeverlusten, insbesondere im ressourcenreichen Osten des Landes. Die Einrichtung des Korruptions- und Ethik-Watchdogs OSCEP soll die Korruption im zivilen Bereich mittels Datenbanken und Sensibilisierungsmaßnahmen in den Regierungsstellen besser überwachen und bekämpfen helfen, wobei auch eine Zusammenarbeit der OSCEP mit den Antibetrugseinheiten in verschiedenen Ministerien besteht. Weitere Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Korruption bestehen in Entlassungen von korrupten Beamten bzw. werden Beamte in den staatlichen Einrichtungen mittlerweile mittels direkt durchgeführter Überweisungen bezahlt. Die endemische Korruption im Land ist ein wesentlicher Hemmfaktor bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes (USDOS 3.3.2017, vgl. AI 25.2.2015).

 

Im aktuellen Ranking von Transparency International rangiert die DR Kongo an 156. Stelle bei insgesamt 176 gereihten Ländern (TI 25.1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen sind aktiv und können grundsätzlich frei agieren. Menschenrechtsorganisationen erfahren auch in der Presse Rückhalt. Allerdings sind ihre Mitglieder bei konkreten Recherchen, die Regierungsmitglieder oder Vertreter von Machteliten betreffen, Bedrohungen und Einschüchterungen (z.B. durch vorläufige Verhaftungen) ausgesetzt (AA 6.9.2015). Es gibt eine Vielzahl von Vereinigungen und NGOs im Großraum Kinshasa und anderen Großstädten. Sie arbeiten in den Bereichen Unterstützung vergewaltigter Frauen, Waisen, Straßenkinder und alleinerziehender Mütter (IOM 10.2014). Die Regierung kooperierte gelegentlich mit internationalen NGOs und der UNO. Es gibt zwar ein interministerielles Menschenrechtskomitee, seine Effektivität ist aber begrenzt (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

Frauen

 

Es gibt verschiedene gesetzliche Regelungen, welche Frauen diskriminieren (SFH 19.3.2014; vgl. FH 26.1.2016). Beispielsweise haben Frauen kein Recht, Land zu erben. Die Legalität von Polygamie und die unverhältnismäßigen Strafen für Frauen, die Ehebruch begehen, schwächen die Position der Frau in der kongolesischen Gesellschaft zusätzlich (SFH 19.3.2014).

 

Vergewaltigung, inklusive Vergewaltigung in der Ehe, ist illegal. Es wird nur selten Anzeige erstattet (FH 27.1.2016). Das kongolesische Strafgesetz sieht für Vergewaltigung eine Haftstrafe von fünf bis zehn Jahren vor, jedoch bleiben die Täter oftmals unbestraft, da die Gesetze nicht effizient umgesetzt werden. Gemäß Angaben von Frauenorganisationen im Kongo wurden weniger als 25% aller gemeldeten Vergewaltigungen strafrechtlich verfolgt. Häusliche Gewalt gegen Frauen, darunter Vergewaltigung und Schläge, ist weit verbreitet. Es gibt im Gesetz keine spezifischen Vorkehrungen gegen eheliche Gewalt. Fälle häuslicher Gewalt werden traditionellerweise in der Großfamilie oder in der Dorfgemeinschaft abgehandelt, nur die extremen Vorfälle werden der Polizei gemeldet (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

In der Republik Kongo ist die Wahrung grundlegender Menschenrechtsnormen und Prozessstandards nicht garantiert. Willkür ist im Justiz- und Polizeiwesen und bei den Streitkräften verbreitet. Die Menschenrechtslage in den Konfliktregionen im Osten des Landes ist äußerst problematisch: Zivilisten werden häufig Opfer von Gewalt, auch sexualisierter Gewalt, verübt durch Regierungstruppen sowie Rebellengruppen. Viele Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender Nahrung, Bildung, und Gesundheitsversorgung. Auch grundlegende Arbeitsnormen (darunter das Verbot von Kinderarbeit, Höchstarbeitszeiten, Gesundheitsnormen etc.) werden kaum beachtet. Rechtlich besteht Gleichheit der Geschlechter; in der Realität werden Frauen benachteiligt. Medien- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt (AA 8 .2016, vgl. USDOS 3.3.2017). Die Lage politischer Parteien, NGOs und Journalisten, die der Opposition zugerechnet werden, sind zwar keiner systematischen staatlichen Verfolgung ausgesetzt, können aber jederzeit willkürlich durch die Polizei oder Armee verfolgt bzw. deren Versammlungen aufgelöst werden. Versammlungen und Demonstrationen sind grundsätzlich erlaubt, diesbezügliche Verbote können aber bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit verhängt werden (AA 6.9.2015, vgl. HRW 12.1.2017, LIPortal 7.2016).

 

Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo sind seit Anfang November 2006 erstmals Gegenstand eines internationalen Strafprozesses. Dem ehemaligen kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga wird vor dem Internationalen Strafgerichtshof IStGH in Den Haag vorgeworfen, in den Jahren 2002 und 2003 Kindersoldaten in einen grausamen Bürgerkrieg geschickt zu haben. Auch Germain Katanga, der wie Lubanga zu jenen Warlords gehört, die zwischen 1999 und 2003 in Ituri, im Nordosten des Kongo, Massaker und Massenvergewaltigungen verübten, wurde im Oktober 2007 aus Kinshasa nach Den Haag überstellt. Im Februar 2008 traf mit Mathieu Ngudjolo Chui der dritte Untersuchungshäftling in Den Haag ein (LIPortal 7.2016).

 

Politische Parteien können sich betätigen. Zu den Parlamentswahlen 2006 waren insgesamt 213 Parteien angetreten. Auch ehemalige Rebellengruppen wie MLC oder RCD-Goma wurden als Parteien anerkannt und registriert. Die Lage ethnischer Minderheiten im Vielvölkerstaat DR Kongo (rund 250 ethnische Gruppen) bleibt zum Teil schwierig, eine systematische und zielgerichtete Verfolgung ist jedoch nicht auszumachen. In den Auseinandersetzungen in Nord- und Süd-Kivu spielen auch ethnische Dimensionen eine zunehmende Rolle, wobei diese zu politischer und militärischer Mobilisierung einzelner Bevölkerungsgruppen eingesetzt werden (AA 6.9.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Haftbedingungen

 

Die Bedingungen in den meisten Gefängnissen waren weiterhin hart und lebensbedrohend und durch Überbelegung, mangelnde Ausstattung der Gebäude und Versorgung der Gefangenen gekennzeichnet. Das Strafvollzugssystem war weiterhin unterfinanziert, unterbesetzt und schlecht unterhalten, was oft zur Flucht genutzt wurde. Untersuchungshäftlinge und verurteilten Straftäter sind in maroden Gebäuden untergebracht, und es herrschten Überbelegung und unhygienische Zustände. Laut UN starben 59 Inhaftierte infolge von Mangelernährung oder, weil sie keine angemessene medizinische Versorgung erhielten (USDOS 3.3.2017, vgl. AA 6.9.2015, AI 22.2.2017).

 

In den meisten Fällen erlaubte die Regierung dem Roten Kreuz, der UN-Mission MONUSCO und NGOs den Zugang zu offiziellen Haftanstalten des Innenministeriums, jedoch nicht zu Gefängnissen, die von der Republikanischen Garde und vom Geheimdienst betrieben wurden. Die Behörden machten Anstrengungen, die Zustände in den Gefängnissen zu verbessern, z.B. durch vorzeitige Entlassungen oder, gemeinsam mit dem IRK, durch neuerliche Überprüfung von Gerichtsurteilen, die Unregelmäßigkeiten aufwiesen, was wiederum zu zahlreichen Entlassungen aus den Gefängnissen führte (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

Todesstrafe

 

Das Strafgesetzbuch sieht in Art. 5 die Todesstrafe vor, u.a. bei Mord, Hochverrat und Spionage. Das Militärstrafgesetzbuch sieht ebenfalls in Art. 26 die Todesstrafe vor. Seit 2004 ist diese jedoch nicht mehr vollstreckt worden. Laut Art. 16 der Verfassung von 2006 ist die Persönlichkeit des Menschen unverletzlich, und der Staat hat die Pflicht, sie zu respektieren und zu schützen (AA 6.9.2015, vgl. WorldCoalition.org 13.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Grundsätzlich ist die Religionsausübung nicht eingeschränkt. Es kommt allerdings immer wieder zu Übergriffen auf Personen, die der Hexerei beschuldigt werden (AA 6.9.2015). Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und verbietet Diskriminierungen aufgrund der religiösen Einstellung. Gelegentliche Vorfälle konnten aufgrund der Vermischung von Politik und Religion nicht als ausschließlich religiös motivierte bezeichnet werden (USDOS 10.8.2016).

 

Die große Mehrheit der Kongolesen ist sehr religiös. Das Leben mit den Ahnen und Gott bestimmt das Leben in all seinen Facetten. In den abgelegen ländlichen Gebieten und in den großen Wäldern sind es die verschiedenen Naturreligionen, die das Leben bestimmen. Mehr als 80% der Bevölkerung bekennen sich zu christlichen Religionen. Mit 50% ist die Katholische Kirche die einflussreichste Konfessionsgemeinschaft; 20% sind evangelisch und 10% gehören der einheimischen christlichen Kirche der Kimbanguisten an. Daneben gibt es eine wachsende muslimische Gemeinde, die im städtischen Umfeld bis zu 10% der Bevölkerung erfasst (LIPortal 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Gesetzlich sind interne Bewegungsfreiheit Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Regierung schränkte diese Rechte manchmal ein. Sicherheitskräfte - und in einem größeren Ausmaß Rebellengruppen - richteten Checkpoints auf Straßen, Häfen, Flughäfen und Märkten ein, und belästigten routinemäßig Zivilisten bzw. fordern Geld. Die Regierung unterwarf Reisende Immigrationsprozeduren bei Inlandsreisen am Flughafen, in Häfen, und beim Verlassen oder Betreten von Städten bzw. verlangten lokale Behörden illegale Steuerzahlungen und Gebühren für Reisen am Fluss Kongo (USDOS 3.3.2017, vgl. FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Die Demokratische Republik Kongo ist ein reiches - armes Land. Reich an Rohstoffen profitiert nur eine sehr kleine Minderheit von den Schätzen des Bodens und der Natur. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Mangel- und Fehlernährung sind an der Tagesordnung, besonders bei den Kindern. Kinderarbeit ist überall im Land verbreitet, in den provisorischen Bergwerken in Katanga als Bergleute, in den Kriegsgebieten des Ostens als Kindersoldaten oder in den Haushalten der Reichen von Kinshasa als Haushaltssklaven. In den Städten fehlt es an Arbeitsplätzen, Nahrungsmitteln, Wasser und der elementarsten sanitären Versorgung. Auf dem Land fehlt es an Straßen zur Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. Zusätzlich behindern die innenpolitischen Konflikte und die allgegenwärtige Korruption eine erfolgreiche Armutsbekämpfung (LIPortal 1.2017, vgl. AI 22.2.2017).

 

Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums. Großfamilien gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Stadtbevölkerung sichert die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hauptsächlich durch Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhandlung, die Lage bleibt aber prekär. Die Regierungen versuchen jedoch der angespannten Versorgungslage mit Nahrungsmitteln in den Städten mit agro-industriellen Projekten gegenzusteuern. Eine Unterversorgung besteht jedoch noch nicht. Eine Ausnahme bilden die Unruheprovinzen im Osten, wo es Vertriebenen durch die ständigen Kampfhandlungen oft nicht möglich ist, sich zumindest mit Subsistenzwirtschaft über Wasser zu halten (AA 6.9.2015).

 

Trotz seiner wertvollen natürlichen Ressourcen (Bodenschätze, Holz, Wasserkraft, fruchtbare Böden) ist die Demokratische Republik Kongo ein armes Land. Es ist geprägt vom Bergbau, von landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft und Kleinhandel. Die Landwirtschaft macht etwa 40% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Demokratische Republik Kongo ist sehr schwach industrialisiert. Die Rohstoffindustrie ist ein wachsender Wirtschaftszweig. Der Bergbausektor (Kupfer, Kobalt, Gold, Diamanten, Coltan, Kasserit, seltene Erden) trägt bedeutend zum Wirtschaftswachstum bei. Trotz starker Wachstumsraten in den letzten Jahren leben weite Teile der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Im "Human Development Index" der Vereinten Nationen belegte die Demokratische Republik Kongo im Jahr 2015 Platz 176 von 188 betrachteten Ländern (AA 8 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Zentralen Krankenhäusern (Hôpital de Reference) sind sekundäre Gesundheitsstrukturen (Zone de Santé, Centre de Santé, Poste de Santé), entsprechend der Bevölkerungszahl und Siedlungsdichte, zugeordnet. Jede Gesundheitszone versorgt ca. 150.000 Menschen. Es gibt grundsätzlich keine Doppelung von Krankenhäusern im Einzugsgebiet der Referenzkrankenhäuser. Das System ist kostengünstig und könnte eine gute medizinische Versorgung der Bevölkerung garantieren. In der Realität zeigen sich vielerorts die Defizite der Umsetzung. In einem großen Teil der DR Kongo sind die Gesundheitseinrichtungen in den 306 Gesundheitszonen sehr unzureichend ausgestattet. Es fehlt an Geldern für Medikamente, Ausrüstung und qualifiziertem medizinischem und administrativem Fachpersonal. Die meisten der 400 Krankenhäuser wurden in der Kolonialzeit gebaut und befinden sich in einem schlechten Zustand. Das Personal ist extrem schlecht bezahlt, man arrangiert sich durch Korruption und private Dienstleistungen, die aber häufig nur für Wohlhabende zugänglich sind. So kommt es, dass der öffentliche Haushalt nur spärliche Mittel für das Gesundheitswesen verwendet. Diese sind vollkommen unzureichend, denn sie machen nur bis zu 2 % des BIP aus. Durch das Zusammenbrechen der Infrastruktur ist die medizinische Versorgung im Landesinneren oft nur noch in kirchlichen Gesundheitseinrichtungen vorhanden. Viele Menschen sterben an behandelbaren Krankheiten wie Magen-Darm-Erkrankungen oder Malaria. In den meisten ländlichen Regionen kann meist nur eine Notfallmedizin betrieben werden (LIPortal 1.2017).

 

Der Großteil der Bevölkerung kann nicht ausreichend versorgt werden. UNHCR bezeichnet die Gesundheitsversorgung im ganzen Land als katastrophal. Nur im formellen Sektor (1,5 Mio. Beschäftigte) gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung, allerdings mit eingeschränktem Leistungsspektrum. Für zahlungskräftige Patienten stehen in den großen Städten hinreichend ausgestattete private Krankenhäuser zur Verfügung. Ebenso gibt es in Kinshasa einen Pharmagroßhandel, der so gut wie alle auf dem europäischen Markt zur Verfügung stehenden Medikamente liefern kann. Viele Krankheiten können zwar behandelt werden, sind aber für die meisten Kongolesen unbezahlbar. Dies gilt ebenso bei diversen operativen Eingriffen (AA 6.9.2015).

 

Die medizinische Versorgung im Land ist mit der in Europa nicht zu vergleichen, sie ist vielfach technisch und apparativ problematisch, die hygienischen Standards sind oft unzureichend, im unzugänglichen Landesinneren ist eine medizinische Versorgung oft gar nicht verfügbar. In der Hauptstadt Kinshasa sind die meisten Medikamente erhältlich, aber sehr teuer - vorübergehende Engpässe können nie ausgeschlossen werden. In Kinshasa und anderen Städten des Landes sind private Arztpraxen und Kliniken verfügbar (AA 8.5.2017).

 

Grundsätzlich gibt es in den großen Städten ein städtisches Krankenhaus, private Kliniken und Behandlungszentren für die Bevölkerung. In ländlichen Regionen stehen solche Einrichtungen nicht immer in der unmittelbaren Umgebung zur Verfügung. Die vorhandene Ausstattung ist häufig bereits mehrere Jahrzehnte alt. Behandlungen in öffentlichen Krankenhäusern stehen den meisten Menschen des Landes aufgrund der allgemeinen Armut nur selten zur Verfügung.

 

Struktur der medizinischen Versorgung:

 

 

 

 

 

Medikamente für die Behandlung einiger Krankheiten (Tuberkulose, Malaria, Hepatitis, Kinderkrankheiten, HIV) stehen in kleinen medizinischen Einrichtungen (Armenapotheken mit ärztlichem Beistand, kleine Behandlungsstationen), Gesundheitszentren, städtischen Krankenhäusern und Fachzentren sowie Spezialkliniken zur Verfügung. Es gibt viele kleine medizinische Einrichtungen (Armenapotheken, medizinische Stationen) in jeder Gemeinde in Kinshasa und in jedem Verwaltungsbezirk in bestimmten Regionen. Große Städte sowie bestimmte Regionen der Verwaltungsbezirke verfügen über je ein städtisches Krankenhaus sowie eine Spezialklinik. Darüber hinaus gibt es in Kinshasa einige öffentliche und private Kliniken (IOM 10.2014).

 

Fast alle Geberorganisationen, die in der DR Kongo aktiv sind, fördern medizinische Einzelprojekte. In der Regel übernehmen sie direkt oder in Zusammenarbeit mit einer kirchlichen Trägerstruktur ganze Gesundheitszonen, einschließlich die Referenzkrankenhäuser. Andere Geber, wie beispielsweise die EU, sichern für mehrere Jahre die Versorgung mit Medikamenten für mehrere Gesundheitszonen. Eine kleine Minderheit profitiert von privaten sozialen Sicherungssystemen (besonders bei der Gesundheitsversorgung und bei Pensionen). Ca. 95% der Bevölkerung lebt ohne staatliche soziale Sicherungssysteme, auch wenn es formal solche Systeme gibt (LIPortal 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Allein aufgrund eines Asylantrags oder wegen irregulären Aufenthalts im Ausland werden Rückkehrer nicht strafrechtlich verfolgt. Eine Behelligung durch staatliche Organe bei der Einreise kann aber nicht ausgeschlossen werden, dies kann auch normale Reisende betreffen (AA 6.9.2015).

 

Sofern vor der Rückkehr keine Absprachen oder Vereinbarungen getroffen wurden, sollten Heimkehrer keine finanzielle Unterstützung oder Pensionsleistungen erwarten (IOM 10.2014).

 

Quellen:

 

 

 

Dokumente

 

Angesichts der weit verbreiteten Korruption der Justiz- und Verwaltungsbehörden kann jedes Dokument mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle gekauft werden. Normale Reisepässe werden nach offiziellen Angaben vom Außenministerium gegen eine Verwaltungsgebühr von USD 150.- ausgestellt. Reisepässe sind jedoch kein zuverlässiger Nachweis der Identität, da sie mit einem bestimmten Inhalt gekauft werden oder bereits die für eine Ausstellung notwendigen Dokumente (Geburtsurkunde etc.) gefälscht sein können (AA 6.9.2015).

 

Quelle:

 

 

Von Seiten der Beschwerdeführerin wurden darüber hinaus eine Anfragebeantwortung des Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (ACCORD) vom 19.02.2015 zur Demokratischen Republik Kongo: Informationen zur Lage von Frauen und zur wirtschaftlichen Lage im Land (a-9070) und der Amnesty International Report 2017/2018 eingebracht. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

 

Frauen werden in der Demokratischen Republik Kongo nach wie vor diskriminiert. Vergewaltigung wird als Waffe zur Kriegsführung eingesetzt, insbesondere in vom Krieg betroffenen Regionen sind Frauen daher systematischer sexueller Gewalt ausgesetzt. Der Staat bietet wenig soziale Unterstützung.

 

Die Menschenrechtslage verschlechterte sich weiter. Die Gewalt in der Region Kasaï hatte Tausende Tote und mindestens eine Million Binnenvertriebene zur Folge und veranlasste mehr als 35.000 Personen, in das benachbarte Angola zu fliehen. Im Osten des Landes gingen bewaffnete Gruppen und die Regierungsstreitkräfte gegen Zivilpersonen vor und beteiligten sich an der rechtswidrigen Ausbeutung von Bodenschätzen, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Polizei, Geheimdienste und Gerichte unterdrückten nach wie vor die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden schikaniert, eingeschüchtert, willkürlich festgenommen, des Landes verwiesen oder getötet.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

 

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

 

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen. Die Beschwerdeführerin legte eine Wählerkarte der Demokratischen Republik Kongo, ausgestellt am 27.05.2011 vor (AS 23), die im Bericht des Vertrauensanwaltes (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.02.2016, AS 387) als authentisch bezeichnet wurde.

 

In Übereinstimmung mit dem von ihr vorgelegten Befundbericht eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.03.2018 gab die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung an, an hohem Blutdruck zu leiden und häufig Kopfschmerzen zu haben. Darüber hinaus wurde im Befundbericht eine Sehschwäche des rechten Auges diagnostiziert und diesbezüglich eine halbjährliche Kontrolle empfohlen. Eine schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt sich daraus nicht und wurde eine solche im Beschwerdeverfahren auch nicht behauptet. Es ist daher von der vollen Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin auszugehen.

 

Die Beschwerdeführerin gab bei der Erstbefragung an, am 11.08.2012 in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein; durch eine entsprechende Recherche der Polizeiinspektion Schwechat konnten ihre Angaben aber nicht bestätigt werden (AS 19).

 

Die Feststellungen zu ihrer Ausbildung, zu ihrer Tätigkeit als Schneiderin sowie zu ihrer Familie und ihrem Wohnort in der Demokratischen Republik Kongo ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung am 15.03.2018 sowie ihren früheren Aussagen gegenüber der Polizei und dem BFA. Sie gab bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012 an, dass sie sich um zwei Kinder kümmern würde und diese als ihre "Adoptivkinder" ansehe, dass es aber keinen formellen Adoptionsakt gegeben habe, sondern es sich um Kinder aus der Verwandtschaft gehandelt habe. Im Rahmen dieses Erkenntnisses wird (in Anlehnung an die von der Beschwerdeführerin verwendete Bezeichnung) von "Adoptivkindern" gesprochen, ohne damit eine besondere Rechtsstellung suggerieren zu wollen.

 

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen auf den Aussagen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.03.2018 und den vorgelegten Unterlagen. Aus den vorgelegten Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet stets bemüht war, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Am 03.03.2017 legte sie die B1-Prüfung ab (ÖSD-Zertifikat). Zudem legte sie eine Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit (im Umfang von 12 Wochenstunden) in einer Behinderteneinrichtung, einen Zeitungsartikel über ein Adventkonzert, an dem sie mitwirkte, und eine Bestätigung über ihre Teilnahme an einem Gemüsegartenprojekt vor. Die eingebrachten Unterstützerschreiben zeigen auf, dass die Beschwerdeführerin in Österreich Freundschaften geschlossen hat.

 

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

 

2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:

 

Die Beschwerdeführerin hatte, auf das Wesentlichste zusammengefasst, vorgebracht, für eine NGO namens "Pacte Social" tätig gewesen und in diesem Zusammenhang von Mitgliedern der Regierungsbehörden bedroht und gesucht worden zu sein. Dieses Vorbringen wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid aufgrund verschiedener Divergenzen in den Aussagen für nicht glaubhaft befunden.

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert. Dem BFA ist zuzustimmen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin diesen Anforderungen nicht entsprach und somit nicht glaubhaft ist, dies aus den folgenden Erwägungen:

 

Die Beschwerdeführerin brachte zwar gleichbleibend vor, dass sie Mitglied einer NGO namens "Pacte Social" gewesen sei, doch bestehen Zweifel an der Existenz dieser NGO. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012 erklärte die Beschwerdeführerin noch, keine Beweismittel für die Existenz der NGO und ihre Mitgliedschaft vorlegen zu können. Sie wurde beauftragt, bis zum 10.12.2012 Beweismittel vorzulegen, da das Bundesasylamt im Zuge einer Internetrecherche keinen Hinweis auf die Existenz einer NGO namens "Pacte Social" gefunden hatte. Am 20.12.2012 legte die Beschwerdeführerin in Kopie eine Mitgliedskarte des "Pacte Social" vor, aus welcher hervorgeht, dass sie Presseattaché der NGO war. Ausstellungsdatum war der 03.03.2010. Zudem wurde ein Schreiben von XXXX vorgelegt, dem Präsidenten der NGO, in welchem er bestätigt, dass die Beschwerdeführerin seit 2001 Mitglied der NGO sei. Im Briefkopf findet sich die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012 angegebene Adresse ("XXXX"). Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Mitgliedsausweis und das in der Folge genannte Schreiben dem BFA am 12.05.2012 im Original zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus wurden eine Bestätigung der Registrierung der NGO bei der Plattform "Societé Civile du Congo - SOCICO" vom 29.10.2003 und eine Bestätigung des Justizministeriums vom 06.10.2003, dass man das Ansuchen auf Feststellung der Rechtsstellung als juristische Person erhalten habe, vorgelegt. In weiterer Folge wurde am 17.01.2013 die Bestätigung des Justizministeriums über die Aufnahme der NGO in das Vereinsregister mit Datum vom 10.08.2001 eingebracht.

 

Daraufhin wurde vom Bundesasylamt im Wege der Österreichischen Botschaft Nairobi ein Vertrauensanwalt beauftragt, die Existenz der NGO "Pacte Social" zu überprüfen. In der auf dem Bericht des Vertrauensanwaltes aufbauenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26.02.2016 wurde festgestellt, dass dem Justizministerium der Demokratischen Republik Kongo keine NGO namens Pacte Social bekannt sei und eine solche nicht existiere. Auch an der von der Beschwerdeführerin angegebenen Adresse sei die Organisation nicht bekannt; man habe dazu auch Nachbarn und Anrainer befragt.

 

Das Ergebnis des Vertrauensanwaltes wurde in einer Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vom 07.04.2016 als "zu vage und unfundiert" kritisiert; es wurden als "Gegenbeweis" nochmals die bereits erwähnten Beweismittel (Mitgliedskarte, etc.) vorgelegt. Diesbezüglich muss allerdings festgehalten werden, dass laut dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 06.09.2015 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo (zitiert im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und somit sowohl im angefochtenen Bescheid wie auch in diesem Erkenntnis unter Punkt 1.2.) angesichts der weit verbreiteten Korruption der Justiz- und Verwaltungsbehörden jedes Dokument mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle gekauft werden kann. Selbst Reisepässe sind kein zuverlässiger Nachweis der Identität, da sie mit einem bestimmten Inhalt gekauft werden oder bereits die für eine Ausstellung notwendigen Dokumente (Geburtsurkunde etc.) gefälscht sein können. Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen, welche in offensichtlichem Widerspruch zum Erhebungsbericht des Vertrauensanwaltes stehen, kann daher nicht automatisch auf die Existenz der Organisation geschlossen werden.

 

Zu den übermittelten Dokumenten wurde in der Beschwerde erklärt, dass die NGO "Pacte Social" jedes Jahr einen neuen Mitgliedsausweis ausgestellt habe und die Beschwerdeführerin diese in einer Box zuhause aufbewahrt habe. Diese sei durchsucht und die Ausweise mitgenommen worden. In ihrem Büro habe der Präsident der NGO zufällig noch einen Mitgliedsausweis aus dem Jahr 2010 gefunden, der dann nach Österreich geschickt worden sei. Dagegen legte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung dar, dass ihr Bruder den Mitgliedsausweis zufällig bei ihr zuhause in einer Schublade gefunden habe und dass alle zwei Jahre der Mitgliedsausweis neu ausgestellt worden sei. Damit widersprach die Beschwerdeführerin ihren früheren Aussagen, was die Zweifel an den vorgelegten Dokumenten weiter verstärkt.

 

Soweit in der Stellungnahme vom 07.04.2016 und in der Beschwerde erklärt wird, dass der Vertrauensanwalt sich an die falsche Adresse begeben habe, resultiert dieses Missverständnis aus dem Umstand, dass bei der deutschen Übersetzung des Berichtes des Vertrauensanwaltes irrtümlich ein Buchstabe zu viel transkribiert wurde. Im Originalbericht des Vertrauensanwaltes war jene Adresse angegeben, welche auch von der Beschwerdeführerin als Hauptsitz der Organisation genannt worden war. Damit wird dem Bericht daher auch mit diesem Argument nicht substantiiert entgegengetreten.

 

In der Beschwerde wurde unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.01.1999, 98/20/0304 darauf verwiesen, dass es einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit Auskünften von Vertrauenspersonen bedarf. Diesbezüglich muss festgehalten werden, dass angesichts der in den Länderberichten dokumentierten Möglichkeit, in der Demokratischen Republik Kongo sehr leicht an verschiedene Dokumente zu gelangen, und des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin widersprüchliche Aussagen tätigte, wie sie zu den Dokumenten kam, diese die Ergebnisse der Recherche des Vertrauensanwaltes nicht entscheidend zu entkräften vermögen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Organisation "Pacte Social" nicht existiert. Doch selbst wenn man unterstellt, dass diese NGO existiert, ändert dies nichts am Ausgang des Verfahrens, denn es erscheint nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich die von ihr geschilderte Funktion bei dieser NGO innehatte.

 

So war die Beschwerdeführerin in keiner der Befragungen in der Lage, plausibel zu schildern, was sie für den "Pacte Social" als Pressesprecherin machte. Sie erklärte, dass sie immer, wenn es eine Vergewaltigung gegeben habe, zu dem Opfer gefahren sei, dann die Information der Organisation übermittelt habe, welche sie der katholischen Kirche weitergegeben habe. Auch in der Beschwerde war die Rede davon, dass sie zu "Beginn ihrer Tätigkeit" in der Informationsfindung gearbeitet habe, "um so Vergewaltigungsdelikte aufzudecken". Sie sei dann erst 2012 öffentlich im Radio aufgetreten. Dies ist nur schwer vereinbar damit, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Ausweis aus dem Jahr 2010 als Pressesprecherin bezeichnet wurde und auch selbst angab, von Beginn an und damit seit 2001 in dieser Funktion gearbeitet zu haben. Abgesehen von diesem einen Radiointerview wird von ihr aber keinerlei öffentlichkeitswirksame Aktivität beschrieben, sondern geht es immer nur um Gespräche, die sie mit Vergewaltigungsopfern führt. Auch wenn bei einer kleinen NGO in der Demokratischen Republik Kongo keine professionelle Pressearbeit im europäischen Sinne zu erwarten sein mag, verwundert es doch, wie die Beschwerdeführerin ihre Funktion als Pressesprecherin schildert und lässt auch dies ihr Vorbringen wenig plausibel erscheinen. Zudem hatte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie bereits bei der Gründung im Jahr 2001 Mitglied der Organisation war. Dennoch war sie nicht in der Lage zu schildern, wie sie konkret in Kontakt mit der Organisation gekommen sei. Sie konnte auch nicht erklären, wie die Organisation, die sich zum Ziel setzte, Frauen und Kinder, welche Opfer von Gewalt und Vergewaltigung wurden, zu dem dafür ungewöhnlichen Namen kam. Auch auf die Frage der erkennenden Richterin, wie die Beschwerdeführerin von neuen Vergewaltigungsopfern erfuhr und wie sie diese konkret unterstützt haben will, antwortete die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nur mit vagen und ausweichenden Antworten.

 

Es verwundert auch, dass die Beschwerdeführerin einerseits das Bild zeichnet, dass sie in der Demokratischen Republik Kongo trotz Furcht vor staatlichen Repressionen ein sehr aktives Mitglied des "Pacte Social" war, in Österreich aber keinen Kontakt mehr zur Organisation hält. Insgesamt ist es daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin als Pressesprecherin für die Organisation "Pacte Social" tätig war.

 

Darüber hinaus ist auch der Kern ihrer Fluchtgeschichte, die angebliche Bedrohung und Verfolgung durch Angehörige des Behördenapparats ihres Herkunftsstaates, nicht glaubhaft. Nach ihren Angaben war diese Verfolgung das Resultat eines Radiointerviews. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie einmal ein Interview im Radio gegeben habe und sich mit Name und Adresse vorgestellt habe und dann der Regierung vorgeworfen habe, zu wenig gegen sexuelle Gewalt an Frauen zu unternehmen. Im Widerspruch dazu sprach sie in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung am 15.03.2018 davon, dass sie zweimal im Radio gesprochen habe und erst beim zweiten Mal Probleme bekommen habe. Bereits das BFA hatte zudem im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass es wenig nachvollziehbar erscheint, dass die Beschwerdeführerin ihre privaten Daten (Adresse, Telefonnummer) im Radio bekanntgibt, wenn ihre Organisation doch ein Büro hatte. In der mündlichen Verhandlung versuchte die Beschwerdeführerin dies damit zu erklären, dass man in der Demokratischen Republik Kongo hauptsächlich mit Mobiltelefonen arbeite; dennoch erscheint es wenig plausibel, dass die Beschwerdeführerin ihre eigene Wohnadresse im Radio verkündete.

 

Zu den konkreten Bedrohungen hatte sie in der Erstbefragung am 12.08.2012 erklärt, dass sie "mindestens einmal in der Woche telefonisch und auch persönlich bedroht worden sei". Die erste Bedrohung sei Anfang Juli 2012 erfolgt, zuletzt seien zwei Männer am 06.08.2012 zu ihr gekommen. Sie selbst sei nicht zuhause gewesen, allerdings ihre zwei Adoptivkinder. Man habe ihr ein Schreiben hinterlassen, dem zu entnehmen gewesen sei, dass ihre Kinder bestraft werden würden, wenn sie nicht das Land verlasse und aufhöre, für den "Pacte Social" zu arbeiten. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012 wich die Beschwerdeführerin bereits von der Darstellung in der Erstbefragung ab, indem sie nun erklärte, dass eine schriftliche Drohung bereits bei ihr zuhause hinterlassen worden sei, als sie nach dem Interview nach Haus gekommen sei. An einem anderen Tag, etwa eine Woche nach dem Interview, als sie gerade mit ihrem Vermieter in dessen Wohnung über die Personen gesprochen habe, seien diese wieder gekommen und würden ihre Kinder mitgenommen haben. Von diesem Vorfall hatte sie in der Erstbefragung gar nicht berichtet, was überrascht, da dieser angeblich zu ihrer Flucht geführt hatte.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012 gab die Beschwerdeführerin außerdem zu Protokoll, dass sie sicher sei, dass es sich um "Leute von der Regierung" gehandelt habe, da diese die Nachricht unterschrieben hätten. Dagegen meinte sie in der mündlichen Verhandlung, dass man solche Nachrichten hinterlasse, ohne sie zu unterzeichnen.

 

Auch das weitere Geschehen, wie es in der mündlichen Verhandlung geschildert wurde, erscheint unlogisch, wie der folgende Ausschnitt aus dem Protokoll vom 15.03.2018 zeigt:

 

"RI: Wie kam es zu Ihrer Flucht?

 

BF: Der Vermieter hat diese Personen zwei Mal gesehen. Als sie beim dritten Mal kamen, war es schon nach 21:00 Uhr und ich war bereits im Haus. Ich befand mich jedoch nicht in meiner Wohnung, sondern in der Wohnung meines Vermieters. Der Vermieter hatte mich zuvor bereits angerufen und mir gesagt, dass er mit mir sprechen wollte. Er erzählte mir, dass Leute nach mir gesucht hatten und fragte mich, ob ich ein Problem haben würde. Als ich mich gerade mit meinem Vermieter unterhielt, kamen diese Leute und durchsuchten alles. Sie durchsuchten die Zimmer und meine Kinder schrien. Als ich meine Kinder schreien hörte, wollte ich zu ihnen, mein Vermieter hielt mich jedoch zurück. Er wies mich darauf hin, dass die Leute es auf mich abgesehen hätten und nicht auf meine Kinder. Sie nahmen sie aber mit, damit ich mich bei ihnen melden würde.

 

RI: Wie sollten Sie sich bei ihnen melden?

 

BF: Ich habe ihnen ja gesagt, dass es die Polizei war. Ich hatte ja keine Probleme mit anderen Personen, sondern nur den Präsidenten kritisiert.

 

RI: Wie konnten Sie alles von der Wohnung Ihres Vermieters aus beobachten?

 

BF: Die Wohnung meines Vermieters befand sich gleich neben meiner.

 

RI: Und Sie haben die Türe geöffnet?

 

BF: Die Tür meines Vermieters war zu, jedoch nicht versperrt. Man hört dort jedoch alles, was nebenan passiert.

 

RI: Woher wissen Sie, dass diese Leute Sie wegen Ihrer Tätigkeit für "Pacte Social" gesucht haben?

 

BF: Aufgrund der Nachricht, die sie mir zuvor hinterlassen hatten.

 

RI: Wie können Sie wissen, dass es sich um Personen von der Regierung gehandelt hat?

 

BF: Ich hatte ja Probleme mit der Regierung.

 

RI: Vielleicht waren das ganz andere Leute?

 

BF: Nein, ich weiß es. Bei uns ist das so. Wenn sie einen gewöhnlichen Auftrag zu erfüllen gehabt hätten, hätten sie ja in ihrer Uniform kommen können, sie kamen jedoch außerhalb ihrer Dienstzeiten, weil sie schlechte Absichten hatten."

 

Aus diesem Ausschnitt wird deutlich, dass die Beschwerdeführerin nicht erklären konnte, woher sie genau gewusst haben will, wer ihre Wohnung durchsuchte und ihre zwei Adoptivkinder mit sich nahm. Wenn die Behörden sie tatsächlich durch die Entführung ihrer Kinder zu einem bestimmten Verhalten nötigen wollen würden, ist es unverständlich, dass sie sich bzw. ihre Forderung nicht klarer zu erkennen gaben.

 

In der mündlichen Verhandlung am 15.03.2018 war die Beschwerdeführerin auch nicht in der Lage, plausibel darzulegen, warum die Behörden der Demokratischen Republik Kongo ein derart hohes Interesse an der Beschwerdeführerin haben sollten. Ihre Aussage, sie sei für Präsident Kabila lästig gewesen, lässt sich schwer damit vereinbaren, dass sie ihren eigenen Angaben nach zweimal im Radio aufgetreten war und ansonsten nur Gespräche mit Vergewaltigungsopfern geführt hatte.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012 erklärte die Beschwerdeführerin zu ihren Adoptivkindern:

"Wo sie heute leben, weiß ich nicht, als ich wegging, waren sie bei mir zuhause. Ich musste schnell weglaufen, als die Leute gekommen sind." Sie habe im September 2012 mit ihrem Bruder gesprochen, da seien die Kinder noch nicht zuhause gewesen. In der mündlichen Verhandlung meinte sie dazu, dass sie zwar nicht wisse, wer, aber irgendwer habe einen Anwalt eingeschaltet, der für die Freilassung der Kinder gesorgt habe. Sie würden jetzt bei der Familie leben. Allerdings ist die zitierte Aussage, dass ihre Kinder zuhause gewesen seien, als sie geflüchtet sei, nicht in Einklang zu bringen mit ihrer Behauptung, dass sie geflohen sei, nachdem die Behörden ihre Kinder entführt hätten. Auch dieser Widerspruch trägt nicht dazu bei, das Vorbringen glaubhaft erscheinen zu lassen.

 

Von der erkennenden Richterin wird nicht verkannt, dass in der Demokratischen Republik Kongo Gewalt gegen Frauen eine große Herausforderung darstellt und dass speziell in den von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägten Regionen im Osten des Landes Vergewaltigung als Waffe eingesetzt wird. Dies ändert aber nichts daran, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Verfolgung durch die Behörden des Landes aufgrund der dargelegten Widersprüche und Unstimmigkeiten des Vorbringens nicht glaubhaft ist. Eine individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin ist für den Fall einer Rückkehr daher nicht zu erwarten.

 

Zu prüfen ist aber auch, ob die Beschwerdeführerin einer allgemeinen Gefährdung im Sinne einer unmenschlichen Behandlung ausgeliefert wäre. In der Demokratischen Republik Kongo herrscht aktuell eine instabile Situation, da Präsident Kabila nicht wie von der Verfassung vorgesehen zurückgetreten ist; allerdings wurden Wahlen für das Ende des Jahres vereinbart. Aktuell ist die Situation unsicher, insbesondere im Rahmen von Demonstrationen. Die Gefährdungssituation ist aber nicht derart, dass praktisch für jeden Rückkehrenden automatisch von einer realen Lebensgefahr auszugehen ist. Trotz der immer wieder auftretenden Unruhen kann nicht von einer Bürgerkriegssituation gesprochen werden. Auch die Beschwerdeführerin selbst gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, dass sie - wenn man von der behaupteten Verfolgung wegen ihrer Arbeit für den "Pacte Social" absieht - wieder in der Demokratischen Republik Kongo leben könnte.

 

Es wird auch nicht verkannt, dass in der Demokratischen Republik Kongo 2017 ein Ausbruch von Ebola gemeldet wurde. Laut WHO (vgl. http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs103/en/ ) waren 2017 insgesamt 4 Patienten an Ebola verstorben. Der Ausbruch fand in der Provinz Bas Uele statt. Diese Gegend ist laut WHO isoliert und schwer zu erreichen (Pressemeldung der WHO vom 15.05.2017, abrufbar unter

http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/255419/1/EbolaDRC-1552017-eng.pdf?ua=1&ua=1 ;

Zugriff am 16.05.2017), sie befindet sich auch am anderen Ende des Landes als Kinshasa, die Heimat der Beschwerdeführerin. Aufgrund der Beschränkung des Virus auf diese Region kann keine Gefahr für die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Kinshasa erkannt werden.

 

Die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin in eine ausweglose Situation im Sinne einer Existenzbedrohung geraten würde, erscheint ebenfalls nicht wahrscheinlich. Die Beschwerdeführerin hat einen universitären Abschluss und gab (etwa bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27.11.2012) an, dass sie wirtschaftlich in einem "gutbürgerlichen Zustand" gelebt habe und gut für sich und ihre zwei Adoptivkinder habe sorgen können. Auch ihre Familie habe gute Positionen, ihre Geschwister würden studiert haben und etwa als Diamantenhändler, Vizedirektor eines Telekomunternehmens, etc. arbeiten (AS 77).

 

2.4. Zu den Länderfeststellungen

 

Die Feststellungen zur aktuellen Lage in der Demokratische Republik Kongo wurden auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation; Stand 08.05.2017 und der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berichte getroffen. Die Feststellungen wurden in der mündlichen Verhandlung erörtert und ihnen wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht widersprochen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, durch die Behörden der Demokratischen Republik Kongo wegen regimekritischer Aussagen, die sie als Pressesprecherin der Organisation "Pacte Social" im Radio getätigt habe, verfolgt zu werden, ist dies nicht glaubhaft. Eine sonstige Verfolgung wurde nicht vorgebracht. Die Beschwerdeführerin konnte somit nicht glaubhaft machen, dass ihr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht.

 

Daher ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Demokratische Republik Kongo keine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

 

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids):

 

Gemäß § 8 Abs 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

In einer Provinz in der Demokratischen Republik Kongo kam es 2017 zum Ausbruch von Ebola. Daraus entsteht aber keine Gefährdung für die aus Kinshasa stammende Beschwerdeführerin. Die instabile Lage kann nicht als eine allgemein existenzbedrohende Notlage gewertet werden, weshalb auch aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Derartige Beweise wurden nicht vorgelegt. Die Beschwerdeführerin hatte selbst in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie - abgesehen von der nicht glaubhaften Verfolgung wegen ihrer Arbeit für den "Pacte Social" - sonst keine Probleme in der Demokratischen Republik Kongo habe. Sie verfügt über einen Universitätsabschluss und war selbständig als Schneiderin tätig. Zudem verfügt sie über einen breiten und gut situierten Familienverband, von dem sie im Falle einer Rückkehr Unterstützung erwarten könnte.

 

Es besteht daher durch die Rückkehr der Beschwerdeführerin in die Demokratische Republik Kongo keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. bringt diese für sie als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich. Der Ausspruch in Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides war daher zu bestätigen.

 

3.3. Zur Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids):

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen, daher ist gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war der Beschwerdeführerin daher nicht zuzuerkennen.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Im gegenständlichen Fall verfügt die Beschwerdeführerin über kein Familienleben in Österreich, und sie hat ein solches auch nicht behauptet. Eine Rückkehrentscheidung würde allerdings einen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin bedeuten und ist daher zu bewerten, ob dieser notwendig und verhältnismäßig ist. Es wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin ausgezeichnet Deutsch spricht und die B1-Prüfung abgelegt hat. Sie hat sich ehrenamtlich engagiert und verkauft eine Straßenzeitung. Sie hat einige Freundschaften geschlossen und wird ihr soziales und freundliches Wesen in den vorgelegten Unterstützerschreiben gelobt. Die lange Dauer des Verfahrens von mehr als fünfeinhalb Jahren ist nicht von der Beschwerdeführerin zu verantworten, kam sie ihrer Mitwirkungspflicht doch nach - wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich um einen letztlich unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz handelte und die Aussagen der Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund nicht glaubhaft waren. Bindungen an die Demokratische Republik Kongo bestehen noch und besondere Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz sind nicht zu erwarten, verfügt die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat doch über Geschwister, welche relativ gut situiert sind.

 

Bei einer ähnlichen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet stellte der Verwaltungsgerichtshof in zwei Entscheidungen (VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0122 bis 0125-7; VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0076-10) fest, dass eine Aufenthaltsbeendigung nach einem Aufenthalt von sechs Jahren im Bundesgebiet trotz vorhandener Integrationsschritte (Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit) im öffentlichen Interesse liegen kann und dass Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland die Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu stärken vermögen, sondern dass diese - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen sind. Angesichts dieser höchstgerichtlichen Judikatur muss aufgrund des fehlenden Familienlebens und der fehlenden Integration der Beschwerdeführerin am Arbeitsmarkt (und damit einhergehend der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit) verbunden mit ihren vorhandenen Bindungen im Herkunftsstaat davon ausgegangen werden, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, sodass der damit verbundene Eingriff in ihr Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

 

Allerdings entschied die belangte Behörde im ersten Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides in merito über die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005. Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. März 2016, Ra 2015/21/0174, mwN, klargestellt, dass das Gesetz keine Grundlage dafür biete, in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen werde, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

 

Mit angefochtenem Bescheid wurde zugleich festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Demokratische Republik Kongo zulässig ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).

 

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Dass besondere Umstände, die die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

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