BVwG W198 2147924-1

BVwGW198 2147924-130.1.2018

ASVG §410
AVG §71
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2147924.1.00

 

Spruch:

W198 2147924-1/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Michael GÖBEL, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 01.02.2017, Zeichen:

XXXX , zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: NÖGKK) hat mit Bescheid vom 01.02.2017 den Antrag von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) vom 05.11.2016 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die versäumte Frist zum Nachweis einer Abgrenzung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 2 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG) für das Kalenderjahr 2012 abgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass es sich bei der in § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG normierten Frist zum Nachweis einer Abgrenzung um eine materiell-rechtliche Präklusionsfrist handle und daher bereits aus diesem Grunde eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sei. Für den ausdrücklich bestrittenen Fall, dass es sich um eine verfahrensrechtliche Frist handle, werde ausgeführt, dass ein unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis weder behauptet noch glaubhaft gemacht worden sei, sondern habe die Beschwerdeführerin einzig vorgebracht, dass ihr die in § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG geregelte Frist zur Vornahme einer Abgrenzung nicht bekannt gewesen sei. Selbst für den ausdrücklich bestrittenen Fall, dass es sich um eine verfahrensrechtliche Frist handle, sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher abzuweisen.

 

2. Gegen diesen Bescheid der NÖGKK hat der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 03.02.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin bei Beantragung des Kinderbetreuungsgeldes nicht darauf hingewiesen worden sei, dass bei einem Bezug innerhalb eines Kalenderjahres, in dem außerhalb des Bezugszeitraumes selbständige Einkünfte anfallen, von ihr zwingend eine Abgrenzung vorzunehmen sei, andernfalls kein Anspruch bestehen würde. Zur Qualifizierung der Frist werde ausgeführt, dass das Gesetz an das Versäumen der Frist überhaupt keine Rechtsfolgen knüpfe, sondern nur für den Fall der Abgrenzung innerhalb der Frist anordne, wie davon ausgehend die maßgeblichen Einkünfte zu berechnen seien. Selbst wenn man aber der Behörde in ihrer unrichtigen Interpretation folge, wonach die Behörde nach Ablauf der Frist eine Abgrenzung nicht mehr beachten solle, folge gerade daraus, dass es sich um eine prozessuale Frist handle. Die Frist des § 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Satz KBGG stelle sich daher als prozessuale und der Wiedereinsetzung zugängliche Frist dar. Zum Vorliegen eines unvorhergesehenen und unverschuldeten Ereignisses werde ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin keineswegs zuzumuten gewesen sei, innerhalb der zweijährigen Frist eine Abgrenzung ihrer Einkünfte vorzunehmen, hatte sie doch keinen Grund anzunehmen, dass die Behörde eine derartige Abgrenzung für notwendig erachte. Ebenso wenig gehe das Erfordernis einer solchen Abgrenzung unmissverständlich aus dem Gesetz oder den der Beschwerdeführerin übergebenen Informationen der Behörde hervor. Die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, zu ihren Einkommensverhältnissen irgendeinen Nachweis zu erbringen und habe für die Beschwerdeführerin jeder Anhaltspunkt dafür gefehlt, dass ein solcher Nachweis erforderlich sei. In Wahrheit habe die Beschwerdeführerin ohne Verschulden erst durch Zustellung des bekämpften Bescheides Kenntnis von der sie angeblich treffenden Obliegenheit erlangen könne und sei innerhalb der gesetzlichen Frist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden, wobei gleichzeitig die zur Abgrenzung notwendigen Unterlagen vorgelegt und somit die "versäumte" Handlung nachgeholt worden sei. Aus all dem folge, dass der Beschwerdeführerin subjektiv keineswegs zugemutet werden konnte, eine sie angeblich treffende Obliegenheit zu erkennen und dieser fristgemäß zu entsprechen. Es sei daher ein unvorhergesehenes und unverschuldetes Ereignis vorgelegen.

 

3. Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 20.02.2017 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 22.02.2017 das Landesgericht XXXX als Arbeits- und Sozialgericht ersucht, den Gerichtsakt zu GZ: XXXX , zu übermitteln.

 

5. Am 07.03.2017 wurde der Gerichtsakt zu GZ: XXXX vom Landesgericht

XXXX als Arbeits- und Sozialgericht an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Anlässlich der Geburt ihres Kindes XXXX am XXXX beantragte die Beschwerdeführerin am 02.07.2012 bei der belangten Behörde das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 30.06.2013.

 

Anlässlich der Beantragung des Kinderbetreuungsgeldes erhielt die Beschwerdeführerin das Informationsblatt zu den Leistungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, dessen Erhalt und Kenntnisnahme sie durch ihre Unterschrift am Antragsformular bestätigt hat. Auf Seite 4 des Informationsblattes zu den Leistungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes ist Folgendes festgehalten:

 

"Wird nachgewiesen, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach dem Ende des Anspruchszeitraumes angefallen sind (Abgrenzung der Einkünfte), sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen, die während des Anspruchszeitraumes erzielt werden (und diesem zuzuordnen sind). Einen solchen Nachweis kann man nur bis zum Ablauf des zweiten auf das betreffende Kalenderjahr folgenden Kalenderjahres - bei sonstiger Verwirkung - in Form einer Zwischenbilanz oder Zwischen-Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erbringen (deren Überprüfung später durch die Finanzbehörde erfolgt)."

 

Aufgrund des Antrages der Beschwerdeführerin wurde ihr im Jahr 2012 das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 31.12.2012 in der Höhe von 9.474,16 €

zuerkannt und ausbezahlt.

 

Die Beschwerdeführerin hat in der Folge bis zum Ablauf des zweiten auf das betreffende Kalenderjahr folgenden Kalenderjahres (Ende 2014) keine Abgrenzung ihrer Einkünfte vorgenommen.

 

Aus diesem Grunde wurden die der belangten Behörde seitens des Bundesrechenzentrums für das Kalenderjahr 2012 übermittelten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit der Berechnung des Gesamtbetrages der maßgeblichen Einkünfte für das Jahr 2012 zu Grunde gelegt und wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 19.10.2016 die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 31.12.2012 in der Höhe der Überschreitung der Zuverdienstgrenze widerrufen und wurde die Beschwerdeführerin in einem zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von insgesamt 9.474,16 €

verpflichtet.

 

Am 27.10.2016 langte ein E-Mail der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde ein, in welcher die Beschwerdeführerin sich darüber beschwerte, bis auf den genannten Hinweis am Informationsblatt nicht über die Frist zum Nachweis einer Abgrenzung hingewiesen worden zu sein und wurde in einem eine Aufstellung der Einnahmen 2012 sowie eine Aufstellung der Einnahmen für die Jahre 2013 und 2014 übermittelt.

 

Am 05.11.2016 langte der hier verfahrensgegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verbunden mit einer in eventu erhobenen Klage an das Landesgericht Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht) bei der belangten Behörde ein. Die in diesem zitierte "beiliegende Bestätigung meiner Steuerberatung" war diesem nicht beigefügt.

 

Mit dem am 09.01.2017 bei der belangten Behörde eingelangten Vorbereitenden Schriftsatz der Beschwerdeführerin im zur Geschäftszahl XXXX beim Landesgericht XXXX als Arbeits- und Sozialgericht anhängigen und nunmehr unterbrochenen Sozialgerichtsverfahren legte die Beschwerdeführerin wiederum die mit E-Mail vom 27.10.2016 bereits vorgelegte Aufstellung der Einnahmen 2012 und zusätzlich die bis dahin der belangten Behörde nicht vorliegende Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 2012 vor.

 

Im Zuge der Tagsatzung vom 26.01.2017 wurde das Sozialgerichtsverfahren zur Geschäftszahl XXXX seitens des Landesgerichtes XXXX als Arbeits- und Sozialgericht unterbrochen und zuvor der belangten Behörde die Erstellung eines Bescheides über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgetragen.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der unter I. angeführte Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verfahrensaktes der NÖGKK, dem vom Bundesverwaltungsgericht angeforderten Gerichtsakt des Landesgerichts XXXX als Arbeits- und Sozialgericht zu GZ XXXX , sowie des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

Die oben getroffenen Feststellungen zur Antragstellung durch die Beschwerdeführerin sowie zur Belehrung hinsichtlich der Notwendigkeit der Abgrenzung gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG gründen sich auf die dem Gerichtsakt des Landesgerichts XXXX als Arbeits- und Sozialgericht zu XXXX beigefügten Beilagen.

 

Der Sachverhalt ist im vorliegenden Fall unstrittig. Vorliegend handelt es sich daher um eine reine Beurteilung einer Rechtsfrage.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

 

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen. Es handelt sich um die Beurteilung einer reinen Rechtsfrage. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde

 

Gemäß § 24 Abs. 1 Z 3 KBGG in der hier maßgeblichen Fassung hat ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) Anspruch auf das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern dieser Elternteil während des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes keine Erwerbseinkünfte erzielt, wobei sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften (§ 8 Abs. 1) von nicht mehr als

 

€ 6.100,00 pro Kalenderjahr nicht schädlich auswirkt, und keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhält.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG sind andere maßgebliche Einkünfte (§§ 21 bis 23 EStG 1988, das sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieb) mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Einkünfte aus Betätigungen, die die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um 30 % zu erhöhen. Wird bis zum Ablauf des zweiten auf das betreffende Kalenderjahr folgenden Kalenderjahres dem Krankenversicherungsträger nachgewiesen, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach Ende des Anspruchszeitraumes (Z 1) angefallen sind, sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen, die während des Anspruchszeitraumes angefallen sind. Im Falle eines derartigen Nachweises, der den steuerrechtlichen Bestimmungen zu entsprechen hat, sind die während des Anspruchszeitraumes angefallenen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umzurechnen.

 

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG ist nur gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist zulässig. Es muss sich also um eine Frist handeln, durch die die Möglichkeit, in einem anhängigen Verwaltungsverfahren eine Handlung mit prozessualen Rechtswirkungen (Verfahrenshandlung) zu setzen, zeitlich beschränkt wird, dh nach deren Ablauf die Verfahrenshandlung nicht mehr zulässig ist. Nach der restriktiven Sicht des VwGH sind verfahrensrechtliche Fristen nur solche, die entweder durch ein Verfahren ausgelöst werden oder die in einem Verfahren laufen (vgl. VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0528). Gegen die Versäumung einer materiellrechtlichen Frist, also einer Frist vor deren Ablauf ein materiellrechtlicher Anspruch – bei sonstigem Verlust des diesem zugrunde liegende Rechts selbst (nicht nur der behördlichen Durchsetzungsmöglichkeit) – geltend gemacht werden muss bzw. nach deren Ablauf ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch erlischt, ist eine Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG nicht zulässig (vgl. VwGH vom 13.06.1989, Zl. 89/11/0032; 15.03.1995, Zl. 95/01/0035; 11.04.2000, Zl. 2000/11/0081; vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG, 4. Teilband; RZ 12 und 13 zu § 71).

 

1. Bei der in § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG normierten Frist zum Nachweis einer Abgrenzung handelt es sich um eine materiellrechtliche Präklusionsfrist und ist daher bereits aus diesem Grunde eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist. Dies aus folgenden Erwägungen:

 

Festzuhalten ist, dass die Erläuterungen zur 13. KBGG-Novelle (324 RV 24. GP 5) u. a. Folgendes festhielten:

 

"Derzeit grenzen manche selbstständig tätige Eltern ihre Einkünfte - trotz Aufforderung - nicht ab, sodass der Krankenversicherungsträger schließlich die Zuverdienstberechnung anhand der Jahreseinkünfte vornehmen und bei Überschreitung einen Rückforderungsbescheid erlassen muss. Gegen diesen Bescheid wird dann von den Eltern Klage erhoben. Im Gerichtsverfahren werden schließlich doch die Einkünfte mittels Nachweisen (Zwischen-Einnahmen-Aus- gaben-Rechnungen oder Zwischenbilanzen, die den steuerrechtlichen Vorschriften entsprechen müssen und daher von der Finanzbehörde im Rahmen der Betriebsprüfungen mitgeprüft werden) abgegrenzt. Diese unnötigen Gerichtsverfahren auf Kosten des FLAF gilt es zu vermeiden. Für den Nachweis der abgegrenzten Einkünfte ist daher eine (großzügige) Frist von zwei Jahren ab Ende des betreffenden Kalenderjahres (= Bezugsjahres) einzuführen. Wer diese Frist versäumt, kann in einem Gerichtsverfahren nicht mehr erfolgreich die Nachweise erbringen, sondern hier ist der Zuverdienst - wie für solche Fälle vorgesehen - anhand der gesamten Jahreseinkünfte (mittels der von der Finanzbehörde übermittelten Daten) zu berechnen. Die Krankenversicherungsträger sollen als Serviceleistung selbstständig tätige Eltern rechtzeitig vor Ablauf der Frist auf die Möglichkeit der Abgrenzung der Einkünfte aufmerksam machen."

 

Betreffend den hier angeführten letzten Satz der Erläuterungen ist anzumerken, dass es sich hier um eine empfohlene Serviceleistung und keinesfalls um eine Verpflichtung der das KBGG vollziehenden Krankenversicherungsträger handelt.

 

Auch betreffend die seitens der klagenden Partei genannten Erinnerung hinsichtlich der Vornahme der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen hat der OGH bereits ausgesprochen, dass es sich hierbei nur um eine Serviceleistung keinesfalls aber um eine Verpflichtung der Krankenversicherungsträger handelt (vgl 10 ObS 157/14g: "Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Härtefälle, die damit verbunden sein können, dass Untersuchungen zwar durchgeführt, aber nicht fristgerecht nachgewiesen wurden, nicht auf einen Nachweis verzichten, sondern nur in einem zeitlich begrenzten Umfang die Möglichkeit schaffen wollte, durch eine nachträgliche Vorlage eine Nachzahlung der gekürzten Beträge zu erreichen. Dass er dabei, der Praxis der Sozialversicherungsträger entsprechend von einem Erinnerungsschreiben zum Nachweistermin ausging, hat als Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers in das Gesetz nicht Eingang gefunden. Dass die Reduktion des Kinderbetreuungsgeldes von einer solchen Erinnerung abhängig ist, lässt sich dem Gesetz daher nicht entnehmen.").

 

Fraglich ist auch, wie eine derartige Erinnerung erfolgen sollte, ohne dass durch diese verfassungswidrige Diskriminierungen entstehen würden, ist hier - im Gegensatz zur fristgerechten Vornahme der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen - doch nur ein eingeschränkter Bezieherkreis betroffen.

 

So würden z. B., sofern nur die im Zeitpunkt der Antragstellung bereits selbstständig Erwerbstätigen erinnert werden, alle diejenigen in verfassungswidriger Weise diskriminiert, welche die selbstständige Erwerbstätigkeit im Laufe des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes erst aufnehmen.

 

Die dauernde Beobachtung sämtlicher Fälle dahingehend, ob im Laufe des Bezuges eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen wird, wäre aber aus Sicht der belangten Behörde aufgrund der Vielzahl an Fällen in verwaltungsökonomischer Hinsicht unzumutbar.

 

Aus den Gesetzeserläuterungen folgt ganz klar die Intention des historischen Gesetzgebers die in § 8 Abs. 1 Z 2 Satz 2 KBGG angeführte Frist ("Wird bis zum Ablauf des zweiten auf das betreffende Kalenderjahr folgenden Kalenderjahres dem Krankenversicherungsträger nachgewiesen, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach Ende des Anspruchszeitraumes (Z 1) angefallen sind, sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen, die während des Anspruchszeitraumes angefallen sind.") als materiellrechtliche Präklusionsfrist auszugestalten.

 

Aus § 8 Abs. 1 Z 2 Satz 3 KBGG ("§ 8 Abs. 1 Z 2 Satz 2 KBGG ("Im Falle eines derartigen Nachweises, der den steuerrechtlichen Bestimmungen zu entsprechen hat, sind die während des Anspruchszeitraumes angefallenen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umzurechnen.") geht zudem ganz klar die an die Nichteinhaltung der Frist geknüpfte Rechtsfolge hervor, somit, dass diesfalls bei der Berechnung des Gesamtbetrages von den seitens des Bundesrechenzentrums an die belangte Behörde übermittelten Jahreseinkünften auszugehen ist.

 

Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, das Gesetz würde an den nicht fristgerechten Nachweis einer Abgrenzung keine "Sanktion" knüpfen, geht somit ins Leere.

 

2. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass – selbst wenn man vom Vorliegen einer verfahrensrechtlichen Frist ausgehen würde – das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zum Erfolg führen kann:

 

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß § 71 Abs. 1 AVG nur dann zu bewilligen, wenn einer der in dieser Bestimmung genannten Wiedereinsetzungsgründe gegeben ist, wenn somit die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis verhindert war die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

Diese Regelung stimmt mit § 146 Abs. 1 ZPO überein.

 

Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt die Partei auch unter Bedachtnahme auf die ihr - bzw. ihrem Vertreter - persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (subjektiver Maßstab), (Fasching, Lehrbuch2 Rz 579; B. Fink, Wiedereinsetzung 67; Frauenberger, ÖJZ 1982, 113; Holzhammer, PraktZPR6 I 239; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht8 Rz 668;

zuletzt OLG Wien 4 R 490/11 z, 485/11 i; LGZ Wien EFSlg 90.891 (1999); LGZ Wien MietSlg 45.644 (1992); OLG Innsbruck EvBl 1992/139;

OLG Wien ARD 4138/17/90.)

 

Es kommt daher hier nicht auf das objektive Moment der Unvorhersehbarkeit an, vielmehr muss man sich bei Auslegung dieses Begriffs an den subjektiven Verhältnissen der Partei orientieren. Die Partei - bzw. ihr Vertreter - muss aber alle ihr zumutbaren Maßnahmen treffen, um die Prozesshandlung fristgerecht vornehmen oder die Tagsatzung zeitgerecht besuchen zu können (VfGH E 21/2015.).

 

Der Begriff "unvorhergesehen" ist somit durch den Begriff "unverschuldet" zu ergänzen.

 

Dieses Verschulden wurde durch die ZVN 1983 - um die immer wieder auftretenden Härtefälle zu vermeiden - dahingehend relativiert, dass ein minderer Grad des Versehens der Partei die Wiedereinsetzung nun nicht mehr hindert (LGZ Wien EFSlg 90.892 (1999)).

 

Um der Partei ein Verschulden unterstellen zu können, muss sie daher nach ihren subjektiven Verhältnissen fähig gewesen sein, das Ereignis vorauszusehen. Dabei ist das Verhalten der Partei daran zu messen, wie eine durchschnittlich sorgfältige Partei mit denselben individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen in dieser Situation gehandelt hätte. Der Grad der durchschnittlichen Aufmerksamkeit ist im Prozess allerdings gegenüber dem Zivilrecht gesteigert, weil das Prozessrecht formal an die Handlung der Partei, idR nicht an den dahinter stehenden Willen anknüpft (Frauenberger, ÖJZ 1992, 113.).

 

Von der konkreten Partei muss daher das Maß der ihr zumutbaren Voraussicht verlangt werden (Fasching in Hofmeister, Forschungsband Franz Klein 109; B. Fink, Wiedereinsetzung 107).

 

Hätte nämlich die säumige Partei das Ereignis vorhersehen können, hat sie dies aber nicht getan, so ist ihr Wiedereinsetzungsantrag nur dann abzuweisen, wenn sie daran grobe Fahrlässigkeit trifft (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny³/ II/3 § 146 ZPO (Stand: 1.10.2015, rdb.at, Rz 6).

 

Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt durch die Partei nicht verhindert werden konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (objektives Kriterium) (vgl. Fasching, Lehrbuch² Rz 579; Feil, Wiedereinsetzung Rz 15; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht Rz 668).

 

Im Gegensatz zum unvorhergesehenen Ereignis kommt es hier nicht darauf an, ob die Partei im konkreten Fall keine Verhinderungsmöglichkeit hat, sondern darauf, ob jeder andere Durchschnittsmensch anstelle der Partei in deren Situation den Eintritt des Ereignisses noch verhindern hätte können. Besondere praktische Bedeutung werden hier vor allem die Fälle "höherer Gewalt" (OLG Innsbruck EvBl 1992/139.) erlangen, insb. die Naturereignisse, auf die auch § 233 dZPO Bezug nimmt. Hätte auch ein durchschnittlich sorgfältiger Mensch dieses Ereignis nicht abwenden können, so wird der Partei die Wiedereinsetzung gewährt (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny3 II/3 § 146 ZPO (Stand: 1.10.2015, rdb.at, Rz 7)).

 

Auch wenn das unabwendbare Ereignis von der Partei selbst ausgelöst wurde, hindert dies grundsätzlich die Wiedereinsetzung nicht, wenn der Partei dabei nur ein minderer Grad des Versehens unterstellt werden kann (vgl. Deixler-Hübner in Fasching/Konecny³ II/3, § 146 ZPO (Stand: 1.10.2015, rdb.at, Rz 7)).

 

Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich ersehen, dass der Wiedereinsetzungsgrund nicht sogleich sowohl ein unvorhergesehenes als auch ein unabwendbares Ereignis darstellen muss. Es genügt, dass das hindernde Ereignis auch nur eine dieser beiden Eigenschaften aufweist. Doch wird davon auszugehen sein, dass die meisten unabwendbaren Ereignisse wohl auch als unvorhergesehen zu beurteilen sind (vgl. Deixler-Hübner in Fasching/Konecny³ II/3, § 146 ZPO (Stand: 1.10.2015, rdb.at, Rz 7 aaO)).

 

Das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis muss zudem für die Versäumung kausal sein. Nur dann, wenn die Versäumung ausschließlich auf dieses Ereignis zurückzuführen ist, stellt dies einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar. Die Partei ist daher verpflichtet, alles zu tun, um trotz des eingetretenen Ereignisses rechtzeitig zu erscheinen oder die Frist zu wahren (B. Fink, Wiedereinsetzung 65).

 

Es muss von ihr daher erwartet werden, dass sie dabei alles unternimmt, was ihr persönlich zugemutet werden kann, wobei jedoch der Bogen der Zumutbarkeit hier nicht überspannt werden darf (vgl. Deixler-Hübner in Fasching/Konecny³ II/3, § 146 ZPO (Stand:

1.10.2015, rdb.at, Rz 7 aaO unter Verweis auf OLG Wien 4 R 453/11h; OLG Wien 4 R 316/11)).

 

Im vorliegenden Falle wurde ein unvorhersehbares bzw. ein unabwendbares Ereignis im soeben dargestellten Sinne weder behauptet noch glaubhaft gemacht, sondern wurde einzig und allein vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin die in § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG geregelte Frist zur Vornahme einer Abgrenzung nicht gekannt habe.

 

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf § 2 KBGG sowie nochmals darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin den Erhalt und die Kenntnisnahme des Informationsblattes zu den Leistungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes bestätigt hat und dass auf S. 4 dieses Informationsblattes Folgendes festgehalten ist:

 

"Wird nachgewiesen, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach dem Ende des Anspruchszeitraumes angefallen sind (Abgrenzung der Einkünfte), sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen die während des Anspruchszeitraumes erzielt werden (und diesem zuzuordnen sind). Einen solchen Nachweis kann man nur bis zum Ablauf des zweiten auf das betreffende Kalenderjahr folgenden Kalenderjahres - bei sonstiger Verwirkung - in Form einer Zwischenbilanz oder Zwischen-Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erbringen (deren Überprüfung später durch die Finanzbehörde erfolgt)."

 

Die Beschwerdeführerin wurde somit nachweislich ausdrücklich über die Frist zum Nachweis einer Abgrenzung sowie über die Rechtsfolgen für den Fall des nicht fristgerechten Nachweises einer Abgrenzung hingewiesen und kann sie daher nicht behaupten, sie habe hierüber nicht Bescheid gewusst.

 

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, wonach das genannte Informationsblatt "völlig unverständlich" und "intransparent" formuliert sei, kann nicht gefolgt werden und ist festzuhalten, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handelt.

 

Der seitens der Beschwerdeführerin unterstellte Zweck der Bestimmung des § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG widerspricht nicht nur dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und dem Willen des historischen Gesetzgebers (siehe die oben angeführten Gesetzeserläuterungen) sondern zudem auch jeglicher Lebenserfahrung.

 

Der fristgerechte Nachweis einer Abgrenzung konnte der Beschwerdeführerin somit jedenfalls zugemutet werden und wurde die diesbezügliche Frist allein durch deren subjektives Verschulden überschritten, konnte ihr doch jedenfalls zugemutet werden das Informationsblatt zu den Leistungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes zu lesen und dementsprechend binnen der in § 8 Abs. 1 Z 2 KBGG vorgesehenen Frist die nunmehr - verspätet - vorgelegte Abgrenzung nachzuweisen.

 

Die belangte Behörde hat daher mit Bescheid vom 01.02.2017 zu Recht den Antrag vom 05.11.2016 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

 

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.02.2017 war daher als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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