BVwG W177 2129278-1

BVwGW177 2129278-124.11.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W177.2129278.1.00

 

Spruch:

W177 2129278-1/13E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2016, Zl. 1068086704-150485872 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1 Der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 11.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der Erstbefragung am gleichen Tag gab der Beschwerdeführer an, er sei am XXXX , in Afghanistan XXXX , gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei ledig sowie schiitischer Moslem.

 

Zum Fluchtgrund befragt, antwortete der Beschwerdeführer, in Afghanistan gebe es für seine Familie keine Sicherheit. Es würden sehr viele Menschen getötet. Das Leben im Iran sei auch schwer. Die Familie habe dort ein Haus gemietet, es gebe aber für ihn im Iran keine Zukunft. Er könne nicht zurück nach Afghanistan, denn er habe dort keine Familie mehr.

 

1.2 Bis zur Volljährigkeit wurde dem Verein "menschen.leben" die Vertretung im Asylverfahren übertragen.

 

1.3 In der Einvernahme am 08.03.2016 gab der Beschwerdeführer an, seine Mutter würde sich mit seinen Geschwistern (zwei Brüder und zwei Schwestern) im Iran aufhalten. Der Vater sei vor etwa vier Jahren von den Taliban mitgenommen worden. In Afghanistan habe er keine Familienangehörigen, da diese im Iran leben würden. Im Iran habe er die letzten zwei Jahre in einem gemieteten Haus gelebt. In Afghanistan hätten sie in ihrem Eigentumshaus gelebt, welches aber angezündet worden sei. Er wisse auch nicht was aus dem Grundstück geworden sei, auf welchem das Haus gestanden sei.

 

Die Familie sei aus Afghanistan geflohen, weil sie als Hazara keine Sicherheit gehabt hätte. Eine persönliche Bedrohung habe es nicht gegeben, aber eines Tages, als die Familie beim Abendessen gesessen sei, seien fünf Taliban gekommen. Sie hätten die Türe aufgebogen und den Vater mitgenommen, obwohl die Mutter sie angefleht hätte, ihn dort zu lassen. Die Mutter sei mit einem Gewehr auf den Kopf geschlagen worden und ohnmächtig zusammengebrochen. Nachdem sie den Vater mitgenommen hätten, hätten sie das Haus der Familie angezündet. Die nächsten zwei Jahre habe die Mutter mit den Kindern in einem Zelt gelebt und das Geld für die Reise in den Iran organisiert. Alle hätten Angst gehabt. Die fünf Personen hätten den Mund verdeckt und Gewehre mit sich gehabt. Der Beschwerdeführer denkt, es seien Taliban gewesen, denn es sei die einzige Gruppe, die Leute töten würde.

 

Er sei nach Österreich gekommen in der Hoffnung, dass seine Familie nachkommen könne. Die Familie habe das ganze Geld für den Beschwerdeführer ausgegeben. Die Familie lebe in Angst vor der Abschiebung. Der Beschwerdeführer würde seine Familie hierher einladen wenn er es könnte.

 

1.4 In der Stellungnahme vom 22.03.2016 weist die gesetzliche Vertretung im Asylverfahren auf die Anwendbarkeit der Kinderrechtskonvention, insbesondere Art. 3, hin. Ein besonderer Maßstab in dem angeführten Rahmen sei die Glaubwürdigkeitsprüfung.

 

Der minderjährige Beschwerdeführer habe angegeben, dass die Familie von einer Gruppe Taliban aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara überfallen worden sei. Die Mutter sei geschlagen worden und in Ohnmacht gefallen. Der Vater des Beschwerdeführers sei entführt und das Wohnhaus in Brand gesteckt worden. Die Familie habe sich bis zur Ausreise versteckt gehalten. Der Aufenthalt des Vaters sei bis jetzt unbekannt. Dem Beschwerdeführer sei keine andere Möglichkeit geblieben, als aus Afghanistan zu fliehen, da er dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit lebensbedrohlichen Gefahren durch die Taliban ausgesetzt sei.

 

2.1 Mit angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) wurde zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Die belangte Behörde führte aus, es sei plausibel, dass der Beschwerdeführer Afghanistan auf Grund der allgemeinen Sicherheitslage verlassen habe und bei der Rückkehr in eine aussichtslose Lage geraten würde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund habe er nicht plausibel darlegen können. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Familie aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara verfolgt werden würde, und dass sie sich in einem Zelt bei einem Berghang versteckt hätte, da die Mutter zumindest zur Arbeit in einen Bazar gegangen sei, so wie der Beschwerdeführer ausgesagt habe. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer für die Ereignisse, sollten sie tatsächlich stattgefunden haben, einen lebhaften Erzählerstil gewählt hätte. Die Behörde gehe davon aus, dass eine Verfolgung durch die Taliban nie stattgefunden hätte.

 

2.2. In der fristgerecht erhobenen Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragte der Beschwerdeführer eine mündliche Beschwerdeverhandlung sowie den Spruchpunkt I. zu beheben und den Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AslyG zuzuerkennen.

 

Der Beschwerdeführer brachte das Anliegen vor und wies erneut auf die Anwendbarkeit der Kinderrechtskonvention hin.

 

Die Feststellungen zur Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers seien nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde schenke dem Beschwerdeführer hinsichtlich des Verlassens seines Heimatlandes Glauben, andererseits erachtet sie die Angaben, wonach sich der minderjährige Beschwerdeführer vor den Taliban versteckt habe, als nicht glaubwürdig.

 

3.1 Zur Gewährleistung eines mängelfreien Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf die Erforschung der materiellen Wahrheit, wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt.

 

Der amtsbekannte Sachverständige gab mit Schreiben vom 23.03.2017 zu den persönlichen und Herkunftsidentitäten des Beschwerdeführers an, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass der Beschwerdeführer aus dem XXXX , in der XXXX stamme. In XXXX würden fast 100% Hazara leben und dieser Distrikt würde von den Hazara selbst als Teil der staatlichen Behörde verwaltet werden. Die Angaben des Beschwerdeführers, dass die Taliban alle Hazara töten würden, stimme derzeit nicht mit der Wirklichkeit Afghanistans überein. In diesem Fall hätten die Taliban nicht nur den Vater sondern auch sofort den Beschwerdeführer getötet. Der Beschwerdeführer gebe auch an, dass er nicht wisse, was mit dem Vater geschehen sei. Diese Angaben stimmten mit der afghanischen Wirklichkeit seit 2002 nicht überein. Jeder Hazara, der von den Taliban entführt worden sei, werde von der Führung der Hazara registriert und sie würden diesen Hazara identifizieren und würden versuchen, ihn durch Verhandlungen von den Taliban freizubekommen. Sollte der Hazara getötet worden sein, würde sein Leichnam verlangt werden. Die Taliban würden aber den Leichnam oft der Familie zurückgeben. Die Mutter des Beschwerdeführers, als Ehefrau des Vaters, würde bei der Hazaraführung solange keine Ruhe geben, bis sie von dieser eine endgültige Antwort erhalten hätte.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers würden auf keine Sippenhaftung schließen lassen, denn es gäbe keine Anzeichen für eine Privatfeindschaft, es sei denn der Vater des Beschwerdeführers hätte etwa als Kommandant gegen die Taliban gekämpft. Dann wäre von einer Sippenhaftung auszugehen.

 

Zu der Frage führte der Sachverständige klar aus, dass Hazara als Gruppe nicht mehr verfolgt werden würden. Afghanen würden die Ethnie Hazara mit Strebsamkeit, Widerstand und Wissensgier identifizieren. Der Sachverständige würde von keiner Gruppenverfolgung der verschiedenen Ethnien in Afghanistan ausgehen. Er führte in seinem Gutachten weiter aus, dass die Taliban Handlanger des pakistanischen Geheimdienstes ISI und Saudi Arabiens seien. Dementsprechend würden sie agieren.

 

Der Beschwerdeführer mache bei seinem Fluchtvorbringen keine Privatfeindschaft des Vaters mit irgendeiner Person, Familie oder Gruppe geltend, aus der eine Sippenhaft für ihn ergehen könnte. Der Beschwerdeführer sei daher von keinem Racheakt oder Blutrache betroffen. Auch wenn Nawur von den Hazara selbst verwaltet werde, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Taliban Randgebiete dieses Distrikts verunsicherten, sodass ein bewaffneter Konflikt ausbrechen könnte.

 

3.2 Am 24.08.2017 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin teilnahmen.

 

Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Mutter und seine Geschwister seit vier Jahren illegal im Iran leben würden. Er wisse nicht viel über den Vater. Er sei damals etwa 12 Jahre alt gewesen. Er sei in Ghazni etwa fünf Jahre zur Schule gegangen und habe nicht gearbeitet, als sein Vater verschwunden sei.

 

Niemand habe dem Beschwerdeführer erzählt, was mit dem Vater passiert sei. Nach diesem Vorfall mit seinem Vater habe die Mutter nicht darüber gesprochen, weil sie sehr traurig gewesen sei.

 

Die Familie des Beschwerdeführers hätte zu Abend gegessen, als es am Tor geklopft habe. Bevor man das Tor öffnen habe können, sei es aufgebrochen worden. Es seien fünf Personen ins Haus gekommen. Der Beschwerdeführer vermutet, dass es Taliban gewesen seien. Die Mutter habe die Eindringlinge angefleht den Vater nicht mitzunehmen, das habe aber nichts genützt. Die Mutter sei mit dem Gewehrkolben am Kopf geschlagen worden, sodass sie bewusstlos geworden sei. Die Taliban hätten das Haus der Familie in Brand gesetzt und den Vater mitgenommen. Nachdem die Mutter nach einer halben Stunde das Bewusstsein wieder erlangt habe, seien sie von dort weggegangen. Die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers und er selbst hätten sich in einem Zelt versteckt. Das Zelt sei auf einen der Berge in Ghazni gestanden. Die Häuser seien etwa eine halbe Stunde vom Standort entfernt gewesen. Er hätte nicht mehr in die Schule gehen und nicht mit seinen Freunden spielen können, weil sie Angst vor den Taliban gehabt hätten. Die Mutter sei manchmal weggegangen, um Lebensmittel zu besorgen. Die Familie habe etwa zwei Jahre im Zelt verbracht, weil sie nicht genug Geld gehabt hätte, um zu fliehen. Danach seien sie geflohen.

 

Der Beschwerdeführer erzählte, dass das Zelt so groß gewesen sei, dass die ganze Familie darin Platz gehabt hätte. Für die Toilette seien sie hinausgegangen, aber sonst hätten sie sich im Zelt aufgehalten. Die Kinder seien die ganze Zeit im Zelt gewesen, sie seien auch nicht zum Spielen hinausgegangen. Wenn man gezwungen werden würde, würde man so eine Situation aushalten. Die Mutter habe Angst gehabt, dass den Kindern das gleiche passieren würde wie dem Vater. Der Beschwerdeführer als Ältester der Geschwister musste auf die anderen aufpassen. Er gab an, dass er die ganze Zeit vor dem Eingang gesessen habe, damit die Geschwister den Zipp nicht hätten öffnen können.

 

3.3 In der Stellungnahme vom 26.09.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er zum Zeitpunkt der Entführung des Vaters ein Kind gewesen sei. Die gewaltsame Entführung des Vaters und das Zusammenschlagen der Mutter habe beim Beschwerdeführer ein Trauma ausgelöst. Er habe die Mutter aus dem brennenden Haus zerren und die jüngeren Geschwister gleichzeitig beruhigen müssen. In Anschluss an jene Nacht sei die Mutter mit ihren Kindern in ein einfaches Zelt am Fuße eines Berges gezogen, fernab von anderen Häusern und Menschen.

 

Die Mutter des Beschwerdeführers sei aufgrund der Geschehnisse ebenfalls traumatisiert gewesen, denn sie habe den Kindern verboten, das Zelt zu verlassen. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Geschehnisse ein Kind (etwa 12 Jahre alt) gewesen sei, sind die Ereignisse, wie etwa die Anordnung der Mutter die Kinder müssten im Zelt bleiben, in besonderer Erinnerung geblieben.

 

Familienintern sei nie wieder über die Ereignisse jener Nacht und den verschwundenen Vater gesprochen worden. Auf Nachfragen in Zusammenhang mit jener Nacht würde die Mutter sehr verstört reagieren.

 

"Nach Rückfrage bei der Mutter durch ein Telefonat des Beschwerdeführers vor wenigen Wochen konnte dieser in Erfahrung bringen, dass der Vater als Landwirt gearbeitet hat. Diese Information hat der Beschwerdeführer nur widerwillig von seiner Mutter in Erfahrung bringen können. Genaueres wurde diesem jedoch nicht mitgeteilt.

 

Auf die Frage des Beschwerdeführers ob der Vater irgendwie innerhalb der Hazara-Gemeinde politisch tätig war oder sonstige Feindschaften bestanden, erhielt der Beschwerdeführer von seiner Mutter keine Antwort."

 

Aufgrund der sozialen Bande würde der Beschwerdeführer Gefahr laufen, bei einer Rückkehr, so wie sein Vater, ins Visier der Taliban zu gelangen. Es sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer Angehöriger der Hazara und schiitischen Glaubens sei. Wie in den UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom April 2016 festgehalten sei, würden folgende Personen ein besonderes Risikoprofil auf:

 

" (5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

 

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

 

(14) Angehörige gewisser ethnischer Gruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten; "

 

Im konkreten Fall des Beschwerdeführers lege demnach ein kumulatives Gefährdungsprofil vor.

 

Hinsichtlich des Gutachtens wurde angeführt, dass vor dem Hintergrund der konkreten Situation die Familie des Beschwerdeführers gesehen werden müsste. Der Gutachter habe nicht berücksichtigt, dass die Familie aufgrund der tristen Lebensumstände sowie der Ermangelung von familiären und sozialen Netzwerken eher zurückgezogen gelebt habe. Nach dem Tod des Familienoberhaupts sei die Witwe ohne männlichen Schutz gewesen und als Frau massiv eingeschränkt gewesen. Dies würde mit den Länderfeststellungen in Übereinstimmung sein.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

 

1. Feststellungen:

 

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig, schiitischen Glaubens, ledig, nunmehr volljährig, in Österreich nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes und hat am 11.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Der Vater des Beschwerdeführers wurde, wie einige andere Männer des Dorfes von Männern in traditionellen Kleidern, möglicherweise Taliban rekrutiert. Der Vater war einfacher Landwirt und wurde nicht aus politischen Gründen entführt. Der Beschwerdeführer machte bei seinem Fluchtvorbringen keine Feindschaft des Vaters mit irgendeiner Person, Familie oder Gruppe geltend, aus der eine Sippenhaftung für den Beschwerdeführer ergehen könnte.

 

Der Beschwerdeführer ist daher von keinem Racheakt oder Blutrache betroffen.

 

Die Mutter des Beschwerdeführers flüchtete mit dem Beschwerdeführer und den Geschwistern in den Iran. Die Familie hat kein familiäres und soziales Netzwerk in Afghanistan.

 

Die Mutter des Beschwerdeführers hat mit dem Beschwerdeführer und den Geschwistern des Beschwerdeführers nicht für die Dauer von etwa zwei Jahren in einem Zelt weitab der Zivilisation gelebt.

 

1.2 Auszug aus den Länderfeststellungen zu Afghanistan

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The 15

 

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 181

 

National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Ghazni

 

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).

 

Ghazni ist in folgende Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Ghazni wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet – die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghazni 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in Ghazni festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO 42

 

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 43 von 181

 

Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen Ghazni und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).

 

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vgl. auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in Ghazni. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).

 

In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).

 

Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vgl. auch:

ATN News 19.2.2017).

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und zu der familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Sprachkenntnissen und seinen diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben. Die Feststellung seiner Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

 

Der Beschwerdeführer hat angegeben, dass sein Vater mit anderen Männern des Dorfes entführt wurde. Deshalb ist die Mutter des Beschwerdeführers mit dem Beschwerdeführer und seinen Geschwistern in den Iran geflüchtet. Die Familie hat sonst keine Kontakte zu etwaigen Verwandten.

 

Es ist aber nicht vorstellbar, dass eine Mutter ihre Kinder für zwei Jahre in einem Zelt in der Einöde in Afghanistan gefangen hält. Die Kinder hätten nur für sanitäre Zwecke das Zelt verlassen dürfen. Der älteste der Geschwister, der Beschwerdeführer, sei wie ein Türsteher als Aufpasser vor dem Zelt gesessen. In der gültigen gesellschaftlichen Struktur von Afghanistan kann nicht nachvollzogen werden, dass die Mutter die Kinder tagelang alleine gelassen hat, um Geld zu verdienen.

 

Der amtsbekannte Sachverständige für Afghanistan hat in seinem Gutachten angegeben, dass die Angaben des Beschwerdeführers, die Taliban würden alle Hazara töten, nicht mit der Wirklichkeit Afghanistans übereinstimme. In diesem Fall hätten die Taliban nicht nur den Vater, sondern auch sofort den Beschwerdeführer getötet.

 

Der Beschwerdeführer hat angegeben, dass er nicht wisse, was mit dem Vater geschehen sei. Diese Angaben stimmten nicht mit der afghanischen Wirklichkeit seit 2002 überein. Jeder Hazara, der von den Taliban entführt worden ist, werde von der Führung der Hazara registriert. Der Hazara werde identifiziert und man versuche den Entführten durch Verhandlungen von den Taliban freizubekommen. Im Todesfall geben die Taliban den Leichnam der Familie grundsätzlich zurück, sonst werde der Leichnam des Hazara verlangt. Der Sachverständige führt an, dass die Mutter des Beschwerdeführers, als Ehefrau des Vaters, sicherlich auf eine endgültige Antwort bestanden hätte.

 

Der Sachverständige schließt nach den Angaben des Beschwerdeführers eine Sippenhaftung aus. Einerseits gab der Beschwerdeführerführer in der Stellungnahme an, dass der Vater ein Landwirt gewesen ist. Er kämpfte nicht als Kommandant gegen die Taliban. Andererseits lagen keine Anzeichen für eine Privatfeindschaft vor. Der Beschwerdeführer machte bei seinem Fluchtvorbringen keine Feindschaft des Vaters mit irgendeiner Person, Familie oder Gruppe geltend, aus der eine Sippenhaftung für den Beschwerdeführer entsteht. Somit ist von keiner Sippenhaftung auszugehen. Dementsprechend ist der Beschwerdeführer von keinem Racheakt oder Blutrache betroffen. Der Sachverständige führt auch aus, dass die Distrikt Nawur in der Provinz Ghazni von den Hazara selbst verwaltet wird. Trotzdem verunsichern Taliban Gebiete dieses Distrikts, sodass ein bewaffneter Konflikt ausbrechen könnte.

 

2.2 Zu den Länderfeststellungen

 

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt somit in gegenständlicher Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Zu A)

 

Zum Spruchpunkt I:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (§ 3 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, Zl. 99/01/0279, mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintan zu halten (vgl. VwGH 06.10.1998, ZI. 96/20/0287; VwGH 23.07.1999, ZI. 99/20/0208).

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233, mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, Zl. 92/01/1081; VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

 

In der gegenständlichen Sache wird dem Beschwerdeführer geglaubt, dass sein Vater entführt worden ist. Da der Familienvater einfacher Landwirt war und keine private Feindschaft vorgebracht wurde, sieht das Bundesverwaltungsgericht diese Entführung als Auseinandersetzung mit privaten Personen. Es ist von keiner Sippenhaftung auszugehen. Dementsprechend ist der Beschwerdeführer von keinem Racheakt oder Blutrache betroffen. Der Beschwerdeführer ist demnach nicht im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtling anzusehen. Der Staat schützt nicht die Hazara vor solchen privaten Übergriffen nicht aus GFK Gründen, sondern weil er machtlos ist. Dem Beschwerdeführer droht keine Gefahr durch andere Bevölkerungsgruppen oder durch staatliche Stellen. Die Bedrohung war zwar zum Zeitpunkt der Verschleppung des Vaters relevant und ist heute nicht mehr aktuell.

 

Zu B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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