BVwG W123 2167014-1

BVwGW123 2167014-117.8.2017

BVergG 2006 §12 Abs1 Z2
BVergG 2006 §123
BVergG 2006 §125 Abs3 Z3
BVergG 2006 §129 Abs2
BVergG 2006 §131 Abs2
BVergG 2006 §151 Abs3
BVergG 2006 §151 Abs4
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2
BVergG 2006 §312 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §321 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs2
BVergG 2006 §329 Abs1
BVergG 2006 §5
B-VG Art.133 Abs4
BVwGG §21 Abs6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W123.2167014.1.00

 

Spruch:

W123 2167014-1/2E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Einzelrichter über den Antrag der XXXX , vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte GmbH, Esslinggasse 9, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Lieferung von Reinigungsmitteln, -materialien und -maschinen; Los 2" des Auftraggebers Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, vom 07.08.2017 beschlossen:

 

A)

 

Der Antrag, "das Bundesverwaltungsgericht möge der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung untersagen, den Zuschlag betreffend die Ausschreibung: Lieferung von Reinigungsmitteln, -materialien und -maschinen Los 2, LFO, BBG-GZ: 4801.02753, zu erteilen, bis eine endgültige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache ergangen ist, längstens jedoch für zwei Monate", wird gemäß §§ 328 Abs. 1 und 329 Abs. 1 BVergG 2006 abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

BEGRÜNDUNG:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit Schriftsatz vom 07.08.2017, beim Bundesverwaltungsgericht am 08.08.2017 eingelangt, stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren in Verbindung mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 28.07.2017.

 

Die Auftraggeberin begründete die Ausscheidensentscheidung damit, dass man die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.06.2017 aufgefordert habe, die Kalkulation für die Einheitspreise des Reinigers mit Desinfektion und des Klarspülers offenzulegen. Die Antragstellerin sei dem nicht nachgekommen und hätte im Zuge der Aufklärung keine konkrete Darstellung der einzelnen Kostenpunkte vorgenommen. Schlussendlich begründete die Auftraggeberin das Ausscheiden damit, dass die Antragstellerin die Kalkulation der Einheitspreise nicht offengelegt habe und die Aufklärung somit nicht entsprechend den Vorgaben im Aufklärungsschreiben vorgenommen hätte.

 

Als Gründe für die Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung führte die Antragstellerin an, dass es zweifelhaft sei, ob überhaupt eine aufklärungsbedürftige Unklarheit vorliege. Darüber hinaus sei der Mängelbehebungsauftrag zu allgemein gehalten und unspezifisch. Es werde nicht ausgeführt, in welcher Hinsicht, welche Mängel zu beheben seien. Der Auftrag enthalte keinen Hinweis, welche der in § 125 Abs. 3 BVergG taxativ aufgezählten Mängel gegeben sei.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung brachte die Antragstellerin vor, dass der Schaden nur durch die Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden könne. Für die Antragstellerin bestünde ohne Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Gefahr, dass die Auftraggeberin rechtswidrig den Zuschlag an andere Bieter erteile.

 

2. Am 14.08.2017 übermittelte die Auftraggeber eine Stellungnahme und brachten einleitend Verfristung des Nachprüfungsantrages vor, da dieser spätestens am 07.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht einlangen hätte müssen. Zudem hätte der Rechtsvertreter der Antragstellerin bereits im per Post übermittelten Nachprüfungsantrag ausreichend darlegen müssen, dass ihm die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht möglich gewesen sei. Es sei bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass die Auftraggeber am fristendenden Tag (07.08.2017) in anderen Causen problemlos Schriftsätze per ERV an das Bundesverwaltungsgericht übermitteln hätten können und obliege es dem Rechtsvertreter der Antragstellerin iSd BVwG-EVV und BVwGG darzulegen, dass ihm die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht möglich gewesen wäre. Die Auftraggeber gaben anschließend allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren bekannt. Zum Sicherungsantrag brachten die Auftraggeber vor, dass der Antragstellerin im derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens kein unmittelbarer Schaden durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung (mangels Entscheidung iSd § 151 Abs. 3 BVergG) drohe, da die Auftraggeber im konkreten Fall gemäß § 151 BVergG einen wirksamen Abschluss der Rahmenvereinbarung nur nach vorheriger Bekanntgabe der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden solle und Abwarten der Stillhaltefrist iSd § 151 Abs. 4 BVergG vornehmen könnten.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A)

 

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs. 1 BVergG ist im Anwendungsbereich des BVergG grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

 

Auftraggeber iSd § 2 Z 8 BVergG ist der Bund bzw. die Bundebeschaffung GmbH. Diese sind öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 BVergG bzw. § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 5 BVergG um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 Z 2 BVergG, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

 

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 312 Abs. 2 BVergG iVm Art 14b Abs. 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.

 

Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeber das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 312 Abs. 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

 

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 BVergG nicht offensichtlich fehlen.

 

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs. 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs. 2 BVergG vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.

 

Inhaltliche Beurteilung der Anträge

 

1. Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 329 Abs. 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

 

2. Zur beantragten Untersagung der der Zuschlagserteilung ist festzuhalten, dass die Antragstellerin diesbezüglich nicht substantiiert vorbringt, warum eine solche Maßnahme zwingend erforderlich wäre. Soweit die Antragstellerin behauptet, dass der Schaden nur durch die Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden könne, verkennt sie, dass die Erteilung des Zuschlages hinsichtlich des auf einer Rahmenvereinbarung beruhenden Auftrages das (rechtmäßige) Zustandekommen der betreffenden Rahmenvereinbarung voraussetzt (siehe BVwG 31.01.2017, W139 2141722-2/27E). Das Vergabeverfahren befindet sich allerdings noch im Stadium vor Bekanntgabe der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, und demnach noch vor Abschluss der betreffenden Rahmenvereinbarungen (BVA vom 13.05.2008, N/0052-BVA/06/2008-11EV; BVwG 10.01.2014, W139 2000171-1/10E). Sohin droht der Antragstellerin beim derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens jedenfalls kein unmittelbarer Schaden durch die Erteilung des Zuschlages.

 

Die Auftraggeber sind gemäß § 151 Abs. 3 BVergG verpflichtet, den nicht berücksichtigten Bietern den Namen des Unternehmers, mit dem die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, nachweislich mitzuteilen. Diese Entscheidung kann sodann von der Antragstellerin angefochten werden. Es steht somit auch kein unmittelbarer Abschluss der Rahmenvereinbarung bevor, sodass insofern ebenso keine Gefährdung des Anspruches der Antragstellerin durch die Auftraggeber droht (zum Zweck einer einstweiligen Verfügung siehe EBRV1171 BlgNR XXII. GP , 141, siehe auch BVA 13.05.2008, N/0052-BVA/06/2008-11EV). Wenngleich der Gesetzgeber hier nicht wie bei den Bestimmungen über die Zuschlagsentscheidung von den "im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern" sondern von den "nicht berücksichtigten Bietern" spricht (siehe EBRV 327 BlgNR XXIV. GP , 24), so ist trotz des unterschiedlichen Gesetzeswortlauts in Entsprechung des Grundsatzes der Effektivität des Rechtsschutzes und des Gebots der Gleichbehandlung jedenfalls auch ein Bieter, dessen Ausscheiden wie in der gegenständlichen Konstellation noch nicht bestandsfest geworden ist, als "nicht berücksichtigter Bieter" iSd § 151 Abs. 3 BVergG zu qualifizieren (in st RSp BVwG 10.01.2014, W139 2000171-1/10E; BVwG 04.12.2015, W123 2117867-1/2E; BVwG 04.10.2016, W187 2135663-1/2E). Anderenfalls wäre einem derartigen Bieter, und damit auch der Antragstellerin, welche die Ausscheidensentscheidung rechtzeitig angefochten hat und bei der das betreffende Nachprüfungsverfahren noch nicht beendet ist, eine Anfechtung der Entscheidung über die Auswahl des in Aussicht genommenen Vertragspartners verwehrt, obwohl diese Entscheidung angesichts der fehlenden Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung im Falle des Abrufs aus einer Rahmenvereinbarung (§ 131 Abs. 2 Z 3 BVergG) die letzte anfechtbare Entscheidung darstellen kann. Insofern ist auch die Rechtsprechung des EuGH in Erinnerung zu rufen, wonach die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen ist (EuGH vom 28. Oktober 199, C-81/98, Alcatel Austria ua).

 

Selbst unter der Annahme, dass die Auftraggeber eine Entscheidung, mit welchem Bieter die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, treffen würde, wären diese somit verpflichtet, diese Entscheidung der Antragstellerin mitzuteilen, zumal das Ausscheiden des Angebotes bislang seitens des zur Vergabekontrolle zuständigen Bundesverwaltungsgerichtes nicht als rechtmäßig erkannt wurde (Abweisung oder Zurückweisung des gegen das Ausscheiden gerichteten Nachprüfungsantrages) und die antragstellende Bieterin daher noch nicht endgültig ausgeschlossen wurde (J. Aicher in Schramm/?Aicher/?Fruhmann/?Thienel, § 131 Rz 17; siehe dazu überdies die oben zitierten Entscheidungen).

 

Daher ist im konkreten Fall eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidungen entstandene oder sonstige unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin, die im Sinne des § 328 Abs. 1 BVergG zu beseitigen oder zu verhindern wären, nicht ersichtlich. Die Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung bzw. der Zuschlagserteilung ist zur Absicherung des Nichtigerklärungsbegehrens und des potentiell bestehenden Anspruches auf Abschluss der Rahmenvereinbarung. nicht notwendig (in diesem Sinne auch R. Madl in Heid/?Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 2208).

 

3. Unvorgreiflich der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren (durch den zuständigen Senat) sieht sich der erkennende Richter veranlasst, auf folgende Umstände hinzuweisen:

 

3. a. Zur Nachprüfungsantragsfrist ist festzuhalten, dass bei einem tatsachenmäßig eindeutig verfristeten Nachprüfungsantrag die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des damit geltend gemachten Rechtsgestaltungsbegehrens nicht in Betracht käme, da der Zweck der einstweiligen Verfügung im Nachprüfungsverfahren in der Sicherung eines denkmöglich erfolgreichen Rechtsgestaltungsanspruchs und letztendlich der Absicherung der Vertragsschance einer Nachprüfungswerberin liegt (BVA 14.09.2006, N/0074-BVA/08/2006-21).

 

Gemäß § 21 Abs. 6 BVwGG sind nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten Rechtsanwälte sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wird wie ein Formmangel behandelt, der zu verbessern ist.

 

§ 1 ("Elektronische Einbringung von Schriftsätzen und von Beilagen zu Schriftsätzen") Abs. 2 BVwG-EVV lautet: Sofern Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer Schriftsätze nicht im elektronischen Rechtsverkehr einbringen, haben sie in der Eingabe zu bescheinigen, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht vorliegen.

 

Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag lediglich per Einschreiben mit der Post am 07.08.2017 eingebracht. Die Antragstellerin ist aber durch eine Rechtsanwaltskanzlei vertreten. Entgegen § 1 Abs. 2 BVwG-EVV hat die Antragstellerin aber nicht bei der Eingabe des Antrages bescheinigt, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht vorgelegen sind. In Verbindung mit § 21 Abs. 6 BVwGG ist der Antrag somit als nicht rechtzeitig eingebracht zu bewerten.

 

3. b. Artikel 2 der Richtlinie 89/665 ist dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, vorzusehen, dass eine für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz, die über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen entscheidet, die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Aufhebung einer Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, der mit der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung begründet wird, berücksichtigen muss oder darf (EuGH 09.04.2013, Rs C-424/01, CS Communications).

 

Wird ein Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag absehbar nicht durchdringen, gebietet es die Interessensabwägung gemäß § 329 Abs. 1 BVergG 2006, den Auftraggeber nicht durch eine einstweilige Maßnahme am Vorantreiben des Beschaffungsvorgangs zu hindern; bzw. sind auch für die sonstigen an der Vergabe interessierten Unternehmern Zeitverzögerungen hinsichtlich deren vergabebezüglichen Handlungen zu vermeiden (BVA 14.09.2006, N/0074-BVA/08/2006-21 unter Verweis auf EuGH Rs C-424/01, CS Communications).

 

Die Antragstellerin brachte zur Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung im Wesentlichen vor, dass es zweifelhaft sei, ob überhaupt eine aufklärungsbedürftige Unklarheit vorliege. Zudem sei der Mängelbehebungsauftrag zu allgemein gehalten und unspezifisch. Es werde nicht ausgeführt, in welcher Hinsicht, welche Mängel zu beheben seien. Der Auftrag enthalte keinen Hinweis, welche der in § 125 Abs. 3 BVergG taxativ aufgezählten Mängel gegeben sei.

 

Entgegen diesem Vorbringen ist dem Schreiben der Auftraggeber vom 14.06.2017 (Punkt 3., "vertiefte Preisprüfung") eindeutig zu entnehmen, dass bei Prüfung der Angebote Zweifel an der Angemessenheit der von der Antragstellerin angebotenen Preise (iSd § § 125 Abs. 3 Z 3 BVergG) aufgetreten sind. Daher ersuchten die Auftraggeber die Antragstellerin um Offenlegung ihrer Kalkulation für die "Einheitspreise des Reinigers mit Desinfektion und des Klarspülers". Die Aufforderung der Auftraggeber war nach Ansicht des erkennenden Richters klar und präzise. Zudem ist das Aufforderungsschreiben der Auftraggeber vom 14.06.2017 als gesondert anfechtbare Entscheidung iSd § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BVergG ("sonstige Festlegung während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist") zu qualifizieren. Hätte somit die Antragstellerin grundsätzliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung gehabt, hätte sie diese Entscheidung der Auftraggeber rechtzeitig gemäß § 321 Abs. 1 BVergG anfechten müssen. Mangels Anfechtung ist daher das Aufforderungsschreiben der Auftraggeber vom 14.06.2017 bestandkräftig geworden.

 

Soweit aus dem Vergabeakt ersichtlich, hat die Antragstellerin der Aufforderung der Auftraggeber insofern nicht entsprochen, als sie im Antwortschreiben vom 21.06.2017 ihre Kalkulation nicht offen gelegt hat (vgl. auszugsweise den Wortlaut des Schreibens: "Interne Richtlinien besagen, dass die Offenlegung von Profitabilitätsberechnungen bzw. Kalkulationen an Dritte nicht vorgesehen sind."). Die Auftraggeber führten daher zu Recht in der Ausscheidensentscheidung vom 28.07.2017 an, dass die Antragstellerin die Aufklärung nicht entsprechend den Vorgaben im Aufklärungsschreiben vorgenommen hat und somit gemäß § 129 Abs. 2 BVergG auszuscheiden ist.

 

Soweit die Antragstellerin vorbringt, dass sie seit 2007 entweder direkt oder indirekt (als Subunternehmer) an den Vergabeverfahren teilgenommen habe und bis dato noch nie verlangt worden sei, die Kalkulation für die Einheitspreise des Reinigers mit Desinfektion und des Klarspülers offen zu legen, ist dieser Einwand für das gegenständliche Vergabeverfahren unbeachtlich. Jedes Vergabeverfahren ist individuell zu beurteilen und jeder Auftraggeber ist verpflichtet, bei einem neu eingeleiteten Vergabeverfahren die Angebotsprüfung gemäß den gesetzlichen Vorgaben iSd § 123 ff BVergG (neuerlich) zu prüfen. Zwingende Schlüsse von beendeten Vergabeverfahren auf neu eingeleitete sind daher unzulässig.

 

Aufgrund obiger Erwägungen sind daher die Erfolgsaussichten für den gegenständlichen Nachprüfungsantrag als sehr gering zu qualifizieren, sodass diese zulässigerweise in die Interessenabwägung iSd § 329 Abs. 1 BVergG einzubeziehen waren.

 

Zu B)

 

Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt; dies weil die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 9. August 2010, AW 2010/04/0024, ausgeführt:

 

"Durch die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung an die gegenständliche Beschwerde würde die am 27. Mai 2010 für die Dauer von höchstens sechs Wochen erlassene einstweilige Verfügung nicht wieder in Kraft treten (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 11. August 2008, Zl. AW 2008/04/0043). Die Beschwerdeführerin würde vielmehr lediglich so gestellt, als ob das Nachprüfungsverfahren ohne aufrecht bestehende einstweilige Verfügung anhängig wäre. Diesfalls könnte die Beschwerdeführerin jedoch – entgegen ihrer offenbaren Ansicht – nicht als ‚im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin‘ angesehen werden, der gemäß § 131 Bundesvergabegesetz 2006 die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen ist und die diese Entscheidung daher anfechten kann (vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 10. Dezember 2007, Zl. AW 2007/04/0054, mit dem der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde gegen die Abweisung eines von einer ausgeschiedenen Bieterin gestellten Antrages auf einstweilige Verfügung mit der Begründung stattgegeben hat, dass ohne die dem Antrag auf einstweilige Verfügung zukommende Sperrwirkung der Bieter Gefahr liefe, von einer Zuschlagsentscheidung nicht verständigt zu werden und diese Entscheidung daher nicht anfechten zu können)."

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht demnach entgegen der in diesem Beschluss geäußerten Ansicht davon aus, dass ein Bieter, der ein Nachprüfungsverfahren hinsichtlich des Ausscheidens seines Angebotes eingeleitet hat, bereits vor Beendigung des betreffenden Vergabekontrollverfahrens als "nicht im Vergabeverfahren verbliebener Bieter" angesehen werden könnte und für diesen daher mangels entsprechender Sicherungsmaßnahme die Gefahr besteht, nicht von der Zuschlagsentscheidung in Kenntnis gesetzt zu werden (siehe dazu bereits BVwG 25. 2. 2014, W139 2001504-1/7E).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte