BVwG W228 2107195-1

BVwGW228 2107195-117.5.2017

ASVG §343
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28
ASVG §343
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W228.2107195.1.00

 

Spruch:

W228 2107195-1/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael SCHRIEFL, Dr. Irmgard SCHILLER-FRÜHWIRTH, Dr. Johannes DOCK und Mag. Alexander HAGENAUER als Beisitzer über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien, vertreten durch XXXX Rechtsanwälte OG, XXXX, 1010 Wien, gegen den Bescheid der Landesschiedskommission und Paritätischen Schiedskommission vom 20.03.2015, Zl. W-LSK 2/2014 + W-PSK 5/2014, beschlossen:

 

A)

 

Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG stattgegeben und der Bescheid vom 20.03.2015 ersatzlos behoben.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Am 20.03.2015 erging folgender Bescheid:

 

"W-LSK 2/2014 + W-PSK 5/2014

 

LANDESSCHIEDSKOMMISSION und PARITÄTISCHE SCHIEDSKOMMISSION

 

p. A. Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19

 

BESCHEID

 

Die Landesschiedskommission für Wien und die Paritätische Schiedskommission für Wien haben durch ihren Vorsitzenden Dr. XXXX HRdOGHiR. sowie den Beisitzern Mag. XXXX, Dr. XXXX, Mag. XXXX, Mag. XXXX, Prim. Prof. DDr.XXXX und Dr. XXXX in den Schiedssachen des Antragstellers Dr. XXXX, Facharzt für Gynäkologie, XXXX, 1110R Wien, vertreten durch XXXX Rechtsanwälte GmbH, XXXX, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15 — 19, 1100 Wien, wegen Einwendungen gegen die Honorarabrechnung und Kündigung nach öffentlicher Sitzung wie folgt erkannt:

 

1.) Der Antrag des Antragstellers, die Paritätische Schiedskommission für Wien möge feststellen, dass die Antragsgegnerin schuldig sei dem Antragsteller den Betrag von Euro 481,92 (betreffend Leistungen aus dem ersten Quartal 2013) zzgl. Zinsen i.Hv 6 % über dem Basiszinssatz seit 31.5.2013 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

 

2.) Der Antrag auf Feststellung, dass der Antragsteller berechtigt ist, bei kurzen diagnostischen und therapeutischen Gesprächen die Fallpauschale zu verrechnen, auch wenn die Patientinnen zusätzlich private Leistungen in Anspruch nehmen, die diese privat zu bezahlen haben, wird zurückgewiesen.

 

3.) Der auf Feststellung gerichtete Antrag, dass die Vorgehensweise der Antragsgegnerin, strittige Beiträge von der Honorarabrechnung eigenmächtig ohne Anrufung des Schlichtungsausschusses bzw. der paritätischen Schiedskommission einzubehalten gegen die Verpflichtung der Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs 2 GV verstößt und sie verpflichtet sei, eine derartige Vorgehensweise in Zukunft zu unterlassen wird abgewiesen.

 

4.) Die Kündigung des kurativen Einzelvertrages des Antragstellers vom 3.3.2014 per 30.4.2014 durch die Antragsgegnerin wird aufgehoben.

 

Begründung:

 

Der Antragsteller (kurz ASt) begehrt in dem an die paritätische Schiedskommission gerichteten Antrag die Rückzahlung des von der Antragsgegnerin (kurz AG) eigenmächtig von der Honorarauszahlung vom 31.5.2013 einbehaltenen der Höhe nach unstrittigen Betrages von Euro 481,92 samt Zinsen, wobei das Zinsenbegehren in der Folge auf 6 % reduziert wurde. Der Betrag setzt sich aus der Verrechnung der Fallpauschale von Euro 18,10 plus fachspezifischen Zuschlag von Euro 1,98 für 24 Patientinnen zusammen und betrifft das erste Quartal 2013. Die Verrechnung sei zu Recht erfolgt. Diese Patientinnen hätten ihn einerseits zu Kontrolluntersuchungen oder zu einer Therapieverlängerung aufgesucht und andererseits um zusätzlich gegebenenfalls eine private Leistung, wie Verhütungsberatung, Dreimonatsspritze, Antibabypillen zu erhalten. Im Rahmen dieser Besuche hätte der ASt diagnostische und therapeutische Gespräche geführt und sich nach dem gesundheitlichen Befinden, ob gynäkologische Beschwerden vorliegen oder Blutungen aufgetreten seien, erkundigt. Er sei verpflichtet außerhalb der empfängnisverhütenden Therapie diese Gespräche zu führen, um abzuklären, ob und welche Verhütungsmaßnahmen medizinisch vertretbar seien. Diese vor Maßnahmen der Schwangerschaftsverhütung geführten Gespräche seien allein schon Grundlage für die Berechtigung der Verrechnung der Fallpauschale plus Zuschlag und des Steckens der E-Card. Er habe neben den selbstverständlich privaten Verhütungsgesprächen und Leistungen auch medizinische Kassenleistungen erbracht, wie kurze therapeutische und diagnostische Gespräche, wo Verhütung nicht im Vordergrund stand. Im Hinblick auf § 47 Abs 2 GV hätte die AG die strittigen Beträge ohne Einschaltung des im GV vorgesehenen Weges ihm vorläufig auszuzahlen gehabt. Eine offenkundige Unrichtigkeit seiner Honorarabrechnung liege nicht vor.

 

Die AG rechtfertigte den Einbehalt des der Höhe und Zusammensetzung nach unstrittigen Betrages damit, dass der ASt bei 24 Patienten lediglich private Leistungen der Schwangerschaftsverhütung erbrachte, wie auch Rezeptausstellung für Anti-Babypille, Drei Monatsspritze, die in diesen Fällen nicht der Krankenbehandlung dienten. Diese 24 Patientinnen hätten bei Befragung durch die AG mittels Fragebogen einerseits Arztkontakte verneint bzw. erklärt nur wegen Verhütungsleistungen beim ASt gewesen zu sein. Eine Verrechnung von Privat- und Kassenleistungen sei nicht zulässig, wenn nur Privatleistungen erbracht werden. Ein Erkunden nach dem Gesundheitszustand durch den ASt ohne Hinweis auf konkrete gynäkologische Beschwerden sei keine Krankenbehandlung, wenn die Patientinnen den ASt nur wegen der Empfängnisverhütung aufsuchen. Ein sofortiger Abzug sei gerechtfertigt, weil auf Grund der Fragebögen nachgewiesen worden sei, dass Leistungen wie Fallpauschale nicht erbracht wurden und daher nicht in Rechnung gestellt werden durften.

 

Weiters begehrt der ASt die Feststellung, dass die von der AG zum 30.6.2014 ausgesprochene Kündigung seines Einzelvertragsverhältnisses rechtsunwirksam sei, weil er keine Kündigungsgründe gesetzt habe.

 

Die AG gründete ihre Kündigung darauf, dass der ASt mehrfach trotz zuletzt am 12.4.2013 erfolgter Verwarnung Fallpauschale und Zuschlag in Rechnung gestellt habe und die E-Card stecken ließ obwohl lediglich Leistungen erbracht worden seien, die nicht als Kassenleistungen bzw. Krankenbehandlung zu qualifizieren seien, wie die Ausstellung von Pillenrezepten oder Verabreichen der Drei-Monatsspritze zur Verhütung. 24 Patientinnen hätten sich im Fragebogen der AG dahin geäußert, dass keine Untersuchung stattgefunden habe, obwohl der ASt für diesen Tag fälschlich Kassenleistungen verrechnete. Dies hätte zur Verwarnung vom 12. 4. 2013 geführt. Nach der Verwarnung hätten Patientinnen den ASt lediglich zum Zwecke der Verhütung aufgesucht, wie XXXX, XXXX, XXXX. Der ASt hätte trotz ausschließlicher Privatleistung (Verhütung) Fallpauschale plus Zuschlag wieder verrechnet. Außerdem hätte der ASt in Fällen, in denen nur Privatleistungen erbracht wurden die E-Card abverlangt.

 

Weiters sei die Kündigung berechtigt, weil der ASt entgegen seiner vertraglich festgelegten Auskunfts- und Unterstützungspflicht nicht bzw. erst nach langen Diskussionen (mit seiner rechtlichen Vertretung) Krankengeschichten und Aufzeichnungen der AG übermittelt habe. Es sei daher bis zur Kündigung keine unmittelbare Einsicht in die Krankengeschichte der Mag. XXXX möglich gewesen. Damit hätte der ASt seine Kooperationspflicht beharrlich verletzt.

 

Ein weiterer Kündigungsgrund sei, dass der ASt Patienten aufgefordert habe Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) folgenden Inhalts zu unterfertigen

 

"Da die Sozialversicherung nur für Krankheitsfälle zuständig ist, werden nicht alle Leistungen durch die Kasse bezahlt (siehe auch den übernommenen Info-Zettel der WGKK und der Ärztekammer). Mir ist bekannt, dass ich Leistungen gegebenenfalls privat nach der Gebührenordnung der Ärzte zu bezahlen habe, da diese Leistungen nicht zum Leistungskatalog oder zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Mir ist bekannt, dass ich gegenüber meiner gesetzlichen Krankenkasse keinen Anspruch auf Kostenerstattung habe (aktuelle Preise/Details siehe Aushänge Rezeption). Weiters bestätige ich mit meiner Unterschrift, dass ich dieses Quartal noch bei keinem Facharzt für Frauenheilkunde mit meiner E-Card war, dass diese nicht manipuliert ist und ich keine "Testpatientin" der Sozialversicherung oder einer anderen Organisation bin. Sollte durch falsche Angaben von mir Dr. Frühmann ein Schaden entstehen, ist mir bewusst, dafür haftbar gemacht zu werden. Es wird gegenseitig Schweigepflicht vereinbart. Wir verweisen auf § 12 UStG, welches besagt, dass keine Verpflichtung besteht, Rechnungen ohne Verlangen auszustellen. Das Beratungshonorar betrifft Ernährungs-, Verhütungs- und Hygieneberatung. Wir erlauben uns, sie ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sämtliche Produkte, die sie in unserer Ordination erhalten, Im Beratungshonorar inkludiert sind. Da es sich nicht um Verkaufsware handelt, ist die Rückgabe ausgeschlossen. Es wird gegenseitig vereinbart, im Falle von Unstimmigkeiten, die Schiedsstelle der Ärztekammer als Schlichtungsstelle zu wählen".

 

Die AG hätte sich nie gegen die Verwendung von AGB ausgesprochen. Es möge sein, dass in ihrer Verwendung kein Verstoß gegen Ärztliche Berufspflichten zu sehen sei. Indem aber die Behandlung von Patienten abgelehnt wird, die mit der Sozialversicherung zusammenarbeiten, werde suggeriert, dass sich die AG unlauterer bzw. unrechtmäßiger Mittel bediene.

 

Diese AGB seien geeignet die AG gegenüber ihren Versicherten herabzusetzen und ihre Kontrollaufgaben, wozu auch der Einsatz von Testpatienten gehöre zu verunmöglichen und verstoße sein Verhalten gegen gegen die in § 48 GV vertraglich eingeräumte gegenseitige Unterstützungspflicht.

 

Die Kündigung sei auch berechtigt, weil der ASt zumindest einer Patientin, die die Ordination zum Zwecke der Verhütungspillenvorschreibung aufsuchte ein unverkäufliches Ärztemuster verkaufte.

 

Der ASt hätte damit seine Berufs- und Vertragspflichten trotz mehrfacher Verwarnung verletzt, wodurch die Kündigung unumgänglich geworden sei.

 

Der ASt rechtfertigte aus den vorher ausgeführten Gründen die Verrechnung von Fallpauschale plus Zuschlag. Die Verweigerung der Übermittlung der Krankengeschichte Mag. XXXX beruhe darauf, dass für diese Patientin für den von der AG angefragten Zeitraum keine Kassenleistungen abgerechnet worden seien, so dass der AG keine Einsichts- und Auskunftspflicht zustehe.

 

Die Verwendung der oben festgestellten AGB sei nicht unzulässig.

 

Der ASt hätte nie unverkäufliche Ärztemuster an Patientinnen verkauft. Er führe bei Patientinnen, die Verhütungsmittel wollten, standardmäßig ein Verhütungsberatungsgespräch durch, wobei ein Großteil der Patientinnen die Verhütungsberatung zusätzlich zu einer Kontrolluntersuchung oder sonstigen Kassenleistung wie Anamnesegespräch in Anspruch nehmen, was aber zum Stecken der E-Card berechtige. Die Patientinnen erhalten dabei auch Ärztemuster und bezahlen nicht für diese, sondern für die nicht von der Kasse erstattungsfähigen Leistungen im Rahmen der Verhütungsberatung. Dabei könnte ein Missverständnis bei den Patientinnen entstanden sei, als sie offenbar der Meinung waren, für die Pillen bezahlt zu haben.

 

Weiters wird festgestellt:

 

Bei den 24 aktenkundigen Patientinnen verrechnete der AST Fallpauschale und Zuschlag in der Gesamthöhe von Euro 481.92 der AG. Alle suchten den ASt ausschließlich zum Zwecke der Verhütungsberatung, Vorschreibung der Pille oder wegen der Dreimonatsspritze auf und wollten keine Kassenleistung bzw. eine in der Honorarordnung angeführte Zusatzleistung. Es gab dabei immer Kontakt mit dem ASt. Er kann Patientinnen, die zu ihm kommen von vornherein nicht in solche einteilen, die Verhütungspatientinnen sind oder solche, die wegen anderer gynäkologischer Leiden ihn aufsuchen. Er frägt daher alle nach Hintergrundinformationen und erstellte, ohne dass dies gewünscht wurde bei diesen 24 Patientinnen eine Anamnese, wobei der im Vorfeld bei den Ordinationshilfen vorbereitete Anamnesebogen herangezogen wurde. Es wird gefragt, warum die Patientin die Pille will, ob Probleme wie Thrombosen aufgetreten sind. Er beurteilt, ob eine Kontraindikation vorliegt oder ob ein Leiden hinter dem Pillenwunsch steht (Blutungen, Regelkrämpfe etc.). Er klärt medizinisch, ob eine Patientin geeignet ist, die Pille verschrieben zu erhalten. Das Verhütungsgespräch bezieht sich auf die Vielfalt der Mittel und das ökonomische Moment. Er schaut bei Beurteilung der medizinischen Rechtfertigung, ob sich Veränderungen ergaben. Wenn es sich um diese Vorgespräche im Rahmen der Verhütungsberatung handelt, wo es um ein fachspezifisches Thema und Gespräch geht, dann ist in seinen Augen ohne weitere Zusatzleistungen schon die Fallpauschale gerechtfertigt. Diese medizinischen Vorgespräche sind für ihn bereits Kassenleistungen. Bei Patientinnen mit ausdrücklichem Pillenwunsch ist für den ASt eine gynäkologische Abklärung im Rahmen der Anamnesegespräche obligatorisch. Bei allen 24 Patientinnen hat der ASt den allgemeinen Gesundheitszustand evaluiert und nach gynäkologischen Leiden gefragt.

 

Da die AG die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag für diese 24 Patientinnen nicht berechtigt erkannte und der Meinung war, dass der ASt diese diagnostischen und therapeutischen Gespräche nicht erbracht hat und die Ausstellung von Pillenrezepten oder die Vorschreibung der Dreimonatsspritze ohne Inanspruchnahme einer Kassenleistung in diesem Quartal die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag nicht rechtfertige, behielt sie den angeführten Betrag eigenmächtig ohne Anrufung von Schlichtungsausschuss oder paritätische Schiedskommission ein und verwarnte den ASt am 12.4.2013 und am 16.7.2013 schriftlich.

 

Nach der Verwarnung schickte die AG unter Einschaltung einer Agentur Testpatienten zum ASt.

 

Die Testpatientin XXXX erschien am 17.12.2013 in der Ordination des ASt, der zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub war, um ein Rezept für eine Verhütungspille zu erhalten. Ein Kontakt mit dem Vertretungsarzt oder eine ärztliche Untersuchung fand nicht statt, XXXX erhielt von der Ordinationshilfe letztlich eine Dreimonatspackung Verhütungspillen in Form von Ärztemustern, wobei die Ordinationshilfe 25 Euro verlangte. XXXX war der Ansicht, dass der Betrag für die Pillen verlangt worden war. Fallpauschale und Zuschlag wurde der AG in Rechnung gestellt.

 

Die Testpatientin XXXX kam am 18.11.2013 in die Ordination, füllte den Patientenfragebogen aus, äußerte keine Beschwerden und sagte dem ASt, dass sie nur ein Rezept für die Pille "Jasmin" benötige. Der ASt hat aus dem von der Zeugin ausgefüllten Anamnesebogen eine erhöhte Thrombosegefahr abgeleitet ihr ein alternatives Verhütungsmittel und eine gynäkologische Untersuchung vorgeschlagen, was sie aber ablehnte. Der ASt hielt es dann doch für medizinisch vertretbar, ihr ein Rezept über die bisher verwendete Pille "Jasmin" auszustellen und folgte ihr Ärztemuster aus. Sie bezahlte bei der Ordinationshilfe 25 Euro. Es kann nicht festgestellt werden, dass der ASt Ärztemuster an diese Zeugin verkauft hat. Der ASt verrechnete der AG Fallpauschale und Zuschlag.

 

XXXX ist noch immer Patientin des ASt. Sie hat schwerwiegende gynäkologische Leiden, zu deren Behandlung der ASt die Dreimonatsspritze heranzog. Sie hat Zysten und jedes Mal, wenn sie eine Dreimonatsspritze erhält, wird über ihre gynäkologischen Leiden gesprochen. Wenn diese Spritze nicht nur zur Verhütung, sondern zur Behandlung gynäkologischer Leiden dient, ist sie Kassenleistung. Daher verrechnete der ASt in diesem Fall zu Recht Fallpauschale und Zuschlag.

 

Die Testpatientin XXXX suchte am 9.12.2013 die Ordination des ASt auf. Dieser hat sie gynäkologisch untersucht und ihr zur Behandlung ihrer Polypen in der Gebärmutter eine Dreimonatsspritze als unbestrittene Kassenleistung verabreicht. Sie erhielt zur Verhütung und Behandlung die Pille "Mellow". Der ASt hat sich nie zum Preis der Leistungen Pille, Sonographie und Dreimonatsspritze geäußert noch hierfür etwas verlangt. Erst die Ordinationshilfe verlangte 25 Euro für die Pille, wobei dieser Betrag jedoch tatsächlich für Verhütungsberatung bezahlt wurde.

 

Eine Feststellung, dass der ASt in der Ordination unverkäufliche Ärztemuster an Patientinnen verkaufte, kann nicht getroffen werden, jedoch hat der ASt Patientinnen in allen Fällen, wo Patientinnen mit einem Pillenwunsch zu ihm kamen oder die Dreimonatsspritze wollten, Verhütungsberatung als Nichtkassenleistung verkauft. Die Patientinnen waren jedoch subjektiv der Meinung nur die Pillen gekauft zu haben.

 

Der ASt verweigerte die Übermittlung der Krankengeschichte und der Aufzeichnungen bezüglich der Patientin Mag. XXXX. Für diese Patientin hat der ASt keine Honoraransprüche bei der AG geltend gemacht. Die E-Card wurde einmal gesteckt aber dieser Vorgang wieder storniert.

 

Beweiswürdigung:

 

Was die Fallpauschale plus Zuschlag betrifft, gründen sich die Feststellungen auf die unbedenklichen Urkunden und die Angaben des Asts.

 

Zeugin XXXX hat in ihrem Besuchsbericht (Beil./3) ein Anbot des ASt, bei ihm die Pille kaufen zu können deponiert. Dass der ASt ihr Ärztemuster tatsächlich verkaufte, kann aber dennoch nicht festgestellt werden. Verhütungsberatung kostet als Nichtkassenleistung beim ASt 25 Euro. Dass Verhütung keine Kassenleistung ist, musste den Patientinnen schon aus dem AGB bekannt sein und auch, dass alle Produkte die sie in der Ordination erhalten im Beratungshonorar inkludiert sind (siehe AGB). Den Angaben des ASt keine Ärztemuster verkauft zu haben ist daher eher zu folgen, zumal der ASt nie einen Betrag für die Pillen verlangte, sondern erst die Ordinationshilfe diesen einhob. Es widerspricht auch der Lebenserfahrung, wenn ein Arzt, der ohnehin unter dem Titel Verhütungsberatung Privatleistungen verlangen darf, für von dieser umfasste Pillen, die ihm übrigens nichts kosten Geld verlangt und wo doch der verlangte Betrag dem für die Verhütungsberatung zustehenden Betrag entspricht.. Außerdem weist die Zeugin Erinnerungslücken in Bezug auf den Inhalt des von ihr unterfertigten Fragebogens auf, so dass ihr in ihren Angaben der ASt hätte ihr Ärztemuster verkauft nicht zu folgen ist, auch wenn sie zum Ausdruck bringt, dass es klar ist, dass sie nur für die Pillen und nicht für das Gespräch bezahlen musste. Im Hinblick auf das vorhin ausgeführte und dem Umstand, dass der ASt die Patientinnen offenbar nicht exakt informierte, dass er ein Verhütungsberatungsgespräch führt und vor allem, dass das Gespräch mit dem ASt scheinbar nur kursorisch und kurz war oder allenfalls über Verhütungsberatung gar nicht gesprochen wurde, konnten die Zeugen sohin subjektiv dem Missverständnis unterliegen, das der ASt nur für die Pille Geld verlangte.

 

Gleiches gilt für XXXX, die lediglich der Ordinationshilfe 25 Euro, sohin einen Betrag im Ausmaß der sonst üblichen Verhütungsberatungsgebühr zahlte und auch eine Dreimonatspackung Pillen erhielt. Dem ASt ist ein Organisationsverschulden vorzuwerfen, dass er nicht für klare Abgrenzungen, was für ein Gespräch, das im Falle XXXX ja gar nicht mit einem Arzt stattgefunden hat und was und ob für die Pille zu zahlen ist gesorgt und nicht die nötigen Anweisungen an sein Personal erteilt hat.

 

XXXX hat die Ordination nicht, wie die AG vorbringt zum Zwecke der Verhütung aufgesucht. Nach den Angaben des ASt, die nicht widerlegt sind, diente die Dreimonatsspritze der Behandlung, so dass diese nicht Privatleistung war. Die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag war berechtigt. Ob diese Zeugin im Telefonprotokoll angab 38 Euro für die Spritze bezahlt zu haben, widerlegt nicht die Angaben des ASt, dass diese Spritze der Behandlung diente und daher Kassenleistung war.

 

Zeugin XXXX sagte aus, dass der ASt nicht sagte, dass er die Pille an sie verkauft. Daher kann eine diesbezügliche Feststellung nicht getroffen werden, zumal dem auch die glaubhafte Aussage des ASt entgegensteht, dass nur für das Verhütungsgespräch 25 Euro zu zahlen sind. Dass XXXX in der Niederschrift vom 10.12.2013 angab, dass der ASt ihr die Pille "Mellow" verkauft habe, wofür sie 25 Euro zahlte entspricht nur ihrer subjektiven damaligen Meinung, zu der oben schon bei der Zeugin XXXX und XXXX Stellung genommen wurde. Überdies sagte sie, dass der ASt nichts über den Preis gesagt und nichts verlangt habe, lediglich sie 25 Euro der Arzthelferin entrichten musste, was aber wieder dem Preis der Verhütungsberatung entspricht.

 

Auch Zeugin XXXX oder XXXX oder XXXX (sie glaubt nicht, dass der ASt ein Entgelt verlangt hat) aber auch Zeugin XXXX, XXXX und XXXX erklären den Preis der Pillen von der Ordinationshilfe erfahren zu haben nicht vom ASt. Wenn auch Zeugin XXXX angab, dass der ASt sagte, sie könne die Pillen bei ihm kaufen oder Zeugin XXXX den Eindruck hatte für die Pille zu zahlen bzw., dass der ASt gesagt habe, dass sie für die Pille 50 Euro (1/2 jährlich) zu zahlen habe, aber alle bestätigten bei der Ordinationshilfe bezahlt zu haben, so ist mit der notwendigen Sicherheit daraus aus den schon vorgenannten Gründen nicht abzuleiten, dass der ASt die Ärztemuster verkauft hat und nicht die Nichtkassenleistung Verhütungsberatung . Zeugen holten auch für drei Monate die Pille (Zeugin XXXX) und zahlte nach ihrer Einschätzung sieben bis acht Euro pro Monat, was wieder ca 25 Euro für drei Monate ausmacht und sohin dem Preis für die Verhütungsberatung entsprach. Diskrepanzen bei den Beträgen 50 Euro bzw. 25 Euro, dürfte sich auf den Zeitraum der Besuche beim ASt beziehen, wobei, wenn die Patienten zweimal beim ASt waren dann 50 Euro (zweimal im Quartal) zu zahlen hatten und wenn sie einmal im Quartal bei ihm waren 25 Euro. Soweit fünf, sechs Euro oder zehn Euro angeführt wurden (XXXX, die sich nicht sicher ist) ändert dies nach der langen Zeit seit den Besuchen beim ASt und anzunehmenden Unsicherheiten der Zeugen nichts an der Einschätzung der Kommission. Nach Überzeugung der Kommission spricht alles dafür, dass alle nur den Eindruck hatten für die Pille zu zahlen, weil sie nie präzise aufgeklärt wurden und der ASt so ist es den Zeugenaussagen zu entnehmen, die Verhütungsberatung, die er privat verrechnete manchmal nur sehr oberflächlich oder nicht erkennenswert oder vielleicht gar nicht durchführte. Dies ist aber nicht Gegenstand der Kündigung. Die Zeugen konnten daher objektiv und subjektiv durchaus der Meinung sein, dass nur die Pille verkauft wurde und die 25 Euro, die dann die Ordinationshilfe auch nicht erkennbar für Verhütungsberatung verlangte nur dem Kauf der Pille zuzurechnen war. Damit ist aber ein Verkauf oder die Absicht des ASt die Pille zu verkaufen nicht überzeugend nachgewiesen. Soweit der ASt im April 2014 von den 24 Patientinnen, die in Fragebögen der AG früher einen Arztkontakt mit dem AST verneint hatten Bestätigungen abverlangte, dass entgegen der Behauptungen dieser Patientinnen doch ein Arztkontakt mit dem ASt bzw. eine Untersuchung stattgefunden habe und im Falle der Patientin Sommer er möglicherweise nachträglich in die von dieser Patientin ohne Einsetzung von Daten der Untersuchung übermittelte und unterfertigte Bestätigung die Daten einsetzte, beeinträchtigt dies seine Glaubwürdigkeit nicht. Dass die von ihm eingesetzten Daten falsch wären ergibt sich aus der Zeugenaussage nämlich nicht, so dass ihm eine Fälschungsabsicht nicht unterstellt werden kann.

 

Mag. XXXX, auf deren persönlichem Erscheinen verzichtet wurde, deponiert in ihrem Telefonprotokoll, dass sie kein kostenpflichtiges Verhütungsberatungsgespräch als Nichtkassenleistung in Anspruch nehmen wollte, worauf ihr gesagt worden sein soll, dass es lediglich die Pille als Option gäbe. Der ASt hätte gemeint, dass ihr derzeitiges Verhütungsmittel nur für geistig zurückgebliebene Personen sei und warum sie dieses verwende. Er habe ihr eine Packung von der Pille (Ärztemuster) mitgegeben wofür sie glaubte 10 Euro bezahlt zu haben. Von wem der Betrag verlangt wurde, sagt sie nicht. Auch diese Aussage schließt nicht aus, dass der Betrag für das wenn auch kurze Verhütung beinhaltende Gespräch gewidmet war. Eine Absicht des ASt Ärztemuster zu verkaufen ist im Hinblick auf seine Angaben und der Konstellation entgeltpflichtiges Verhütungsgespräch und kostenloses Ärztemuster nicht gegeben. Denn naheliegend ist es, dass er diesen Betrag für Verhütungsberatung widmete. Ob die Patientin in die Irre geführt wurde und glaubte für die Pille zu zahlen, ist ohne Belang. Selbst wenn der ASt den Angaben der Zeugin zufolge sagte, dass die Pille gratis gewesen wäre, wenn sie das kostenpflichtige Beratungsgespräch in Anspruch genommen hätte. Nach der glaubhaften Aussage des ASt hätten mit der Zeugin XXXX Differenzen bestanden, -ihre schlechte Meinung vom ASt lässt sich ihrem Telefonprotokoll entnehmen- , so dass ihre Angaben nicht unbedenkliche Beweisgrundlage sind.

 

XXXX die nicht sehr glaubwürdig wirkte, gab an wegen Verhütung und Ausstellung eines Pillenrezeptes beim ASt gewesen zu sein. Dabei hätte der ASt gesagt, dass sie gleich den Jahresvorrat der Pille bei ihm kaufen könne. Pillen hätte er ihr mehrmals zum Kauf angeboten. Sie habe 50 Euro bezahlt und vier Säckchen mit je drei Plister erhalten und beim Empfang bezahlt. Die Pillen hätte er ihr persönlich übergeben. Ein Verhütungsgespräch habe es nicht gegeben und habe er sie nicht über die Verwendung der Pille aufgeklärt, weil sie diese schon immer genommen habe.

 

Die Angaben des ASt nie einer Patientin Pillen verkauft zu haben sind dennoch nach den obigen Ausführungen nicht unglaubwürdig und werden durch keine der scheinbar im Widerspruch zu seinen Angaben stehenden Äußerungen der Zeugen mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt. Es kann schon sein, dass über die Pillen und ihren Erwerb gesprochen wurde, vielleicht auch das Wort Kauf gefallen ist und die Zeugen dies als Kaufanbot verstanden haben. Das Gespräch über die Pille und Verhütung und den Erwerb war offenbar kurz und kursorisch. Eine Absicht des ASt Pillen zu verkaufen kann aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werde. Der von den Zeugen genannte Preis für die Pillen stimmt in der Regel mit dem Preis einer oder mehrerer Verhütungsberatungen überein, so dass die Angaben des ASt den Feststellungen unbedenklich zu Grunde gelegt werden können. Überdies wurde bereits ausgeführt, dass der ASt völlig legal Verhütungsberatung wozu auch die Pillenvorschreibung gehört verrechnen durfte, so dass es der Lebenserfahrung widerspräche, wenn er unverkäufliche Ärztemuster den Patientinnen verkauft, wozu kommt, dass der von den Zeugen angegebene Preis für die Pillen in der Regel ohnehin dem Preis der Verhütungsberatung entspricht. Dass den Patientinnen dies nicht leicht erkennbar war, macht die Angabe des ASt nicht unglaubhaft.

 

Rechtlich folgt:

 

Die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag widerspricht den Bestimmungen der Honorarordnung. Diese sieht einen bestimmten Betrag pro Anspruchsberechtigten und Quartal vor, der als Fallpauschale oder Grundleistung bezeichnet aber in der Honorarordnung nicht erklärt oder definiert wird. Zusätzlich gibt es den Sonderleistungstarif (Grillberger/Mosler, Ärztliches Vertragspartnerrecht, 266; SSV-NF 7/A7 ). Voraussetzung für die Berechtigung, Fallpauschale zu verrechnen, ist, dass eine Behandlung des anspruchsberechtigten Patienten erfolgt oder die Folge seines Besuches in der Ordination ist. Behandlung ist jede Leistung des Arztes, die der Behebung eines regelwidrigen Körperzustandes oder Leidens dient und zur Verrechnung einer Sonderleistung führt oder führen kann, aber auch nur die Ausstellung eines Rezeptes, weil das verschriebene Medikament der Behandlung dient und einen Arztkontakt voraussetzt. Dies aber nur, wenn die vom Patienten beanspruchte Leistung Gegenstand des Leistungskataloges des Gesamtvertrages ist und von der Pflicht der AG umfasst ist diese Leistungen an die Versicherten zu erbringen und sich daher nicht im kassenfreien Raum bewegt. Nicht verrechenbar ist Fallpauschale und Zuschlag, wenn wie im vorliegenden Fall die 24 Patientinnen ausschließlich nicht im Leistungsbereich der AG liegende Leistungen begehren, wie die Verhütung und daher auch keine Sonderleistungspositionen der Honorarordnung erbracht werden. Verhütung ist alles, was mit Verabreichung und Beratung über Verhütungsmittel zusammenhängt und nicht der Behandlung eines medizinischen Leidens dient (wie dies beispielsweise und unbestritten bei der Dreimonatsspritze sein kann). Zur Kassenleistung wird der Besuch der Patientin zum Zwecke der Verhütungsberatung auch dann nicht, wenn der Arzt von sich aus, ohne dass eine diesbezügliche Leistung von der Patientin begehrt wird, im Vorfeld der Verschreibung eines bestimmten Verhütungsmittels diagnostische und therapeutische Anamnesegespräche führt. Auch diese sind der verantwortungsvollen Verhütungsberatung zuzurechnen, weil sie der Beurteilung des medizinischen Gesundheitszustandes und Prüfung der Kontraindikation dienen, um das geeignetste Verhütungsmittel zu eruieren. Die gegenteilige subjektive Meinung des Ast vermag nichts daran zu ändern, dass die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag bei den 24 Patienten und den weiteren oben angeführten Patienten nicht der Honorarordnung entsprach und die AG zu Recht den unstrittigen Betrag einbehielt.

 

Die Entscheidung SSV-NF 7/A7 beantwortet nur die Frage, ob Vertragsärzte bei Erbringung von Nichtkassenleistungen (dort die Nadelakupunktur) verpflichtet sind, diese Leistung mangels einer in der Honorarordnung vorgesehenen Sonderleistung als Grundleistung ohne gesonderte über die hiefür vorgesehene Vergütung hinausgehende Honorierung zu erbringen. Ob die Grundleistung (Fallpauschale) immer der Kasse gegenüber verrechnet werden kann, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Entscheidung ist auch deshalb nicht anwendbar, weil im vorliegenden Fall eine Vergütung für Verhütungsberatung als Nichtkassenleistung außer Frage steht, die aber alle Leistungen umfasst, die mit Verhütung zusammenhängen. Die Frage einer Grundleistung der Honorarordnung stellt sich daher nicht.

 

Dass ein eigenmächtiger Abzug bei strittigen Honorarpositionen gegen § 47 GV verstößt, ergibt sich aus dem GV, so dass diesbezüglich kein Feststellungsinteresse besteht. Die vorläufige Auszahlungsverpflichtung kommt aber nur dann zum Tragen, wenn keine offenkundige Unrichtigkeiten der Abrechnung bestehen. Dies ist der Fall, wenn der Krankenversicherungsträger nachweist, dass verrechnete Leistungen, wie hier Fallpauschale plus Zuschlag nicht erbracht wurden (Grillberger in Strasser, Arzt und gesetzliche Krankenversicherung, 378) oder schon auf Grundlage der Honorarordnung nicht verrechnet werden durften. Diesen Standpunkt vertrat die AG aufgrund der Patientenbefragungen. Daher hat sie nicht gegen § 47 GV verstoßen.

 

Es ist nicht Aufgabe der paritätischen Schiedskommission theoretisch abstrakte Rechtsfragen zu lösen (VfGH B 1804/08). Ob der ASt bei kurzen diagnostischen und therapeutischen Gesprächen Fallpauschale und Zuschlag verrechnen kann, hängt davon ab, ob in der Honorarordnung enthaltene oder von dieser umfasste Leistungen erbracht wurden und der Behandlung dienten und Leistungen nach dem Gesamtvertrag und der Honorarordnung sind. Kassenleistungen und Leistungen im kassenfreien Raum können getrennt erbracht werden. Bei Erbringung einer Kassenleistung, die nach der Honorarordnung zu entlohnen ist spricht nichts dagegen Fallpauschale und Zuschlag zu verrechnen. Daneben besteht durchaus die Möglichkeit Leistungen im kassenfreien Raum zusätzlich zu erbringen und privat zu verrechnen. Dies sind aber nur vom ASt theoretisch angeschnittene Fragen, denen kein konkreter Sachverhalt zugrunde liegt.

 

Die AG hat die ungerechtfertigte Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag in den Fällen der 24 Patientinnen nachgewiesen. Die darauf gegründete Verwarnung wäre daher grundsätzlich berechtigt gewesen. Eine Verwarnung, die keines bestimmten Wortlautes noch der Androhung der Kündigung bedarf soll erkennbar zum Ausdruck bringen, dass das beanstandete Verhalten eine wesentliche Verletzung von erkennbaren Vertragspflichten darstellt und in Hinkunft nicht mehr geduldet wird. Damit dem Arzt das Pflichtwidrige seines Verhaltens erkennbar wird, muss ihm aber deutlich gemacht werden, worin die Pflichtwidrigkeit besteht und aus welchen eindeutigen vertraglichen Grundlagen oder Normen dies abzuleiten ist.

 

Die AG wies in ihrer Verwarnung vom 12.4.2013 darauf, dass die Benennung von Symptomen zur Erkennbarkeit einer Behandlungsbedürftigkeit erforderlich seien. Wenn eine Patientin ohne Hinweis auf ein bestimmtes Beschwerdebild ausschließlich zum Zwecke der Kontrazeption erscheine, sei keine Krankenbehandlung gegeben. Bei Patientinnen, die lediglich zur Ausstellung eines Pillenrezeptes oder zur Verabreichung der Dreimonatsspritze kommen und sonst keine Kassenleistung in Anspruch nahmen, sei rechtsgrundlos Fallpauschale und Zuschlag in Rechnung gestellt worden. In der Verwarnung vom 16.7.2013 führte die AG noch aus, dass die vom ASt behaupteten therapeutischen bzw. diagnostischen Gespräche weder den Krankengeschichten noch den Angaben der Patientinnen zu entnehmen seien, so dass die AG davon ausgehe, dass diese nicht stattgefunden haben und somit die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag zu Unrecht erfolgte.

 

Der ASt stand auf dem Standpunkt, dass die therapeutischen und diagnostischen Gespräche schon für sich die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag rechtfertigen. Die Honorarordnung gibt keine ausdrückliche Auskunft, ob therapeutische und diagnostische Gespräche in Verbindung mit einer Nichtkassenleistung allein schon ohne weitere Sonderleistungsposition den Anspruch auf die Fallpauschale plus Zuschlag begründen. Das bedeutet, dass der ASt aus den Verwarnungen in Verbindung mit dem bloßen Wortlaut der Honorarordnung das unrechtmäßige seines Verhaltens nicht eindeutig erkennen konnte, sondern erst durch Auslegung der Honorarordnung erkannt werden konnte, dass Fallpauschale und Zuschlag nur bei der weiteren Verrechnungsmöglichkeit einer Sonderleistungsposition und bei Behandlung eines Anspruchsberechtigten anfallen können. Bei der nicht eindeutig erkennbaren Rechtslage und seiner durch die Honorarordnung nicht eindeutig widerlegten Rechtsmeinung musste dem ASt die wesentliche Verletzung von Vertragspflichten auf Grund der Verwarnung allein noch nicht deutlich erkennbar sein, so dass eine Beharrlichkeit und Unnachgiebigkeit und Hartnäckigkeit eines auf Nichtbefolgung der Bestimmungen der Honorarordnung gerichteten Willens des ASt bei der neuerlichen nicht gerechtfertigten Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag im Falle der Patientinnen XXXX und XXXX nach der Verwarnung noch nicht verwirklicht wurde. Bei XXXX und XXXX hat der ASt auch Kassenleistungen erbracht, so dass Fallpauschale und Zuschlag zustanden. Bei XXXX hat der ASt die unrichtige Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag eingestanden, so dass in diesem Falle und insgesamt darin kein beharrliches hartnäckiges Nichtbeachten von Pflichten in der irrtümlichen Verrechnung erblickt werden kann.

 

Außerdem gehen die Verwarnungen davon aus, dass die behaupteten therapeutischen und diagnostischen Gespräche den Krankengeschichte oder den Angaben der Patientinnen nicht zu entnehmen waren und daher angenommen wurde, dass sie nicht geleistet worden sind (Beil./6) bezw eine Nennung von Symptomen die auf eine Behandlungsbedürftigkeit hinweisen offenbar bei den Patientinnen, die zum Zwecke der Verhütung den ASt aufsuchen fehlen (Beil./5). Daraus ist zu entnehmen, dass die AG dokumentationsgemäß offenkundige Abrechnungsfehler den Verwarnungen zugrunde legt und nicht ausführt, welche Bestimmungen der Honorarordnung der Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag entgegenstehen. Wie ausgeführt kommt den Verwarnungen daher nicht der deutliche Hinweis, welche konkreten Bestimmungen der Honorarordnung der ASt krass zuwiderhandelte, zu. Die Verwarnungen sind eher dem Vorwurf Leistungen nicht erbracht zu haben zuzurechnen.

 

Da ein besonders schwerwiegender Verstoß in Kenntnis der Verwerflichkeit und der unvertretbaren Unrichtigkeit seines Verhaltens auf Grund der nicht eindeutigen Bestimmungen der Honorarordnung durch die unberechtigte Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag bei der Patientin XXXX und XXXX (letztere erkannte auch der AST als unberechtigt an und erklärte seine Rückzahlungsbereitschaft) auch nach den Verwarnungen nicht erfüllt wurde, liegt der angezogene Kündigungsgrund noch nicht vor.

 

Was die Veräußerung von unverkäuflichen Ärztemustern betrifft konnte nicht festgestellt werden, dass der ASt Ärztemuster verkauft hat. Er hat Ärztemuster in Verbindung mit der Verhütungsberatung unentgeltlich ausgefolgt. Gekauft wurde nur die Nichtkassenleistung Verhütungsberatung. Das ergibt sich auch aus den AGB. Der subjektive Eindruck der Patientinnen die Pille gekauft zu haben, reicht nicht aus um den geltend gemachten Kündigungsgrund zu verwirklichen.

 

Die Nicht- oder mangelhafte Übermittlung von Krankengeschichten von Mag XXXX reicht ungeachtet einer ausgesprochenen Verwarnung nicht aus die Kündigung zu rechtfertigen. Schon die AG führt in ihrer Verwarnung vom 12.4.2013 aus, dass die angeforderten Dokumentationen zur Kontrolle der Abrechnung erforderlich seien.

 

Es steht aber fest, dass der AST Leistungen für diese Patientin der AG nicht in Rechnung gestellt hat und das erfolgte Stecken der E-Card storniert wurde. Schon deshalb scheidet eine Kontrolle einer Abrechnung durch die AG aus, so dass die in der schriftlichen Kündigung angeführten Gründe, wie der Nichtübermittlung der Krankengeschichte bzgl. der Patientin XXXX nicht verwirklicht sind. Ob in Zukunft eine Nachverrechnung erfolgen kann oder die Ausstellung eines Kassenrezeptes irgendwelche Folgekosten nach sich zieht, war nicht Gegenstand der schriftlichen Kündigung, zumal zum Zeitpunkt der Kündigung eine Verrechnung von Leistungen an die AG nicht erfolgt ist. Die nachträglich relevierten Umstände müssen unberücksichtigt bleiben.

 

Zur Verwendung der ABG führt die AG aus, dass sie sich nie grundsätzlich gegen deren Verwendung ausgesprochen habe. Schon der Disziplinaranwalt der Ärztekammer konnte in der Verwendung der AGB kein standeswidriges Verhalten erkennen, Warum die Ausstellung einer Bestätigung durch die Patientinnen, nicht Testpatient zu sein oder für falsche Angaben haftbar gemacht werden zu können einen Verstoß gegen den Einzel- oder Gesamtvertrag begründet oder Kontrollaufgaben der AG durch die zulässige Heranziehung von Testpatienten unmöglich macht, lässt sich den Ausführungen der AG nicht entnehmen noch ist dies wahrscheinlich. Damit wird der Einsatz von Testpatienten nicht verhindert noch ergibt sich eine Weigerung des ASt diese zu behandeln aus den AGB. Eine Haftung der Testpatienten kann nur auftreten, wenn diese bewusst wahrheitswidrige Angaben machen. Von einer Herabsetzung des Ansehens der AG in den Augen der Öffentlichkeit kann keine Rede sein, weil die Kontrolle, wenn auch mittels Testpatienten zu den Aufgaben der AG gehört. Was die Öffentlichkeit oder die Anspruchsberechtigten von Testpatienten halten, ist nicht durch die AGB veranlasst und ist irrelevant für das Verhältnis ASt zur AG. Eine beharrliche oder schwerwiegende Pflichtverletzung, die zur Kündigung berechtigt ist durch Verwendung der AGB nicht verwirklicht.

 

Mangels Verwirklichung eines herangezogenen Kündigungsgrundes erfolgte der Ausspruch der Kündigung nicht zu Recht. Der Einzelvertrag des ASt ist daher aufrecht.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid steht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen. Eine begründete Beschwerde ist binnen 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides der Paritätischen Schiedskommission und Landesschiedskommission bei dieser in zweifacher Ausfertigung einzubringen, wobei die Geschäftsstelle im Jahre 2015 die Wiener Gebietskrankenkasse ist.

 

Paritätische Schiedskommission und

 

Landesschiedskommission für Wien

 

Wien, am 20.3.2015

 

(Der Vorsitzende Dr.XXXX e.h.)

 

F.d.R.d.A.:

 

Als Geschäftsstelle der

 

Paritätischen Schiedskommission und

 

Landesschiedskommission:

 

XXXX"

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23.04.2015 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und bekämpfte den Bescheid mit folgenden Ausführungen: "Der Bescheid wird wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (unrichtige rechtliche Beurteilung), wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde(n) sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften insoweit angefochten, als in Punkt 4. des Bescheides die Kündigung des kurativen Einzelvertrages des Dr. XXXX vom 3.3.2014 per 30.4.2014 durch die Beschwerdeführerin aufgehoben wird.

 

1. Bezeichnung des angefochtenen Bescheides

 

1.1. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid vom 20.3.2015, der die Geschäftszahl "W-LSK 2/2014 + W-PSK 5/2014" trägt. Im vorliegenden Fall wurden zwei Verfahren vor der Landesschiedskommission für Wien (GZ: W-LSK 2/2014) und der Paritätischen Schiedskommission für Wien (GZ W-PSK 5/2014) zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und es wurde ein (gemeinschaftlicher?) Bescheid durch eine im Gesetz nicht vorgesehene Behörde "Landesschiedskommission für Wien und Paritätische Schiedskommission für Wien" erlassen. Beides ist nicht nur ungewöhnlich, sondern - wie im Folgenden noch dargestellt wird - rechtswidrig. Sollte es sich beim angefochtenen Bescheid um einen (einheitlichen) Bescheid handeln, richtet sich die Beschwerde gegen diesen Bescheid mit der Geschäfts-zahl "W-LSK 2/2014 + W-PSK 5/2014"; sollte jedoch davon auszugehen sein, dass (in einem Dokument) zwei voneinander getrennt zu beurteilende Bescheide zweier Behörden vorliegen, würde sich die gegenständliche Beschwerde nur gegen den Bescheid der Landesschiedskommission für Wien, Geschäftszahl W-LSK 2/2014, richten (also gegen Punkt 4. des angefochtenen Bescheids).

 

1.2. Der Einfachheit halber wird in dieser Beschwerde nur der Begriff "angefochtener Bescheid" verwendet.

 

2. Bezeichnung der belangten Behörde

 

2.1. Die Ausführungen in Punkt 1. gelten sinngemäß auch für die Bezeichnung der belangten Behörde. Der angefochtene Bescheid wurde von einer im Ge-setz nicht vorgesehenen Behörde "Landesschiedskommission für Wien und Paritätische Schiedskommission für Wien" erlassen, weshalb diese als "be-langte Behörde" iSd § 9 Abs 1 Z 2 VwGVG anzusehen ist. Nimmt man jedoch an, dass zwei Bescheide zweier Behörden (in einem Dokument) vorliegen, wäre die belangte Behörde nur die Landesschiedskommission für Wien.

 

2.2. Der Einfachheit halber ist im Folgenden kurz von der "belangten Behörde" die Rede.

 

3. Zur Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde

 

3.1. Der hier angefochtene Bescheid "W-LSK 2/2014 + W-PSK 5/2014" vom 20.3.2015 wurde der Beschwerdeführerin am 27.3.2015 zugestellt. Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 7 Abs 4 VwGVG vier Wochen und beginnt mit dem Tag der Zustellung des Bescheids. Die Beschwerde ist somit rechtzeitig.

 

3.2. Die Beschwerde ist bei der belangten Behörde einzubringen (§§ 12 und 20 Satz 2 VwGVG e contrario). Die belangte Behörde ist nicht an den ERV angeschlossen, sodass die Beschwerde schriftlich bei der Geschäftsstelle der Landesschiedskommission für Wien (derzeit Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19) einzubringen ist.

 

3.3. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid aus den in Punkt 5. dargestellten Beschwerdegründen in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie in ihren subjektiven Rechten auf richtige und faire Anwendung der Verfahrensvorschriften, auf richtige Zusammensetzung der Landesschiedskommission gemäß § 345 Abs 1 ASVG und § 15 SchKV 2014, auf Durchführung eines gesetzmäßigen, der Erforschung der materiellen Wahrheit dienenden Ermittlungsverfahrens vor der sachlich zuständigen Behörde, auf vollständige und den Beweisergebnissen entsprechende Sachverhaltsfeststellungen sowie auf richtige Anwendung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des ASVG, verletzt und daher gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG beschwerdelegitimiert.

 

3.4. Gemäß § 347a ASVG kann gegen einen Bescheid der Paritätischen Schiedskommissionen, der Landesschiedskommissionen und der Bundesschiedskommission und wegen Verletzung ihrer Entscheidungspflicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Bundesverwaltungsgericht ist somit zuständig.

 

3.5. Die Pauschalgebühr in Höhe von EUR 30,00 wurde mittels beiliegendem Zahlungsbeleg entrichtet.

 

4. Sachverhalt

 

4.1. Dr. XXXX (in der Folge auch "mitbeteiligte Partei"; wenn im Folgenden, insbesondere bei Zitaten aus dem angefochtenen Bescheid, vom "Antragsteller" oder "ASt" die Rede ist, ist damit Dr. XXXXgemeint) ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er steht in einem Einzelvertragsverhältnis zur Wiener Gebietskrankenkasse (in der Folge auch "Beschwerdeführerin"; wenn im Folgenden von der "Antragsgegnerin" oder "AG" die Rede ist, ist damit die Beschwerdeführerin gemeint).

 

4.2. Aufgrund wiederholter und schwerwiegender Vertrags- und Berufspflichtverletzungen, die Dr. XXXX trotz zahlreicher Verwarnungen nicht abgestellt hat, sah sich die Beschwerdeführerin dazu veranlasst, den mit Dr. XXXX abgeschlossenen kurativen Einzelvertrag im eigenen Namen und im Namen der in § 2 des Gesamtvertrages angeführten Krankenversicherungsträger mit Schreiben vom 3.3.2014 mit Wirksamkeit per 30.6.2014 gemäß § 343 Abs 4 ASVG zu kündigen. Begründet wurde diese Kündigung (Beilage ./1 im Verfahren vor der belangten Behörde) kurz zusammengefasst mit der fälschlichen Verrechnung von Nicht-Kassenleistungen an die Beschwerdeführerin, mit der Verletzung der Auskunfts- und Unterstützungspflichten und mit dem unzulässigen Verkauf von Ärztemustern durch Dr. XXXX. Gegen diese Kündigung erhob Dr. XXXX Einspruch an die Landesschiedskommission für Wien. In seinem Einspruch begehrte er, die angefochtene Kündigung für unwirksam zu erklären. Das diesbezügliche Verfahren wurde unter der GZ W-LSK 2/2014 geführt.

 

4.3. In einem weiteren von Dr. XXXX angestrengten (vom Verfahren vor der Landesschiedskommission unabhängigen) Verfahren vor der Paritätischen Schiedskommission für Wien zu GZ W-PSK 5/2014 beantragte Dr. XXXX im Wesentlichen die Rückzahlung des von der Beschwerdeführerin von der Honorarauszahlung am 31.5.2013 einbehaltenen Betrages von EUR 481,92 samt Zinsen und stellte die in den Punkten 2. und 3. des angefochtenen Bescheids ersichtlichen Anträge auf Feststellung.

 

4.4. Sowohl im Verfahren vor der Landesschiedskommission für Wien als auch im Verfahren vor der Paritätischen Schiedskommission für Wien war der Vorsitzende Dr. XXXX FIRdOGHIR. Die Beisitzer in den beiden Verfahren waren jedoch (zumindest zum Teil) andere. Ohne ersichtliche förmliche Anordnung (und ohne Rechtsgrundlage) wurden die beiden Verfahren vor der Landesschiedskommission für Wien (W-LSK 2014) und vor der Paritätischen Schiedskommission für Wien (W-PSK 5/2014) verbunden. Schon jetzt wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Landesschiedskommission und bei der Paritätischen Schiedskommission um zwei verschiedene, unterschiedlich zusammengesetzte Behörden mit unterschiedlicher Zuständigkeit handelt. Daran ändert auch eine teilweise "Personalunion" einzelner Mitglieder dieser Kommissionen nichts.

 

4.5. Nach Durchführung mehrerer mündlicher Verhandlungen und Anhörung zahlreicher Zeugen wurde der Antrag auf Rückzahlung des Betrages von EUR 481,92 zuzüglich Zinsen abgewiesen, die beiden anderen (in Punkt 2. und 3. des angefochtenen Bescheides ersichtlichen) Anträge auf Feststellung zurück- bzw. abgewiesen; die Kündigung des kurativen Einzelvertrages des Dr. XXXX vom 3.3.2014 wurde jedoch aufgehoben (Punkt 4. des angefochtenen Bescheides). Gegen diese Aufhebung richtig sich die vorliegende Beschwerde.

 

5. Beschwerdegründe

 

5.1. Einleitung und Zusammenfassung

 

Der angefochtene Bescheid leidet an zahlreichen Mängeln:

 

· Der angefochtene Bescheid wurde von einer im Gesetz nicht vorgesehenen und damit unzuständigen Behörde "Landesschiedskommission für Wien und Paritätische Schiedskommission für Wien" erlassen.

 

· Selbst wenn man davon ausgehen wollte, Punkt 4. des angefochtenen Bescheides wäre von der insofern zuständigen Landesschiedskommission für Wien erlassen worden, hätte diese Behörde nicht in der nach dem Gesetz vorgeschriebenen Zusammensetzung entschieden. Jedenfalls aber haben an der Verhandlung nicht stimmberechtigte Mitglieder teilgenommen, was ebenfalls rechtswidrig ist.

 

· Darüber hinaus hat die belangte Behörde den festgestellten Sachverhalt hinsichtlich der unzulässigen Verrechnung von Nicht-Kassenleistungen - konkret der ausschließlichen Privatleistung Verhütung (Verschreibung der "Antibabypille") - rechtlich falsch beurteilt, zumal die Behörde zwar feststellt, dass es zu einer solchen unzulässigen Verrechnung von Privatleistung gekommen ist, die Verwarnungen der Wiener Gebietskrankenkasse vom 12.4.2013 und 16.7.2013 jedoch angeblich nicht eindeutig gewesen sein sollen. Wie im Folgenden dargestellt, waren die wiederholten Verwarnungen mehr als eindeutig und unmissverständlich.

 

· Was den unzulässigen Verkauf von Ärztemustern betrifft, hat die belangte Behörde nicht nur den festgestellten Sachverhalt unrichtig beurteilt, sondern insbesondere auch die vorliegenden Beweisergebnisse unrichtig gewürdigt und in wesentlichen Punkten den festgestellten Sachverhalt akten-widrig angenommen; wesentliche Beweisergebnisse wurden von der belangten Behörde gänzlich außer Bedacht gelassen.

 

· Schließlich hat die belangte Behörde auch den festgestellten Sachverhalt bezüglich der Weigerung zur Kooperation durch Dr. XXXX rechtlich falsch beurteilt.

 

Der angefochtene Bescheid ist somit bereits aus formellen Gründen aufzuheben bzw. im Hinblick auf die eindeutigen Beweisergebnisse dahingehend abzuändern, dass dem Einspruch des Dr. XXXX gegen die Kündigung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 3.3.2014 nicht stattgegeben wird. Dazu im Einzelnen:

 

5.2. Unrichtige Zusammensetzung der Kollegialbehörde - Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

 

Gemäß § 344 Abs 2 ASVG besteht die paritätische Schiedskommission aus einem/einer Richter/in des Ruhestandes als Vorsitzenden/Vorsitzende und vier Beisitzern/Beisitzerinnen. Der/Die Vorsitzenden sollen durch längere Zeit hindurch in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig gewesen sein. Er/Sie ist vom Bundesminister für Justiz jeweils auf fünf Jahre zu bestellen. Je zwei Beisitzer/Beisitzerinnen - von denen jeweils ein/eine Arzt/Ärztin sein muss - werden von der zuständigen Ärztekammer und vom Krankenversicherungsträger, der Partei des Einzelvertrages ist, bestellt. Gemäß § 345 Abs 1 ASVG besteht die Landesschiedskommission aus einem Richter/einer Richterin des Ruhestandes als Vorsitzenden und vier Beisitzern/Beisitzerinnen; je zwei Beisitzer/Beisitzerinnen werden im Einzelfall von der zuständigen Ärztekammer und dem Hauptverband entsendet.

 

Gemäß § 344 Abs 1 ASVG und § 2 Abs 1 der Schiedskommissionsverordnung 2014 (SchKV 2014) ist die Paritätische Schiedskommission zuständig zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Vertragsarzt und Träger der Krankenversicherung, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, sofern es sich nicht um eine Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 343 Abs 4 ASVG handelt. Gemäß § 345 Abs 2 ASVG und § 14 Abs 1 SchKV 2014 ist die Landesschiedskommission zuständig (1) zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages über die Auslegung oder die Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages, (2) zur Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß § 343 Abs 4 ASVG und (3) zur Entscheidung bei Anträgen nach § 343 Abs 1b ASVG.

 

Die Paritätische Schiedskommission und die Landesschiedskommission sind somit zwei verschiedene Behörden mit unterschiedlicher Zusammensetzung und unter-schiedlichen Zuständigkeiten. Gemäß ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ist die Paritätische Schiedskommission nicht zuständig zur Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 343 Abs 4 ASVG.

 

Der Bescheid vom 20.03.2015, "W-LSK 2/2014 + W-PSK 5/2014", wurde durch die "Landesschiedskommission für Wien und die Paritätische Schiedskommission für Wien" erlassen, konkret durch den Vorsitzenden Dr. XXXX HRdOGHiR sowie durch die (insgesamt sechs) Beisitzer Mag. XXXX, Dr. XXXX, Mag.XXXX, Mag. XXXX, Prim. Prof. DDr. XXXX und Dr. XXXX erlassen.

 

Richtigerweise hätten die Punkte 1., 2. und 3. des Spruches aber durch die paritätische Schiedskommission für Wien und Punkt 4. des Spruches durch die Landesschiedskommission für Wien entschieden werden müssen, und zwar in der jeweiligen gesetzlichen Zusammensetzung gemäß ASVG und SchKV 2014. Insbesondere hätte die Paritätische Schiedskommission nicht über die Wirksamkeit der Kündigung entscheiden dürfen.

 

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG wird verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl. VfSig 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (vgl. VfSig 15.482/1999, 15.858/2000, 16,079/2001 und 16.737/2002). Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird auch dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (vgl. VfSig 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000, 16.572/2002 oder 19.406). Eine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit insbesondere auch bei unrichtiger personeller Besetzung einer Behörde vor, etwa wenn die Behörde eine über die gesetzlich vorgesehene Besetzung hinausgehende Anzahl an Mitgliedern aufweist (VfGH 29.2.2008, B 187/06), also zu wenige oder zu viele Personen mit-wirken (Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 68 Rz 108 mwN). Genau dies ist beim gegenständlichen Bescheid geschehen.

 

Der Vorsitzende Dr. XXXX HRdOGHiR hat das Verfahren vor der Landesschiedskommission für Wien zu W-LSK 2/2014 und jenes vor der paritätischen Schiedskommission für Wien zu W-PSK 5/2014 gesetzwidrig verbunden. Verfahren können u.a. gemäß § 39 Abs 2 oder Abs 2a AVG verbunden werden. Sowohl die fakultative Verfahrensverbindung des § 39 Abs 2 AVG als auch jene des § 39 Abs 2a AVG setzt jedoch voraus, dass dieselbe Behörde sachlich und örtlich zuständig ist (Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 39 Rz 30 mwN). Die paritätische Schieds-kommission für Wien und die Landesschiedskommission Wien sind zwei voneinander verschiedene Behörden mit unterschiedlicher Zuständigkeit, weshalb eine Verfahrensverbindung nicht zulässig ist; schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

Darüber hinaus wurde der Bescheid von einer gesetzlich nicht vorgesehenen und somit unzuständigen Behörde "Landesschiedskommission für Wien und Paritätische Schiedskommission für Wien", die aus insgesamt sieben - anstatt wie gesetzlich vorgesehen jeweils fünf - Mitgliedern bestand (einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern), erlassen. Die belangte Behörde wies somit eine über die gesetzlich vorgesehene Besetzung hinausgehende Anzahl an Mitgliedern auf.

 

Der angefochtene Bescheid wurde somit nicht nur von einer unrichtig zusammengesetzten ("überbesetzten") Kollegialbehörde erlassen, sondern sogar von einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Behörde, die somit auch nicht zuständig ist, nämlich der "Landesschiedskommission für Wien und der Paritätischen Schiedskommission für Wien". Die Antragsgegnerin wurde durch den angefochtenen Bescheid daher in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG verletzt.

 

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die zwei "überschüssigen" Mitglieder nicht mitgestimmt haben, wäre die Teilnahme solcher nicht stimmberechtigter Mitglieder an der Verhandlung der belangten Behörde rechtswidrig gewesen. Auch dadurch ist die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt (so ausdrücklich VfGH 11.3.1959, B 179/58).

 

[...]

 

5.3. Unzulässige Verrechnung von nicht als Kassenleistungen zu qualifizierenden (Privat‑)Leistungen (Fallpauschale und fachspezifischer Zuschlag)

 

Gemäß § 343 Abs 4 ASVG kann der Krankenversicherungsträger das Vertragsverhältnis wegen wiederholter nicht unerheblicher oder wegen schwerwiegender Vertrags- oder Berufspflichtverletzungen unter Angabe der Gründe schriftlich kündigen. Im Kündigungsschreiben vom 3,3.2014 (Beilage .11) wurde als Kündigungsgrund die fälschliche Verrechnung von nicht als Kassenleistungen zu qualifizierenden Leistungen, wie insbesondere die Verrechnung der Fallpauschale sowie des fachspezifischen Zuschlages, wenn Patientinnen reine Privatleistungen wie die Verschreibung der "Pille" oder die Verabreichung der Dreimonatsspritze zu Verhütungszwecken in Anspruch genommen haben, geltend gemacht. Im Kündigungsschreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass es in der Vergangenheit bereits mehrfach zu derartigen Vorfällen kam und die mitbeteiligte Partei diesbezüglich verwarnt wurde, die unrechtmäßige Abrechnung von Leistungen jedoch trotz zahlreicher Verwarnungen fortgesetzt hat.

 

Es ist unstrittig, dass die unter Verletzung ausdrücklicher Bestimmungen des Gesamtvertrages erfolgte und ungerechtfertigte Verrechnung von Leistungspositionen nicht unerhebliche Pflichtverletzungen iSd § 343 Abs 4 ASVG darstellen (siehe auch SSV-NF 20/A2, 7/A5; Kletter in Sonntag, ASVG6 [2015] Rz 81). Nicht unerhebliche Pflichtverletzungen berechtigen im Wiederholungsfall zur Kündigung, wobei zwei Verstöße reichen (Kletter in Sonntag, ASVG6 [2015] Rz 71d). Bei wiederholten nicht unerheblichen Verstößen bzw. beharrlicher Wiederholung an sich unerheblicher Verstöße muss außerdem eine ausdrückliche Verwarnung erfolgt sein. Dabei ist es ausreichend, wenn der Vertragsarzt wegen ähnlicher Verfehlungen in der Vergangenheit bereits zwei Mal verwarnt wurde (BSK R 3-WSK/03, SSV-NF 18/A1; Kneihs/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 343 ASVG Rz 54).

 

Im angefochtenen Bescheid wird auf S. 5 festgestellt:

 

"Bei den 24 aktenkundigen Patientinnen verrechnete der AST Fallpauschale und Zuschlag in der Gesamthöhe von Euro 481.92 der AG. Alle suchten den ASt ausschließlich zum Zwecke der Verhütungsberatung, Vorschreibung der Pille oder wegen der Dreimonatsspritze auf und wollten keine Kassenleistung bzw. eine in der Honorarordnung angeführte Zusatzleistung. [...]

 

[Die] AG verwarnte den ASt am 12.42013 und am 16.7.2013 schriftlich."

 

Auf S. 6 des angefochtenen Bescheides wird festgestellt, dass der Antragsteller für den Besuch der Testpatientin XXXX am 17.12.2013 (also nach den beiden Verwarnungen vom 12.4. und 16.7.2013) Fallpauschale und Zuschlag verrechnet hat, obwohl Frau XXXX die Ordination nur für ein Rezept für eine Verhütungspille aufgesucht hat. Gleiches gilt für den Besuch der Testpatientin XXXX am 18.11.2013.

 

In der Verwarnung vom 12.4.2013 (Beilage ./5) wurde die mitbeteiligte Partei auf Folgendes ausdrücklich und unmissverständlich hingewiesen:

 

"Die Ausstellung von Pillenrezepten sowie die Verabreichung von Dreimonatsspritzen als Kontrazeptivum sind mangels Krankenbehandlung keine Kassenleistungen und rechtfertigen somit nicht die Verrechnung der Fallpauschale sowie des fachspezifischen Zuschlages. [...] Wenn eine Patientin ohne Hinweis auf ein konkretes Beschwerdebild Ihren Mandanten ausschließlich zum Zweck der Kontrazeption aufsucht, stellt demzufolge auch ein allfälliges Erkunden seinerseits nach ihrem Gesundheitszustand keine Krankenbehandlung dar.

 

Bei jenen Patientinnen, welche lediglich zur Ausstellung von Pillenrezepten oder zur Verabreichung der Dreimonatsspritze In der Ordination Ihres Mandanten waren und im selben Quartal keine Kassenleistung in Anspruch genommen haben, wurde uns die Fallpauschale und der fachspezifische Zuschlag gleichermaßen ungerechtfertigt wie rechtsgrundlos in Rechnung gestellt,[...]

 

Da diese - sicherlich schon seit längerem gepflogene Vorgangsweise eine evidente Vertragsverletzung darstellt, kommen wir gleichzeitig nicht umhin, Ihren Mandanten neuerlich zu verwarnen. Sollten sich diese Verrechnungspraxis oder andere, in der Vergangenheit verwirklichte Vertragsverstöße wiederholen, wären entsprechende rechtliche Konsequenzen, die freilich bis zum Vertragsverlust reichen können, unvermeidbar."

 

[...]

 

In der Verwarnung vom 16.7.2013 (Beilage ./6) wurde in diesem Sinne nochmals ausgeführt:

 

"Da jedoch die von Ihnen behaupteten therapeutischen bzw. diagnostischen Gespräche weder der Krankengeschichte noch den Angaben der Patientinnen zu entnehmen sind, geht die Wiener Gebietskrankenkasse davon aus, dass diese nicht stattgefunden haben und somit die Verrechnung der Fallpauschale und des fachspezifischen Zuschlages zu Unrecht erfolgte.

 

Ausdrücklich halten wir fest, dass Herr Dr. XXXX von der Wiener Gebietskrankenkasse in der Vergangenheit bereits mehrfach verwarnt wurde. [...] Wir weisen daher darauf hin, dass Ihr Mandant in den Jahren 2003, 2005 und 2010 bereits von uns aufgrund seiner nicht unerheblichen Pflichtverletzungen verwarnt wurde, welche bis zum heutigen Zeitpunkt beharrlich fortgesetzt werden.

 

Die Wiener Gebietskrankenkasse hält im Übrigen auch die ausgesprochen Verwarnung vom 12.04.2013 ausdrücklich aufrecht."

 

In der rechtlichen Beurteilung (S. 10 ff. des angefochtenen Bescheids) führt die belangte Behörde noch richtig aus, dass die Fallpauschale und der Zuschlag nicht verrechenbar sind, wenn wie im vorliegenden Fall die Patientinnen ausschließlich nicht im Leistungsbereich der Beschwerdeführerin liegende Leistungen begehren, wie die Verhütung, und daher auch keine Sonderleitungspositionen der Honorarordnung erbracht werden. Die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag entspricht nicht der Honorarordnung, weshalb die Beschwerdeführerin den unstrittigen Betrag zu Recht einbehielt. Auf S. 11 des angefochtenen Bescheids (unten) wird schließlich nochmals ausdrücklich festgehalten, dass die Beschwerdeführerin die ungerechtfertigte Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag nachgewiesen hat.

 

In weiterer Folge führt die belangte Behörde jedoch aus, dass die mitbeteiligte Partei auf dem Standpunkt gestanden sei, dass die therapeutischen und diagnostischen Gespräche schon für sich die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag rechtfertigen. Die Honorarordnung gebe keine ausdrückliche Auskunft, ob therapeutische und diagnostische Gespräche in Verbindung mit einer Nicht-Kassenleistung allein schon ohne weitere Sonderleitungsposition den Anspruch auf die Fallpauschale plus Zuschlag begründen. Das bedeute, dass der Antragsteller (= mitbeteiligte Partei) aus den Verwarnungen in Verbindung mit dem bloßen Wortlaut der Honorarordnung das Unrechtmäßige seines Verhaltens nicht eindeutig erkennen konnte. Dem Antragsteller musste die wesentliche Verletzung von Vertragspflichten aufgrund der Verwarnung allein noch nicht deutlich erkennbar gewesen sein, sodass eine Beharrlichkeit, Unnachgiebigkeit und Hartnäckigkeit eines auf Nichtbefolgung der Honorarordnung gerichteten Willens bei der neuerlichen (sic!) nicht gerechtfertigten Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag nach der Verwarnung noch nicht verwirklicht worden sei. Diese rechtliche Beurteilung ist falsch:

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sind Gesamtvertrag und Honorarordnung eindeutig: Gemäß § 17 Abs 3 des Gesamtvertrages werden ärztliche Leistungen, die nicht der Beseitigung oder Linderung gesundheitlicher Störungen dienen, von den Versicherungsträgern nicht vergütet (vormals § 10 Gesamtvertrag, siehe Beilage ./E). Es ist unstrittig, dass reine Verhütungsleistungen (Verschreibung der Pille sowie Verabreichung der Dreimonatsspritze zu Verhütungszwecken) weder eine Kassenleistung sind, noch der Beseitigung oder Linderung gesundheitlicher Störungen dienen; eine Schwangerschaft ist keine gesundheitliche Störung. Darauf wurde die mitbeteiligte Partei in der Vergangenheit durch die unmissverständlichen Schreiben vom 12.4.2013 (Beilage .15) und vom 16,7.2013 (Beilage ./6) mehrmals hingewiesen. Im Schreiben vom 12,4.2013 wurde die mitbeteiligte Partei ausdrücklich verwarnt, dass die Ausstellung von Pillenrezepten sowie die Verabreichung von Dreimonatsspritzen als Kontrazeptivum mangels Krankenbehandlung keine Kassenleistungen darstellen und die Verrechnung der Fallpauschale sowie des fachspezifischen Zuschlages nicht rechtfertigen, und zwar auch dann nicht, wenn ein allfälliges Erkunden des Arztes nach dem Gesundheitszustand erfolgt. Welche zusätzlichen oder anderen Hinweise die Beschwerdeführerin in ihren Verwarnungen noch hätte geben müssen, damit die Verwarnungen auch für die mitbeteiligte Partei verständlich sind, erklärt die belangte Behörde nicht, Die belangte Behörde führt lediglich aus, dass die Verwarnungen "eher dem Vorwurf Leistungen nicht erbracht zu haben zuzurechnen" seien.

Genau darum geht es: Die mitbeteiligte Partei hat keine Kassenleistungen erbracht und darf somit allfällige Nicht-Kassenleistungen nicht an die Krankenkasse verrechnen. Die (wiederholten) Verwarnungen waren eindeutig und haben keine Zweifel offen gelassen. Äußert eine Kundin kein konkretes Beschwerdebild, sondern kommt sie ausschließlich zum Zweck der Kontrazeption zum Arzt, stellen allfällige Gespräche völlig unzweifelhaft keine therapeutischen und/oder di-agnostischen Gespräche im Sinne der Honorarordnung dar. Genau das war der In-halt der wiederholten Verwarnungen.

 

Das diesbezüglich unterstellte (angebliche) Missverständnis des Arztes ist konstruiert, lebensfremd und im Hinblick auf die eindeutigen Verwarnungen vom 12.4.2013 und 16.7.2013 auch naiv. Die (anwaltlich vertretene) mitbeteiligte Partei trifft als Vertragsarzt der Krankenkasse eine erhöhte Sorgfaltspflicht, sich mit dem Inhalt des Gesamtvertrages, der Honorarordnung und der wiederholten Verwarnungen genauestens auseinanderzusetzen und dementsprechend zu handeln. Mit anderen Worten: Der Vertragsarzt darf sich nicht unwissend stellen. Sowohl die Bestimmungen des Gesamtvertrages und der Honorarordnung als auch der Wortlaut der beiden Verwarnungen Beilagen ./5 und ./6 sind eindeutig und lassen keinen Spielraum für alternative Interpretationen. Verhütung ist und bleibt keine Kassenleistung.

 

Die Ausführungen der belangten Behörde auf S. 12 des Bescheids, wonach die Honorarordnung "keine ausdrückliche Auskunft, ob therapeutische und diagnostische Gespräche in Verbindung mit einer Nichtkassenleistung allein schon ohne weitere Sonderleistungspositionen den Anspruch auf die Fallpauschale plus Zuschlag beründen", weshalb die mitbeteiligte Partei auf dem Standpunkt gestanden sei, dass solche Gespräche die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag rechtfertigen, verwundern. Auf S. 10 des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde nämlich noch völlig richtig aus: "Zur Kassenleistung wird der Besuch der Patientin zum Zwecke der Verhütungsberatung auch dann nicht, wenn der Arzt [...] im Vor-feld der Verschreibung eines bestimmten Verhütungsmittels diagnostische und therapeutische Anamnesegespräche führt'. Aus diesem Grund sind - so die belangte Behörde auf S. 10 des Bescheids weiter - Fallpauschale und Zuschlag nicht verrechenbar, wenn die Patientinnen ausschließlich nicht im Leistungsbereich der Krankenkasse liegende Leistungen begehren, wie etwa die Verhütung.

 

Die Annahme, dass die im Rahmen der Erbringung von Nicht-Kassenleistungen durch einen Arzt vorgenommene allgemeine Abklärung des Gesundheitszustandes als therapeutisches und diagnostisches Gespräch zu beurteilen und dementsprechend die Verrechnung von Fallpauschale und Zuschlag rechtfertigen könnte, wäre im Übrigen auch lebensfremd. Gleichsam zur Veranschaulichung:

Ein Schönheitschirurg muss sich vor einer Schönheits-OP auch über den Gesundheitszustand seiner Kundin erkundigen und diesbezüglich ein Gespräch führen; dennoch wäre es nicht zulässig, dieses Gespräch als Kassenleistung abzurechnen. Nichts anderes gilt für die Nicht-Kassenleistung der Verhütung. Die mitbeteiligte Partei wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass die Abrechnung von Privatleistungen unzulässig ist, auch wenn ein allfälliges Erkunden nach dem Gesundheitszustand erfolgt ist.

 

Die Kündigung war daher wegen wiederholter Verrechnung von nicht als Kassenleistung zu qualifizierenden Leistungen trotz mehrmaliger ausdrücklicher Verwarnung gerechtfertigt. Dem Einspruch der mitbeteiligten Partei wäre daher schon aus diesem Grund nicht stattzugeben gewesen, weshalb der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern ist.

 

[...]

 

5.4. Verkauf von Ärztemustern

 

Gemäß § 343 Abs 4 ASVG kann der Krankenversicherungsträger das Vertragsverhältnis zu einem Arzt wegen wiederholter nicht unerheblicher oder wegen schwer-wiegender Vertrags- oder Berufspflichtverletzungen unter Angabe der Gründe schriftlich kündigen. Berufspflichtverletzungen beziehen sich auf alle Normen, die Verhaltensregeln für Ärzte enthalten, also nicht nur auf das ÄrzteG, sondern auch auf das Arzneimittelgesetz, Medizinproduktegesetz, Suchtmittelgesetz etc.; auf einen Zusammenhang mit dem Einzelvertrag kommt es nicht an (Kletter in Sonntag, ASVG6 [2015] § 343 Rz 84),

 

Gemäß § 58 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) dürfen Zulassungsinhaber Muster von zugelassenen Arzneispezialitäten an Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Dentisten nur über deren schriftliche Anforderung, ausschließlich unentgeltlich und nach Aufbringung des deutlich lesbaren und nicht entfernbaren Hinweises "Unverkäufliches Ärztemuster" in einer nicht größeren als der kleinsten im Handel befindlichen Packung nach Maßgabe des Abs 2 abgeben. Diese Muster dürfen auch von den Empfängern (also insbesondere von Ärzten) nur unentgeltlich weitergegeben werden, wobei auch die von den Ärzten weitergegebenen Muster den vom Gesetz verlangten Hinweis "Unverkäufliches Ärztemuster tragen müssen. Gemäß § 83 Abs 1 Z 5 AMG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 7.500,00, im Wiederholungsfalle bis zu EUR 14.000,00 zu bestrafen, wer Arzneimittel entgegen § 58 AMG abgibt. Gemäß § 59 Abs 1 AMG dürfen Arzneimittel außerdem grundsätzlich nur in Apotheken abgegeben werden.

 

Die Beschwerdeführerin hat ihre Kündigung gemäß § 343 Abs 4 ASVG vom 3.3.2014 (Beilage .11) nicht zuletzt darauf gestützt, dass die mitbeteiligte Partei Ärztemuster verkauft hat und dies eine schwerwiegende Berufspflichtverletzung darstellt.

 

Auf den S. 5 f. des angefochtenen Bescheides wird festgestellt:

 

"Die Testpatientin XXXX erschien am 17.12.2013 in der Ordination des ASt, der zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub war, um ein Rezept für eine Verhütungspille zu erhalten. Ein Kontakt mit dem Vertretungsarzt oder eine ärztliche Untersuchung fand nicht statt. XXXX erhielt von der Ordinationshilfe letztlich eine Dreimonatspackung Verhütungspillen in Form von Ärztemustern, wobei die Ordinationshilfe 25 Euro verlangte. XXXX war der Ansicht, dass der Betrag für die Pillen verlangt worden war. Fallpauschale und Zuschlag wurde der AG in Rechnung gestellt.

 

Schon ausgehend von diesen eindeutigen Feststellungen erweist sich die rechtliche Schlussfolgerung der belangten Behörde auf S. 13 des angefochtenen Bescheids, die mitbeteiligte Partei habe nicht Ärztemuster verkauft, sondern die Ärztemuster in Verbindung mit der Verhütungsberatung unentgeltlich ausgefolgt, weshalb von Frau XXXX nur die Nicht-Kassenleistung Verhütungsberatung "gekauft" wurde, als nicht richtig und geradezu willkürlich.

 

Im Fall der Zeugin XXXX (zu den anderen, ebenso eindeutigen Fällen siehe gleich) steht fest, dass nicht die Verhütungsberatung (als Nicht-Kassenleistung) verkauft wurde, sondern Verhütungspillen in Form von Ärztemustern. Wenn die belangte Behörde auf S. 8 des angefochtenen Bescheides ausführt, dass ein Verkauf oder die Absicht der mitbeteiligten Partei, die Pille zu verkaufen, nicht überzeugend nachgewiesen worden sei, so stellt sich die Frage: Was sonst als Ärztemuster sollten am 17.12.2013 an Frau XXXX verkauft worden sein? Eine Verhütungsberatung der mitbeteiligten Partei kann es nicht gewesen sein, zumal die mitbeteiligte Partei an diesem Tag auf Urlaub war. Da auch kein Kontakt mit dem Vertretungsarzt oder irgendeine sonstige ärztliche Untersuchung stattgefunden hat, kommt auch keine sonstige (ärztliche) (Beratungs‑)Leistung in Betracht (es sei denn, man wollte unterstellen, die Ordinationshilfe habe eine ärztliche Leistung erbracht, was aber ebenso eine schwerwiegende Vertragspflicht- und Berufspflichtverletzung der mitbeteiligten Partei begründen würde!). Da nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid keinerlei Beratungsleistungen erbracht wurden, liegt ein Verstoß gegen § 58 Abs 1 AMG und damit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 83 Abs 1 Z 5 AMG vor. Der Verkauf von Ärztemustern ist unzulässig und stellt eine schwerwiegende Berufspflichtverletzung dar. Dem Einspruch der mitbeteiligten Partei gegen die Kündigung wäre daher schon aus diesem Grund nicht stattzugeben gewesen.

 

Hinsichtlich der anderen Patienten, an die die mitbeteiligte Partei Ärztemuster verkauft hat, leidet der angefochtene Bescheid an schwerwiegenden Mängeln, zumal der festgestellte Sachverhalt von der belangten Behörde in wesentlichen Punkten aktenwidrig angenommen wurde bzw. ergänzungsbedürftig geblieben ist. Die belangte Behörde hat die vorliegenden Beweisergebnisse unrichtig gewürdigt und deshalb unrichtige Feststellungen getroffen; zudem wurden wesentliche Beweisergebnisse gänzlich außer Betracht gelassen:

 

Zusammengefasst wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass die mitbeteiligte Partei Ärztemuster an die Zeuginnen verkauft habe, sondern Verhütungsberatung als Nicht-Kassenleistung. In der Beweiswürdigung (S. 7 ff.) wird dies damit begründet, dass die Verhütungsberatung als Nicht-Kassenleistung bei der mitbeteiligten Partei EUR 25,00 koste und den Patientinnen aus den AGB der mitbeteiligten Partei bekannt sein musste, dass Verhütung keine Kassenleistung sei. Den Angaben der mitbeteiligten Partei, keine Ärzte-muster verkauft zu haben, sei eher zu folgen, zumal die mitbeteiligte Partei nie einen Betrag für die Pillen verlangt habe, sondern erst die Ordinationshilfe diesen eingehoben habe. Die Zeugin XXXX habe zwar ausgesagt, dass es für sie klar gewesen sei, dass sie nur für die Pillen und nicht für das Gespräch bezahlen musste; die Zeugen seien jedoch subjektiv dem Missverständnis unterlegen, dass die mitbeteiligte Partei nur für die Pille Geld verlangte, zumal die mitbeteiligte Partei "die Patientinnen offenbar nicht exakt informierte, dass sie ein Verhütungsberatungsgespräch führt, und vor allem, dass das Gespräch [...] scheinbar nur kursorisch und kurz war oder allenfalls über Verhütungsberatung gar nicht gesprochen wurde" [...]. Aus den Aussagen der Zeuginnen könne nicht mit der notwendigen Sicherheit abgeleitet werden, dass die mitbeteiligte Partei Ärztemuster verkauft habe und nicht die Nicht-Kassenleistung Verhütungsberatung. Nach Überzeugung der belangten Behörde spreche alles dafür, dass "alle" (!) Zeuginnen nur den Eindruck hatten, für die Pille zu zahlen, "weil sie nie präzise aufgeklärt wurden" und die mitbeteiligte Partei "die Verhütungsberatung [...] vielleicht gar nicht durchführte [...]. Die Zeugen konnten zwar "objektiv und subjektiv durchaus der Meinung sein, dass nur die Pille verkauft wurde und die 25 Euro, die dann die Ordinationshilfe auch nicht erkennbar für Verhütungsberatung verlangte nur dem Kauf der Pille zuzurechnen war". Damit sei aber ein Verkauf oder die Absicht der mitbeteiligten Partei, die Pille zu verkaufen, nicht überzeugend nachgewiesen, auch wenn es sein könne, "dass über die Pillen und ihren Erwerb gesprochen wurde, vielleicht auch das Wort Kauf gefallen ist und die Zeugen dies als Kaufanbot verstanden haben" (S. 9 des angefochtenen Bescheids).

 

Diese Ausführungen sind unschlüssig und in sich widersprüchlich und vermögen die getroffenen Feststellungen nicht zu tragen:

 

Zunächst ist einleitend festzuhalten, dass die von der belangten Behörde vernommenen Patientinnen - anders als die mitbeteiligte Partei (der gekündigte Arzt) und seine Sprechstundenhilfe - keinerlei Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens haben. Die Möglichkeit von Falschaussagen ist bei diesen Zeuginnen nahezu auszuschließen. Auch ist auszuschließen, dass sich die Zeuginnen "abgesprochen" haben könnten, zumal sie bei ganz unterschiedlichen Verhandlungsterminen völlig gleichlautend ausgesagt haben. Es wäre zwar rein theoretisch möglich, dass einzelne Zeuginnen einem Missverständnis unterlegen sind; dass aber alle Zeuginnen einem solchen Missverständnis unterliegen - wie die belangte Behörde denkunmöglich vermeint -, ist nahezu auszuschließen. Insbesondere kann dann kein Missverständnis vorliegen, wenn - wie die belangte Behörde ja selbst ausführt - überhaupt keine Verhütungsberatungsleistung erbracht wurde. Wofür sonst als für die Ärztemuster sollen die Patientinnen bezahlt haben, wenn eine Verhütungsberatungsleistung gar nicht erbracht wurde? Somit ist den widerspruchsfreien Aussagen der Zeuginnen zu folgen, dass sie für die Pillen - und nicht für gar nicht vorgenommene Beratungsleistungen - bezahlt haben.

 

Die Verantwortung der mitbeteiligten Partei, die ja ein großes Interesse an der Aufrechterhaltung des Vertrages hat, ist unglaubwürdig. So hat die mitbeteiligte Partei vorgebracht, dass die Pillen nur aus Platzmangel in durchsichtigen Plastiktüten abgegeben wurden. Das ist im Hinblick auf die (kleine) Größe der Ärztemuster und auf die beschränkte Anzahl, in der diese abgegeben werden dürfen (siehe § 58 Abs 2 AMG), nicht nur absolut unglaubwürdig, sondern geradezu "an den Haaren herbeigezogen". Viel wahrscheinlicher ist, dass die Originalverpackungen deshalb entfernt wurden, damit der gesetzlich geforderte Hinweis "Unverkäufliches Ärztemuster" für die Käuferinnen nicht ersichtlich ist und die Pillen - wie die Zeugin

XXXX (die Ordinationshilfe der mitbeteiligten Partei) ausgesagt hat

 

Die nunmehrige Rechtfertigung, die Abgabe der Ärztemuster in Plastiktüten sei aus Platzgründen erfolgt, ist somit eine reine Schutzbehauptung.

 

Völlig unschlüssig und im Widerspruch zu den eindeutigen Beweisergebnissen sind auch die Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich der Diskrepanzen bei den von den Zeuginnen angegebenen Beträgen. Die belangte Behörde versucht diese damit zu begründen, dass die Patientinnen, die zweimal bei der mitbeteiligten Partei waren, EUR 50,00 zu zahlen hätten, und wenn sie einmal im Quartal dort waren, EUR 25,00. Diesen Ausführungen sind jedoch die völlig widerspruchsfreien Aussagen der Zeuginnen XXXX und XXXX entgegenzuhalten, die übereinstimmend ausgesagt haben, dass sie eine Dreimonatspackung erhalten und für diese EUR 25,00 bezahlt haben, wobei völlig klar war, dass die EUR 25,00 nicht für das Gespräch, sondern für die Pille bezahlt wurden. Dass die EUR 25,00 für eine Dreimonatspackung zu zahlen waren (und nicht für die angebliche Verhütungsberatung) ergibt sich aber insbesondere auch aus den widerspruchsfreien Aussagen der Zeuginnen XXXX, XXXX und XXXX (Protokoll der Verhandlung vom 21.11.2014, S. 3 und 4): Der Zeugin XXXX hat die mitbeteiligte Partei nämlich gesagt, die Pillen würden EUR 25,00 kosten, ein Pillenvorrat für ein Jahr hingegen EUR 100,00 (EUR 25,00 x 4 = EUR 100,00). Der Zeugin XXXX sagte die mitbeteiligte Partei, dass die Zeugin für die Pille "ca. 50 Euro (halbjährlich) zu bezahlen hätte" (EUR 25,00 x 2 = EUR 50,00). In Übereinstimmung damit sagte auch die Zeugin XXXX, dass sie die EUR 50,00 für die Pillen für sechs Monate (= "halbjährlich") zahlen musste, die EUR 25,00 für drei Monate. Wenn man nun das Konstrukt der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei aufrechterhalten wollte, müsste man annehmen, die Kosten für die Nicht-Kassenleistung Verhütungsberatung wären davon abhängig, für welchen Zeitraum die Patientinnen die angeblich kostenlosen Ärztemuster erhalten; erhalten die Patientinnen ein Ärztemuster für ein halbes Jahr, kostet die Beratung EUR 50,00, erhalten sie das Ärztemuster nur für drei Monate, kostet die Beratung EUR 25,00. Eine solche Annahme wäre nicht nur absurd, sondern insbesondere in jenen Fällen nicht aufrecht zu halten, in denen überhaupt keine Verhütungsberatung durchgeführt wurde.

 

Vielmehr ergibt sich aus den eindeutigen Aussagen der Zeuginnen, dass die Kosten abhängig von der Anzahl der Pillen waren: Eine Dreimonatspackung kostete EUR 25,00, eine Halbjahrespackung EUR 50,00 und ein Jahresvorrat EUR 100,00. Es ist absolut unwahrscheinlich, dass sich eine Patientin, die den Arzt zweimal im Quartal aufsucht, später nur an den in zwei Teilen bezahlten Gesamtbetrag von EUR 50,00 und nicht an die jeweils bezahlten Einzelbeträge von je EUR 25,00 erinnert und es deshalb - wie die belangte Behörde vermeint - zu den Diskrepanzen bei den Aussagen der Zeuginnen kommt. Niemand erinnert sich daran, was man in einem Jahr insgesamt für einen Friseur bezahlt; man erinnert sich nur daran, was man bei jedem einzelnen Besuch bezahlt hat.

 

Aus welchen Gründen die Aussage der Zeugin XXXX "nicht sehr glaubwürdig" sein soll, erklärt die belangte Behörde mit keinem Wort, sondern begnügt sich mit der zusammengefassten Wiedergabe ihrer Aussagen. XXXX schilderte glaubwürdig, dass ihr der Arzt angeboten habe, die Pille gleich direkt bei ihm in der Ordination zu kaufen und sie die Pillen bei ihm billiger erwerben könne, zumal er die Pillen in großen Mengen einkaufen würde (Beilage .117). Die Zeugin XXXX hat auch bestätigt, dass es ein Verhütungsberatungsgespräch nicht gegeben hat, weshalb sich auch hier die Frage stellt, wofür sie dann EUR 25,00 bezahlt hat, wenn nicht für die Pillen. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin XXXX ergibt sich schließlich auch daraus, dass sie sich mit den beim Arzt erworbenen Pillen an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen gewandt hat, sich mit dieser Thematik also eingehend auseinandergesetzt hat. An der Glaubwürdigkeit der Zeugin XXXX besteht somit kein Zweifel.

 

Völlig unberücksichtigt lässt die belangte Behörde im Übrigen die Aussagen der Zeuginnen XXXX (Protokoll der Verhandlung vom 16.9.2014, S. 2) und XXXX (Protokoll der Verhandlung vom 21.11.2014, S. 2 f.). Die Zeugin XXXX hat ebenfalls ausgesagt, dass sie die Pillen in der Ordination des Arztes gekauft und die Geldbeträge für die Pillen bezahlt hat. Auch im Hinblick auf den von ihr bezahlten Betrag stimmt ihre Aussage mit den Aussagen der anderen Zeuginnen überein. Sie sagte, dass der Preis für die Pillen immer gleich war ("unter 10 Euro"), wobei sie diesen Betrag pro Blister zu bezahlen hatte, und wenn sie für zwei oder drei Monate Blister kaufte, dann musste der Betrag eben zwei- oder dreimal bezahlt werden. Ein Betrag von "unter 10 Euro" mal drei entspricht den von den anderen Zeuginnen angegebenen EUR 25,00. Ohne jeden Widerspruch dazu hat auch die Zeugin XXXX ausgesagt, dass sie die Pillen immer für ca. drei Monate geholt und "bei der Ordihilfe zwischen 7 und 8 Euro pro Monat" bezahlt hat.

 

Daraus folgt: Wenn die Zeuginnen für einen Dreimonatsvorrat (drei Blister) EUR 25,00, für einen Halbjahresvorrat EUR 50,00, für einen Jahresvorrat EUR 100,00 und für einen Blister (= ein Monat) ca. EUR 8,00 ("unter 10") bezahlt haben, dann können diese Zahlungen schon denklogisch nicht für Verhütungsberatungsleistungen bezahlt worden sein, insbesondere wenn der Arzt eine solche - wie die belangte Behörde richtig ausführt - "gar nicht durchführte" (5. 8 des angefochtenen Bescheids). Es besteht daher kein Zweifel, dass entgegen der unrichtigen Feststellung im angefochtenen Bescheid Ärztemuster an die Zeuginnen verkauft wurden. Wird nämlich eine Verhütungsberatung verkauft, ohne dass eine solche stattfindet, und wird den Patientinnen gleichzeitig ein Dreimonatsvorrat an Pillen übergeben, dann stellt der (angebliche) Verkauf der (gar nicht durchgeführten) Beratung eine reine Umgehung bzw. ein Scheingeschäft dar, der nur dazu dient, den (eigentlich bezweckten) Verkauf der Ärztemuster zu verschleiern. Bei wahrer wirtschaftlicher Betrachtung wurde nicht die Beratungsleistung verkauft (diese wurde in vielen Fällen gar nicht erbracht!), sondern die Pillen. Abgesehen davon übersieht die belangte Behörde, dass § 58 Abs 1 AMG nicht bloß den Verkauf von Ärztemustern untersagt, sondern das Weiter- bzw. Abgeben der Ärztemuster; ein Kauf im zivilrechtlichen Sinne wäre somit gar nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn die Abgabe der Ärztemuster sonst irgendwie entgeltlich erfolgt (z.B. im Rahmen des "Verkaufs" einer gar nicht durchgeführten Verhütungsberatung). Der Sachverhalt wurde von der belangten Behörde somit in wesentlichen Punkten falsch angenommen.

 

Wenn die belangte Behörde ausführt, dass die Absicht des Arztes, die Pille zu verkaufen, nicht überzeugend nachgewiesen sei, so verkennt sie zudem, dass für eine Verwaltungsübertretung gemäß § 83 Abs 1 Z 5 AMG keine Absicht erforderlich ist, sondern Fahrlässigkeit genügt, Gemäß § 5 Abs 1 VStG ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Somit wäre es nicht an der Beschwerdeführerin gelegen, die Absicht der mitbeteiligten Partei nachzuweisen, vielmehr hätte die mitbeteiligte Partei mangelndes Verschulden glaubhaft machen müssen. Dies ist der mitbeteiligten Partei nicht gelungen. Auch konnte die mitbeteiligte Partei kein wirksames Kontrollsystem dartun. Im Gegenteil, vielmehr hat sogar die belangte Behörde auf S. 9 des angefochtenen Bescheids darauf hingewiesen, dass der mitbeteiligten Partei ein Organisationsverschulden vorzuwerfen ist, da nicht für eine klare Abgrenzung, was für ein Gespräch, das im Falle XXXX ja gar nicht mit einem Arzt stattgefunden hat, und was für die Pille zu zahlen ist, gesorgt und nicht die nötigen Anweisungen an das Personal erteilt hat. Die mitbeteiligte Partei hat außerdem selbst ausgesagt, die Ärztemuster in einer offenen (= unversperrten) Lade aufbewahrt zu haben. Selbst wenn es dadurch allenfalls ohne Wissen der mitbeteiligten Partei zu einem Verkauf (nur) durch Ordinationsassistentinnen gekommen sein sollte, würde die mitbeteiligte Partei für dieses Fehlverhalten haften.

 

Selbst wenn man aber entgegen den eindeutigen Beweisergebnissen annehmen wollte, die Ärztemuster seien nicht verkauft bzw. entgeltlich abgegeben worden, so wurden die Ärztemuster jedenfalls in durchsichtigen Plastiktüten ohne den Hinweis "Unverkäufliches Ärztemuster" abgegeben, was (ebenfalls) gegen § 58 Abs 1 AMG verstößt. Für diesen Gesetzesverstoß hat nicht einmal die mitbeteiligte Partei eine Erklärung anzubieten.

 

Bei richtiger und vollständiger Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse hätte die belangte Behörde daher feststellen müssen, dass die mitbeteiligte Partei Ärztemuster an die Patientinnen verkauft hat. Im Ergebnis liegen somit aufgrund wiederholter Verstöße gegen die §§ 58 und 59 AMG mehrere schwerwiegende Berufspflichtverletzungen der mitbeteiligten Partei vor, weshalb die Kündigung durch die Beschwerdeführerin schon aus diesem Grund gerechtfertigt war und dem Einspruch nicht stattgegeben hätte werden dürfen.

 

[...]

 

5.5. Weigerung zur Kooperation

 

Die dargestellten Vertrags- und Berufspflichtverletzungen wären für sich schon genug, um die für ein Einzelvertragsverhältnis mit einem Vertragsarzt notwendige Vertrauensbasis unwiederbringlich zu zerstören. Dazu kommt noch, dass sich die mitbeteiligte Partei in der Vergangenheit vehement geweigert hat, ihren Auskunfts-und Unterstützungspflichten gegenüber der Beschwerdeführerin nachzukommen. Das ist deshalb ungewöhnlich, weil jeder Vertragsarzt höchstes Interesse an einer Kooperation mit der Krankenkasse hat, um die wechselseitige Vertrauensbasis und damit das Vertragsverhältnis nicht zu gefährden. Nur die wenigen Ärzte, die etwas zu verheimlichen haben, weigern sich, zu kooperieren.

 

Im konkreten Fall hat die mitbeteiligte Partei Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet, in denen die Patientinnen u.a. folgende Erklärung unterfertigen mussten:

 

"Weiters bestätige ich mit meiner Unterschrift, dass [...] ich keine "Testpatientin" der Sozialversicherung oder einer anderen Organisation bin. Sollte durch falsche Angaben von mir Dr. XXXX ein Schaden entstehen, ist mir bewusst, dafür haftbar gemacht zu werden."

 

Gemäß § 48 des Gesamtvertrages sind die Vertragsparteien - auch die Parteien des Einzelvertrages zur umfassenden gegenseitigen Unterstützung verpflichtet. Gemäß § 43 des Gesamtvertrages ist der Vertragsarzt gegenüber dem Versicherungsträger außerdem zur Erteilung von Auskünften verpflichtet, soweit die Auskunftserteilung für die Durchführung der Aufgaben der Versicherungsträger notwendig ist. Nach nunmehr stRsp (VfGH 20.2.2015, B 1534/2013-11; VfGH 20.2.2015, B 888/2013-23; VwGH 27.1.1997, 94/10/0019; R5-BSK/12-13 vom 6.3.2013; W-LSK 2/2012 vom 10.12.2012) ist der Einsatz von Testpatienten durch den Versicherungsträger eine zulässige (und damit vom Gesamtvertrag gedeckte) Kontrollmöglichkeit. In vielen Fällen lassen sich Vertragsverstöße gar nicht anders als durch anonyme Testpatienten feststellen.

 

Mit der in den gegenständlichen AGB enthaltenen Drohung an die Patienten, haftbar gemacht zu werden, vereitelte die mitbeteiligte Partei diese wichtige Kontrollmöglichkeit der Beschwerdeführerin. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde kommt dies auch einer Weigerung gleich, Personen, die als Testpatienten tätig sind oder waren, zu behandeln. Es ist nämlich zu fragen, aus welchem Grund die mitbeteiligte Partei einen derartigen Hinweis bzw. eine derartige Aufklärung in seine AGB aufnimmt. Rein zu seiner Information wird dies wohl nicht erfolgt sein, es sei denn, man wollte annehmen, die mitbeteiligte Partei würde Testpatienten anders behandeln als andere Patienten. Wenn die belangte Behörde vermeint, eine Haftung der Testpatienten könne nur auftreten, wenn diese bewusst wahrheitswidrige Angaben machen, dann würde es für eine solche Haftung keiner derartigen Erklärung in den AGB benötigen. Für rechtswidrig und schuldhaft falsche Angaben wird ohnedies immer gehaftet, auch ohne Regelung in AGB.

 

Letztlich dient dieser Hinweis in den AGB nur dazu, Druck auf die Patienten auszuüben und die Beschwerdeführerin in den Augen der Anspruchsberechtigten und der Öffentlichkeit herabzusetzen. Damit wird nämlich suggeriert, dass sich die Beschwerdeführerin bzw. ihre Testpatienten unlauterer oder unrechtmäßiger Mittel bedienen, denn warum sonst sollte man bestätigen, kein Testpatient zu sein. Dies stellt eine Vertragspflichtverletzung (§ 48 des Gesamtvertrages) dar.

 

Wie im angefochtenen Bescheid festgestellt, weigerte sich die mitbeteiligte Partei außerdem, die Krankengeschichte und die Aufzeichnungen betreffend die Patienten Mag. XXXX zu übermitteln. In der rechtlichen Beurteilung wird dieser Verstoß gegen die Kooperationsverpflichtung damit abgetan, dass die mitbeteiligte Partei für diese Patientin der Beschwerdeführerin nichts in Rechnung gestellt habe, weshalb die Kontrolle einer Abrechnung durch die Beschwerdeführerin ausscheide. Unberücksichtigt lässt die belangte Behörde jedoch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sich das Auskunftsrecht schon auf der Tatsache begründe, dass bei der Behandlung von Frau Mag. XXXX ein Kassenrezept ausgestellt wurde, wodurch der Beschwerdeführerin Folgekosten entstanden. Eine Prüfung dieser Folgekosten ist jedenfalls laut Gesamtvertrag zu ermöglichen, wurde jedoch von der mitbeteiligten Partei - wie Beilage ./A eindrucksvoll zeigt - beharrlich verweigert. Abgesehen davon hat die mitbeteiligte Partei im 1. Quartal 2013 mit der e-Card von Frau Mag. XXXX am 7.1.2013 eine Online-Konsultation mit e-Card (Behandlungsfall Vorsorgeuntersuchung, Pap-Abstrich) und am 18.2.2013 eine Online-Konsultation mit e-Card (Behandlungsfall Regelfall) verbucht. Dies hatte zur Folge, dass der Versicherten das Recht auf Inanspruchnahme einer (anderen) Vertragsärztin für Frauenheilkunde im 1. Quartal 2013 verwehrt wurde und sie darüber hinaus für eine gynäkologische Vorsorgeuntersuchung überhaupt bis 6.1.2014 gesperrt war (Beilage ./A). Auch aus diesem Grund wäre die mitbeteiligte Partei zur Auskunft verpflichtet gewesen.

 

Bei der Missachtung oder Schlechterfüllung von Auskunftspflichten handelt es sich um eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung (Kletter in Sonntag, ASVG6 [2013] § 343 Rz 81). Die Beharrlichkeit dieser Pflichtverletzung der mitbeteiligten Partei ergibt sich daraus, dass sich die mitbeteiligte Partei trotz mehrfacher Aufforderung und Verwarnung geweigert hat, die Unterlagen betreffend Frau Mag. XXXX zu übermitteln (Beilagen .15, ./6 und ./11; Beilage ./A). Auch aus diesem Grund war die Kündigung somit gerechtfertigt.

[...]"

 

Am 13.05.2015 langte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

Am 24.03.2017 übermittelte die nunmehr zuständige Gerichtsabteilung W228 den belangten Behörden die Beschwerde zur Stellungnahme.

 

Am 18.04.2017 langte folgende Replik beim Bundesverwaltungsgericht ein:

 

"Der angefochtene Bescheid, in der Realität liegen zwei Bescheide vor, wurde nicht von einer im Gesetz nicht vorgesehenen Behörde "Landesschiedskommission für Wien und paritätische Schiedskommission für Wien" erlassen, sondern, wie leicht erkennbar ist, von zwei Behörden, nämlich der Schiedskommission für Wien und der paritätischen Schiedskommission für Wien.

 

Der Beschwerdeführerin (kurz WGKK) ist zuzugeben, dass der Bescheid sowohl die PSK als auch die LSK als Bescheid erlassende Behörde anführt und dies wie auch die Verbindung von zwei vor zwei selbständige Behörden gehörige Verwaltungssachen ungewöhnlich ist. Eine Rechtswidrigkeit einer solchen einer ökonomischen Verfahrensführung dienenden zweckmäßigen Vorgangsweise lässt sich den Verwaltungsvorschriften nicht entnehmen. Es ist eindeutig aus dem Bescheid erkennbar, dass zwei Behörden in der ihnen eingeräumten gesetzlichen Zuständigkeit und Besetzung im Bescheid erlassen haben. Dies ist schon leicht aus dem Wort "und" zwischen der Bezeichnung der Parteien LSK PSK erkennbar, abgesehen davon, dass aus dem Protokoll eine Verbindung von zwei Verfahren ersichtlich ist. Zwei Beisitzer, Dr. XXXX und Mag.a XXXX, waren für beide Kommissionen als Beisitzer nominiert. Die unberechtigte Verrechnung von Fallpauschale u. a. war Gegenstand des PSK Verfahrens andererseits wurde dieser Umstand wie auch der unberechtigte Verkauf von Ärztemustern von der WGKK als Kündigungsgrund geltend gemacht. Daher war es naheliegend und zweckmäßig die Verfahren gemeinsam zu verhandeln. Der Bescheid konnte aber nur jeweils von der sachlich zuständigen Behörde in der gesetzlich vorgesehenen Besetzung erlassen werden. Es ist dem Beratungsprotokoll zu entnehmen, dass die jeweils zuständige Behörde über die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich fallende Angelegenheit entschieden und gesetzgemäß zusammengesetzt war. Es hat daher der gesetzliche Richter entschieden. Wie der § 39 Abs. 2 noch § 39 Abs. 2a AVG stehen einer Verbindung von bei mehreren Behörden anhängigen Verwaltungssachen entgegen, wenn die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und der Kostenersparnis der Koordinierung der von zwei Behörden geführten Verfahren zugrunde liegen. Entscheidend ist dann lediglich, dass die jeweils zuständige Behörde über den ihr nach den Zuständigkeitsbestimmungen zugewiesenen Gegenstand in der gesetzlich normierten Besetzung entschieden hat. Dies ist der Fall. Ob dies allenfalls aus dem Kopf des Bescheides nicht leicht erkennbar ist, tut nichts zur Sache und könnte allenfalls jederzeit leicht berichtigt werden. Von einer Rechtswidrigkeit des Bescheides kann keine Rede sein.

 

Richtig ist, dass die festgestellten Verwarnungen des Dr. XXXX (kurz Dr. F.) Durch die Beschwerdeführerin eindeutig waren und § 17 Abs. 3 des Gesamtvertrages bestimmt, dass ärztliche Leistungen, die nicht der Beseitigung oder Linderung gesundheitlicher Störungen dienen, nicht zu honorieren sind. Aber auch eine noch so deutliche Verwarnung ändert nichts daran, dass dem Wortlaut des Gesamtvertrages nicht eindeutig zu entnehmen ist, dass ihn das Fachgebiet des Arztes fallende therapeutische diagnostische Gespräche i.V.m. dem Begehren der Patientin nach einer Nichtkassenleistung, die selbst nicht verrichtet werden kann, nicht mit Fallpauschale und Zuschlag verrechnet werden dürfen. Dass die LSK daraus ein vertretbares Missverständnis des Dr. F. ableitete, ist, wenn vom allein relevanten Wortlaut des Gesamtvertrages ausgegangen wird, die Verwarnungen gaben ja nur subjektive wenn auch vielleicht rechtlich richtige Rechtsmeinungen in der WGKK wieder, weder konstruiert noch lebensfremd oder naiv. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden die strittigen Standpunkte und eine Vertragswidrigkeit des Dr. F. in einem Feststellungsverfahren vor dem entscheidenden Schritt zur Kündigung zu klären. Dann hätte ein Missverständnis des Dr. F. nie angenommen werden können. In einem solchen Verfahren wäre hervorgekommen, dass medizinische Gespräche im Zusammenhang mit dem Begehren nach Verhütungsberatung nicht zur Kassenleistung werden. Vor Durchführung eines solchen Verfahrens kann aber ein Missverständnis des Dr. F. nicht konstruiert oder lebensfremd sein.

 

Ob im Falle der Patientin XXXX mangels Anwesenheit eines Arztes keine Vergütungsberatung stattfand und die Patientin nach Ausfolgung einer 3-Monatspackung Verhütungspillen in Form von Ärztemustern durch die Ordinationshilfe diese € 25 verlangte, lässt die Ansicht der LSK, dass die Patientin nur die Nichtkassenleistung Verhütungsberatung gekauft hat und nicht die Ärztemuster nicht als willkürlich erscheinen. Die Beschwerdeführerin übersieht geflissentlich die Feststellung, dass in allen Fällen, in denen die Patienten mit einem Pillenwunsch zu Dr. F. kamen oder die 3-Monatsspritze wollten, nur die Vergütungsberatung als Nichtkassenleistung verkauft wurde, was auch den AGB zu entnehmen ist. Ob die Patienten subjektiv der Meinung waren, nur die Pillen gekauft zu haben, ersetzt nicht den Nachweis einer darauf gerichteten Absicht des Dr. F. und ein entsprechendes Handeln des Dr. F. Das Beweisverfahren bot hierfür keinen schlagenden Beweis, zumal Dr. F. dies glaubhaft verneinte und ist nicht lebensfremd ist, wenn er die Verhütungsberatung verkaufen wollte und nicht die unverkäuflichen Ärztemuster. Wenn eine Verhütungsberatung nicht stattfand, drängt sich zwar auf, dass nur die Pillen verkauft wurden, jedoch ersetzt dies nicht eine Feststellung, dass Dr. F. einen Verkauf der Pillen wollte. Es ist nicht lebensfremd, dass Dr. F. immer nur die Verhütungsberatung verkaufte und den Patienten verrechnete auch dann wenn sie nicht geleistet wurde. Die Nichterbringung der Leistung Verhütungsberatung trotz Verrechnung ist nicht Gegenstand der Kündigung. Eine Verwaltungsübertretung nach § 83 Abs. 1 Z. 5 AMG kam daher nicht hervor.

 

Dass die Patienten nach den Feststellungen nur der Meinung waren, die Pillen gekauft zu haben, ist nicht durch die Ausführungen der Beschwerde, "wofür sonst als für Ärztemuster sollen die Patienten bezahlt haben, wenn keine Verhütungsberatung erbracht wurde" als Feststellung anzusehen, die auf einer denkunmögliche Beweiswürdigung beruht. Eine bloß mögliche andere Beweiswürdigung ist kein zwingender Grund Bedenken an der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen. Daran ändert auch nichts, dass die Pillen nicht immer in der Originalverpackung mit dem Vermerk Ärztemuster abgegeben wurden.

 

Die belangte LSK hat sich mit den Diskrepanzen der von den Patientinnen angegebenen Beträge von 25 und € 50 auseinandergesetzt. Durch eine andere denkmögliche Betrachtungsweise der WGKK wird weder eine Unschlüssigkeit noch ein Widerspruch zu Beweisergebnissen aufgezeigt, zumal auch die belangte LSK die Diskrepanzen auch mit der Anzahl der Besuche der Patientinnen je Quartal in Zusammenhang brachte. Dies deckt sich auch mit der Aussage der Zeugin XXXX, die angab, immer für ca. drei Monate Pillen geholt zu haben, so dass der Betrag von € 25 für das Quartal anzusetzen ist und dieser Betrag sich wieder mit dem Preis für die Verhütungsberatung pro Quartal deckt. Keine der von der WGKK geführten Zeugen gab an, dass sie 50 oder € 100 für die Pillen gezahlt haben. Die Ausführung der WGKK, dass die Beträge nur für die Pillen sein mussten je nach 3 Monatspackung, Halbjahrespackung oder Jahresvorrat sind daher nur durch das Beweisverfahren nicht gedeckte Schlussfolgerungen, die die Beweiswürdigung der belangten Behörden nicht in Zweifel ziehen kann.

 

Es entspricht der Beweiswürdigung auch aufgrund des persönlichen Eindruckes, wenn die LSK die Zeugin XXXX nicht sehr glaubwürdig fand und ihrer Aussage, die mit der des Dr. F. in Widerspruch stand, nicht folgte und begründete, warum sie sich eher den Angaben Dr. F. anschloss.

 

Ob die Zeugin angab, in der Ordination die Pillen gekauft zu haben oder die Zeugin XXXX für Pillen für drei Monate sieben und acht Euro der Ordinationshilfe bezahlt zu haben, ändert nichts daran, dass damit ein Verkauf der Pillen durch Dr. F. nicht nachgewiesen ist, wenn doch eine Verhütungsberatung mit dem gleichen Preis zu bezahlen ist. XXXX konnte sich auch nicht erinnern, ob Dr. F. ihr sagte, dass sie die Pillen bei ihm kaufen könne und XXXX nie mit Dr. F. gesprochen hat. Somit wird auch durch diese Zeugen die Schlussfolgerung der LSK nicht widerlegt, dass lediglich die Verhütungsberatung mit € 25 pro Quartal von Dr. F. verkauft wurde und die Pillen als Gratisärztemuster übergeben wurden und dies zu dem Willen des Dr. F. entsprach. Da die Verhütungsberatung keine Kassenleistung ist, durfte sie Dr. F. den Patientinnen verrechnen. Die WGKK erblickt darin ein Schein- oder Umgehungsgeschäft weil nicht immer eine Verhütungsberatung geleistet wurde sondern nur unverkäuflichen Ärztemuster ausgefolgt wurden, die Patientinnen aber € 25 zu zahlen hatten. Wenn keine Verhütungsberatung erfolgte, hat Dr. F. zwar unberechtigt das Honorar hierfür bezahlt erhalten und durch seine Ordinationshilfen verlangt, jedoch für die Übergabe der Pillen und die unberechtigte Verrechnung einer Verhütungsberatung damit nicht zu einem von Dr. F. gewollten Verkauf von Ärztemustern.

 

Ob eine Abgabe von Ärztemustern eine Verwaltungsübertretung nach § 83 Abs. 1 Z. 5 AMG begründete, die keinen Vorsatz erfordert, ist nicht entscheidend, weil nicht die fahrlässige Abgabe von Ärztemustern sondern der absichtliche Verkauf von Ärztemustern Gegenstand der Kündigung bildete.

 

Dass die AGB des Dr. F. eine Drohung an die Patienten enthalten, unter bestimmten Umständen haftbar gemacht zu werden und daher damit der Einsatz des Patienten verhindert worden wäre hat die LSK nicht zur Rechtfertigung der Kündigung als ausreichend betrachtet. Dem vermag die WGKK in ihrer Beschwerde nichts Entscheidendes entgegenzusetzen, so dass auf die Bescheidbegründung verwiesen werden kann.

 

Gegenstand der schriftlichen Kündigung war unter anderem die Nichtübermittlung der Krankengeschichte des Patienten Mag. XXXX zur Kontrolle der Abrechnung des Dr. F. und die nichterfolgte Stellungnahme zur Verwendung der e-Card dieser Patientin. Hierzu stellte die LSK fest, dass Dr. F. keine Leistungen für Mag. XXXX verrechnet und das erfolgte Verwenden der e-Card storniert hat. Eine Verpflichtung zur Übermittlung der Krankengeschichte bestand daher nicht. Dass die WGKK im Verfahren (Schriftsatz vom 23.4.2014) ausführte, dass infolge der Ausstellung eines Kassenrezept es für Mag. XXXX eine Nachverrechnung durch weitere drei Jahre möglich wäre und daher eine Übermittlung der Krankengeschichte zur Verpflichtung des Dr. F. gehörte, hat die WGKK in ihrer schriftlichen Kündigung nicht ausgeführt, so dass damit die als Kündigungsgrund herangezogene Verweigerung der Kooperation nachträglich nicht begründet werden konnte."

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Die Zeugin XXXX wurde ohne Beisitzer einvernommen.

 

An den gemeinsam geführten Verhandlungen nahmen Mitglieder sowohl der LSK als auch der PSK teil, die im jeweils anderen Behördenverfahren keine Stimmberechtigung haben.

 

Die Verhandlungsprotokolle tragen die Fertigungs- und Ausfertigungsklausel:

 

"Dr. XXXX HRdOGHiR e.h.

 

Vorsitzender der

 

Landesschiedskommission für Wien

 

F.d.R.d.A.:

 

Als Geschäftsstelle der Landesschiedskommission

 

XXXX"

 

Der Bescheid vom 20.03.2015 enthält eine Sprucheinleitung, die für sämtliche Spruchpunkte gleich ist.

 

Die verschiedenen Spruchpunkte sind bei der Entscheidungsfindung von verschiedenen Behörden in unterschiedlicher Besetzung zu beschließen und schriftlich zu entscheiden.

 

Sowohl Feststellungen wie auch Beweiswürdigung erfolgen ebenso untrennbar.

 

Das Beratungsprotokoll ist von der Akteneinsicht ausgeschlossen und kann nur von den erkennenden Senaten der Rechtsmittelgerichte eingesehen werden.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Unterlagen in den Verwaltungsakten, insbesondere den Protokollen und dem verfahrensgegenständlichen Bescheid.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gemäß § 347a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2013, kann gegen einen Bescheid der Landesschiedskommission Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. § 347b Abs. 1 ASVG bestimmt, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Angelegenheiten nach § 347a durch einen Senat zu erfolgen hat, der aus dem/der Senatsvorsitzenden und vier fachkundigen Laienrichtern/Laienrichterinnen besteht, wobei davon zwei Ärzte/Ärztinnen sind und zwei spezifische Kenntnisse auf dem Gebiet des Gesundheits- und des Sozialversicherungswesens haben müssen.

 

§ 347b Abs. 2 ASVG bestimmt, dass im Falle von Beschwerden gegen Bescheide der Paritätischen Schiedskommissionen Versicherungsvertreter / Versicherungsvertreterinnen und Arbeitnehmer / Arbeitnehmerinnen jenes Versicherungsträgers sowie Angehörige und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen jener Ärztekammer, die Vertragsparteien des Gesamtvertrages sind, auf dem ein streitgegenständlicher Einzelvertrag beruht, im jeweiligen Verfahren nicht Laienrichter/Laienrichterin sein dürfen; das Gleiche gilt für Personen, die bei der Erarbeitung der Richtlinie nach § 347 Abs. 5 mitgewirkt haben, wenn in einem Verfahren die Richtlinie anzuwenden ist.

 

Im vorliegenden Fall liegt demnach Senatszuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Zu A) Ersatzlose Behebung des verfahrensgegenständlichen Bescheides

 

Soweit die Replik auf die Beschwerde die haushaltsrechtlichen und somit auch verwaltungsrechtlichen Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und der Kostenersparnis anführt, so ist diesen Ausführungen zuzugestehen, dass die gewählte Vorgangsweise diese Grundsätze erfüllt und für die betroffenen Zeugen wie auch Parteien sicher auch zeitökonomisch wünschenswert war.

 

Dabei übersehen jedoch die "belangten Behörden" in ihrer Replik, dass sie sich über einige rechtsstaatliche Prinzipien hinwegsetzen, die sich nicht nur auf die selbst getroffene Entscheidung auswirken, sondern auch diese Senatszusammensetzung des erkennenden Bundesverwaltungsgerichtes vertieft zu begründen ist.

 

Soweit nämlich in der rechtlichen Beurteilung eine Senatszuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes einfach zu konstatieren ist, so schwierig ist die richtige Besetzung des entscheidenden Senats festzustellen, da in der gemeinsamen Entscheidung der "belangten Behörden" deren getrennte Zuständigkeiten als LSK und PSK vermengt wurden und somit nicht klar ist, ob die Ausschlüsse von Laienrichtern betreffend Beschwerden gegen Bescheide der Paritätischen Schiedskommissionen aufgrund des § 347b Abs. 2 im nunmehrigen Fall anwendbar sind. Da die Beschwerde sich gegen die Erlassung der Entscheidung in gemeinsamer Form richtet, wurden daher die Ausschlüsse bei der Ladung des Senates zur Beschlussfassung für die nunmehr vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Vorsitzenden als speziellere Norm berücksichtigt.

 

Durch die gemeinsame Entscheidung der LSK und PSK ("belangte Behörden") ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Der Entscheidung des VfGH vom 11.03.1979, B 179/58, ist zu entnehmen:

"Wenn aber die genannten Mitglieder aus den im Protokoll angegebenen Gründen tatsächlich nicht zur Stimmabgabe berechtigt gewesen wären, so hätten sie nicht der Verhandlung zugezogen werden dürfen. Die Teilnahme von nicht stimmberechtigten Mitgliedern an einer Verhandlung einer Behörde ist rechtswidrig." Schon daraus ist erkennbar, dass die gewählte Vorgangsweise zwei Verfahren über getrennte, gesetzlich vorgegebene, Behördenzuständigkeiten hinweg zu verbinden, eine Rechtsverletzung darstellt.

 

Aber nicht nur das Recht auf den gesetzlichen Richter wird verletzt. Soweit die "belangten Behörden" meinte eine Verbindung nach § 39 Abs. 2 oder § 39 Abs. 2a AVG über, gesetzlich vorgegebene, Behördenzuständigkeiten hinweg sei von der Norm intendiert und ein gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zulässig, so unterstellen sie diesen Normen mit dieser Auslegung einen verfassungswidrigen Inhalt, nämlich die Verletzung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Gewaltentrennung, da gerade dem Gesetzgeber die Regelungsbefugnis zukommt, Zuständigkeiten zwischen den Behörden zu verschieben, zur zuständigkeitsübergreifenden Entscheidung zu verbinden oder eben nicht und keinesfalls einer Verwaltungsbehörde.

 

In Hinblick auf die Ausführungen der "belangten Behörden", dass aus dem Beratungsprotokoll zu entnehmen sei, dass die Behörde gesetzgemäß zusammengesetzt war und über die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Angelegenheiten entschieden habe, übersieht sie gleich mehrere Dinge. Zwar ist dem Protokoll zu entnehmen, welche Personen bei den Spruchpunkten 1 und 4 abgestimmt haben, da diese dort dezidiert genannt werden. Bei den Spruchpunkten 2 und 3 erfolgt keine Nennung der abstimmenden Personen. Hier könnte maximal aufgrund der Abfolgen und mangels neuerlicher Nennung angenommen werden, dass dieselben Personen abgestimmt haben, wie bei Spruchpunkt 1. Aufgrund der Anwesenheit anderer, nicht stimmberechtigter Personen ist aber schon dies eine Unschärfe, die von der Rechtsordnung nicht toleriert werden kann und stellt diese Unschärfe einen Fehler dar, der zur Rechtswidrigkeit führt. Zudem ist in der Argumentation der "belangten Behörden" rechtsstaatlich bedenklich, dass in das Beratungsprotokoll grundsätzlich nur die erkennenden Senate der Rechtsmittelgerichte Einsicht nehmen dürfen. Potentielle Beschwerdeführer sollten aber schon aufgrund der Bescheide und des, allenfalls via Akteneinsicht zu kontrollierenden, Akteninhaltes abschätzen können, ob die Bescheide korrekt zustande gekommen sind und ein Rechtsmittel zweckmäßig ist. Würde der erkennende Senat der Argumentation folgen, wäre diese Abschätzung in rechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt.

 

Soweit die "belangten Behörden" vermeinen, dass allenfalls jederzeit eine Berichtigung des Bescheids in Frage käme, ist zu erwidern, dass dies nicht der Fall ist. Zwei getrennte Bescheide haben getrennte Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Würdigungen zu enthalten. Der verfahrensgegenständliche Bescheid beinhaltet jedoch nur einmal, und nicht zweimal, Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung; dies wird sogar im Schriftsatz der "belangten Behörden" zugestanden: "die die Beweiswürdigung der belangten Behörden nicht in Zweifel ziehen kann." Dadurch sind diese aber ebenfalls nicht den getrennten Spruchkörpern zurechenbar. Dieser Mangel ist keiner Berichtigung nach AVG zugänglich.

 

Dass eine mangelnde Verfahrensführung vorliegt, erhellt noch aus weitern Umständen. So sind die Verhandlungsprotokolle nur für die LSK, und nicht auch für die PSK, gefertigt. Die Zeugin Zuschnig wurde ohne Beisitzer einvernommen. Dieses Einvernahmeprotokoll wurde in keiner Verhandlung inhaltlich erörtert. Da die Zeugenaussage jedoch verwertet wurde, kam es hier ebenso zu einem Verfahrensfehler.

 

Der gemeinsame Bescheid der "belangten Behörden" ist daher wegen Unzuständigkeit ersatzlos zu beheben. Die einzelnen Behörden können sich in den nun kommenden Verfahren auch nicht auf die schon vorliegenden Verhandlungsergebnisse berufen, da auch diese in rechtswidriger Zusammensetzung erhoben wurden. Die Verfahren werden daher komplett neu durchzuführen sein.

 

Zu B) Zulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Es konnte keine Judikatur des VwGH über die Zusammensetzung des Senates einer Rechtsmittelinstanz aufgefunden werden, die über einen gemeinsamen Bescheid einer unzuständigen Behörde abzusprechen hatte und sich dabei gleichzeitig Zusammensetzung des Senates der einzelnen Behörden unterscheiden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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