VfGH B187/06

VfGHB187/0629.2.2008

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Berufung gegen die Bestätigung der Anzeige eines Rechtserwerbs an einem Baugrundstück infolge unrichtiger personeller Besetzung der Landes-Grundverkehrskommission

Normen

B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1996 §23, §25a, §26, §28
B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1996 §23, §25a, §26, §28

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.556,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 15. März 2005 erwarb der

Erstbeschwerdeführer das Gst. 58/3 in EZ 67 GB 81005 Gnadenwald im Ausmaß von 2.051 m² von der Zweitbeschwerdeführerin mit dem Zweck, das Grundstück einer Bebauung zuzuführen. Dieser Rechtserwerb wurde der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck mit dort am 16. März 2005 eingelangter Eingabe angezeigt. Das in Rede stehende Grundstück ist - zuletzt aufgrund einer Flächenwidmungsplanänderung vom 15. März 2005 - zum Teil als Bauland (Wohngebiet), zum (überwiegenden) Teil als Freiland gewidmet.

Am 19. Juli 2005 stellte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die "Bestätigung der Anzeige" aus; darin wurde gemäß §25a Abs2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Weiteren: TGVG 1996), LGBl. 61 idF LGBl. 75/1999, bestätigt, dass die Anzeige nach §23 leg.cit. über den gegenständlichen Rechtserwerb erfolgt sei. Wörtlich heißt es u. a.:

"Rechtsgeschäft (Rechtsvorgang)/Datum:

Kaufvertrag vom 15.03.2005 betreffend des im Umwidmungsbeschluss der Gemeinde Gnadenwald vom 16.03.2005, Zl. 004-1/05 als Wohngebiet ausgewiesenen Teiles des Gst. 58/3 in EZ 67, GB 81005 Gnadenwald. Die Kundmachung und der Plan des der Umwidmung zugrunde liegenden Gemeinderatsbeschlusses bildet einen integrierenden Bestandteil dieser Bestätigung."

Die Vertragsparteien erhoben gegen diese Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Berufung an die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Weiteren: LGVK), weil die Bestätigung ihrer Auffassung zufolge über die gesamte Liegenschaft, somit über den gesamten Kaufgegenstand, auszustellen gewesen wäre.

Die LGVK wies die Berufung mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 als unzulässig zurück. Die Behörde führte aus, dass der Gegenstand des Berufungsverfahrens die Frage betreffe, ob die in §25a TGVG 1996 vorgesehene Bestätigung als Bescheid zu qualifizieren sei. Da diese Frage zu verneinen sei, müsse auch die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie eine Verletzung des Art6 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Die Beschwerdeführer haben eine als "vorbereitender Schriftsatz" bezeichnete Äußerung eingebracht, in der sie das Beschwerdevorbringen bekräftigen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführer behaupten, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, weil die bekämpfte Bestätigung als bescheidmäßige Erledigung zu qualifizieren sei und die belangte Behörde daher zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert habe. Überdies sei Art6 EMRK in mehrfacher Hinsicht verletzt worden, insbesondere weil die Beschwerdeführer über die Besetzung des Tribunals nicht rechtzeitig informiert wurden und eine Ablehnung wegen Befangenheit der Mitglieder daher nicht möglich gewesen sei. Weiters verstoße die Besetzung des Tribunals gegen Art6 EMRK, weil der LGVK auch Interessenvertreter angehörten und gemäß §28 Abs5 TGVG 1996 eine "unterschiedliche Zahl von Richtern in willkürlicher Weise an der Entscheidung mitwirken" könne.

2. Soweit das - weitwendige - Beschwerdevorbringen zur Einrichtung der LGVK dahin zu verstehen ist, dass damit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Organisationsregelungen des TGVG 1996, insbesondere gegen §28 Abs1 und 5 TGVG 1996 artikuliert werden, ist dem die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten (s. insbesondere VfSlg. 15.325/1998 mwN).

3. Auch im Übrigen sind gegen die den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften beim Verfassungsgerichtshof keine Bedenken entstanden, weshalb die Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt wurden.

4.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festhält, wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000 und 16.572/2002).

4.2. Mit dem bekämpften Bescheid hatte die LGVK über eine Berufung gegen die von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als gemäß §26 Abs1 TGVG 1996 zuständige Grundverkehrsbehörde für Baugrundstücke und sonstige Grundstücke ausgestellte Bestätigung der Anzeige gemäß §25a Abs2 TGVG 1996 zu entscheiden. §25a TGVG 1996 lautet:

"§25a

Bestätigung über Ausnahmenvon der Erklärungspflicht,Bestätigung der Anzeige

(1) Ist ein Rechtserwerb an einem Baugrundstück nach §10 von der Erklärungspflicht ausgenommen, so hat die Grundverkehrsbehörde hierüber eine Bestätigung auszustellen.

(2) Erfüllt die Anzeige über einen Rechtserwerb an einem Baugrundstück die Erfordernisse nach §23, so hat die Grundverkehrsbehörde eine Bestätigung über die erfolgte Anzeige auszustellen.

(3) Eine Ausfertigung der Bestätigungen nach den Abs1 und 2 ist dem Landesgrundverkehrsreferenten zu übermitteln. Die Bestätigung der Anzeige eines Rechtserwerbes an einem unbebauten Baugrundstück ist weiters der Gemeinde, in deren Gebiet das Grundstück liegt, zu übermitteln.

(4) Die Bestätigung der Anzeige eines erklärungspflichtigen Rechtserwerbes bzw. die Bestätigung, dass ein Rechtserwerb nicht der Erklärungspflicht unterliegt, ist mit Bescheid zu versagen, wenn die nach §23 erforderlichen Unterlagen trotz des Auftrages, sie binnen einer angemessen festzusetzenden Frist nachzubringen, der Grundverkehrsbehörde nicht vorgelegt werden.

(5) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über den Inhalt und die Form der Bestätigungen nach den Abs1 und 2 zu erlassen. In der Bestätigung nach Abs2 ist auf die Rechtsfolgen nach den §§14 Abs3 und 36 Abs1 litc sowie auf die Bestimmungen über die Verlängerung der Frist nach §11 Abs3 hinzuweisen."

4.3. Eine gemäß §25a Abs2 TGVG 1996 ausgestellte Bestätigung der Anzeige kann sich sohin von Gesetzes wegen nur auf einen der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß §23 TGVG 1996 angezeigten Rechtserwerb an einem Baugrundstück beziehen. Insofern ist für den vorliegenden Fall zu folgern, dass die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck bei Ausstellung der Bestätigung davon ausgegangen ist, dass der "als Wohngebiet ausgewiesene Teil" des in Rede stehenden Grundstücks als Baugrundstück zu qualifizieren ist.

Unbeschadet der - vom Verfassungsgerichtshof hier nicht zu beantwortenden - Frage, ob die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zu Recht (im angenommenen Umfang) vom Vorliegen eines Baugrundstücks ausgehen konnte, wäre die LGVK infolge der an sie gegen die Bestätigung gemäß §25a Abs2 TGVG 1996 erhobenen Berufung gemäß §28 Abs1 leg.cit. verpflichtet gewesen, als Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz in ihrer Besetzung für Baugrundstücke zu entscheiden. §28 TGVG 1996 lautet auszugsweise:

"§28

Landes-Grundverkehrskommission

(1) Beim Amt der Tiroler Landesregierung ist die Landes-Grundverkehrskommission einzurichten. Sie besteht

a) hinsichtlich der Baugrundstücke und der sonstigen Grundstücke aus

  1. 1. einer mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertrauten Persönlichkeit als Vorsitzendem,
  2. 2. einem Mitglied aus dem Richterstand,
  3. 3. einem rechtskundigen Beamten des Amtes der Tiroler Landesregierung als Berichterstatter,
  4. 4. einem Rechtsanwalt oder Notar,
  5. 5. je einem von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, der Wirtschaftskammer Tirol und der Landeslandwirtschaftskammer vorzuschlagenden Mitglied;

b) hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke aus

  1. 1. den Mitgliedern nach lita,
  2. 2. einem Beamten des höheren technischen Agrardienstes des Amtes der Tiroler Landesregierung,
  3. 3. einem Beamten des höheren forsttechnischen Dienstes des Amtes der Tiroler Landesregierung.

(2) Die Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission sind von der Landesregierung auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Sie müssen zum Landtag wählbar sein. Bei den Mitgliedern nach Abs1 lita Z. 5 hat die Landesregierung die vorschlagsberechtigten Kammern aufzufordern, binnen einer angemessen festzusetzenden Frist einen Vorschlag zu erstatten. Wird ein Vorschlag nicht rechtzeitig erstattet, so ist die Bestellung ohne Vorschlag vorzunehmen. Vor der Bestellung des Mitgliedes nach Abs1 lita Z. 2 ist der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck zu hören. Für jedes Mitglied ist in gleicher Weise ein Ersatzmitglied zu bestellen. Jedes Mitglied wird im Falle seiner Verhinderung durch sein Ersatzmitglied vertreten.

...

(5) Die Landes-Grundverkehrskommission ist beschlußfähig, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen wurden und der Vorsitzende, das Mitglied aus dem Richterstand, der Berichterstatter und mindestens zwei weitere Mitglieder, bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken darüber hinaus noch der Beamte des höheren technischen Agrardienstes und des höheren forsttechnischen Dienstes anwesend sind. Sie faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Stimmenthaltung ist nicht zulässig.

...

(7) Die Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission sind bei der Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden. Ihre Bescheide unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Gegen Bescheide der Landes-Grundverkehrskommission, die Rechtserwerbe an Baugrundstücken betreffen, ist Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig."

Wie sich daher aus §28 Abs1 lita TGVG 1996 ergibt, besteht die LGVK in ihrer Besetzung für Baugrundstücke aus insgesamt sieben Personen. Sowohl die im Bescheid angeführte Besetzung des Tribunals als auch das diesbezüglich übereinstimmende, dem vorgelegten Verwaltungsakt entnommene Beratungsprotokoll über die nichtöffentliche Sitzung am 22. Dezember 2005 weisen jedoch eine Besetzung von neun Personen und damit eine über die gesetzlich vorgesehene Besetzung hinausgehende Anzahl an (stimmberechtigten) Mitgliedern auf.

Daraus folgt, dass die hier entscheidende Kollegialbehörde in unrichtiger personeller Besetzung einschritt.

Die Beschwerdeführer wurden dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund als verfassungswidrig aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Kostenbetrag enthält einen Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 180,-, Umsatzsteuer in Höhe von € 396,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 180,-.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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