BVwG W261 2150003-2

BVwGW261 2150003-211.4.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG 1950 §71 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG 1950 §71 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W261.2150003.2.00

 

Spruch:

W261 2150003-2/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, alias XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, geb. XXXX, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 21.02.2017, Zl. XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht:

 

A)

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

 

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 71 Abs. 1 AVG stattgegeben.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 01.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

 

Mit Bescheid vom 02.01.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt III.).

 

Mit Verfahrensanordnung vom 02.01.2017 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG mit, dass ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die juristische Person XXXX als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.

 

Der Bescheid vom 02.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt. Nach einem Zustellversuch am 05.01.2017 begann die Abholfrist des hinterlegten Bescheides am 09.01.2017 zu laufen.

 

Mit Schreiben vom 01.02.2017, bei der belangten Behörde per E-Mail eingelangt am selben Tag, stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte zugleich Beschwerde gegen den Bescheid vom 02.01.2017 ein.

 

Betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand brachte er vor, die Verfahrensanordnung der belangten Behörde sei der XXXX am 03.01.2017 zugestellt worden. Am selben Tag sei der Beschwerdeführer im Journaldienst der XXXX (XXXX) (im Folgenden NÖWE) erschienen und habe nach der Bedeutung dieses Schreibens gefragt. Seitens der NÖWE habe man ihm mitgeteilt, er würde demnächst einen Bescheid erhalten und, sollte er sich zum Zeitpunkt des Zustellversuchs durch die Post nicht zuhause aufhalten, eine Zustellbenachrichtigung ("gelber" Zettel") in seinem Postkasten finden, mit welcher er zur Post gehen müsse.

 

Da der Beschwerdeführer in den darauffolgenden Tagen weiterhin keine Zustellbenachrichtigung in seinem Postkasten vorgefunden habe, sei er am 16.01.2017 während der Amtsstunden persönlich zur belangten Behörde in XXXX gegangen, wo ihm mitgeteilt worden sei, er solle telefonisch bei der belangten Behörde um Auskunft ersuchen, man könne ihm gerade nicht helfen, unter anderem weil kein Dolmetscher anwesend sei.

 

Am 18.01.2017 habe eine Mitarbeiterin der NÖWE per E-Mail bei der belangten Behörde nachgefragt, ob bereits ein Bescheid erlassen und versendet worden sei. Nachdem ein Mitarbeiter der belangten Behörde am 19.01.2017 zunächst geantwortet habe, es habe am 05.01.2017 ein Zustellversuch stattgefunden und der Bescheid sei postalisch an die belangte Behörde retourniert worden, habe er eine halbe Stunde später in einem weiteren E-Mail dieses Versehen korrigiert und festgehalten, dass lediglich der Rückschein retourniert worden sei, und sich der Bescheid noch bei der Post befinden müsse.

 

Die NÖWE habe den den Beschwerdeführer daraufhin umgehend davon informiert und mitgeteilt, er möge den Bescheid ohne gelben Zettel sondern durch Vorlage eines Ausweises bei der Post beheben. Der Beschwerdeführer habe den Bescheid daraufhin am 19.01.2017 behoben.

 

Weiters sei dem Beschwerdeführer von der NÖWE mitgeteilt worden, er möge in der Folgewoche zu einem Rechtsberatungstermin in der XXXX, welche sich an der selben Adresse befinde wie die NÖWE, erscheinen.

 

Das Rechtsberatungsgespräch habe am 23.01.2017 stattgefunden. Wie sich später herausgestellt habe, sei der Mitarbeiterin der NÖWE nicht bewusst gewesen, dass die Rechtsmittelfrist nicht erst mit der Abholung sondern bereits mit der Hinterlegung des Bescheides zu laufen beginne. Umso weniger sei dies dem Beschwerdeführer bewusst gewesen, der freilich darauf vertraut habe, dass mit der Terminbestätigung für die Rechtsberatung für eine Beschwerdeerhebung noch genügend Zeit sein müsse, andernfalls er ja einen früheren Termin bekommen hätte.

 

Darüber hinaus sei er erst seit einem Jahr in Österreich, mit der österreichischen Rechtsordnung nicht vertraut und kenne insbesondere nicht die gesetzlichen Regelungen zur Zustellung behördlicher Schriftstücke. Es sei daher absolut nachvollziehbar, dass er auf die Auskünfte der NÖWE, welche auf die Betreuung und Beratung von Asylwerbern spezialisiert sei, vertraut habe. Der Beschwerdeführer habe durch tägliches Nachschauhalten nach der Zustellbenachrichtigung in seinem Briefkasten sowie durch Erkundigung bei der belangten Behörde selbst alles Erdenkliche getan um herauszufinden, ob der Bescheid bereits erlassen und versendet worden sei, weshalb ihm kein Verschulden angelastet werden könne.

 

Der Irrtum hinsichtlich des Fristenlaufs sei der Mitarbeiterin der NÖWE zuzurechnen. Den Beschwerdeführer treffe diesbezüglich jedoch auch kein Auswahlverschulden. Die NÖWE teile sich das Büro mit der XXXX, was die Unterscheidung zwischen Sozial- und Rechtsberatern für Asylwerber schwierig mache. Wenn dem Beschwerdeführer von einer Mitarbeiterin der "XXXX" mitgeteilt worden sei, dass er in der kommenden Woche zur Rechtsberatung kommen solle, habe er davon ausgehen dürfen, dass dies mit der Rechtsberatung abgestimmt sei bzw. die Mitarbeiterin wisse, wann genau die Rechtsmittelfrist ablaufen würde.

 

Darüber hinaus bestehe zwischen dem Beschwerdeführer und den Mitarbeitern der Beratungseinrichtung kein Vollmachtsverhältnis, welches die Zurechenbarkeit eines Fehlers des Vertreters bedeuten würde. Der Fehler einer Beratungsstelle, die nur Rechtsauskünfte oder sonstige Dienstleistungen anbiete, und auf deren Zuverlässigkeit der Beschwerdeführer vertrauen könne, könne ihm mangels Vollmachtsverhältnis nicht zugerechnet werden.

 

Mit Bescheid vom 21.02.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht habe, dass er durch ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Beschwerdefrist einzuhalten. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die namentlich nicht genannte Mitarbeiterin der NÖWE betreffend der Zustellungsfristen nicht kundig sei, da es sich dabei um eine Kernkompetenz in der Flüchtlingsbetreuung handle.

 

Jedoch hätte, auch wenn der Fristenlauf der betreffenden Mitarbeiterin erst am 23.01.2017 bewusst geworden wäre, noch rechtzeitig ein Rechtsmittel eingebracht werden können, da die Rechtskraft des Bescheides vom 02.01.2017 erst mit 24.01.2017 erwachsen und die Einbringung per E-Mail bis 24:00 Uhr des Einbringungstages möglich sei. Insbesondere aufgrund der Mitteilung des Mitarbeiters der belangten Behörde vom 19.01.2017, wonach der Zustellversuch am 05.01.2017, die Retournierung des Rückscheines sowie das Vorliegen des Bescheides beim zuständigen Postamt bestätigt worden seien, hätte die nach wie vor offene Rechtsmittelfrist bekannt sein müssen.

 

Da sämtliche der genannten Punkte unglaubwürdig seien, werde auf die Glaubwürdigkeit, ob ein minderer Grad des Versehens seitens des Beschwerdeführers nicht mehr eingegangen. Selbst wenn das Vorbringen glaubwürdig wäre, hätte die Mitarbeiterin der NÖWE selbst nach der angeblichen Verwechslung des fristauslösenden Ereignisses noch immer rechtzeitig ein Beweismittel einbringen können, wodurch die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht vorauszusetzen gewesen sei, unabhängig davon, ob der Maßstab für einen beruflichen und rechtskundigen Parteienvertreter anzulegen gewesen wäre.

 

Gegen diesen Bescheid vom 21.02.2017 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst, mit E-Mail vom 09.03.2017 fristgerecht Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass es unrichtig sei, dass die betreffende Mitarbeiterin der NÖWE namentlich "nicht näher genannt" worden sei, diese werde vom Beschwerdeführer sogar als Zeugin beantragt. Es könne zwar nicht abgestritten werden, dass es sich beim Wissen um Zustellregelungen und Fristen um eine Kernkompetenz der Flüchtlingsbetreuung handle, jedoch sei es nicht denkunmöglich und generell nicht auszuschließen, das in einer so großen Organisation einzelne MitarbeiterInnen gewisse fachliche Wissenslücken hätten.

 

All diese Ausführungen seien jedoch für das gegenständliche Wiedereinsetzungsverfahren ohnehin irrelevant, da den Beschwerdeführer kein Auswahlverschulden treffe und das mangelnde Fachwissen seiner Flüchtlingsberaterin ihm nicht angelastet werden könne.

 

Es sei nicht nachzuvollziehbar, warum die belangte Behörde von einem Erwachsen des Bescheides in Rechtskraft am 23.01.2017 ausgehe. Der Zustellversuch habe am 05.01.2017 stattgefunden. Üblicherweise werde ein Rsa-Brief nach erfolglosem Zustellversuch am selben oder am nächsten Tag beim Postamt hinterlegt. Somit hättre die Zustellung am 05.01. bzw. spätestens am 06.01. rechtswirksam erfolgen müssen, was eine Rechtskraft am 23.01. nicht nachvollziehbar erscheinen lasse.

 

Der Beschwerdeführer habe nachvollziehbar auf die Auskünfte der NÖWE, welche auf die Betreuung und Beratung von Asylwerbern spezialisiert sei, verlassen. Ihm sei kein Vorwurf zu machen, da er alles Erdenkliche getan habe, um herauszufinden, ob der Bescheid bereits erlassen und versendet worden sei und habe aufgrund eines Versehens, der der NÖWE anzulasten sei, erst einen Rechtsberatungstermin nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erhalten. Es treffe ihn weiters kein Auswahlverschulden, wie bereits im Wiedereinsetzungsantrag vom 01.02.2017 ausgeführt. Im gegenständlichen Fall handle es sich bei der Fristversäumung wohl nicht um ein unabwendbares, jedoch um ein unvorhergesehenes Ereignis. Dem Schreiben legte der Wiederseinsetzungswerber eine Vertretungs- und Zustellvollmacht der XXXX vom 08.03.2017 bei.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt.

 

Nach einem Zustellversuch am 05.01.2017 begann die zweiwöchige Abholfrist des hinterlegten Bescheides am 09.01.2017 zu laufen und endete am 23.01.2017.

 

Mit Schreiben vom 01.02.2017 stellte der Beschwerdefüher ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid vom 02.01.2017.

 

Dem nunmehrigen Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung vom 02.01.2017 für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig die XXXX als Rechtsberater zur Seite gestellt.

 

Eine gewillkürte Vertretung bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Beschwerdefüher erteilte derXXXX am 08.03.2017 eine Vertretungs- und Zustellvollmacht.

 

Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, dass er durch ein unvorhergesehenes Ereignis verhindert war, die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen vom 02.01.2017 einzuhalten, wobei ihn nur ein geringer Grad des Versehens trifft.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den vorliegenden Verwaltungsakten.

 

Aus dem Aktenvorgang ist zu zweifelsfrei zu entnehmen, dass die NÖWE am 18.01.2017 der belangten Behörde im Auftrag des Beschwerdeführes bekannt gab, dass dieser bis zu diesem Zeitpunkt keinen Bescheid in Händen hatte. Zudem ist darin auch die vom Beschwerdeführer behauptete Vorsprache am 16.01.2017 im Rahmen des Parteienverkehrs in der BFA Außenstelle XXXXangeführt (siehe Seite 147).

 

Auch das im Wiedereinsetzungsantrag und in der gegenständlichen Beschwerde erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die NÖWA vom BFA die Auskunnft erhalten hat, dass der Bescheid (Email Nachricht vom 19.01.2017, 08:53 Uhr) an das BFA retourniert wurde, welche mit Email Nachricht vom 19.01.2017, 10:10 Uhr richtig gestellt wurde, wonach zum BFA nur der RSa Rückschein gekommen ist, und der Bescheid nach wie vor beim Postamt 3100 hinterlegt sein müsste, ist durch den Verwaltungsakt belegt (siehe Seiten 153 bis 159).

 

Daraus schließt das Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer ernsthaft versucht hat, im Rahmen seiner Möglichkeiten festzustellen, wie er zum Bescheid der belangten Behörde vom 02.01.2017 kommen kann. Er hat den Bescheid auch nachweislich noch am 19.01.2017 beim Postamt behoben.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist das Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Abholung des Bescheides beim Postamt und seiner Bemühungen, einen Beratungstermin beim NÖWE zu erhalten, nachvollziehbar und glaubhaft.

 

Ebenso nachvollziehbar ist es für das Bundesverwaltungsgericht, dass rechtliche Laien in der Praxis davon ausgehen könnten, dass eine Rechtsmittelfrist mit dem Zeitpunkt der Abholung des Schriftstückes beim Postamt zu laufen beginnen kann. Dass dies ausgerechnet einer Mitarbeiterin einer Flüchtlingsberatungsstelle passiert, ist zwar bedenklich, aber dem Argument, dass in einer großen Organisation einzelne Mitabreiter(innen) gewisse fachliche Wissenslücken haben können, kann gefolgt werden. Dies umso mehr, als es selbst dem Vertreter des Beschwerdeführers nicht klar zu sein scheint, wann die Rechtsmittelfrist tatsächlich zu laufen begonnen hat. So wird sowohl im Wiederseinsetzungsantrag als auch in der gegenständlichen Beschwerde argumentiert, dass die Rechtsmittelfrist am 19.01.2017, und nicht wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, am 23.01.2017 geendet hat.

 

Der Beschwerdeführer hat daher glaubhaft vorgebracht, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Dass er sich auf die NÖWE verlassen hat, entspricht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes der Lebensrealität eines Asylwerbers, der weder der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist, noch mit dem österreichischen Rechtssystem und im Speziellen mit dem Zustellgesetz vertraut ist.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchpunkt A)

 

§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) idg F BGBl I Nr. 161/2013 lautet:

 

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

 

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

 

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

 

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

 

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

 

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

 

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen."

 

Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden der Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist gemäß § 33 Abs. 1 AVG der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

 

Am 05.01.2017 erfolgte ein Zustellversuch des Bescheides des BFA vom 02.01.2017 an den Beschwerdeführer. Da der 06.01.2017 ein gesetzlicher Feiertag war, und der 07.01.2017 sowie 08.01.2017 auf ein Wochenende fielen, erfolgte die rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung nachweislich am 09.01.2017. Die mit zwei Wochen festgesetzte Beschwerdefrist endete demnach am 23.01.2017.

 

Der Beschwerdeführer brachte die Beschwerde gegen diesen Bescheid erst am 01.02.2017 ein. Demnach hat er die Frist zur Einbringung der Beschwerde versäumt.

 

Gleichzeitig mit der Einbringung der Beschwerde stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Als Wiedereinsetzungsgrund führte er im Wesentlichen ein Versehen der NÖWE-Mitarbeiterin an, welche davon ausgegangen ist, dass die Rechtsmittelfrist erst mit Abholung des Bescheides zu laufen beginnt, weshalb erst am 23.01.2017 ein Rechtsberatungstermin vereinbart worden war. Ein weiterer Irrtum war, dass die Mitarbeiterin der NÖWE bzw. in weiterer Folge auch der Vertreter des Beschwerdeführers davon ausgegangen sind, dass die Beschwerdefrist am 19.01.2017 (und nicht wie richtig am 23.01.2017) endete.

 

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen, nicht auch einer materiell-rechtlichen Frist zulässig (vgl. VwGH 15.03.1995, 95/01/0035). Eine Frist ist versäumt, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist, dh. wenn die geforderte Prozesshandlung vor ihrem Ablauf nicht in der für sie (zwingend) vorgeschriebenen Form gesetzt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 AVG Rz 22 mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis iSd § 71 Abs 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, Zl. 83/03/0134, ua.)

 

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat, und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, Zl. 93/16/0020).

 

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (z. B. VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (z. B. VwGH 22.01.2003, 2002/04/0136).

 

Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung dann, wenn der Partei Vorsatz oder offenkundige Sorglosigkeit vorzuwerfen ist.

 

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

 

Im gegenständlichen Fall stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von zwei Wochen, nachdem der Mitarbeiterin der NÖWE ihr Versehen aufgefallen ist, das war frühestens der 23.01.2017, und wurde dieser demnach fristgerecht eingebracht. Wobei an dieser Stelle noch einmal angemerkt wird, dass der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertretung auch noch in der vorliegenden Beschwerde offensichtlich davon ausgehen, dass die Rechtsmittelfrist am 19.01.2017 geendet habe.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG unterstützen und beraten Rechtsberater Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Lediglich auf Ersuchen haben Rechtsberater Fremde in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Rückkehrentscheidung auch zu vertreten. Ein solches Ersuchen um Vertretung, eine entsprechende Bevollmächtigung, ist gegenständlich erst am 08.03.2017 erfolgt. Weder die Rechtsberatungsorganisation noch deren Mitarbeiter verfügten daher zum Zeitpunkt der Abfassung der Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid der belangten Behörde im vorliegenden Fall über eine Vertretungsvollmacht. Ein (allfälliges) Verschulden der Mitarbeiterin der NÖWE – bei der es sich darüber hinaus "nur" um eine Sozial- und nicht Rechtsberaterin handelte, was für den Beschwerdeführer hingegen nicht ersichtlich sein konnte - ist daher - anders als bei einem gewillkürten Vertreter - dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnen (vgl. auch VwGH 21.5.1998, Zl 97/20/0693; VwGH 22.7.2004, Zl 2004/20/0122; VwGH 21.04.2005, Zl 2005/20/0080). Ob der Mitarbeiterin der NÖWE ein Verschulden an der Fristversäumung anzulasten ist, und ob ein allfälliges Verschulden der Rechtsberaterin den minderen Grad des Versehens übersteigt, kann nach dem Gesagten dahingestellt bleiben.

 

Die XXXX wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt; an deren Auswahl trifft den Beschwerdeführer daher jedenfalls kein Verschulden. Auch an der Verlässlichkeit der Mitarbeiterin der genannten Organisation mussten keine Zweifel bestehen. Der nunmehrige Beschwerdeführer durfte davon ausgehen, dass die genannte Mitarbeiterin über die Fristenläufe Bescheid weiß und für eine rechtzeitige Terminvereinbarung für ein Rechtsberatungsgespräch sorgt. Gegenteilige Anhaltspunkte liegen nicht vor.

 

Der Beschwerdeführer hat den vereinbarten Beratungstermin am 23.01.2017 wahrgenommen. Darüber hinaus überprüfte er ab 03.01.2017 täglich seinen Postkasten auf Vorliegen einer Zustellbenachrichtigung und erkundigte er sich mangels Auffindens einer solchen am 16.01.2017 bei der belangten Behörde über den Verbleib des von ihm erwarteten Bescheides. Unmittelbar nach der Verständigung durch die XXXX, wonach eine Abholung am Postamt möglich sei, holte er den Bescheid ab. Eine (auffallende) Soglosigkeit im Umgang mit Fristen und im Umgang mit Behörden ist ihm somit jedenfalls nicht vorzuwerfen.

 

Kein, jedenfalls kein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes, als auffallende Sorglosigkeit zu wertendes Verschulden, trifft den Beschwerdeführer, wenn er sich nicht im Nachhinein davon zu überzeugen versucht hat, ob die Beschwerde von der Beratungsstelle rechtzeitig erhoben wurde (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.04.2005, 2005/20/0080; sowie vom 7.5.1998, 97/20/0693).

 

Dass am 23.01.2017 trotz des erst an diesem Tag stattgefundenen Rechtsberatungsgesprächs noch eine Beschwerdeerhebung möglich gewesen wäre, da die Rechtsmittelfrist am selben Tag endete, beruht – wie schon mehrfach ausgeführt - ebenfalls auf einem Irrtum der NÖWE-Mitarbeiterin betreffend den Fristenlauf und ist dieser zuzurechnen. Außerdem kann aus dem Vorbringen in den Schriftsätzen vom 01.02.2017 und vom 09.03.2017 geschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer und der XXXX auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht klar war, dass die Rechtsmittelfrist am 23.01.2017 endete.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH 07.06.2000, 99/01/0337, darf der Beschwerdeführer nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seiner persönlichen Fähigkeit zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Aus obigen Erwägungen und vor dem Hintergrund, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen sprach- und rechtsunkundigen Asylwerber handelt, kann diesem nicht vorgeworfen werden, hinsichtlich der Fristversäumnis das zumutbare Maß der Aufmerksamkeit unterschritten zu haben. Überträgt man die vom VwGH ausgesprochene Grundsätze auf den konkreten Fall, so ist im Hinblick auf die gegebene Sachverhaltskonstellation davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine auffallende Sorglosigkeit an der Fristversäumung anzulasten ist.

 

Aus diesem Grund war Beschwerde stattzugeben.

 

Zu Spruchpunkt B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte