BVwG W192 2143867-1

BVwGW192 2143867-12.2.2017

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61
AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W192.2143867.1.00

 

Spruch:

W192 2143867-1/10E

W192 2143866-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. RUSO über die Beschwerden von 1.) XXXX, und 2.) des minderjährigen XXXX, alle StA. Kirgisistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2016, Zl. 1.) 1124058706/161037535-EAST West, und

2.) 1124056407/161037557-EAST West, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin und der minderjährige Zweitbeschwerdeführer gelangten illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellten am 25.07.2016 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter und gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers, beide sind Staatsangehörige von Kirgisistan. Zur Person der Erstbeschwerdeführerin liegt eine EURODAC-Treffermeldung über eine Asylantragstellung am 13.07.2016 in Polen vor.

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.07.2016 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sich in Österreich ihr mitgereister minderjähriger Sohn sowie ihre Eltern und ihr minderjähriger Bruder befänden. Darüber hinaus habe sie weder in Österreich noch einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union sonstige Angehörigen oder Verwandten. Sie habe mit ihrem Sohn den Herkunftsstaat im Sommer 2015 verlassen und sich sodann für ein Jahr in Kasachstan aufgehalten. Über die Russische Föderation sei sie letztlich über Polen, wo sie sich 2 Tage aufgehalten habe, nach Österreich gelangt. Über Polen könne sie nichts angegeben, sie sei nur durchgereist. Sie wolle deshalb nicht nach Polen zurück, da sich ihre Eltern in Österreich aufhalten würden und sie diese finden wolle.

Der minderjährige Zweitbeschwerdeführer wurde aufgrund seines kindlichen Alters nicht einvernommen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete am 06.08.2016 auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Mit Schreiben vom 12.08.2016, beim BFA am selben Tag eingelangt, stimmten die polnischen Behörden diesem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 12.10.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung. Die Erstbeschwerdeführerin brachte zunächst in Bezug auf ihren Gesundheitszustand vor, dass sie sich laufenden Untersuchungen durch den Hausarzt unterziehen würde. Bei ihr sei ein Tumor in der Brust entdeckt worden und stelle sich die Frage, ob sie diesbezüglich und weiters am Auge operiert werden müsse. Sie leide aktuell überdies an einer Blaseninfektion und an Rückenschmerzen. Ihr Sohn habe ein schwaches Immunsystem und sei derzeit verkühlt. Auch gehe dieser zum Logopäden, da er zwei Jahre alt sei und noch immer nicht spreche. Weiters wurde die Erstbeschwerdeführerin über das Vorliegen der Zustimmung der polnischen Behörden zu ihrer Übernahme in Kenntnis gesetzt und brachte sie diesbezüglich vor, dass sie von Anfang an nach Österreich gewollt hätte. Sie sei alleinerziehende Mutter und habe Angst um ihr Kind. Ihr Kind benötige auch die Liebe ihrer (in Österreich aufhältigen, Anm.) Eltern. In Polen habe sie niemanden. Überdies habe sie in Polen zum ersten Mal jemanden getroffen, dem ihr Kind unsympathisch gewesen sei. Auch habe sie in Polen Rauschgiftsüchtige gesehen, Polen habe ihr nicht gefallen. Obwohl ihr Kind Durchfall bekommen habe, habe es keine medizinische Behandlung in Polen erhalten. Am Bahnhof sei ihr ihre Tasche gestohlen worden.

Befragt zu etwaigen in Österreich aufhältigen Angehörigen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Eltern, ihr minderjähriger Bruder sowie ihr Cousin, der österreichischer Staatsbürger sei, in Österreich aufhältig seien. Sie habe kein Visum gehabt, weshalb sie nicht bereits mit ihren Eltern den Herkunftsstaat verlassen habe. Sie habe während ihres Aufenthaltes in Kasachstan im Frühjahr 2016 davon erfahren, dass ihre Angehörigen in Österreich wären. Sie habe im Herkunftsstaat seit der Geburt ihres Sohnes von ihren Eltern und ihrem Bruder getrennt gelebt, aber ihren Sohn fast jeden Tag zu ihren Eltern gebracht, weil diese auf das Kind aufgepasst hätten.

Der Zweitbeschwerdeführer wurde naturgemäß aufgrund seines kindlichen Alters nicht einvernommen.

Vorgelegt wurde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen betreffend die Erstbeschwerdeführerin sowie ein Zertifikat betreffend die Absolvierung eines Deutschkurses auf dem Niveau A1 durch die Erstbeschwerdeführerin vom 11.10.2016.

Mit Schriftsatz vom 15.11.2016 brachten die Beschwerdeführer durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter vor, dass sie nach wie vor auf ärztliche Versorgung und ihre Familie in Österreich angewiesen seien, weshalb beantragt werde, dass Österreich vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen solle.

Mit Urkundenvorlage vom selben Tag legten die Beschwerdeführer eine ärztliche Überweisung betreffend die Erstbeschwerdeführerin wegen einer diagnostizierten Ovarialcyste sowie Unterbauchschmerzen vor.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2016 legten die Beschwerdeführer durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter erneut ärztliche Unterlagen (Aufklärungsblatt betreffend Laparoskopie, Aufnahmekarte betreffend die Erstbeschwerdeführerin in einem Klinikum aufgrund einer Ovarialcyste) vor.

Mit Urkundenvorlage vom 29.11.2016 brachten die Beschwerdeführer durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter eine Aufenthaltsbestätigung betreffend den Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin von 22.11.2016 bis 25.11.2016 in einem österreichischen Klinikum wegen einer Zystenentfernung durch Laparoskopie in Vorlage.

Mit Urkundenvorlage vom 06.12.2016 wurde eine Terminbestätigung für eine psychotherapeutische Sitzung betreffend die Erstbeschwerdeführerin vorgelegt.

Mit Schreiben vom 01.02.2017 wurde die Bestätigung einer Psychotherapeutin vom 31.01.2017 vorgelegt, dass die Erstbeschwerdeführerin wegen Diagnose F 43.2 in psychotherapeutischer Behandlung stehe.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Polen wurden in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

Allgemeines zum Asylverfahren

 

Antragsteller 2014

Polen

8.015

  

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 19.3.2015)

Erstinstanzliche Entscheidungen 2014

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründen

NEGATIV

 

2.700

260

165

295

1.980

      

Die Daten

werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 19.3.2015)

 

Antragsteller 2015

Polen

12.185

  

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 3.3.2016a)

Erstinstanzliche Entscheidungen

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründe

NEGATIV

1. Qu. 2015

920

65

40

50

765

2. Qu. 2015

965

35

50

30

845

3. Qu. 2015

970

210

45

25

695

4. Qu. 2015

655

35

35

15

565

GESAMT

3.510

345

170

120

2.870

      

Die Daten

werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 18.9.2015a; Eurostat 18.9.2015b; Eurostat 10.12.2015; Eurostat 3.3.2016b)

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

Quellen:

Verfolgung durch Dritte

Es wird von tschetschenischen Antragstellern immer wieder vorgebracht, sie fürchten in Polen von Agenten des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, sogenannten Kadyrowzy, drangsaliert zu werden. ACCORD zitiert dazu in einer Anfragebeantwortung vom 22.11.2013 verschiedene Quellen, aus denen hervorgeht, dass es diese Berichte zwar gibt, jedoch keine greifbaren Beweise, wie dokumentierte Fälle oder ähnliches. Die polnischen Behörden dementieren derartige Vorgänge strikt (ACCORD 22.11.2013, vgl. auch: borderline 4.11.2013).

Die NGO Pax Christi hat im September 2010 eine Fact Finding Mission nach Polen zu dem Thema durchgeführt und gab an, es falle auf, dass es wenig Schriftliches gebe, obwohl Rechtsberater, Sozialhelfer, Anwälte und NGO-Mitarbeiter in verschiedenen EU-Ländern bei ihrer Arbeit mit tschetschenischen AW dieselben Geschichten zu hören bekämen. Die Berichte seien aber oft unspezifisch und es gebe kaum Zeugen und auch sonst keine Beweise (Pax Christi 1.12.2011).

Jedenfalls gibt es in Polen keine eigene Gesetzgebung, die speziell Asylwerber aus der Russischen Föderation unter besonderen Schutz stellen würde. Bei Vorliegen einer strafbaren Handlung gehen Polizei und Gerichte entsprechend der polnischen Rechtsordnung vor, wie bei jeder anderen Person auch. Es gibt auch keine eigene Statistik bezugnehmend auf Kriminalität unter Asylwerbern bzw. unter diversen Ethnien und es sind auch keine Berichte zu diesem Problemfeld bekannt (VB 11.2.2013).

Die Polizei und Grenzwache sorgen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages. Kommt es zu strafrechtlichen Handlungen werden diese von den Sicherheitskräften den Gerichten ausnahmslos angezeigt. Die Polizei/Grenzwache vollzieht ausnahmslos die Anordnungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte (VB 3.2.2010).

Quellen:

Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen beim Grenzschutz einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen, dem er sich entzogen hat. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von 9 Monaten möglich (bis November 2015 galten 2 Jahre als Frist und gelten für Altfälle auch weiterhin). Sind diese 9 Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Hat der Antragsteller bereits eine Entscheidung im vorherigen Verfahren erhalten, wird der Antrag ebenfalls als Folgeantrag betrachtet. Der Grenzschutz verweist sie entweder an ein Unterbringungszentrum, oder inhaftiert sie gegebenenfalls für max. 12 Stunden und beantragt bei Gericht Unterbringung in einem geschlossenen Zentrum (guarded center). Inhaftierung ist dann möglich, wenn ein Rückkehrer Polen illegal verlassen hat (was bei Dublin-Fällen fast immer der Fall ist) oder keine Identitätsnachweise besitzt. Dublin-Rückkehrer sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt, wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.2015).

Quellen:

Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Als vulnerabel (im Sinne von: eine spezielle Behandlung benötigend) gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, alleinerziehende Eltern, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychische Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. Sexueller Gewalt. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse Identifikationsmechanismen vorgesehen, deren Umsetzung nach Meinung von UNHCR und NGOs aber noch mangelhaft sei. Wird ein vulnerabler Antragsteller identifiziert, bewertet die Behörde ob eine spezielle Behandlung (im Verfahren, wie auch in Bezug auf Unterbringung) nötig ist. Dazu können auch medizinische bzw. psychologische Untersuchungen veranlasst werden. Verweigert der Ast. diese Untersuchungen, wird er nicht als vulnerabel betrachtet. Wenn die Vulnerabilität bestätigt wird, ist im Verfahren speziell darauf Rücksicht zu nehmen (z.B. Beteiligung eines Arztes/Psychologen und eines Übersetzers bei den Verfahrensschritten) (AIDA 11.2015).

Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist, mit Zustimmung des Ast. oder seines Vertreters, eine Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür:

allgemeine Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt. Die Gesetze sehen vor, dass für UMA ein Vormund bestimmt werden muss. Dieser Vormund ist nur für das Asylverfahren zuständig, nicht für andere Lebensbereiche des UMA. Es wird ausnahmslos für jeden UMA von der Ausländerbehörde beim zuständigen Vormundschaftgericht ein Vormund beantragt und von jenem einer bestellt. Dies dauerte in der Regel ca. 2 Monate, seit November 2015 liegt die Frist jedoch bei 3 Tagen. Es gibt in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist sind dies NGO-Leute bzw. entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten. Der Vormund soll während des Interviews des UMA anwesend sein, ebenso ein Psychologe (AIDA 11.2015).

Quellen:

Non-Refoulement

Gemäß Asylgesetzesänderung vom 13.11.2015 gilt ein Antrag als unzulässig, wenn der ASt. bereits den Schutz eines anderen Landes genießt, in dem er vor Refoulement geschützt ist (AIDA 11.2015).

Die Gesetze kennen das Prinzip des sicheren Herkunfts- oder Transitstaats, enthalten aber auch Bestimmungen, denen zufolge Schutzbedürfnisse im Einzelfall berücksichtig werden können (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

Versorgung

AW sind ab Registrierung in einem Ertaufnahmezentrum während des gesamten Asylverfahrens, sowie während der ersten Beschwerde im selben Ausmaß zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassung-, im Dublinverfahren und bei Folgeanträgen. Im Erstaufnahmezentrum müssen sie sich binnen 2 Tagen ab Antragstellung registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Das Recht auf medizinische Versorgung besteht ab Antragstellung. Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu 2 Monate nach der endgülitigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings schlicht eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitram auf 14 Tage. Da Ast. mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen allerdings binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn Ast. diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Regel nur für 30 Tage weiterversorgt. Einzelne Asylwerber berichten, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Wenn gegen eine negative Entscheidung des Rats für Flüchtlingsfragen (2. Instanz) Beschwerde vor dem Regionalen Verwaltungsgericht in Warschau eingelegt wird, besteht generell kein Recht auf Versorgung bis das Gericht die Entscheidung des Rats suspendiert. Hier kann es zu einer Lücke in der Versorgung von 2-3 Monaten kommen. Und da seit Mai 2014 das Verfahren und die Rückkehr getrennt wurden und die Suspendierung der Entscheidung des Rates nicht mehr nötig ist um eine Außerlandesbringung zu verhindern, kann es passieren, dass das Gericht keine Suspendierung ausspricht und damit auch keine Versorgung gegeben ist. Es geht aber aus dem Bericht nicht hervor, wie oft das bisher vorgekommen ist. AW, die außerhalb des Zentrums wohnen dürfen, erhalten eine Zulage (AIDA 11.2015).

Quellen:

Unterbringung

AW, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag/Person), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), Einmalzahlung für Kleidung (PLN 140,-), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentl. Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. AW, die außerhalb der Zentren leben erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit 4 oder mehr Familienmitgliedern), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentl. Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. Ende Juli 2015 erhielten 1.315 AW Versorgung innerhalb der Zentren und 2.460 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützungen liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard zu führen. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, seien so schwer abzudecken. Dies trage dazu bei, dass AW oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen lebten und oft illegaler Beschäftigung nachgehen müssten. Selbst für Familien reiche die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.2015).

In Polen gibt es 11 Unterbringungszentren mit gesamt 1.980 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Ausländerbehörde UDSC, 7 der Zentren werden aber von Vertragspartnern geführt. Es gibt keine speziellen Zentren für AW im Grenzverfahren oder in Transitzonen. AW dürfen die Zentren untertags jederzeit verlassen, sollten aber vor 23 Uhr zurück sein (AIDA 11.2015).

Wenn AW spezielle Bedürfnisse haben (Vulnerable) sind diese bei der Versorgung zu berücksichtigen. Einige Unterbringungszentren sind für Vulnerable angepasst: 3 Zentren haben behindertengerechte Eingänge und ein entsprechendes Zimmer und Badezimmer. 4 weitere Zentren sind teilweise angepasst. Ein Zentrum in Warschau ist speziell für alleinstehende Frauen bzw. alleinstehende Frauen mit Kindern gewidmet. UMA werden nicht zusammen mit Erwachsenen untergebracht, sondern in Kinderheimen oder übergangsweise in Pflegefamilien (AIDA 11.2015).

Es gibt Berichte über Vorfälle von geschlechterbezogener Gewalt, aber UNHCR berichtet, dass darauf unter Einbeziehung von Polizei, Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern reagiert wurde. UNHCR und NGOs berichten auch keine größeren oder anhaltenden Probleme mit Missbrauch in den Zentren (USDOS 25.6.2015).

Polen verfügt auch über mehrere geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers), in denen Schubhäftlinge und unter bestimmten Voraussetzungen auch AW untergebracht werden können (Versuch der illegalen Überquerung der Grenze, keine Identitätsdokumente, usw.). Mitte 2015 wurden Schritte unternommen, um die bewachten Zentren zu reformieren und mehr Bewegungsfreiheit usw. zu gewährleisten. Ein Problem sei die zunehmende Zahl von Kindern (Familien dürfen geschlossen untergebracht werden, UMA bis 15 Jahre nicht) in den Zentren, welche keinen Zugang zu Schulunterricht haben. Die geschlossene Unterbringung ist nur auf gerichtliche Anordnung möglich (USDOS 25.6.2015).

UMA werden in Kinderfürsorgeeinrichtungen oder Familien in ganz Polen untergebracht (AIDA 11.2015).

Quellen:

Medizinische Versorgung

MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind (MedCOI 14.5.2012).

AW in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder beendet wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versogung von AW wird öffentlich finanziert. In den Unterbringungszentren wird medizinische Basisversorgung vor Ort bereitgestellt. In den Erstaufnahmezentren werden AW auch medizinisch untersucht. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von AW durch die Vertragsfirma Petra Medica gewährleistet. Sie umfasst auch psychologische Versorung. Psychologische Betreuung ist in jedem Unterbringungszentrum und bei UDSC vorhanden. Pro 120 Personen sind 4 Stunden psychologische Versorgung zuzüglich eines Übersetzers vorgesehen. AW können, wenn nötig, aber auch zu Psychiatern oder psychiatrische Kliniken überwiesen werden. Nach Ansicht einiger Experten ist Spezialbehandlung für Folteropfer oder traumatisierte AW in der Praxis nicht verfügbar. In Polen existieren 2 NGOs, die sich auf psychologische Unterstützung vulnerabler AW spezialisiert haben: Die International Humanitarian Initiative, welche regelmäßig in Warschau ihre Dienste zur Verfügung stellt; und Ocalenie Foundation, welche dreimal die Woche Asylwerber in Warschau unterstützt. Ihre Psychologen sprechen Englisch und Russisch. Andere NGOs bieten aus finanziellen Gründen nur limitiert und unregelmäßig psychologische Unterstützung an (z.B. Caritas, Polish Humanitarian Action). Einige Organisationen spezialisieren sich auf bestimmte Gruppen (z.B. Kinder oder Opfer von Menschenhandel). Da mangelnde Sprachkenntnisse bisher das größte Zugangshindernis zu medizinischer Versorgung waren, wurde dies beim Vertrag mit Petra Medica beachtet und die Gewährleistung von Übersetzung bei medizinischer und psychologischer Betreuung festgeschrieben (AIDA 11.2015).

Quellen:

Schutzberechtigte

Subsidiär Schutzberechtigte, humanitär Aufenthaltsberechtigte oder Geduldete, die nochmals um Asyl ansuchen, sind nicht zu materieller Versorgung berechtigt, wie sie AW normalerweise zukommt. Subsidiär Schutzberechtigte und andere Fremde mit Aufenthaltsberechtigung sind hingegen zu staatlichen Unterstützungsleistungen des allgemeinen Sozialhilfesystems berechtigt, wie polnische Staatsbürger. Humanitär Aufenthaltsberechtigte und Geduldete haben lediglich das Recht auf Unterkunft, Verpflegung, notwendige Bekleidung und eine spezielle Zulage (AIDA 11.2015).

Amnesty International kritisiert, dass Polen Ende 2015 noch immer über keine umfassende Integrationsstrategie verfügte und bezeichnet die Integrationsmaßnahmen als ungenügend (AI 24.2.2016).

Die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte umfassen individuelle Integrationsprogramme, die u.a. auf Sprachtraining und persönliche Beratung fokussieren. Eine umfassende Integrationsstrategie abseits des Erwerbs der Polnischen Sprache gibt es nicht, es wird aber an einer solchen gearbeitet. Die Dauer der individuellen Integrationsprogramme (12 Monate) wird von den Betroffenen als zu kurz beschrieben. Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird von den Betroffenen als der kritischste Punkt betrachtet (ECRI 9.6.2015).

UNHCR kritisiert die polnischen Leistungen zur Integration anerkannter Flüchtlinge. So waren 2013 laut Schätzungen 20-30% der anerkannten Flüchtlinge in Polen zumindest zeitweise von Obdachlosigkeit betroffen. Dabei ist es anerkannten Flüchtlingen nach Erhalt der Entscheidung auf internationalen oder subsidiären Schutz für weitere 2 Monate gestattet in der AW-Unterkunft zu bleiben und um das individuelle Integrationsprogramm (IPI) anzusuchen, in dessen Rahmen ihnen die zuständige regionale Stelle (Family Support Center) für ein Jahr lang finanzielle Hilfe ausbezahlt. Personen mit einem lediglich tolerierten Aufenthalt haben keinen Anspruch auf die IPI, sie können aber um Sozialhilfe ansuchen. Unter Kennern der polnischen Flüchtlingsszene ist es aber umstritten, ob Tolerierte deswegen ein höheres Risiko der Obdachlosigkeit haben. Einige sind der Meinung, für diese sei der Anreiz zur Integration sogar höher und führe zu stabileren Verhältnissen betreffend Arbeit und Wohnen. Die Zahl der Nutznießer der IPI ist in den 2 Jahren davor außerdem um etwa 50% zurückgegangen, was es einfacher macht den verbliebenen Berechtigten zu helfen. Der Bericht nennt auch von europäischem Flüchtlingsfonds und polnischem Staat kofinanzierte Services von NGOs, die Schutzberechtigten, deren IPI am Auslaufen ist, bzw. die obdachlos geworden sind, Übergangswohnungen zur Verfügung stellt - für einen Zeitraum von 12-18 oder gar 36 Monaten - und ihnen beim Finden von dauerhafter Wohnung hilft. Die Herangehensweise der lokalen Behörden bezüglich der Hilfe bei Obdachlosigkeit von Flüchtlingen hat sich laut dem Bericht auch verbessert. Als Beispiele genannt wird die Stadt Warschau, die nicht nur Wohnmöglichkeiten für Flüchtlinge unter dafür eingelangten Anträgen kompetitiv vergibt, sondern einige auch nach sozialen Gesichtspunkten an Härtefälle. Wenn in Warschau ein anerkannter Flüchtling in einem Zentrum lebt, kann er um eine Gemeindewohnung ansuchen und wird diese angeblich auch erhalten. In Lublin haben beispielsweise subsidiär Schutzberechtigte seit Juni 2012 Zugang zu Gemeindewohnungen. Als besonders schlecht werden die Wohnverhältnisse von Rückkehrern aus anderen europäischen Ländern geschildert, wobei unklar ist, ob damit Dublin-Rückkehrer gemeint sind (UNHCR 06.2013).

Quellen:

Die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, weil gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO Polen für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Parteien ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Es würden keine medizinisch belegbaren Tatsachen vorliegen, die einer Außerlandesbringung der Beschwerdeführer nach Polen entgegenstehen. Die Beschwerdeführer hätten eine mangelhafte Versorgung und Unterbringung in Polen nicht glaubhaft darlegen können. Die von ihnen angeführten Erkrankungen stellten kein Abschiebehindernis dar, zumal eine medizinische Grundversorgung in Polen gegeben sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es seien weder schützenswerte familiäre, noch besonders ausgeprägte private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben. Zu den in Österreich aufhältigen Angehörigen bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis und befänden sich die Eltern und der Bruder der Erstbeschwerdeführerin zudem in einem laufenden Asylverfahren, sodass diese nicht zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt seien. Die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer stelle somit keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.

Die Bescheide wurden den Antragstellern nachweislich am 21.12.2016 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.

3. Gegen die Bescheide richten sich die mit gleichlautenden Schreiben am 29.12.2016 durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Beschwerden, in welchen die Antragsteller im Wesentlichen geltend machten, die behördlichen Entscheidungen vollinhaltlich anzufechten. Der Erstbeschwerdeführerin sei in der Einvernahme vor dem BFA keine Möglichkeit geboten worden, ihr Naheverhältnis zu ihrer Familie gründlicher zu erörtern. Die Nähe zu ihren in Österreich aufhältigen Angehörigen erkenne man schon daran, dass ihre Eltern ihre Wohnung im Herkunftsstaat bezahlt und ihren Sohn täglich betreut hätten. Ohne die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern hätten sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Ihr Sohn traue außer ihr und ihren Eltern, dh. seinen Großeltern, niemandem, woran man die enge Bindung zwischen ihrem Kind und ihren Eltern erkenne. Ihre Eltern würden sich um ihren Sohn kümmern, wenn sie selbst wegen Arztbesuchen oder dem Besuch ihres Deutschkurses abwesend sein müsse. Eine durch die Flucht verursachte vorübergehende Trennung von Eltern und Großeltern könne nicht als Kriterium des Nichtvorliegens der Familieneigenschaft angeführt werden. Eine finanzielle Selbständigkeit ihrerseits habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Sie würden als vulnerable Personen gelten und liege ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihren in Österreich aufhältigen Angehörigen vor. Gerade auch im Hinblick auf ihren schlechten Gesundheitszustand hätte das BFA die von ihnen behauptete Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung nach Polen näher prüfen müssen. Der minderjährige Zweitbeschwerdeführer spreche mit bereits 2 Jahren noch nicht und sei auf eine logopädische Therapie angewiesen. In Polen könne nicht gewährleistet werden, dass sie die nötigen medizinischen bzw. therapeutischen Behandlungen erhalten könnten. Österreich hätte daher vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

Mit Urkundenvorlage vom 18.01.2017 brachten die Beschwerdeführer durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter eine Terminbestätigung betreffend eine augenärztliche Untersuchung der Erstbeschwerdeführerin in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer, eine Mutter mit einem minderjährigen Kind, sind Staatsangehörige von Kirgisistan. Die Beschwerdeführer reisten im Juli 2016 illegal nach Polen, wo sie am 13.07.2016 jeweils einen Asylantrag stellten. Die Beschwerdeführer reisten sodann nach einem zweittägigen Aufenthalt in Polen nach Österreich und suchten am 25.07.2016 ebenfalls um die Gewährung internationalen Schutzes an.

Das BFA richtete am 06.08.2016 Wiederaufnahmeersuchen an Polen, welchem die polnischen Behörden mit am 12.08.2016 eingelangtem Schreiben ausdrücklich zustimmten.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Polen an.

Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Parteien gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Bei der Erstbeschwerdeführerin wurde in Österreich eine Mastopathie (gutartige Zyste in der Brust) diagnostiziert. Diesbezüglich wurde jedoch von einer weiteren histologischen Untersuchung abgesehen, da kein Malignitätshinweis bestand und lediglich eine weitere Kontrolle in 3 bis 4 Monaten empfohlen. Die Erstbeschwerdeführerin befand sich weiters wegen einer laparoskopisch durchgeführten Entfernung einer Adnexzyste (Zyste am Eierstock) von 22.11.2016 bis 25.11.2016 in stationärer ärztlicher Behandlung. Bei der Erstbeschwerdeführerin wurde weiters eine Augenoperation durchgeführt, bezüglich derer für den 17.01.2017 sowie den 11.04.2017 jeweils Kontrolltermine vereinbart wurden.

Die Erstbeschwerdeführerin steht in psychotherapeutischer Behandlung wegen einer Anpassungsstörung (F43.2).

Beim minderjährigen Zweitbeschwerdeführer wurde in Österreich ein submuköser Abzesses im Oberkiefer am 23.08.2016 operativ entfernt und konnte der Zweitbeschwerdeführer am 24.08.2016 nach Hause entlassen werden. Der Zweitbeschwerdeführer leidet an Sprachentwicklungsstörungen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer (etwa wegen ihres Gesundheitszustandes oder wegen der dortigen Lage) im Falle einer Überstellung nach Polen Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstige konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systematischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes.

Ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

Die Erstbeschwerdeführerin hat in Österreich einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 erfolgreich abgeschlossen.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie der Asylantragstellungen der Beschwerdeführer in den genannten Mitgliedstaaten ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahmen im Zusammenhang mit den bezugnehmenden EURODAC-Treffermeldung.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Wiederaufnahme der beschwerdeführenden Parteien seitens Polens leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt dem Verwaltungsakt ein - zwischen der österreichischen und der polnischen Dublin-Behörde ab.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen, wobei aktuelle Stellungnahmen von UNHCR in die Erwägungen eingeflossen sind.

Die Feststellungen zu den bei den Beschwerdeführern diagnostizierten und in Österreich behandelten Erkrankungen basieren auf den von ihnen vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie den diesbezüglichen Angaben der Erstbeschwerdeführerin.

Die Feststellung betreffend den von der Erstbeschwerdeführerin absolvierten Deutschkurs ergibt sich aus dem vorgelegten ÖSD-Zertifikat vom 11.10.2016.

Die Feststellungen des Nichtvorliegens besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der beschwerdeführenden Parteien in Österreich basieren auf ihren eigenen Angaben. Es leben zwar die Eltern und ein minderjähriger Bruder der Erstbeschwerdeführerin in Österreich, mit welchen die Beschwerdeführer aktuell auch im gemeinsamen Haushalt leben. Diese Angehörigen sind jedoch nicht zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt, sondern befinden sich diese in einem laufenden Asylverfahren. Die Erstbeschwerdeführerin hat überdies selbst angegeben, dass seit der Geburt ihres Kindes, dh. des Zweitbeschwerdeführers, kein gemeinsamer Haushalt mit den genannten Angehörigen bestanden habe, sondern die Eltern sie lediglich bei der Betreuung ihres Kindes unterstützt hätten. Ausgehend davon, dass nunmehr jedenfalls erst seit August 2016 ein gemeinsamer Haushalt zwischen den Beschwerdeführern und den Genannten wieder besteht, ist schon aufgrund des mehrjährigen Zeitraumes, in welchem die Beschwerdeführer von diesen getrennt waren und ohne deren Unterstützung auskommen mussten und der kurzen Dauer des nunmehrigen Zusammenlebens auszuschließen, dass ein etwaiges Familienleben zwischenzeitig neu begründet worden wäre. Soweit die Erstbeschwerdeführerin in dem Zusammenhang angibt, dass nicht nur zwischen ihr und ihren Eltern, sondern auch zwischen dem minderjährigen Zweitbeschwerdeführer und dessen Großeltern eine innige und enge Bindung bestünde, ist einzuwenden, dass der Zweitbeschwerdeführer erst etwa ein Jahr alt war, als dessen Großeltern nach Österreich ausreisten und erst nach der Einreise der Beschwerdeführer im Juli 2016 in das Bundesgebiet ein Wiedersehen mit diesen Angehörigen stattfand, sodass schon aufgrund der langen Zeitspanne, in welcher kein direkter Kontakt zwischen dem Zweitbeschwerdeführer und dessen Großeltern bestanden hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese für das Kind innerhalb der kurzen Dauer des nunmehrigen Zusammenlebens mittlerweile derart enge Bezugspersonen geworden wären, dass eine Trennung aus Gründen des Kindeswohls unzumutbar erschiene. Ungeachtet der erfolgten materiellen Unterstützung stehen die Beschwerdeführer in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren in Österreich aufhältigen Angehörigen, da sie in Österreich gegebenenfalls Zugang zu Grundversorgungsleistungen für Asylwerber haben und ebenso im Falle einer Überstellung nach Polen erforderlichenfalls Versorgungsleistungen für Asylwerber in diesem Staat in Anspruch nehmen könnten. Auch würden für die Angehörigen der Beschwerdeführer keine Hinderungsgründe bestehen, die Beschwerdeführer von Österreich aus in Polen so wie früher in deren Herkunftsstaat materiell durch Geldüberweisungen zu unterstützen. Zu dem in Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigten Cousin der Erstbeschwerdeführerin wurde letztlich weder ein Abhängigkeitsverhältnis noch das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes dargetan. Angesichts des Umstandes, dass sich die Beschwerdeführer bloß aufgrund der Stellung von im Ergebnis nicht zulässigen Asylanträgen in Österreich aufgehalten haben, durften weder diese noch ihre in Österreich aufhältigen Angehörigen erwarten, dass ihnen der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I 24/2016 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 24/2016 lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Art. 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

KAPITEL V

PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATES

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

KAPITEL VI

AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

Artikel 20

Einleitung des Verfahrens

[...]

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition eines Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaates, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss. [...]

3.2. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Polens zur Prüfung der in Rede stehenden Asylanträge in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet, da die Beschwerdeführer aus der Russischen Föderation, einem Drittstaat, kommend, die Landgrenze von Polen illegal überschritten haben. Die Verpflichtung Polens zur Wiederaufnahme der Antragsteller basiert auf Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO, da sie dort am 13.07.2016 um die Gewährung internationalen Schutzes ansuchten. Die Zuständigkeit Polens ist nicht gemäß Art 19 Abs. 2 Dublin III-VO durch eine mindestens 3-monatige etwaige Ausreise der Beschwerdeführer aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten erloschen, da die Beschwerdeführer zwischenzeitig das Hoheitsgebiet der Mitgliedstatten nicht verlassen haben.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages der beschwerdeführenden Partei.

3.3. Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05;

15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949;

25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre.

3.3.1. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S. ua/Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.

Die angefochtenen Bescheide enthalten - wie oben dargestellt - ausführliche Feststellungen zum polnischen Asylwesen. Diese Länderberichte basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA, zu den einzelnen Passagen sind jeweils detaillierte Quellenangaben angeführt.

Schon vor dem Hintergrund dieser Länderfeststellungen und der erstinstanzlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Polen überstellt werden, aufgrund der polnischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde. Auch ist anzumerken, dass kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass Polen Asylwerber mit glaubhaft gemachtem Schutzbedürfnis in deren Herkunftsstaaten zurückverbringen und somit das Refoulement-Verbot grob missachten würde, sodass unter diesem Gesichtspunkt eine Grundrechtsverletzung nicht zu befürchten ist.

Zum Vorbringen, wonach es sich bei den Beschwerdeführern um vulnerable Personen handeln würde, ist auszuführen, dass schon aufgrund der ausdrücklichen Zusicherung seitens der polnischen Behörde, die Beschwerdeführer übernehmen zu wollen, keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann, dass diese in Polen ohne jede staatliche Versorgung gleichsam ihrem Schicksal überlassen würden. Aus der Behauptung der Erstbeschwerdeführerin, wonach sie sich in Polen nicht in das ihr zugewiesene Flüchtlingslager begeben habe, sondern stattdessen "in den Bahnhöfen aufhältig" gewesen wäre, ergibt sich überdies, dass sie eine Unterbringung ihrer Person sowie der ihres Kindes in den für Asylwerber vorgesehenen Unterkünften offenbar aus eigener Entscheidung abgelehnt hat.

Aus den Feststellungen geht weiters hervor, dass in Polen auch Unterbringungseinrichtungen für Asylwerber mit speziellen Bedürfnissen bestehen und ein Zentrum in Warschau speziell alleinstehenden Frauen mit Kindern gewidmet ist. Auch haben Asylwerber Zugang zu medizinischer Versorgung wie polnische Staatsangehörige, die auch psychologische Versorgung umfasst.

Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systematischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann jedoch in Polen im Hinblick auf die behördlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden. Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10 ).

Jedenfalls hätten die beschwerdeführenden Parteien die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen ihrer Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Polen und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer weder systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylwerber, noch eine ihnen widerfahrene unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK in Polen jemals ausreichend konkret geltend machten. Soweit die Erstbeschwerdeführerin nämlich vorbringt, dass sie nicht nach Polen zurückwolle, da sie nur schlechte Erinnerungen an Polen habe, erscheinen diese Angaben bei Weitem zu unkonkret und vage, als dass sie damit ein "real risk" einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung nach Polen aufzeigen könnte. Ebenso wenig vermag sie mit ihrem pauschalen Einwand, dass es in Polen gefährlich wäre, eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK im Falle der Überstellung nach Polen darzutun. Soweit die Erstbeschwerdeführerin weiters angibt, dass die Menschen in Polen ihr Kind nicht sympathisch gefunden hätten bzw. die Leute in Polen sie mit "mit Abneigung angeschaut" hätten, so indiziert dieses Vorbringen bei Weitem noch keine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK, da dieser Bestimmung, der der Gedanke des Verbotes der Folter zugrunde liegt, ein sehr hoher Eingriffsschwellenwert innewohnt. Zum Vorbringen, wonach ihr in Polen ihre Tasche gestohlen worden sei, ist der Erstbeschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass es ihr freistünde, bezüglich etwaiger strafrechtlich relevanter Handlungen durch Privatpersonen den Schutz der polnischen Behörden in Anspruch zu nehmen, zumal keine Hinweise dafür erkennbar sind, dass diese schutzunfähig oder schutzunwillig wären.

Hinsichtlich der bei den Beschwerdeführern diagnostizierten und teilweise bereits in Österreich behandelten gesundheitlichen Beschwerden ist auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls - selbst ungeachtet des Vorliegens der genannten Krankheitsbilder - nicht erkannt werden, dass eine Zurückschiebung der Beschwerdeführer nach Polen eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde, da jedenfalls nicht das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben ist und in Polen, einem Mitgliedstaat der EU alle Krankheiten behandelbar sind und grundsätzlich unerlässliche medizinische Versorgung für Asylwerber kostenlos ist, sodass die Angaben der Erstbeschwerdeführerin, wonach ihr Sohn trotz einer Durchfallerkrankung in Polen keinerlei medizinische Versorgung erhalten habe, unglaubwürdig erscheinen. Asylwerber haben in Polen den gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung wie polnische Staatsbürger haben, sodass keine Hinweise dafür vorliegen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Polen keinerlei medizinische Versorgung erhalten würden.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Auch im Übrigen konnten die beschwerdeführenden Parteien keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

3.3.2. Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Es leben zwar die Eltern und ein minderjähriger Bruder sowie ein Cousin der Erstbeschwerdeführerin im Bundesgebiet, die Beschwerdeführer stehen zu diesen Angehörigen aber nicht in einer intensiv ausgeprägten familiären Nahebeziehung und es liegt auch kein Abhängigkeitsverhältnis vor. Weiters liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich vor. Folglich würde eine Überstellung nach Polen weder Art. 16 Dublin III-VO verletzen, noch einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistete Recht darstellen.

Der durch die normierte Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.

Während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet in der Dauer von nur wenigen Monaten kam den beschwerdeführenden Parteien nicht einmal eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, sondern es bestand - da die Verfahren nicht zugelassen waren - lediglich faktischer Abschiebeschutz. Zudem war der Zeitraum des Aufenthalts, gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

3.3.3. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz vorzunehmen.

3.4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zu ihrer Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der beschwerdeführenden Parteien auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

3.5. Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

3.6. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedstaat, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt, weiters im Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei sowie in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte