BVwG I405 1230905-3

BVwGI405 1230905-328.12.2016

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:I405.1230905.3.00

 

Spruch:

I405 1230905-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX1 alias XXXX), StA. Nigeria (alias Sierra Leone), vertreten durch den Verein ZEIGE, Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Str. 54, 4. Stock, Top 2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2016, Zl. 209508404 -1129010, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), stellte am 28.04.2000 seinen ersten Asylantrag im Bundesgebiet und zog diesen am selben Tag wieder zurück.

2. Am 02.05.2000 stellte der BF einen weiteren- den zweiten - Asylantrag im Bundesgebiet und gab dabei - wie bei seinem ersten Asylantrag an, XXXX zu heißen und am 15.12.1982 in XXXX in Sierra Leone und Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.05.2000, Zl. 00 05.096-BAE, wurde der Asylantrag des BF vom 02.05.2000 gemäß § 6 Z 3 AsylG 1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone wurde gemäß § 8 AsylG 1997 als zulässig erklärt.

4. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasyl-senates vom 25.10.2000, Zl. 216.921/0-XI/33/00, gemäß § 6 Z 2 und 3 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FrG 1997 wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Sierra Leone zulässig sei (Spruchpunkt II.).

5. Mit Urteil des Landesgerichte Eisenstadt vom 03.04.2001, Zl. XXXX und XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und Abs. 2 Suchtmittelgesetz sowie wegen §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten (davon 6 auf eine Probezeit von 3 Jahren, Jugendstraftat) verurteilt.

6. Am 14.07.2002 stellte der BF seinen dritten Asylantrag und gab dabei an, XXXX zu heißen, am XXXX in Nigeria geboren und nigerianischer Staatsangehöriger zu sein.

7. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.08.2002, Zl. 02 18.746-BAE wurde der Asylantrag des BF vom 14.07.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria wurde gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

8. Dagegen erhob der BF, vertreten durch das Referat für Jugendwohlfahrt der Bezirkshauptmannschaft XXXX, Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat.

9. Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 11.11.2002, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und § 28 Abs. 1 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten (Junger Erwachsener) verurteilt.

10. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.09.2004, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und Abs. 2 (1.Fall) Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Zugleich wurde eine Bewährungshilfe angeordnet.

11. Am 28.11.2005 stellte der BF unter dem Namen XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, einen weiteren - vierten - Asylantrag und er verweigerte dabei die Abnahme seiner Fingerabdrücke. Am 05.04.2006 wurden die Speicherdaten bereinigt und der Asylantrag als gegenstandslos unter der Zl. 05 20.728-EAO abgelegt.

12. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.06.2006, Zl. XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 (4.Fall), Unterabsatz 3 (1.Fall) Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

13. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28.02.2007 wurde gegen den BF ein ab 25.04.2008 durchsetzbares, bis 25.04.2018 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen.

14. Mit Aktenvermerk des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 31.03.2007 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 eingestellt, zumal der BF im Bundesgebiet unter der vorgebrachten Identität nicht mehr gemeldet war und die Zusammenführung mit dem Verfahren XXXX, geb. XXXX vonseiten des Bundesasylamtes nicht in Betracht gekommen war.

15. Am 06.04.2009 stellte der BF einen weiteren - fünften - Asylantrag. Dabei gab er an, XXXX zu heißen, Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein und am XXXX in Sierra Leone geboren zu sein.

16. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.11.2009, Zl. 09 04.117-BAE, wurde der Asylantrag des BF vom 06.04.2009 sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Im Spruchpunkt III. wurde der BF gemäß § 10 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen.

17. Dagegen erhob der BF Beschwerde an den Asylgerichtshof.

18. Mit Urteil Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13.09.2010, Zl. XXXX, wurde der BF wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.

19. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 08.10.2010, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 Z 1 (1.Fall), Unterabsatz 3 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

20. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.09.2013, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § (§ 15 StGB) 27 Abs. Abs. 1 Z 1 (1., 2. und 8. Fall), Abs.2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe 15 Monaten verurteilt.

21. Mit Beschluss des - zwischenzeitlich dem Asylgerichtshof nachgefolgten - Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2015, Zl. W153 1230905-2/17E, wurde das Beschwerdeverfahren zunächst gemäß § 24 AsylG 2005 eingestellt und mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.02.2016 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2, 2. Satz AsylG 2005 wieder fortgesetzt.

22. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.09.2016, Zl. W153 1230905-2/34E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.11.2009 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt II. zu lauten hat:

"Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen" (Spruchpunkt A) 1.). Im Spruchpunkt A) 2. des Erkenntnisses wurde das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

23. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 21.09.2016 wurde dem BF vom BFA im Hinblick auf die Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ein 14 Punkte umfassender Fragenkatalog zum Privat- und Familienleben des BF mit der Aufforderung übermittelt, binnen 14 Tagen eine schriftliche, in deutscher Sprache verfasste Stellungnahme abzugeben.

24. Mit der am 06.10.2016 eingelangten Stellungnahme gab der Verein ZEIGE, Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Straße 54, 4. Stock, Top 2, 1170 Wien, seine Vertretungsvollmacht (Vollmacht angeschlossen) bekannt und es wurde unter Bezugnahme auf den Fragenkatalog - auf das Wesentliche zusammengefasst - ausgeführt, dass der BF im Jahr 2000 erstmals nach Österreich eingereist sei und er sich seit nunmehr ca. 16 Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalte. Er habe keine Verwandten in Österreich. Seit 2012 unterhalte er eine Beziehung mit XXXX, die mit einer Rot-Weiß-Rot-Karte in Österreich aufenthaltsberechtigt sei. Seit 2015 lebe er mit ihr in gemeinsamen Haushalt in 1140 Wien, XXXX.

Man wolle gerne heiraten und eine Familie samt gemeinsamen Kindern gründen. Derzeit habe der BF keine Kinder. Er spreche aufgrund der langjährigen Aufenthaltsdauer gut Deutsch und in der kommenden Woche wolle er die Prüfung ÖSD A2 abgelegen. Das Zertifikat werde umgehend nachgereicht. Im Jahr 2010 habe er zudem einen Schweißer-Kurs besucht. Er bestreite seinen Unterhalt mit Leistungen vom AMS, zumal er während der Verbüßung seiner Freiheitsstrafe einer mehrjährigen Beschäftigung als Lagerarbeiter und Verpacker in der Haft nachgegangen sei. Zudem sei er bei der MA 48 geringfügig beschäftigt und beziehe monatlich rund 234 €. In Österreich gehöre er keinem Verein an. In Nigeria sei er vor seiner Einreise nach Österreich nicht aufhältig gewesen, er habe sich nämlich zuletzt Ende des Jahres 1999 in Sierra Leone in der Ortschaft XXXX aufgehalten. In Österreich sei er wahrscheinlich wegen Einreise- und Aufenthaltsvorschriften verwaltungsstrafrechtlich vorbelastet.

Er habe weder Angehörige in Nigeria noch in Sierra Leone. Seine Eltern seien verstorben. Eine Schwester lebe in Irland (Dublin). Der Aufenthaltsort seines Bruders sei ihm seit Jahren unbekannt, es bestehe kein Kontakt zu ihm. Er habe allein schon aufgrund der langjährigen Abwesenheit weder soziale Kontakte in Nigeria noch in Sierra Leone. Im Falle der Rückkehr verfüge er über kein soziales oder familiäres Netzwerk, sodass für ihn weder in Nigeria noch in Sierra Leone eine Existenzfähigkeit gewährleistet sei.

Erschwerend komme hinzu, dass der BF sich in einem schlechten Gesundheitszustand befinde. Er leide seit 2003 (Erstdiagnose) an einer fortgeschrittenen HIV-Erkrankung. Darüber hinaus leide er an einer Niereninsuffizienz im Stadium III sowie unter Bluthochdruck. Regelmäßige und engmaschige ärztliche Kontrollen und entsprechende medikamentöse Therapien seien erforderlich. Die zuverlässige Feststellung, ob die benötigte komplexe Kombinationsbehandlung mit entsprechenden Medikamenten in Nigeria für den BF zugänglich sei, sei unerlässlich, ansonsten bestehe die reale Gefahr, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Nigeria oder Sierra Leone einem langsamen und qualvollen Tod ausgesetzt sei. Es werde beantragt, einfach medizinisches Gutachten einzuholen, um eine für das Überleben des BF entscheidende Gefahrenprognose stellen zu können. Um die tödlichen Folgen von lebensbedrohlichen Komplikationen bei Therapieausfall mit Sicherheit zu vermeiden, werde ersucht, von einer Rückkehrentscheidung nach Nigeria Abstand zu nehmen. Zudem sei auch die Lebensgemeinschaft des BF zu berücksichtigen.

Schließlich wurde - als Zusammenfassung der Gründe, die gegen eine Rückkehrentscheidung sprächen - ausgeführt:

Der Stellungnahme waren angeschlossen: Vollmacht des Verein ZEIGE, Schweißer-Zertifikat vom 11.02.2010, gültig bis 11.03.2012; Bestätigung über eine fallweise Beschäftigung des BF bei der MA 48 vom 06.07.2016; Bestätigung der Justizanstalt Stein vom 25.03.2019 über erworbene Versicherungszeit in der Zeit vom 19.12.2006 bis 27.03.2009; ärztliche Befunde vom Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe vom 04.10.2016.

25. Mit Bescheid des BFA vom 10.10.2016, Zl. 209508404 - 1129010, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie zugleich festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 59 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde als Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt II.). Eine Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) und im Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 53 Abs.1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Die belangte Behörde stellte im bekämpften Bescheid im Wesentlichen zur Person des BF fest, dass in Ermangelung entsprechender Dokumente eine bloße Verfahrensidentität vorliege, seine nigerianische Staatsangehörigkeit aber feststehe. Der BF sei und arbeitsfähig und habe Bescheinigungen vorgelegt, dass er an HIV-Infektion und einer Niereninsuffizienz leide sowie an Bluthochdruck erkrankt sei. Er sei illegal nach Österreich eingereist. Der Zeitpunkt der illegalen Einreise und die Art und Weise stünden nicht fest. In Österreich habe er keine Verwandten und es bestehe auch keine finanzielle Abhängigkeit zu solchen Personen. Relevante familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich bestünden nicht.

Das Vorbringen des BF sowie die Meldebestätigung, dass er seit 13.11.2015 mit Frau A. O. in einem gemeinsamen Haushalt lebe, beweise nicht eine tatsächlich bestehende Lebensgemeinschaft mit Frau A.O. Er beziehe Leistungen vom AMS und habe eine Bestätigung für fallweise beschäftigte Personen der MA 48 vorgelegt. Er halte sich seit ca. 16 Jahren im Bundesgebiet auf, sei mehrfach vorbestraft, insbesondere wegen Suchtmitteldelikte, und sei er bereits zu mehr als 7 Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Mit rechtskräftigem Bescheid der Bundespolizeidirektion vom 28.02.2008 sei gegen ihn ein bis 25.04.2018 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen worden. Der BF habe Deutschkurse besucht und wolle angeblich in den kommenden Tagen die Prüfung Grundstufe Deutsch auf dem Sprachniveau A2 ablegen.

Auf den Seiten 8 bis 34 traf die belangte Behörde Feststellungen zur Lage in Nigeria zu den Themenbereichen der politischen Lage, der Sicherheitslage, der allgemeinen Menschenrechtslage, der Religionsfreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Binnenflüchtlingen und Flüchtlinge, der Grundversorgung und Wirtschaft, der medizinischen Versorgung, der Behandlung von HIV /AIDS und der Behandlung nach der Rückkehr.

Beweiswürdigend referierte die belangte Behörde, dass der BF seine Identität nicht mit entsprechenden Dokumenten nachgewiesen habe und sich die Feststellung im Hinblick auf die Nationalität auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.09.2016 stütze. Die Feststellung, dass der BF an HIV sowie an einer Niereninsuffizienz erkrankt sei und an Bluthochdruck leide, stütze sich auf die diesbezüglich vorgelegten Befunde. Die Feststellungen zum Aufenthalt sowie zum Privat-und Familienleben im Bundesgebiet seien auf Basis der Aktenlage bzw. aufgrund der Rechercheergebnisse aus dem Zentralen Melderegister und der Grundversorgung zu treffen gewesen. Die gerichtlichen Verurteilungen seien dem österreichischen Strafregister entnehmen.

In der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides wies die belangte Behörde darauf hin, dass der BF bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.04.2016 noch dezidiert angegeben habe, weder Kinder zu haben noch eine Lebensgemeinschaft zu führen. Zudem habe er angegeben, privat untergebracht zu sein und sich mit Miete mit einem Freund zu teilen. Insofern liege in Bezug auf die Behauptung, er führe eine Lebensgemeinschaft, wolle heiraten und eine Familie mit Kindern gründen, eine Schutzbehauptung vor. Ein schützenswertes Familienleben liege nicht vor und dieses Faktum sei bereits vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt werden.

Im Hinblick auf das Privatleben spreche die lange Aufenthaltsdauer von 16 Jahren grundsätzlich gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die illegale Einreise, die unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz sowie die mehrmalige Straffälligkeit des BF spreche jedoch im Sinne des öffentlicher Interesses für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Schließlich sei der BF im Jahr 2000 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe seinen Aufenthalt durch einen unbegründeten Asylantrag vorübergehend legalisiert. Ein allfälliges Privatleben sei im Bewusstsein eines bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes auf Basis eines unbegründeten Asylantrages entstanden. Es deute nichts darauf hin, dass sich der BF im Falle der Rückkehr nicht wieder in die dortige Gesellschaft eingliedern könne. Der Asylantrag des BF sei rechtskräftig abgewiesen worden und die Glaubwürdigkeit des BF sei erschüttert, zumal er in den Asylverfahren wiederholt versuchte habe, die Behörden durch unterschiedliche Identitäten und Nationalitäten über seine wahre Identität zu täuschen. Er habe sogar gefälschte Dokumente vorlegt. Insofern sei auch seinen Angaben, er verfügte über in Nigeria über keine Angehörigen, kein Glauben zu schenken. Es sei zumindest davon auszugehen, dass er Freunde in Nigeria habe. In Österreich sei der BF mehrfach vorbestraft und insgesamt sei er zu mehr als 7 Jahren unbedingter Haftstrafe verurteilt worden. Bei den Verurteilungen habe es sich um keine Bagatelldelikte gehandelt. Durch das Verhalten des BF sei die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig gefährdet und er habe wiederholt gezeigt, dass er kein Interesse habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Trotz des rund 16-jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet habe der BF kaum Integrationsschritte gesetzt. Er habe lediglich einen Schweißer-Kurs besucht und sei nur fallweise bei der MA 48 in Wien beschäftigt gewesen. Er erhalte derzeit Leistungen vom AMS.

Im Hinblick auf die Erkrankungen sei bereits vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden, dass die Abschiebung keine unmenschliche Behandlung darstelle und die Verfügbarkeit medizinischer Behandlung in Nigeria bestehe. Ebenso habe das Bundesverwaltungsgericht am 12.09.2016 darauf hingewiesen, dass sich der BF in keinem kritischen Gesundheitszustand befinde und im Falle der Abschiebung für entsprechende medizinische Begleitmaßnahmen gesorgt werde.

Die privaten Interessen des BF am Verbleiben im Bundesgebiet würden die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des BF nicht überwiegen. Der BF habe den überwiegenden Teil seines Lebens Nigeria verbracht. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe bereits rechtskräftig entschieden, dass eine Rückkehrentscheidung nicht unzulässig sei. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels lägen nicht vor, eine Rückkehrentscheidung sei zu erlassen. Rückkehrhindernisse gemäß § 50 Abs. 1 FPG seien in Bezug auf Nigeria nicht ersichtlich.

Zu Spruchpunkt II. bzw. Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung § 55 Abs. 4 FPG wonach das BFA von einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen habe, wenn der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei. Eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung liege im gegenständlichen Fall gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG vor.

In den rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde zunächst auf die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF, und hier insbesondere auf die Suchtmitteldelikte des BF und den bisherigen Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen im Ausmaß von insgesamt 7 Jahren. Aufgrund der Schwere dieses Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten davon auszugehen, dass vom BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Der BF weise ein Persönlichkeitsbild mit sozialschädlicher Neigung auf, das ihn die österreichische Rechtsordnung missachten ließe. Der BF stelle mit seinem Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, das einem Grundinteresse der Gesellschaft zuwiderlaufe und dieses Verhalten lasse klar erkennen, dass er nicht gewillt sei, zukünftig die österreichische Rechtsordnung einzuhalten. Bei Suchtmitteldelinquenzen handle es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, der nach Ansicht des EGMR und des VwGH eine besonders große Wiederholungsgefahr und Sozialschädlichkeit anhafte. Der Verbleib des BF im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung der Republik maßgeblich und nachhaltig.

Die familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich seien nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib im Bundesgebiet zu rechtfertigen könnten. Art. 8 EMRK werde durch die aufenthaltsbeendete Maßnahme nicht verletzt und das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit überwiege den privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet.

Die Erlassung des Einreiseverbotes sei in der ausgesprochenen Dauer gerechtfertigt und notwendig, um die vom BF ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das Einreiseverbot sei zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und auch erforderlich. Eine Prognose zu Gunsten des BF habe nicht erstellt werden können. Die Dauer des erlassenen Einreiseverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel des BF bei seiner Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.

26. Der bezeichnete Bescheid wurde der rechtsfreundlichen Vertretung des BF, dem Verein Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, zusammen mit den Verfahrensanordnungen vom 10.10.2016, mit welchen dem BF zum einen eine Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt und er zum anderen an der Teilnahme an einem Rückkehrberatungsgespräch verpflichtet wurde, am 13.10.2016 zugestellt.

27. Mit dem, auf den 24.10.2016 datierten und per Fax am 27.10.2016 beim BFA eingelangten Schriftsatz erhob die rechtsfreundliche Vertretung des BF fristgerecht Beschwerde. Im Beschwerdeschriftsatz führte die rechtsfreundliche Vertretung nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass der angefochtene Bescheid des BFA wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung aufgrund von Feststellungs- und Begründungsmängeln in allen Spruchteilen aufgehoben werden möge. Der BF sei aller Wahrscheinlichkeit nach nigerianischer Staatsangehöriger, der aber, wie er wiederholt angegeben habe, in Sierra Leone geboren worden sei. Von dort sei er wegen Kriegshandlungen geflüchtet. Seine Identität stehe nicht fest. Er habe weder in Sierra Leone noch in Nigeria familiäre Anknüpfungspunkte. Seine Eltern seien verstorben, eine Schwester lebe in Irland, der Aufenthalt seines Bruders sei unbekannt. Er sei im Jahr 2000 nach Österreich eingereist, habe insgesamt 4 Asylanträge gestellt und sei in Österreich 7 Mal straffällig geworden, davon in 6 Fällen wegen Drogenhandels. Er sei zu mehreren Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Gegen ihn bestehe ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot, welches am 25.04.2018 außer Kraft trete. Er sei beruflich in Österreich nicht integriert. Er beziehe Leistungen vom AMS und sei zudem bei der MA 48 geringfügig beschäftigt. Er sei schwer krank, leide an HIV und weiteren begleitenden Erkrankungen bzw. Organschädigungen wie einer Niereninsuffizienz und Bluthochdruck. Eine herkömmliche medikamentöse HIV-Behandlung sei bei ihm nicht wirksam. Er lebe mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Partnerin in einer Lebensgemeinschaft und wolle diese heiraten.

In der Beschwerdebegründung wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde wegen der mehrfachen Strafverurteilungen des BF dem Aspekt der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entsprechende Priorität eingeräumt habe und diesen Ausführungen der belangten Behörde gefolgt werden könne. Auch den Ausführungen der belangten Behörde zur Beziehung mit seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährtin könne zumindest teilweise gefolgt werden. Jedoch liege hier eine bloße Vermutung der belangten Behörde vor, dass tatsächlich keine Lebensgemeinschaft bestehe. Es hätte sich angeboten, die Lebensgefährtin zeugenschaftlich zu befragen. Auch der bestehenden beruflichen Integration des BF sei kein Gewicht zugemessen worden. Die Beurteilung der Rückkehrsituation sei vor dem Hintergrund der 16-jährigen Abwesenheit vernachlässigt worden. Hier hätte es einer sorgfältigen und auf die individuelle Situation des BF abgestellten Abwägung bedurft. Es sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der BF im Herkunftsstaat über ein soziales Netzwerk verfüge. Im Hinblick auf familiäre Anknüpfungspunkte habe die belangte Behörde lediglich eine Vermutung getätigt. Es könne durchaus der Ansicht der belangten Behörde gefolgt werden, wenn sie Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF habe, jedoch hätte sie eine konkrete Feststellung zum Vorhandensein von familiären Anknüpfungspunkten treffen müssen, dies umso mehr, als der BF an einer schweren Erkrankung leide. Die belangte Behörde hätte auch auf die Angaben des BF in seiner Stellungnahme eingehen müssen, wonach seine Eltern verstorben seien, eine Schwester in Irland lebe und ihm der Aufenthaltsort seines Bruders nicht bekannt sei. Tatsächlich bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat seien von entscheidender Bedeutung. In der Beurteilung des Gesundheitszustandes beziehe sich die belangte Behörde auf medizinische Befunde zum Entscheidungszeitpunkt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.09.2016. Dabei sei die belangte Behörde auf die vorgelegten Befunde vom 05.10.2016 nicht eingegangen und habe die aktuellen Befunde sohin ignoriert. Aufgrund der zuvor angewendeten herkömmlichen HIV-Therapie sei eine Niereninsuffizienz entstanden und der BF benötige nunmehr eine besondere, ungewöhnliche antiretrovirale HIV-Therapie. Regelmäßige Blutkontrollen seien unerlässlich um die Funktionsfähigkeit der Nieren zu überwachen. Andernfalls sei mit lebensbedrohlichen Komplikationen zu rechnen. Dies ergebe sich aus dem Befund vom 04.10.2016. Die belangte Behörde sei im angefochtenen Bescheid auf die Inhalte der aktuellen medizinischen Berichte jedoch nicht eingegangen. Es sei unerlässlich zu erheben, ob dem BF die erforderliche antiretrovirale Therapie in Nigeria zur Verfügung stehe. Der BF sei dem realen Risiko ausgesetzt, unter qualvollen Umständen zu sterben. Die belangte Behörde habe außer Acht gelassen, dass es in Nigeria keine kostenfreie Medikamentenversorgung gäbe und die Patienten auch im Krankenhaus die Medikamente selbst besorgen bzw. selbst dafür aufkommen müssten. Zudem käme es zur Stigmatisierung von HIV-erkrankten Personen in Nigeria, die so weit gehe, dass den Erkrankten sogar die Gesundheitsversorgung verweigert werde. Das alles gehe aus den Länderfeststellungen der belangten Behörde hervor. Auch dem fehlenden Familienbezug des BF komme in diesem Zusammenhang eine tragende Bedeutung zu. Zudem herrsche in Nigeria eine Massenverelendung. Die 16-jährige Abwesenheit des BF stelle ebenso einen wichtigen Punkt dar. All diese Aspekte seien von der belangten Behörde in ihrer Entscheidung vernachlässigt worden. Sie habe sich lediglich den Aspekt der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Priorität eingeräumt.

Diese mangelhafte Verfahrensführung habe zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sowie der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt. Es liege Rechtswidrigkeit vor. Es wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge: "Eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen; eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig aussprechen; in eventu das Verfahren zur Sanierung der genannten Verfahrensmängel an die belangte Behörde zurückverweisen." Schließlich wurde der Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt, zumal eine Abschiebung besonders schwer wiegende Konsequenzen für den BF nach sich ziehe.

28. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden von der belangten Behörde am 02.11.2016 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt (Einlagen bei der zuständigen Gerichtsabteilung am 03.11.2016).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne

des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

1.2. Die Identität des BF steht nicht fest. Er ist ledig und kinderlos. Es leben keine nahen Verwandten oder sonstige Angehörige des BF in Österreich. Entgegen seiner Behauptung führt der BF kein Familienleben im Bundesgebiet. Er spricht Deutsch, hat aber bis dato keine qualifizierten Sprachprüfungen absolviert bzw. das angekündigte Sprachdiplom zu seiner angestrebten Sprachprüfung auf dem Niveau A2 bis dato nicht vorgelegt.

1.3. Der BF reiste im Jahr 2000 illegal in das Bundesgebiet ein, stellte am 28.04.2000 seinen ersten Asylantrag, welchen er am selben Tag wieder zurückzog. In weiterer Folge stellte er unter verschiedenen Identitäten und Nationalitäten am 02.05.2000, am 14.07.2002 sowie am 28.11.2005 einen Asylantrag. Über sämtliche Anträge wurde in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden bzw. wurde der Antrag vom 28.11.2015 in zweiter Instanz als gegenstandlos abgelegt.

1.4. Der BF brachte im Rahmen des nunmehr verfahrensgegenständlichen - fünften - Antrags auf internationalen Schutz vom 06.04.2009 einen gefälschten Führerschein beim Bundesasylamt als Beweismittel zu Vorlage, mit dem er seine behauptete Identität XXXX, geb. XXXX, StA. Sierra Leone, beweisen wollte (vgl. AS 213 ff).

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.11.2009, Zl. 09 04.117-BAE, wurde der Antrag des BF vom 06.04.2009 auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Im Spruchpunkt III. wurde der BF gemäß § 10 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.09.2016, Zl. W153 1230905-2/34/E, gemäß §§ 3 und 8 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt II. des angefochten Bescheides zu lauten hat: "Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen" (Spruchpunkt A) 1.). Im Spruchpunkt A) 2. des Erkenntnisses wurde das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie zugleich festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 59 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde als Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt II.). Eine Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) und im Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 53 Abs.1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

1.5. Der BF weist im Bundesgebiet folgende strafrechtlichen Vormerkungen auf:

a) Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.09.2013, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § (§ 15 StGB) 27 Abs. Abs. 1 Z 1 (1., 2. und 8. Fall), Abs.2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe 15 Monaten verurteilt.

b) Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 08.10.2010, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 Z 1 (1.Fall), Unterabsatz 3 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

c) Mit Urteil Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13.09.2010, Zl. XXXX, wurde der BF wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt.

d) Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.06.2006, Zl. XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 (4.Fall), Unterabsatz 3 (1.Fall) Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

e) Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.09.2004, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und Abs. 2 (1.Fall) Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Zugleich wurde eine Bewährungshilfe angeordnet.

f) Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 11.11.2002, Zl. XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und § 28 Abs. 1 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten (Junger Erwachsener) verurteilt.

g) Mit Urteil des Landesgerichte Eisenstadt vom 03.04.2001, Zl. XXXX und XXXX, wurde der BF wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und Abs. 2 Suchtmittelgesetz sowie wegen §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt) rechtskräftig einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten (davon 6 auf eine Probezeit von 3 Jahren, Jugendstraftat) verurteilt.

1.6. Der BF ist leidet seit 2003 an einer HIV-Infektion, daraus resultierend an einer Niereninsuffizienz sowie an Bluthochdruck. Zudem leidet er unter Hepatitis A und B. Der BF ist dauerhaft behandlungs- bzw. therapiebedürftig. Er befindet sich derzeit in einem stabilen, nicht lebensbedrohlichen gesundheitlichen Zustand.

Diese Erkrankungsbilder wurden bereits in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 12.04.2016 vorgebracht und auch im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.09.2016, Zl. W153 1230905-34E, entsprechend gewürdigt.

1.7. Der BF bringt selbst vor, Leistungen vom Arbeitsmarktservice zu beziehen und sohin arbeitsfähig zu sein und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Er brachte auch vor, fallweise bei der MA 48 der Stadt Wien zu arbeiten, ein - mittlerweile wieder abgelaufenes - Schweißer-Diplom erworben zu haben und während seiner Strafverbüßung in einer österreichischen Justizanstalt in der Zeit vom 19.12.2006 bis 27.03.2009 ununterbrochen einer Beschäftigung als Lagerarbeiter und Verpacker nachgegangen zu sein. Eine tiefergehende Integration am österreichischen Arbeitsmarkt besteht jedoch deshalb nicht.

1.8. Der BF spricht die Sprache seines Herkunftsstaates auf Mutterspracheniveau und ist mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten Nigerias - trotz seines nunmehr mehr als 16-jährigen Aufenthaltes in Österreich - weiterhin vertraut, zumal er in Nigeria seine Sozialisation und Enkulturation erfahren hat, während der BF - trotz der langen Aufenthaltsdauer - in Österreich über keine tiefergehenden sprachlichen, gesellschaftlichen, familiären und beruflichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt.

1.9. Zur Lage in Nigeria wird festgestellt (Stand 02.09.2016):

Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 3.12.2015; vgl. AA 3.2016a; vgl. GIZ 7.2016a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 3.2016a).

Mit der Wahl Olusegun Obasanjos im Jahr 1999 war Nigeria zur Demokratie zurückgekehrt und verfügt seitdem über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29. Mai 1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Dem starken Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 3.12.2015; vgl. AA 3.2016a). Es dominieren der direkt gewählte Präsident und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 3.12.2015).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 3.12.2015).

Die Wahlen vom 28. März 2015 (Präsident und Nationalversammlung) und 11. April 2015 (Gouverneure und Landesparlamente in 29 von 36 Bundesstaaten) haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im "All Progressives‘ Congress" (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten (AA 3.12.2015).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 28. März 2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2016a; vgl. auch AA 3.2016a). Die Gouverneurswahlen am 11. April 2015 gewann der APC in 20 von 29 Bundesstaaten. Er stellt in den 36 Bundesstaaten derzeit 22 Gouverneure, die PDP 13 und APGA einen Gouverneur. Unter den 36 Gouverneuren ist weiterhin keine Frau. Die Wahlen vom März/April 2015 wurden sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz organisatorischer Mängel als im Großen und Ganzen frei und fair bezeichnet. Die Spitzenkandidaten Jonathan und Buhari hatten sich in einer Vereinbarung (Abuja Accord) zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Dies und die Tatsache, dass Präsident Jonathan seine Wahlniederlage sofort anerkannte, dürfte größere gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert haben. Die Minister der Regierung Buhari wurden nach einem längeren Sondierungsprozess am 11. November 2015 vereidigt (AA 3.2016a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 3.2016a).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2016).

Quellen:

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 3.12.2015). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück (DACH 2.2013; vgl. ICG 30.5.2016).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 23.8.2016).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi, Sokoto und Kogi (AA 23.8.2015). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 23.8.2016). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie in die Stadt Warri (UKFCO 23.8.2016).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 23.8.2016). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, die Stadt Jos und die LGAs Riyom und Barkin (Plateau), die Region Okene (Kogi) (UKFCO 16.6.2015). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 23.8.2016).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 23.8.2016) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 3.12.2015).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2015 bis August 2016 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (7,863), Benue (934), Adamawa (743), Yobe (589), Kaduna (443). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Sokoto (0), Katsina (3), Kebbi (11) und Oyo (11) (CFR 2016). Beim OSAC werden die Bundesstaaten Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Lagos, Plateau, Taraba, Yobe, Zamfara und das FCT als von der Gewalt durch Boko Haram betroffen geführt. Ethnische Gewalt betrifft v.a. Plateau, Bauchi, Benue, Kaduna und Nasarawa. Für folgende 25 Bundesstaaten wird weder ethnische Gewalt noch Gewalt durch Boko Haram berichtet:

Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kebbi, Kogi, Kwara, Niger, Ogun, Ondo, Osun, Oyo, Rivers, Sokoto (OSAC 15.4.2016).

Quellen:

Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst (DACH 2.2013), sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. IEN 18.8.2016).

Die Lage im Nigerdelta ist derzeit nicht stabil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko (AA 5.2016). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 27.1.2016).

Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 3.12.2015).

Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Der ehemalige Präsident Jonathan setzte das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, der meistens vom Ausland aus agiert, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Jänner 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 3.12.2015). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt im Süden in letzter Zeit wieder an (AA 3.2016a) und der zerbrechliche Frieden im Nigerdelta ist dabei sich aufzulösen. Als die Regierung versuchte, den ehemaligen Rebellenführer, Government Ekpemupolo (bekannt als Tompolo) aufgrund von Korruptionsvorwürfen zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen, begannen bewaffnete Gruppen, insbesondere die wenig bekannten Niger Delta Avengers und die obskure Egbesu Mightier Fraternity, Ölanlagen anzugreifen (ICG 30.5.2016). Aufgrund dieser Reihe von Angriffen durch Aufständische, gab Präsident Buhari im Mai 2016 bekannt, dass die kontroverse Amnestievereinbarung mit Überarbeitungen bis 2018 beibehalten werden soll (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 3.12.2015). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta adressiert werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen (AA 3.2016a). Die Vorkommnisse werden zwar oft als ethnisch-religiöse Konflikte aufgrund von Spannungen zwischen muslimischen und christlichen Einwohnern interpretiert (KAS 12.7.2013; vgl. Reuters 26.5.2015). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Gastgeber" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch. Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zur Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten im Jahr 2015 und Anfang 2016 hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt (USCIRF 4.2016). Diese Zusammenstöße sind ein fester Bestandteil des Lebens in den Regionen Benue, Taraba, Plateau, Nasarawa und Kogi. Oft geht es bei diesen Zusammenstößen um Weiderechte. Jedoch geht der Kampf nicht nur um Ressourcen, sondern hat auch einen ethnischen und religiösen Unterton (AFP 25.5.2016). Die Gewalt zwischen Rinderhirten und Bauern stieg im Middle Belt an, woraufhin Präsident Buhari Sicherheitskräfte in die Gegend entsandt hat, um die Situation zu beruhigen (UNSC 23.6.2016).

Zuvor hatte die Regierung dem Konflikt im Middle Belt in den letzten zwei Jahren nicht genug Bedeutung zugeschrieben und somit oft die betroffenen Gemeinden nicht genug geschützt (CWI 6.2016). Im Jahr 2014 töteten bewaffnete Fulani 1.229 Menschen, im Jahr 2013 gab es im Vergleich dazu 63 Tote (IEP 11.2015; vgl. CWI 6.2016). Die bewaffneten Fulani werden beim Global Terrorism Index 2015 an vierter Stelle der tödlichsten terroristischen Gruppen aufgezählt. Es gibt allerdings viele Fulani, die nicht die Aggression der bewaffneten Fulani teilen und relativ friedlich mit den lokalen Gemeinden und Nicht-Fulani Nachbarn leben (CWI 6.2016).

Quellen:

Nordnigeria – Boko Haram

Der Terror der unter dem Namen Boko Haram (Jama’atu Ahlis Sunna Lidda’awati wal-Jihad) (USDOS 2.6.2016) bekannt gewordenen islamistisch-terroristischen Gruppierung stellt das größte Sicherheitsproblem des Landes dar. Präsident Buhari hat den Kampf gegen Boko Haram zur obersten Priorität seiner Regierung erklärt. Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 3.2016a).

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage bis Februar 2015 auch im Zusammenhang mit der Ausrufung eines "Kalifats" von Boko Haram (Juli/August 2014) und dem Wahljahr 2015 weiter verschlechtert (AA 3.12.2015). Im Jänner 2015 konnte die Gruppe durch die Einnahme der Städte Baga und Monguno im Bundesstaat Borno das unter ihrer Kontrolle stehende Gebiet vergrößern. Kämpfer von Boko Haram töteten gezielt Zivilpersonen, vor allem Männer im kampffähigen Alter, nahmen andere fest und zerstörten Gebäude. Bei der Eroberung Bagas, dem bislang vermutlich verheerendsten Angriff, wurden Hunderte Zivilpersonen getötet. Satellitenbilder zeigten, dass mehr als 3.700 Gebäude beschädigt oder zerstört wurden (AI 24.2.2016). Im März 2015 leistete Boko Haram dem IS (Islamic State of Iraq and the Levant) einen Treueschwur und der IS akzeptierte diesen Schwur (USDOS 2.6.2016).

Die Kämpfe wurden zunehmend auch in die Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad getragen. Die betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 3.2016a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 3.12.2015). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen verbreitet Boko Haram weiterhin Angst und Schrecken (AA 3.2016a). In den Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe gab es die meisten Anschläge. Von Anschlägen waren aber auch die Bundesstaaten Bauchi, Gombe, Kaduna, Kano, Niger, Plateau, Taraba und Federal Capital Territory (FCT) betroffen (USDOS 2.6.2016). Im Mai 2013 wurde über die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 25.6.2015; vgl. AA 28.11.2014). Dieser Ausnahmezustand wurde von der Nationalversammlung nicht verlängert, dies hatte aber kaum bis keine Auswirkung auf die Operationen in diesen Bundesstaaten (USDOS 13.4.2016). Boko Haram übte weiterhin Entführungen, Morde, Bombenanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus. Die Gruppe erhöhte Angriffe durch Selbstmordattentäter gegen zivile Angriffsziele, darunter Gebetsstätte, Märkte und Busstationen. Im Jahr 2015 töteten mutmaßliche Mitglieder der Boko Haram Sicherheitsbeamte und Zivilisten des christlichen und islamischen Glaubens (USDOS 2.6.2016).

Möglicherweise breiten sich die Aktivitäten von Boko Haram aus bzw. fusionieren kommunale und terroristische Gewalt. Bei einem Angriff von Fulani auf mehrere Dörfer im Bundesstaat Benue sollen etwa auch Kämpfer der Boko Haram beteiligt gewesen sein (ALL 26.3.2014; vgl. TJF 16.5.2015; PT 12.1.2015). Es besteht auch die Möglichkeit, dass Kämpfer der Fulani Waffen über die Boko Haram erwerben (CWI 6.2016).

Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 3.12.2015). So wurden laut NGOs im Zeitraum November 2014 bis Februar 2015 in der LGA Gwoza in Borno 500 Frauen und 1.000 Kinder entführt (USDOS 13.4.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 13.4.2016).

Die verfügbare Literatur zu Boko Haram gibt über das eigentliche Motiv für deren Gründung, Existenz und Herkunft keinen Aufschluss (KAS 12.7.2013). Insgesamt wollen die Islamisten eine strikte Auslegung der Scharia durchsetzen und die Korruption in Nigeria beenden (HRW 21.1.2014; vgl. SD 17.1.2015). Zwar haben Boko-Haram-Führer immer wieder ihre Anlehnung an die großen islamistischen Terrornetzwerke bekundet, doch die Gruppe hat weniger mit radikalem Islam zu tun, als sie selbst zugibt. Ihre Anschläge richten sich nicht vorrangig gegen Christen - die meisten Opfer sind Muslime. Boko Harams Wurzeln liegen in der Armut Nordnigerias, zusätzlichen Auftrieb erhält die Miliz durch die Ignoranz der Regierung (SD 17.1.2015). Auch wenn offensichtlich ist, dass Boko Haram eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Nord- und Zentralnigeria darstellt, ist es schwierig herauszufinden, wer heute überhaupt unter diesem Namen agiert und welche Bedrohungsarten von der Gruppe ausgehen. Die Gruppe ist weder homogen, noch verfügt sie über eine klare Hierarchie (DACH 2.2013). Zu Boko Haram zählen diverse Splittergruppen; einige von ihnen kämpfen seit mehreren Jahren im Namen des Islam. Der Chef von Boko Haram ist seit 2010 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hat, ist fraglich. Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 26.6.2015). Das nigerianische Militär behauptet, dass Shekau bei einem Luftangriff tödlich verletzt worden sei. Allerdings haben nigerianische Behörden schon mindestens dreimal behauptet, dass Shekau getötet worden sei (TWT 23.6.2016).

Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). Buhari ordnete im Mai an, dass das nigerianische Militär sein Hauptquartier nach Maiduguri verlegt, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann (USDOS 2.6.2016, BBC 8.6.2015). Boko Haram war aufgrund der Versuche des nigerianischen Militärs die Organisation zu isolieren zunehmend auf das Sambisa Waldgebiet beschränkt (USDOS 2.6.2016).

Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016). Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. und 3. Division der nigerianischen Armee, die Polizei und das Department of State Service (DSS) begangen außergerichtliche Tötungen. Laut einem AI-Bericht hat das nigerianische Militär in den Jahren 2013 und 2014 im Zuge von militärischer Operation 1.200 außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 13.4.2016). Sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International haben das in ihren verschiedenen Berichten seit mehreren Jahren massiv kritisiert und verwiesen dabei vor allem auf Fälle immer wieder auftretender Folterungen von Gefangenen durch die Polizei im ganzen Land, extra-legaler Tötungen und das Verschwindenlassen angeblicher Boko Haram-Mitglieder im Norden des Landes. Seit März 2011 sollen nach Angaben von AI (Juni 2015) im Nordosten Nigerias über 7.000 Menschen während ihrer Haft ums Leben gekommen sein, von denen seit Februar 2012 durch das nigerianische Militär mehr als über 1.200 Gefangene bewusst getötet worden wären (AA 3.12.2015).

Auch hat sich eine Civilian Joint Task Force (CJTF) als Reaktion auf die Aufständischen und das Militär im Jahr 2013 in Maiduguri gebildet (TNY 22.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Das nigerianische Militär gab den Mitgliedern der CJTF Fahrzeuge und Uniformen unter der Bedingung, dass sie bei einem Ausbildungsprogramm - geführt durchs Militär - teilnehmen. Jedoch musste das Trainingslager in ein Flüchtlingslager umstrukturiert werden und so konnte nur eine geringe Zahl der CJTF Mitglieder ausgebildet werden (TNY 22.12.2015). Laut einer NGO rekrutierte die CJTF (manchmal auch mit Gewalt) Kinder, um sie als Kindersoldaten einzusetzen. Die Regierung verbietet die Einsetzung von Kindersoldaten und veröffentlichte offizielle Stellungnahmen, die diese Praxis verurteilten. Dennoch wird die CJTF finanziell von der Regierung des Bundesstaates Borno unterstützt (USDOS 13.4.2016).

In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Im Süden gibt es Schläfer-Zellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).

Quellen:

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 3.12.2015; vgl. FH 27.1.2016). Sie unterscheidet zwischen Bundesgerichten, Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten. Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen. Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten haben die staatlichen Schariagerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten. Bundesgerichte, die nur staatlich kodifiziertes Recht anwenden, sind der Federal High Court (Gesetzgebungsmaterie des Bundes, Steuer-, Körperschafts- und auch Verwaltungssachen), der Court of Appeal (Berufungssachen u.a. der State Court of Appeal und der State Sharia and Customary Court of Appeal) sowie der Supreme Court (Revisionssachen, Organklagen). Der Rechtsweg von der ersten Instanz (Magistrate Court) bis zum Supreme Court ist grundsätzlich eröffnet (AA 3.12.2015). Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte (USDOS 13.4.2016).

Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 im Hinblick auf die Entscheidung über das anzuwendende Rechtssystem "Common Law" oder des "Customary Court Law"-Systems durch Gesetze der Gliedstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben "Sharia Courts" neben "Common Law" und "Customary Courts" geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet. Bedingt durch die drei einander mitunter widersprechenden Rechtssysteme und aufgrund der schlechten Bezahlung, Überlastung und fehlenden Infrastruktur ist Korruption im Justizbereich verbreitet (ÖBA 7.2014).

Die höheren Gerichte sind relativ kompetent und unabhängig. Doch selbst sie bleiben politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt (FH 27.1.2016). In der Realität ist die Justiz der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen und der Wirtschaft ausgesetzt. Unterbesetzung, Unterfinanzierung und Ineffizienz verhindern, dass die Justiz ausreichend funktionieren kann. Außerdem fehlt es den Gerichten oftmals an Ausrüstung und Ausbildung, um den eigenen Aufgaben nachzukommen. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen. Zusätzlich ist die Justiz von endemischer Korruption geprägt. Wohl gibt es auf Bundesebene strikte Voraussetzungen und Ansprüche für Richter. Allerdings fehlt es auf Bundesstaats- und Bezirksebene an Aufsichtsmöglichkeiten, und dies führt zu Korruption und Misswirtschaft in der Justiz (USDOS 13.4.2016).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 3.12.2015). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; NHRC; Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 3.12.2015).

Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 3.12.2015). Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet. 66-69 Prozent der in nigerianischen Gefängnissen inhaftierten Personen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Die Untersuchungshaft ist oftmals länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils in Frage stehenden Delikts (AA 3.12.2015). Darüber hinaus bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Mehrmals kündigte die Regierung an, Aktionen zur Überprüfung der Inhaftierten durchzuführen und Gefängnisinsassen ohne ersichtlichen Inhaftierungsgrund freizulassen, allerdings ohne messbaren Erfolg (AA 3.12.2015).

Quellen:

Scharia

In neun nördlichen Bundesstaaten sowie in den mehrheitlich muslimischen Gebieten dreier weiterer Bundesstaaten erhielten erstinstanzliche Scharia-Gerichte auch strafrechtliche Befugnisse (z.B. Verhängung von Körperstrafen bis hin zu Todesurteilen wie Steinigung); dies gilt allerdings grundsätzlich nur für Muslime (AA 3.12.2015). Christen, die in den zwölf Bundesstaaten leben, steht es frei, sich einem Scharia- oder staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Meist wird das Scharia-Gericht gewählt, da diese schneller zu einem Urteil kommen (AA 3.2016a). Bestimmte, im Koran explizit genannte Vergehen (die sog. Hudud-Straftatbestände wie außerehelicher Geschlechtsverkehr, Diebstahl, Straßenraub, Alkoholgenuss), können mit zum Teil drakonischen Strafen (Amputation, Prügelstrafe, Tod durch Steinigung etc.) belegt werden. Neben den genannten Körperstrafen kann der das Scharia-Strafrecht anwendende Richter auch auf "Maßnahmen" erkennen, die auf eine Art Aberkennung der Ehre hinauslaufen, z.B. "tasheer" (öffentliche Bekanntmachung von Straftat und Strafmaß) oder "hajar" (Aufruf zum sozialen Boykott) (AA 3.12.2015).

Den rigorosen Strafandrohungen der Scharia stehen allerdings ebenso rigorose Beweisanforderungen gegenüber. Allerdings erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Hudud-Straftatbestände weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als noch in den ersten Jahren nach der Wiedereinführung des islamischen Strafrechts, da man mittlerweile davon ausgehen kann, dass entsprechende Verurteilungen im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und korrigiert werden (AA 3.12.2015). Die Scharia-Berufungsgerichte wandeln konsistent Steinigungs- und Amputationsurteile in andere Strafen um. Prügelstrafen werden regelmäßig ausgeführt, manchmal kommt es zur Zahlung von Ersatzstrafen (USDOS 13.4.2016). Der Scharia-Instanzenzug endet auf der Ebene eines Landesberufungsgerichts, gegen dessen Urteile Rechtsmittel zu dem (säkularen) Bundesberufungsgericht in Abuja statthaft sind (AA 3.12.2015). Urteile von Scharia-Gerichten können also auch im formalen Rechtssystem angefochten werden (USDOS 13.4.2016). Durch eine bessere Ausbildung der Richterschaft und Entpolitisierung des strafrechtlichen Aspekts der Scharia sind spektakuläre Fälle in den letzten Jahren nicht mehr zu verzeichnen (AA 3.2016a).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF) (AA 3.12.2015). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden (USDOS 13.4.2016). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 3.12.2015).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 3.12.2015). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des Department of State Service (DSS), das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die Polizei, das DSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 13.4.2016). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 7.2014).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖBA 7.2014). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 3.12.2015). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel wurden Militäreinheiten in den Plateau State entsandt, um die Gewaltausbrüche zwischen den "Einheimischen" und den "Siedlern" zu verhindern, da die lokale Polizei nicht in der Lage war, die ethno-religiöse Gewalt einzudämmen (USDOS 13.4.2016). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b).

Quellen:

Vigilante Gruppen, Bürgerwehren, Hisbah

In verschiedenen Regionen des Landes haben sich bewaffnete Organisationen in Form von ethnischen Vigilantegruppen gebildet, z. B. der Odua People’s Congress (OPC) im Südwesten oder die Bakassi Boys im Südosten. Bei diesen Gruppen kann man sich gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit" erkaufen. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf die "Vigilantes": Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor, im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen dagegen von einigen Gouverneuren begrüßt. Die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Generell scheint die Bedeutung der Vigilantes in Städten etwas abzunehmen, in einigen ländlichen Regionen haben sie aber weiterhin eine dominante Machtposition (AA 3.12.2015).

Die Taten der nigerianischen Straßenbanden, bekannt als Area Boys, haben die Spannungen vor den Parlamentswahlen erhöht. Während des Wahlkampfes ließen sich Straßenbanden von jenen Auftraggebern, die am meisten zahlten, instrumentalisieren und griffen politische Wahlkampagnen an (IBT 19.3.2015).

Im Jahr 2013 wurde von der Regierung und mit Unterstützung der Armee im Nordosten im Zuge des Kampfes gegen Boko Haram die sogenannte Civilian Joint Task Force (CJTF) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Art Bürgerwehr, die laut NGOs und Medien für Menschenrechtsvergehen verantwortlich ist (USDOS 25.6.2015). Es gibt Berichte, dass die CJTF über eine große Anzahl von Kindersoldaten verfügt, die auch bei verschiedenen Operationen eingesetzt werden (USDOS 13.4.2016).

In einigen Bundesstaaten (Gombe, Zamfara, Niger, Kaduna, Kano, Bauchi und Jigawa) werden Schariawächter wie die Hisbah unterhalten. Diese überwachen die Umsetzung der Scharia aber nur inkonsistent und sporadisch, führen aber Verhaftungen durch (USDOS 10.8.2016; vgl. ÖBA 7.2014). Z.B. verhafteten Mitglieder der Kano Hisbah Bewohner, die der Prostitution, des Alkoholkonsums, der Bettelei und andere Scharia-Verstöße verdächtigt wurden (USDOS 10.8.2016). In Kano wird die Hisbah direkt durch den Bundesstaat betrieben, während sie in anderen Bundesstaaten ähnlich den nichtstaatlichen Bürgerwehren organisiert ist. Die Hisbah wurde vom Obersten Gericht zwar als verfassungswidrig bezeichnet, da polizeiliche Aufgaben ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sie hat ihre Tätigkeit jedoch bisher nicht eingestellt, sondern wurde lediglich umorganisiert. An sich sollte von der Hisbah keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehen, da sie der regulären Polizei untergeordnet und in der Regel unbewaffnet ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Kompetenzüberschreitungen sowie zur nicht zulässigen Anwendung islamischer Gesetze und Verhaltensregeln auf Nichtmuslime. In Kano ist die Hisbah beispielsweise bei Homosexuellen wegen ihrer gewaltsamen Übergriffe gefürchtet (AA 13.4.2016).

Quellen:

Folter und unmenschliche Behandlung

Sicherheitskräfte sind korrupt und in den vergangenen Jahren für zahlreiche Todesopfer sowie für massenhafte willkürliche Verhaftungen und andere Menschenrechtsvergehen verantwortlich. Folterung und Misshandlung von Gefangenen sind weit verbreitet (USDOS 13.4.2015; vgl. FH 27.1.2016), extralegale Tötungen seitens der Sicherheitskräfte an der Tagesordnung. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) geht von mindestens 5.000 Tötungen jährlich aus, etwa die Hälfte wird der Polizei angelastet. Die Schätzungen einiger NGOs liegen deutlich höher. Die meisten Fälle werden aus dem Südosten und dem Nordosten berichtet. Insbesondere bei Raubüberfällen werden Verdächtige regelmäßig systematisch durch die Polizei getötet (AA 3.12.2015). Auch im Jahr 2014 kam es seitens der Regierung zu zahlreichen willkürlichen oder ungesetzlichen Tötungen. Dies betrifft die 7. und 3. Armeedivision, die NPF, den DSS und andere. So wurden, laut einem AI-Bericht, am 14. März 2014 622 Menschen bei der Giwa-Kaserne in Maiduguri vom Militär und CJTF außergerichtlich hingerichtet. Dies ereignete sich nach einem Angriff von Boko Haram auf die Kaserne, bei dem die Gruppe über 1.000 Häftlinge freiließ. Einwohner von Maiduguri berichteten Amnesty International, dass die Soldaten die entflohenen Häftlinge wieder einfingen, inhaftierten und anschließend hinrichteten (USDOS 13.4.2016). Hauptbetroffene sind jedoch üblicherweise Personen, die eines Gewaltverbrechens verdächtig sind. Sie werden nach dem Ablegen eines (häufig durch Folter erlangten) Geständnisses oft noch im Polizeigewahrsam "exekutiert". Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Sicherheitskräfte an von ihnen errichteten Straßensperren unvermittelt das Feuer eröffnen, etwa wenn sich jemand weigert, ein gefordertes Schmiergeld zu zahlen (AA 3.12.2015).

Dabei handeln die Täter in der Gewissheit weitgehender Straflosigkeit, da es nur in den seltensten Fällen zu unabhängigen Untersuchungen, geschweige denn zu disziplinar- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen kommt (AA 3.12.2015). Wenn Polizisten beschuldigt werden, an extra-legalen Tötungen beteiligt zu sein, werden sie durch ihre Vorgesetzten gedeckt und oft bewusst in andere Regionen versetzt, um eine Klärung der Vorwürfe zu verhindern (AA 3.12.2015).

Die NHRC hat das Mandat, Tötungen durch Sicherheitskräfte zu untersuchen. Im Dezember 2015 sollen bei einer Konfrontation zwischen Mitgliedern des Islamic Movement of Nigeria (IMN) und Soldaten etwa 350 Menschen in Zaria, Kaduna extralegal getötet worden sein (AI 22.4.2016). Bei einem anderen Vorfall brachten Viehdiebe sechs Soldaten um, und daraufhin töteten Armeetruppen im Mai 2015 dutzende Zivilisten und zerstörten viele Häuser im Distrikt Wasei, Plateau State. Vertreter der Gemeinde behaupteten auch, dass Regierungstruppen in der Vergangenheit schon mehr als 80 Menschen bei ähnlichen Angriffen getötet hatten. Das Militär versprach, die Vorfälle zu untersuchen, mit Stand Dezember 2015 gab es jedoch keine Berichte von Untersuchungen (USDOS 13.4.2016).

Am 8. April 2014 hat das NHRC erstmals eine Entscheidung getroffen. Die Entscheidung verlief zu Gunsten der Opfer und NHRC erklärte, dass es keine Beweise gäbe, dass die Opfer Mitglieder der Boko Haram seien. Weiter wurde angeordnet, dass der Staat den Familien der Verstorbenen 10 Millionen Naira und jedem der Überlebenden fünf Million Naira auszuzahlen hat (USDOS 25.6.2015).

Polizei und Militär gehen bei der Bekämpfung der islamistischen Gruppe Boko Haram häufig mit unverhältnismäßiger Härte vor (AA 3.12.2015; vgl. HRW 27.1.2016). Die Sicherheitskräfte sind in diesem Zusammenhang in zahlreiche Menschenrechtsvergehen involviert. Angebliche Unterstützer oder Mitglieder der Boko Haram werden willkürlich verhaftet, es kommt zu Folter und extralegalen Tötungen. Sicherheitskräfte zerstören auch Gebäude in Gemeinden, wo vermutet wird, dass Boko Haram Unterschlupf findet (AI 6.2015).

Allen Hinweisen zufolge gehört auch die Folter zum weit verbreiteten Handlungsrepertoire staatlicher Sicherheitsorgane, unter denen insbesondere die ärmere Bevölkerungsschicht zu leiden hat (AA 3.12.2015). Die Verfassung und Gesetze verbieten Folter (USDOS 13.4.2016). Folter durch die nigerianische Polizei und das Militär war 2015 weiterhin an der Tagesordnung. Zur gängigen Praxis zählten auch außergerichtliche Hinrichtungen, Erpressung sowie willkürliche und übermäßig lange Inhaftierungen (AI 24.2.2016). Sicherheitsbeamte foltern, schlagen und misshandeln regelmäßig Demonstranten, Verdächtige, Militante und Personen in Haft. Die Polizei versuchte mittels Misshandlungen auch Geld zu erpressen. Oft wurde Folter angewendet, um Geständnisse zu erpressen (USDOS 13.4.2016). Zu den häufigsten Foltermethoden zählten dabei Auspeitschung, Stock– und Machetenschläge, Schüsse in den Fuß, Scheinhinrichtungen, Aufhängen in verschiedenen Positionen sowie Vorenthalten von Nahrung, Wasser und Medikamenten (AA 3.12.2015).

Die Gründe für dieses Verhalten liegen zum einen in der nur schwach ausgeprägten Menschenrechtskultur der Sicherheitskräfte, zum anderen in der mangelhaften Ausrüstung, Ausbildung und Ausstattung insbesondere der Polizei, was sie in vielen Fällen zu dem illegalen Mittel der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen als einzigem erfolgversprechenden Weg der "Beweisführung" greifen lässt. Die große Zahl glaubhafter und übereinstimmender Berichte über die Anwendung von Folter in Gefängnissen und Polizeistationen im ganzen Land, die von forensischen Befunden gestützt und von der Polizei teilweise zugegeben wurden, bestätigen den Eindruck, die Anwendung von Folter sei ein integraler Bestandteil der Arbeit der Sicherheitsorgane (AA 3.12.2015).

Im Juli 2015 kündigte die Polizei eine Überprüfung der Dienstanweisungen an. Dies betraf auch die Anweisung 237, die es Polizisten erlaubt, auf Tatverdächtige und Festgenommene zu schießen, die sich dem Zugriff entziehen wollen oder flüchten, unabhängig davon, ob sie eine lebensgefährliche Bedrohung darstellen. Der Generalinspekteur der Polizei gab außerdem bekannt, Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei hätten in den vergangenen drei Jahren Entschädigungen in Höhe von fast 1 Mrd. Naira (rund 4,6 Mio. Euro) erhalten (AI 24.2.2016). Das Antifoltergesetz, das den Einsatz von Folter verbieten und unter Strafe stellen soll, wurde im Juni 2015 vom Parlament verabschiedet. Es war zum Jahresende 2015 noch nicht in Kraft getreten (AI 24.2.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

Verfassung und Gesetze verbieten willkürliche Verhaftungen, doch halten sich Polizei und Sicherheitskräfte nicht daran (USDOS 13.4.2016). Nigerianische Menschenrechtsgruppen werfen insbesondere der Polizei regelmäßig das Verschwindenlassen von Untersuchungshäftlingen und anderen sich in Polizeigewahrsam befindenden Personen vor. Human Rights Watch und Amnesty International erheben diesen Vorwurf auch gegen die im Norden Nigerias agierenden Sicherheitskräfte der Joint Task Force (AA 3.12.2015). Bei der Anwendung exzessiver Gewalt durch Sicherheitskräfte (v.a. im Nordosten und im Rahmen des Vorgehens gegen Boko Haram) kommt es zu Folter, Vergewaltigungen, ungesetzlichen Inhaftierungen und anderen Menschenrechtsvergehen. NPF und Militär bleiben bei Verhaftungen, illegalen Inhaftierungen und Exekutionen von Verdächtigen weitgehend straffrei (USDOS 13.4.2016). Folglich ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Sicherheitsapparat unterentwickelt (ÖBA 7.2014).

Die Regierung ist sich der Problematik grundsätzlich bewusst, spielt das Ausmaß des Problems aber herunter. Lediglich im Bundesstaat Lagos hat sich die Situation seit 2010 deutlich gebessert, nachdem dort seit Einführung des so genannten "Coroner's Law" nun jeder Todesfall in Polizeigewahrsam automatisch zu einer Obduktion führt. Ein ähnliches Gesetz ist im Bundesstaat Cross River in Vorbereitung. Auch die Polizeiführung versucht in begrenztem Maße gegenzusteuern und veranstaltet zusammen mit NGOs Menschenrechtskurse und Fortbildungsmaßnahmen. Im Jänner 2013 wurde ein sogenannter Code of Conduct verabschiedet, der u.a. auf professionellere Standards und Verhaltensweisen der Polizei hinwirken soll (AA 3.12.2015). Im Dezember 2013 hat die NHRC ein eigenes Komitee eingerichtet, um Fällen von ad-hoc-Haftanstalten, die nicht amtlich bekannt gemacht wurden und denen die erforderliche Genehmigung des Innenministers fehlte, nachzugehen (USDOS 13.4.2016).

Das NHRC führte einige Menschenrechtsschulungen beim Militär durch und gab bekannt, eine Hotline für Einwohner errichtet zu haben, damit Menschenrechtsverletzungen durch die Streitkräfte gemeldet werden können (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

Korruption

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor. Trotzdem bleibt Korruption weit verbreitet (USDOS 13.4.2016) und damit ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen (GIZ 7.2016a). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegt Nigeria Rang 136 von 168 untersuchten Staaten (TI 2015).

Die Regierung setzt die Gesetze gegen Korruption nicht effektiv um, und Beamte gehen oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften; Korruption herrscht auch in der Justiz. Es gibt die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen sind und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten (USDOS 13.4.2016). Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet; Gelderpressungen an Straßensperren sind an der Tagesordnung (AA 3.12.2015).

Die neue Regierung Nigerias hat den notwendigen Kampf gegen Korruption zu einem Teil ihrer Wirtschaftspolitik erklärt. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Einrichtung der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen und Korruption. Als Ergebnis der Bemühungen der EFCC wurde Nigeria 2006 aus der von der Financial Action Task Force der G8/G7 geführten Liste der bei der Bekämpfung von Geldwäsche nicht-kooperierenden Staaten gestrichen (AA 5.2016).

Teilerfolge bei der Korruptionsbekämpfung sind insgesamt sichtbar. Allerdings ist die Verfolgung von aktiven bzw. ehemaligen Amtsträgern trotz zahlreicher Anklagen schwierig, Gerichtsurteile gegen hochrangige Politiker sind seltene Ausnahmen (AA 13.4.2016). Obwohl die Bemühungen der EFCC und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) sich auf Regierungsbeamte mit niedrigem und mittlerem Rang konzentrierten, begannen beide Organisationen mit Ermittlungen und Anklagen gegen verschiedene hochrangige Regierungsbeamte (USDOS 13.4.2016). Die ICPC hält ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung aller Formen von Korruption, während das EFCC auf Finanzdelikte beschränkt ist (USDOS 13.4.2016).

Um sein Anti-Korruptionsversprechen zu erfüllen, initiierte Präsident Buhari eine Reihe von Reformen, darunter die Restrukturierung des intransparenten staatlichen Ölunternehmens. Nigerias Anti-Korruptionsbehörden starteten mit Ermittlungen gegen mehrere hochrangige Politiker, darunter der Senatspräsident und Beamte aus der Verwaltung des ehemaligen Präsidenten Goodluck Jonathan (FH 27.1.2016).

Insgesamt mangelt es der Regierung an effektiven Mechanismen, um Amtsmissbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. In manchen Fällen bringen Bürger oder die Regierung Anzeigen gegen Täter ein. Die meisten Fälle bleiben aber bei Gericht liegen oder verschwinden nach anfänglichen Untersuchungen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen (ÖBA 7.2014).

Sie beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (USDOS 13.4.2016; ÖBA 7.2014). Sie sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 3.12.2015).

Quellen:

Ombudsmann

Die Aufgaben der National Human Rights Commission (NHRC) sind Förderung und Schutz der Menschenrechte sowie Menschenrechtserziehung; und die Beobachtung der Menschenrechtslage (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Derzeit konzentriert sie sich u. a. auf Gewalt der Sicherheitskräfte, Diskriminierung im Wirtschaftsleben, Gewalt gegen Frauen sowie Menschenrechtsbildung und -aufklärung. Soweit sich die Kommission Einzelschicksalen annimmt, hat ihre Arbeit lediglich empfehlenden Charakter (AA 3.12.2015). Die NHRC verfügt über Niederlassungen in den sechs politischen Zonen des Landes. Sie veröffentlicht periodische Berichte über spezifische Menschenrechtsverletzungen (u.a. Folter oder Haftbedingungen) (USDOS 13.4.2016). Die Kommission hat ihre Arbeit in den letzten Jahren intensiviert und verbessert und mit eigenen Berichten z.B. zu Menschenrechtsverletzungen im Nordosten oder zu Gewalttätigkeiten während der Wahlkampfzeit 2015 wachsende Unabhängigkeit und steigendes Selbstbewusstsein bewiesen (AA 28.11.2014). Die Kommission ist mit einem eigenen Gesetz legitimiert und ihre Unabhängigkeit gesetzlich festgeschrieben (USDOS 13.4.2016). Nigeria verfügt über keinen Ombudsmann, der die Interessen der Häftlinge vertritt. Diese Rolle sollen die Oberrichter der Bundesstaaten übernehmen und den Gefängnissen offizielle Besuche abstatten. Jedoch waren solche Besuche sehr selten (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

Wehrdienst

Die nigerianischen Streitkräfte bestehen aus Berufssoldaten. Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht (AA 3.12.2015). Das Mindestalter für die Soldaten ist 18 Jahre (CIA 1.8.2016). Ein paramilitärisch organisiertes einjähriges "Civil Service" ist für Universitätsabgänger möglich jedoch nicht verpflichtend. Die Absolvierung ist Voraussetzung für die Erlangung der meisten Positionen im Öffentlichen Dienst (ÖBA 7.2014).

Quellen:

Allgemeine Menschenrechtslage

Auch wenn sich die Menschenrechtssituation seit Amtsantritt der Zivilregierung 1999 zum Teil erheblich verbesserte, ist sie insgesamt sehr problematisch (AA 3.2016a).

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur "Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat (AA 3.12.2015).

Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst sind. Der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht ist nicht gesichert (AA 3.2016a). Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit (AI 24.2.2016). Missbräuchliches Verhalten der Sicherheitsbehörden beschränkt sich aber nicht nur auf den Nordosten (HRW 27.1.2016). Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016). Auch das hohe Maß an Korruption wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (AA 3.2016a).

Nigeria hat folgende internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (einschließlich Fakultativprotokoll); Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

Übereinkommen über die Rechte des Kindes (einschl.

Fakultativprotokolle zu Kindern in bewaffneten Konflikten und zu Kinderhandel, -prostitution und -pornografie); ILO-Übereinkommen über die schlimmsten Formen von Kinderarbeit; (Afrikanische) Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention); Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs; Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes; Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen; Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014).

Diese völkerrechtlichen Verpflichtungen wurden zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Staaten, die grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist häufig die Durchsetzung der garantierten Rechte nicht gewährleistet. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 3.12.2015).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt (AA 3.12.2015).

Quellen:

Meinungs- und Pressefreiheit

Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder (AA 3.12.2015; vgl. FH 27.1.2016). Während die Medien weitgehen frei und dynamisch sind, behält Nigeria veraltete strafrechtliche Bestimmungen bei, welche die Meinungsfreiheit beeinträchtigen (HRW 27.1.2016).

Die nigerianischen Medien sind vielfältig (AA 3.2016b). Die Medienlandschaft Nigerias ist durch eine Fülle privater Tageszeitungen und Wochenmagazine, Radiostationen und auch Fernsehsender geprägt, die insgesamt breit und relativ frei zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen berichten (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016; vgl. ÖBA 7.2014). Sie tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria. Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt (AA 3.2016b).

Es kam auch zu Fällen der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit durch die Regierung (USDOS 13.4.2016). Einige Journalisten wurden wegen strafrechtlicher "Diffamierung" angeklagt, jedoch wurden in den meisten Fällen die Anklagen schlussendlich zurückgezogen (FH 28.4.2015). Gelegentlich wurden Journalisten von Sicherheitsdiensten inhaftiert und schikaniert, wenn sie über sensible Themen wie Korruption und Sicherheit berichteten (USDOS 13.4.2016). Im Mai 2011 ist das bereits im April 2007 verabschiedete Gesetz zur Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft getreten. Es garantiert jeder Person das Recht, auf Antrag Zugang zu amtlichen Informationen durch die Behörden zu erhalten. Die mit diesem Gesetz verbundenen Hoffnungen auf eine offenere Informationspolitik der Regierung haben sich aber bisher nicht erfüllt (AA 3.12.2015).

Journalisten werden auch durch Boko Haram bedroht, die Medienvertreter und Journalisten einschüchtert (USDOS 13.4.2016).

Journalisten praktizieren Selbstzensur (USDOS 13.4.2016). Auch Bestechung und Korruption bleiben in der Medienindustrie ein Problem. Eine Studie aus dem Jahr 2009 in Lagos hatte ergeben, dass 61 Prozent der 184 befragten Journalisten regelmäßig im Dienst "braune Umschläge" erhalten haben. Allerdings gaben 74 Prozent der Befragten an, dass derartige Geschenke nicht zu voreingenommener Berichterstattung führen würden. Dies könnte darin wurzeln, dass diese Form der Korruption derart verbreitet ist (FH 28.4.2015). Journalisten müssen grundsätzlich "motiviert" werden, um zu berichten. Reporter von Lokalzeitungen wie dem "Pointer" verlangen in der Regel Bargeld für Artikel (zwischen 50 und 100 Euro) (ÖBA 25.4.2013).

Quellen:

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Verfassung und Gesetze gewährleisten Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert dieses Recht auch weitgehend in der Praxis (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016; ÖBA 7.2014). Dies hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahllosen NGOs geführt (AA 3.12.2015; vgl. FH 27.1.2016).

Auch die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird die Versammlungsfreiheit tatsächlich oft nur eingeschränkt gewährleistet (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016), da die Sicherheitsorgane häufig gegen politisch unliebsame Versammlungen einschreiten (AA 3.12.2015). Die Regierung verbietet z. B. Versammlungen, welche ihrer Ansicht nach zu Unruhen führen könnten. In Gebieten mit Gewaltausbrüchen entscheiden Polizei und Sicherheitskräfte die Genehmigung von öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wenden Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt an, welche auch zu Todesopfern und Verletzten führt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

Opposition inkl. MASSOB und IPOB

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Das gilt auch für die seit

1999 regierende PDP, die seit den letzten Wahlen im März 2015 nun zum ersten Mal in der

Opposition ist (AA 3.12.2015). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien (USDOS 13.4.2016).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 3.12.2015).

Im Süden und Südosten Nigerias kommt es zu Demonstrationen, bei denen ein unabhängiger Staat Biafra gefordert wird (AI 24.2.2016). Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gingen die Sicherheitsorgane in der Vergangenheit teilweise massiv vor (AA 3.12.2015). MASSOB propagiert keinen bewaffneten Kampf (AA 28.8.2013; vgl. ICNL 4.5.2016). Weiters gibt es auch die separatistische Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB). Am 14. Oktober 2015 wurde der Anführer der IPOB und Direktor von Radio Biafra inhaftiert und wegen krimineller Verschwörung, Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation und Einschüchterung angeklagt. Am 17. Dezember 2015 ordnete das Obere Bundesgericht in der Hauptstadt Abuja seine bedingungslose Freilassung aus dem Gewahrsam des Inlandsgeheimdienstes (Department of State Services) an. Er kam jedoch nicht frei, sondern wurde am 18. Dezember wegen Hochverrats angeklagt. Ende 2015 befand er sich immer noch in Haft. Am 17. Dezember 2015 eröffnete das Militär in Onitsha im Bundesstaat Anambra das Feuer auf Anhänger der IPOB und tötete dabei fünf Menschen. Sie waren auf die Straße gegangen, um zu feiern, dass ein Gericht die Freilassung ihres Anführers Nnamdi Kanu angeordnet hatte (AI 24.2.2016). Eine Vor-Ort-Untersuchung von AI hat ergeben, dass die Armee im Rahmen einer Sicherheitsoperation in der Nacht des 29. und am 30. Mai 2016 an drei Orten der südostnigerianischen Stadt Onitsha (Bundesstaat Anambra) mindestens 17 unbewaffnete Mitglieder und Unterstützer der separatistischen Igbo-Organisation IPOB sowie Zuschauer erschossen haben soll. Zweck der Operation sei gewesen, einen am 30. Mai 2016 anlässlich des 49. Jahrestages der Abspaltung der Republik Biafra von Nigeria in Onitsha geplanten Gedenkmarsch von IPOB-Mitgliedern zu verhindern (BAMF 13.6.2016, vgl. AI 10.6.2016).

Quellen:

Haftbedingungen

Die Bedingungen in den Haftanstalten bleiben hart und lebensbedrohlich. Die Gefangenen, von denen viele noch gar nicht verurteilt wurden (69 Prozent sind Untersuchungshäftlinge laut Zahlen des Nigerian Prison Service aus dem Jahr 2014), sind extralegalen Tötungen, Folter, Überbelegung, Nahrungs- und Wasserengpässen, inadäquater medizinischer Versorgung, harten klimatischen Bedingungen, und absolut inadäquaten sanitären Bedingungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten muss oft über Angehörige und karitative Einrichtungen sichergestellt werden; immer wieder wird berichtet, dass es aufgrund dieser Verhältnisse zu Todesfällen kommt (AA 3.12.2015). Das schlecht bezahlte Gefängnis- und Wachpersonal nutzt seine Stellung aus, um von den Gefangenen Geld zu erpressen (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Zumindest in einigen Gefängnissen sind Männer, Frauen und Minderjährige zusammen inhaftiert (AA 3.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Weibliche Gefangene sind der Gefahr einer Vergewaltigung ausgesetzt (USDOS 13.4.2016).

Gemäß den Angaben von Menschenrechtsorganisationen gibt es auch inoffizielle Gefängnisse des Militärs, etwa in Maiduguri (Borno) und Damaturu (Yobe). Aus diesen Anstalten kommen Meldungen über extralegale Tötungen, Folter, Schläge und unmenschliche Behandlung von Gefangenen (USDOS 13.4.2016). In einigen Militärgefängnissen schienen sich die Haftbedingungen zu bessern. Häftlinge erhielten drei Mahlzeiten am Tag, Zugang zu Waschmöglichkeiten und medizinischer Versorgung. Nach wie vor starben jedoch Tatverdächtige in Haft. Folter und andere Misshandlungen waren an der Tagesordnung und führten zu Todesfällen. Außerdem waren Verdächtige weiterhin ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert (AI 24.2.2016).

Zwar erhalten Beobachter ausländischer Menschenrechtsorganisationen seit Veröffentlichung eines Berichts von Amnesty International über die Haftbedingungen 2008 keinerlei Zugang mehr zu Gefängnissen, jedoch wurden der Deutschen Botschaft in Abuja und Vertretern einer lokalen und später einer deutschen NGO Besuche in mehreren Gefängnissen ermöglicht (AA 13.4.2016). Monitoring-Besuche durch die National Human Rights Commission (NHRC) finden statt. Obwohl das NHRC eine Bereitschaft und Fähigkeit zeigte, Vorwürfe von unmenschlichen Bedingungen zu untersuchen, wurde der letzte Prüfungsbericht 2012 veröffentlicht. Auch das Justizministerium überprüft die Gefängnisse. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte weiterhin Zugang zu polizeilichen Haftanstalten. Nach einer Änderung in der Verwaltung, erhielt das IKRK Zugang zu Einrichtungen des Nigerian Prison Service. Seit August 2015 ist das IKRK auch in der Lage, einige militärische Haftanstalten zu besuchen (USDOS 13.4.2016).

Einige lokale Staatsanwälte und Gefängnisverwaltungen bemühen sich um Verbesserungen. Einzelne Gefängnisverwaltungen versuchen, Geld von NGOs und religiösen Organisationen zu sammeln (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

Todesstrafe

Die Todesstrafe kann durch ordentliche Gerichte und erstinstanzliche Scharia-Gerichte für bestimmte Tatbestände (Mord, Hochverrat, Verrat, Quälerei mit Todesfolge, schwerer Raub) verhängt werden. Gegenwärtig ist in einigen südlichen Bundesstaaten der Trend zu beobachten, den Anwendungsbereich der Todesstrafe auf weitere Straftatbestände (v. a. Entführung) auszuweiten. Die 2012 angenommene Änderung zum sog. Terrorism (Prevention) Act 2011 sieht die Todesstrafe als Strafmaß für terroristische Verbrechen vor (AA 3.12.2015).

Nigeria hält also weiterhin an der Todesstrafe fest. Ein seit 2006 faktisches Vollstreckungsmoratorium wurde am 24. Juni 2013 mit vier Hinrichtungen im Bundesstaat Edo aufgehoben (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Nach offiziellen Angaben des Nigerian Prison Service (NPS) warteten im Oktober 2014 1.588 Gefangene auf die Vollstreckung der Todesstrafe (AA 3.12.2015). Im Jänner und März 2015 verurteilten Militärgerichte 66 Soldaten wegen Meuterei und anderen Anklagepunkten zum Tode. Die Todesurteile wurden im Dezember 2015 in zehnjährige Haftstrafen umgewandelt. Soweit bekannt, fanden keine Hinrichtungen statt (AI 24.2.2016).

Quellen:

Religionsfreiheit

Laut der Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und ist vorgesehen, dass jeder die Freiheit hat seine Religion auszuwählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 10.8.2016). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 3.12.2015).

Die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit gestaltet sich schwierig (GIZ 6.2016b). Manche Gesetze der Landes- und Lokalregierung diskriminieren gegen Mitglieder von Minderheitenreligionen (USDOS 10.8.2016). In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖBA 7.2014).

Die Toleranz gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und religiösen Gruppen ist auf lokaler Ebene und in der Bevölkerung teilweise nur unzureichend ausgeprägt. Eine Ausnahme sind die Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen seit Generationen auch Mischehen zwischen Moslems und Christen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch. Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen zwischen alteingesessenen christlichen Gruppen und seit 1900 zugezogenen muslimischen Gruppen im zentralnigerianischen Jos im Jänner 2010 und seit Jänner 2014, die zu blutigen Konfrontationen mit insgesamt über 1.000 Toten und mehreren hundert Verletzten führten. Hier wie anderswo liegen den lokalen religiösen Auseinandersetzungen jedoch vor allem wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde (AA 3.12.2015). Der Bundesregierung mangelt es bei der Verhinderung oder Unterdrückung von Gewalt, welche in den nordöstlichen und zentralen Regionen Nigerias häufig einen religiösen Hintergrund hat, an Effektivität. Nur gelegentlich wurden Vergehen untersucht und Schuldige verurteilt (USDOS 10.8.2016).

Es gibt Berichte über gesellschaftliche Vergehen oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Orientierung, des Glaubens oder aufgrund der Religionsausübung. Es kann zur Ächtung aber auch zur Bedrohung von Konvertiten – sowohl Christen als auch Muslime – kommen (USDOS 10.8.2016).

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 12.2013).

Quellen:

Religiöse Gruppen

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen (CIA 1.8.2016; vgl. GIZ 6.2016b). Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch" (AA 3.12.2015). Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. In Zentralnigeria, in Abuja und in den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage (USDOS 10.8.2016).

Die Moslems sind größtenteils sunnitisch bzw. sufitisch. Die Minderheiten an Schiiten und Salafisten wachsen stetig (USDOS 10.8.2016). Zwei Strömungen des Islam sind vertreten: die Bruderschaft der Qadiriyya in Sokoto und der Tijaniyya, der alteingesessenen Hausa in Kano. Beide sind Varianten des sunnitischen Islam. Seit der nigerianischen Unabhängigkeit sind viele islamische Gemeinschaften entstanden, d.h. wie bei den Christen auch, passte sich der Islam den afrikanischen Traditionen u. a. mit der Entstehung neuer islamischer Sekten an (GIZ 6.2016b).

Das Christentum unterteilt sich in Katholiken (13 Prozent), Protestanten (15 Prozent) und synchretistische afrikanische Kirchengemeinschaften (17 Prozent) - einer Vermischung von traditionellen Religionen und Freievangelisten, meistens Mitglieder evangelikaler und pentekostaler Kirchen. Über tausend dieser neuen afrikanischen Kirchengemeinden mit mehreren Millionen Mitgliedern gibt es bereits in Nigeria, Tendenz steigend. Dabei sind die meisten dieser Kirchen stark profitorientiert (GIZ 6.2016b).

Quellen:

Spannungen zwischen Muslimen und Christen

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen (Pogrome). Diese gehören mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. Seit 2000 sprechen die offiziellen Zahlen von über 11.500 Toten aufgrund von religiösen Unruhen. Die tatsächlichen Zahlen dürften um ein Vielfaches höher liegen (GIZ 6.2016b). Der islamische Extremismus ist in Nigeria die wesentliche Triebkraft für Verfolgung, allerdings tragen auch "Exklusives Stammesdenken" und "Systematische Korruption" zur Verfolgung bei. Ein Teil des Landes ist sehr stark von Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist. Die Verfolgung von Christen in Nordnigeria wird meistens mit Boko Haram in Verbindung gebracht. Das Verfolgungsmuster insgesamt ist jedoch viel komplexer und darf nicht auf gewaltsame Übergriffe und Ermordungen von Christen (und gemäßigten Muslimen) seitens militanter islamistischer Gruppen reduziert werden. Das trifft besonders auf die 12 nördlichen Scharia-Staaten zu, in denen die örtlichen Behörden und die Gesellschaft den Christen kaum Raum zum Leben lassen (OD 1.2016).

Auch wenn sich die meisten religiösen Führer beider Seiten für Toleranz und Mäßigung öffentlich aussprechen, wurde berichtet, dass das Misstrauen zwischen christlichen und muslimischen Führern interreligiöse Bemühungen bedroht (USDOS 10.8.2016).

In Nigeria sind drei Kategorien von einheimischen Christen (historisch gewachsenen Kirchen, protestantische Freikirchen, und Gemeinden mit Christen muslimischer Herkunft) anzutreffen. Alle drei erleiden in den nördlichen Staaten Verfolgung. Besonders in den Scharia-Staaten ist eine Abkehr vom Islam hin zum christlichen Glauben gefährlich und kann viele Nöte nach sich ziehen. Christen werden in den Ausbildungseinrichtungen oft als Bürger zweiter Klasse betrachtet und dementsprechend behandelt. Christliche Mädchen stehen ständig in der Gefahr, entführt und zwangsverheiratet zu werden. Laut Open Doors Feldexperten haben einige der Scharia-Staaten sogar Organisationen zu dem Zweck der Entführung und Zwangsbekehrung von christlichen Mädchen gegründet (OD 1.2016).

Das Maß an Gewalt ist in Nigeria weiter sehr hoch. Auch wenn nicht ausreichend Daten zur Verfügung stehen, gehen konservative Schätzungen davon aus, dass Boko Haram seit Beginn ihres Auftretens mehr als 10.000 Menschen ermordet hat, wobei die deutliche Mehrheit Christen waren. Aus Zentralnigeria gibt es auch unterdessen Berichte, nach denen Viehhirten vom muslimischen Hausa-Fulani Stamm Tausende Christen mittels brutaler Gewalt vertrieben haben. Hiervon sind die Staaten Adamawa, Bauchi, Benue, FCT (Abuja), Kaduna, Nasarawa, Plateau und Taraba betroffen (OD 2015). Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, wie Boko Haram, fürchten, sollten in der Lage sein, Schutz bei Behörden zu suchen oder eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO 9.6.2015).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, die in den Jahren 2000/2001 die strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia wiedereingeführt haben, wird die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen in der Praxis teilweise beschränkt, da viele Verwaltungsvorschriften ohne Rücksicht auf die jeweilige Religionszugehörigkeit erlassen und durchgesetzt werden (z.B. Verbot des gemischten Schulunterrichts, Verbot des Alkoholgenusses, Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Neubau von Kirchen etc.). Der Bundesstaat Kano führte im Mai 2007 die Pflicht zum Tragen islamischer Schulkleidung für alle Schülerinnen und Schüler, also auch für Angehörige der christlichen Minderheit, ein. Grundsätzlich gilt allerdings das Scharia-Recht nur für Muslime (AA 3.12.2015). Personen, die Angst vor der Scharia-Gerichtsbarkeit haben, haben auch das verfassungsmäßige Recht, dass ihre Fälle im formalen Rechtssystem behandelt werden. Personen, die Angst vor Hisbah-Gruppen (lokale Scharia-Gruppen in Nordnigeria) haben, können eine innerstaatliche Fluchtalternative in Gebieten in Anspruch nehmen, wo diese Gruppen nicht tätig sind oder keinen Einfluss haben (UKHO 12.2013).

Quellen:

Naturreligionen und Juju

Im nigerianischen Englisch bezieht sich der Begriff "Juju" auf alle religiösen Praktiken, die mehr oder weniger auf traditionellem Animismus basieren. Die Angst vor okkulten Kräften ist selbst bei christlichen und muslimischen Gemeinden sehr verbreitet (DACH 2.2013). Die traditionellen Religionen erleben derzeit eine Art Renaissance. Je nach Volksgruppe glaubt man an Erdgeister, Wassergötter, Ahnengeister, Gottheiten, Magie und Zauberei. Ausgeprägt bei den Volksgruppen im Süden Nigerias ist der "Juju-Glaube", in dessen Zentrum Juju als magische Zauberkraft steht. Erscheinungsformen sind Juju-Wälder, Juju-Flüsse, Juju-Pflanzen, Juju-Bäume oder auch Gegenstände wie Amulett und Talisman. Trotz der Akzeptanz von Christentum und Islam sucht die breite Mehrheit der nigerianischen Bevölkerung im Juju Schutz vor fremden Mächten. Die nominelle Zugehörigkeit zu einer etablierten Religion bedeutet für viele Nigerianer/innen keineswegs die Aufgabe ihrer traditionellen Religion (GIZ 6.2016b).

Quellen:

Kulte und Geheimgesellschaften

Der Begriff "Kult" ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013, DT 18.6.2016), die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Spannweite reicht von den berühmten Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten. Kulte und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden. Die geheimen Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013). Mitglieder dieser Kulte sind auch hochrangige Nigerianer, Beamte, Unternehmer, Politiker und sogar Sicherheitskräfte (DT 18.6.2016). Es wird in Nigeria weithin angenommen, dass Personen an der Macht geheime Netzwerke bilden, bei welchen der Missbrauch okkulter Kräfte zur Routine gehört (UKHO 12.2013; vgl. DACH 2.2013). Viele treten Kulten bei, da diese mit Macht, Reichtum und Ansehen in der Gesellschaft verbunden werden. Es gibt auch eigene Kulte für Frauen (DT 18.6.2016).

Gewalt die von Kulten ausgeht ist ein fester Bestandteil des sozialpolitischen Umfelds im Bundesstaat Rivers. Insbesondere in diesem Bundesstaat dienen Kulte als Gateway für diverse Arten von Kriminalität, Gewalt und Militanz. Solche Gruppen haben einen weitreichenden geographischen Wirkungskreis und sind sehr gut bewaffnet. Im Bundesstaat Rivers sowie in anderen Bundesstaaten überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten, Jugendverbänden und Milizen (FFP 11.2015).

Bewaffnete Jugendliche terrorisieren die Bevölkerung. Kulte sind de facto Banden, deren Mitglieder anonym bleiben und durch einen Schwur gebunden sind. Früher standen die Kulte für den Schutz und die Emanzipierung der Menschen im Nigerdelta. Heute sind sie eines der am meisten gefürchteten Elemente der Gesellschaft. Eine Mitgliedschaft bei einer (studentischen) Bruderschaft zurückzulegen ist schwierig. Es wurden auch schon Mitglieder getötet, die dies versucht hatten. Die einst geachteten Bruderschaften sind zu Kult-Banden verkommen, die Studenten und Professoren gleichermaßen terrorisieren (FFP 10.12.2012). Die Aktivitäten der Studentenkulte sind üblicherweise auf die betroffene Universität beschränkt, manche unterhalten aber Zweigstellen an mehreren Universitäten. Nach ex-Mitgliedern wird selten gesucht und wenn doch, dann wird eine erfolglose Suche nach zwei oder drei Monaten abgebrochen (VA1 16.11.2015). Auch religiösen Kulten kann man sich durch Flucht entziehen, sie sind nicht in der Lage, eine Person in ganz Nigeria zu verfolgen (VA2 16.11.2015).

‚Mafiöse Kulte‘ prägen – trotz Verboten – das Leben auf den Universitäts-Campussen, etwa mit Morden und Serienvergewaltigungen in Studentenheimen. Diese Kulte schrecken auch vor Menschenopfern nicht zurück, was zu wöchentlichen Meldungen über den Fund von Körperteilen bei ‚Ritualists‘ führt (ÖBA 7.2014).

Kulte greifen generell niemanden an, der nicht selbst in Kult-Aktivitäten involviert ist (VA1 16.11.2015; vgl. IRB 3.12.2012). Angriffe auf Anti-Kult-Aktivisten können vorkommen. Die Bundesregierung hat die Rektoren angewiesen, gegen die Kult-Gewalt an den Universitäten Maßnahmen zu setzen, darunter z.B. Sanktionen gegen Kult-Mitglieder und Sensibilisierungskampagnen (IRB 3.12.2012). Die Federal University of Agriculture, Makurdi, musste im Juni 2016 aufgrund von Kult-Gewalt geschlossen werden, damit die Situation nicht weiter eskalierte (Vanguard 9.6.2016). Das "Secret Cult and Similar Activities Prohibition" Gesetz aus dem Jahr 2004 listet offiziell ca. 100 Kult-Gruppen auf, die verboten worden sind. Diese Kulte umfassen kriminelle Banden; spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle; sowie Banden, die Wasserwege, Durchfahrtswege oder Ölreserven kontrollieren (UKHO 1.2013).

Personen, die sich vor einer Schlechtbehandlung/Misshandlung durch derartige Gruppierungen fürchten, können entweder Schutz erhalten oder aber eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen (UKHO 12.2013).

Quellen:

Ethnische Minderheiten

Diskriminierungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie sind durch die Verfassung verboten (AA 3.12.2015). Gemäß der Verfassung muss die Regierung einen "föderalen Charakter" haben, was bedeutet, dass Kabinetts- und andere hochrangige Positionen so vergeben werden müssen, dass die 36 Bundesstaaten oder die sechs geopolitischen Regionen vertreten sind. Traditionelle Beziehungen wurden benutzt, um Druck auf Regierungsbeamte auszuüben, damit bestimmte ethnische Gruppen bei der Verteilung von wichtigen Positionen einen Vorteil bekommen (USDOS 13.4.2016). Die Zusammensetzung der bisherigen Regierung spiegelt einen fein austarierten Proporz zwischen den verschiedenen Ethnien wider (AA 3.12.2015).

Außerdem unterscheidet die Verfassung bei der Bevölkerung in den Bundesstaaten zwischen "Einheimischen" ("indigenous") und "Zuwanderern" ("settlers"). Diese Unterscheidung sollte ursprünglich die einheimische Bevölkerung schützen, hat aber angesichts der wachsenden Mobilität auch in der nigerianischen Bevölkerung immer weniger Sinn (AA 3.12.2015). Zwar hätten nämlich alle Staatsbürger prinzipiell das Recht in jedem Teil des Landes zu leben, doch diskriminieren Bundes- und Bundesstaatsgesetze jene ethnischen Gruppen, die an ihrem Wohnsitz nicht eigentlich indigen sind (USDOS 13.4.2016; vgl. ÖBA 7.2014). In einigen Bundesstaaten ist die Lage von Minderheiten deshalb problematisch, zumal selbst den Nachfahren der Zuwanderer, die häufig gleichzeitig einer anderen Ethnie als die einheimische Bevölkerung angehören, regelmäßig die Teilnahme an Wahlen (aktiv wie passiv) verwehrt wird und sie nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie etwa Subventionen und öffentlichen Aufträgen, Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätzen haben (AA 3.12.2015). Manchmal werden Einzelpersonen sogar dazu veranlasst, in die ursprüngliche Heimat ihrer Ethnie zurückzukehren, obwohl sie dorthin keinerlei persönliche Verbindungen mehr haben. Fallweise veranlassen Bundesstaats- und LGA-Verwaltungen Nicht-Indigene durch Drohungen, Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder die Zerstörung von Häusern zur Abwanderung. Jene, die trotzdem am Wohnort verbleiben, sind manchmal weiterer Diskriminierung ausgesetzt (Verweigerung von Stipendien, Ausschluss einer Anstellung beim öffentlichen Dienst). Dies betrifft beispielsweise die Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau (USDOS 13.4.2016).

Angehörige aller ethnischen Gruppen praktizieren Diskriminierung, vor allem hinsichtlich der Anstellung im privaten Sektor und bezüglich einer Segregation in urbanen Gebieten. Zwischen einigen Gruppen existieren historisch verwurzelte Spannungen (USDOS 13.4.2016). Nigeria hat eine lange und traurige Geschichte kommunaler Konflikte und ethnisch-religiöser Gewalt. Seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1999 gibt es beispielsweise im Plateau State in Nigerias "Middle Belt? regelmäßig Ausbrüche blutiger Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen. Ebenso gibt es Unruhen in den nördlichen Städten Kaduna und Kano und seit mehreren Jahrzehnten wiederkehrende Konflikte im Tafawa Balewa District in Bauchi (KAS 12.7.2013). Das häufige Aufflackern von gewalttätigen Auseinandersetzungen ist also kennzeichnend für das oft schwierige Zusammenleben von Mehrheitsethnie und Minderheiten, insbesondere in Plateau State. Die Konflikte sind vordergründig religiös, tatsächlich aber häufig ethnisch, politisch bzw. wirtschaftlich motiviert (AA 3.12.2015). Im März 2015 griffen Fulani-Hirten aus Nasarawa das Dorf Egba, Agatu LGA, Benue an, töteten 80 Menschen und entführten eine unbestimmte Anzahl der Dorfbewohner. Konflikte über Landnutzungsrechte gibt es auch zwischen den Tiv, Kwalla, Jukun, Fulani und Azara in den Bundesstaaten Nasarawa, Benue und Taraba. Die Regierung reagiert auf Spannungen zwischen Ethnien üblicherweise mit einer Konzentration an Sicherheitskräften. Die National Orientation Agency organisiert Konferenzen, um die Toleranz zu fördern (USDOS 13.4.2016).

Im Niger-Delta ist die Lage der Minderheiten seit Beginn der Ölförderung vor 50 Jahren kritisch. Die dortige Bevölkerung klagt über jahrzehntelange Benachteiligung sowie kaum vorhandene Infrastruktur und Bildungseinrichtungen. Korruption, insbesondere auf Ebene der Bundesstaaten, hat zu einer besorgniserregenden Vernachlässigung der Region geführt, obwohl die Delta-Staaten durch die Vorabüberweisung von 13 Prozent der Öleinnahmen deutlich mehr Geld aus der Bundeskasse erhalten als die übrigen Bundesstaaten (AA 3.12.2015).

Diskriminiert werden auch Albinos, die als Unglück erachtet werden. Sie werden manchmal bei der Geburt weggelegt, andere für Hexerei-Zwecke ermordet (USDOS 13.4.2016; vgl. OHCHR 14.3.2014).

Quellen:

Minderheitengruppen

In Nigeria gibt es je nach Zählweise mehr als 250 (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014) oder sogar mehr als 500 Ethnien (IOM 8.2014). Keine dieser Gruppen stellt landesweit eine Mehrheit. Die drei größten ethnischen Gruppen, die in der Summe rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Eine vierte große, durch den Konflikt im Niger-Delta ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückte Ethnie, die Ijaw, der auch der ehemalige Präsident Jonathan angehört, lebt überwiegend in den ölreichen Regionen des Deltas (AA 3.12.2015). Zu den weiteren großen Gruppen zählen Tiv, Ibibio, Ijaw, Kanuri, Nupe, Gwari, Igala, Jukun, Idoma, Fulani, Itsekiri, Edo, Urhobo (IOM 8.2014).

Quellen:

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft v.a. die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa, aufgrund der Operationen gegen Boko Haram. Auch in anderen Bundesstaaten gab es Ausgangssperren als Reaktion auf Vorfälle, wie zum Beispiel ethnisch-religiöse Gewalt. Es gibt auch weiterhin sogenannte "Stopp- und Durchsuchungsoperationen", bei welchen Polizisten Geld von Reisenden verlangen (USDOS 13.4.2016).

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 13.4.2016). Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden (UKHO 10.8.2016). Es ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der "Kern"-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa, Yoruba, Igbo) durch Wanderungsbewegungen sowie aufgrund inter-ethnischer Heirat stattgefunden hat. So ist insbesondere eine starke Nord-Südwanderung, mit den sichtbaren Zeichen von vielen neuen Moscheen, feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖBA 7.2014).

Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten ohne ein solches soziales Netz , erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 3.12.2015).

Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

Meldewesen

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 7.2014).

Im "Sheriffs and Civil Process Act" Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 7.2014).

Quellen:

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

IOM erstellte in Zusammenarbeit mit der Regierung eine Displacement Tracking Matrix (DTM), damit nationale und staatliche Akteure ein umfassendes System für die Erfassung und Verbreitung von Daten über die Binnenvertriebenen herstellen können (IOM 1.5.2015; vgl. IDMC 31.12.2015). Die DTM-Teams bestehen aus Vertretern der National Emergency Management Agency (NEMA) und State Emergency Management Agency (SEMA). Es wird von USAID, ECHO und NEMA finanziert. Die meisten IDPs, die vom DTM erfasst wurden, leben bei Aufnahmegemeinden, Freunden und Verwandten, oder in Mietshäusern. Die Daten zeigen, dass 86,46 Prozent in Aufnahmegemeinden und 13,54 Prozent in Lagern leben. Das DTM-Projekt wird derzeit in 13 nigerianischen Bundesstaaten durchgeführt. Laut dem letzten DTM-Bericht gibt es in Nigeria 2.066.783 IDPs aus den Gegenden Adamawa, Bauchi, Benue, Borno, Gombe, Kaduna, Kano, Nasarawa, Plateau, Taraba, Yobe und Zamfara (IOM 1.7.2016). 1.808.021 IDPs (87,5 Prozent der gesamten nigerianischen IDPs) sind aufgrund von Unruhen geflohen (IOM 30.6.2016). Die DTM-Ergebnisse zeigen, dass 55 Prozent der IDPs im Nordosten Nigerias Kinder sind. 53 Prozent der IDPs sind Frauen und Mädchen (IOM 6.2015).

Mit Stand Juli 2016 sind 663.485 IDPs und Flüchtlinge in Askira/Uba (Borno State) und sieben LGAs des Adamawa State zurückgekehrt. In diese Zahl sind 40.707 also 7,33 Prozent nigerianische Flüchtlinge aus Tschad, Niger und Kamerun mitberechnet (IOM 7.2016).

Die Notwendigkeit für sofortige humanitäre Hilfe verschärfte sich weiter, da das nigerianische Militär mehr Gegenden, die zuvor von Boko Haram kontrolliert wurden, im Bundesstaat Borno befreien konnte. Zwei weitere LGAs sind im Borno State nun zugänglich, was die Zahl der zugänglichen LGAs auf 17 der insgesamt 27 LGAs bringt (IOM 30.6.2016).

Im Jahr 2015 hatten das IKRK genug Nahrungsmittel für drei Monate an 538.000 IDPs in Adamawa, Borno, Gombe, Yobe, Plateau und Edo ausgeteilt. Während des Jahres 2015 hat das IKRK 1.400 Witwen in Maiduguri mit Gutscheinen für Nahrung ausreichend für sechs Monate versorgt (ICRC 1.2.2016).

Für Vertreibungen gibt es in Nigeria zahlreiche Ursachen:

Grenzstreitigkeiten, ethnische und kommunale Gewalt, lokale politische Gewalt, Enteignungen, Konflikte im Nigerdelta und in Plateau, Angriffe der Boko Haram im Norden, den Kampf der Regierung gegen Extremisten, die Verschiebung der nomadischen Weidegebiete im Zuge des Klimawandels, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen; die Reaktionen der Regierung sind ungleich und vom betroffenen Bundesstaat abhängig. Die National Commission for Refugees, Migrants, and Internally Displaced Persons (NCRMIDP) hat aber nicht ausreichend Budget, um den Bedürfnissen nachzukommen. Auch die entsprechenden Ressourcen von Bundes- und Bundesstaatseinrichtungen sind unzureichend (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen, um Flüchtlinge und Asylwerber zu unterstützen (USDOS 13.4.2016). Die zuständige Behörde ist die NCRMIDP und die NEMA. NEMA leitete die IDP-Reaktion der Regierung und war weitgehend für die Betreibung der IDP-Lager in mehreren Bundesstaaten verantwortlich. Die Bundesregierung hatte keine Integrationsprogramme und keine Planungen für die Umsiedlung der IDPs in sichere Gebiete des Landes. Ende August 2015 erklärte NEMA, dass sich der Status seiner Intervention im Nordosten des Landes von Soforthilfe auf Rehabilitation, Wiederaufbau und Wiederherstellung geändert hat. NGOs standen dieser Ankündigung kritisch gegenüber, da sie diese als verfrüht ansehen, weil die meisten Gebiete unsicher seien und keine Dienstleistungen verfügbar wären. Laut UNHCR beherbergt Nigeria etwa 1.300 Flüchtlinge (einschließlich über 1.100 städtische Flüchtlinge) und über 900 Asylwerber. Die Personen stammen hauptsächlich aus DR Kongo, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Elfenbeinküste, Togo, Mali, Sudan und Guinea. Einigen hunderten weiteren Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

1.7 Million Displaced in Northeast Nigeria: IOM, https://www.iom.int/news/nearly-17-million-displaced-northeast-nigeria-iom , Zugriff 14.7.2016

Grundversorgung/Wirtschaft

Das solide Wirtschaftswachstum der letzten Jahre (6 bis 8 Prozent) war neben den positiven Entwicklungen in den Banken-, Telekommunikations- und Agrarsektoren auch auf die hohen Öleinnahmen zurückzuführen, die seit zwei Jahren stark zurückgegangen sind (AA 5.2016). Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. US-Dollar aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. US-Dollar zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist (GIZ 6.2016c).

Seit 2014 gilt Nigeria als die größte Volkswirtschaft Afrikas. Laut einer im April 2014 veröffentlichten Statistik des National Bureau of Statistics (NBS) übertraf Nigeria das Bruttoinlandsprodukt Südafrikas (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5.2016). Die zentralen Treibkräfte der nigerianischen Wirtschaft, die als Grundlage dieser Berechnung dienten, sind – neben der Ölindustrie - die Unterhaltungsindustrie (Nollywood), die Informationstechnologie und der Handel (GIZ 6.2016c). Mit einem Wachstum des BIP von mehr als 6 Prozent im Jahr gehört Nigeria zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften des Kontinents (GIZ 6.2016c; vgl. AA 5.2016).

Nigeria ist der zehntgrößte Erdölproduzent der Welt und der größte Erdölproduzent Afrikas. Über 70 Prozent der Staatseinnahmen und 90 Prozent der Exporterlöse stammen aus der Erdöl- und Erdgasförderung. Neben den Erdöl- und Erdgasvorkommen verfügt Nigeria über umfangreiche natürliche Ressourcen (z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine und Posphat), die gesamtwirtschaftlich gesehen jedoch von geringer Bedeutung sind (GIZ 6.2016c).

Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 3.12.2015). Der Reichtum Nigerias ist das Öl, doch über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. In ländlichen Gegenden beträgt der Anteil über 90 Prozent (AA 5.2016). Der Sektor erwirtschaftete 2013 etwa 35,4 Prozent des BIP. Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam für den Export (GIZ 6.2016c). Nigeria ist Afrikas größter Yam- und Augenbohnenproduzent und der weltweit größte Produzent von Maniok (Kassava) (AA 5.2016).

Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft – mit Größen von einem bis 5 Hektar (AA 5.2016). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 6.2016c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde – durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 5.2016). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus (ÖBA 7.2014).

Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 24,9 Prozent des BIP im Jahr 2014 aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert (GIZ 6.2016c). Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport) (GIZ 6.2016c; vgl. AA 28.11.2014). Von den landesweit insgesamt 200.000 Straßenkilometer sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Die Eisenbahnlinie Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde 2013 mit chinesischer Hilfe modernisiert (GIZ 6.2016c).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2016). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2016; vgl. 3.12.2015) und vom informellen Handel sowie (Subsistenz-) Landwirtschaft. Die Wirtschaftsreformen der letzten Jahre haben zwar zu einer makroökonomischen Konsolidierung geführt, aber die Lage der breiten Bevölkerung noch nicht verbessert (AA 3.12.2015).

Über 20 Millionen junge Menschen sind arbeitslos. Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, diesbezüglich Programme umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2016). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 6.2016b).

Verschiedene Studien haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind (IOM 8.2014). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit (BS 2016). Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension (TE 25.10.2014). Jedoch wurde das Pension Reform Act novelliert, um die Kosten und Nutzen für die Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Sektor zu harmonisieren (BS 2016). Bis März 2016 waren es etwa 7,01 Millionen Arbeitnehmer die beim Contributory Pension Scheme registriert sind und dazu beitragen. Dies repräsentiert etwa 7,45 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 3,95 Prozent der gesamten Bevölkerung. 26 von 36 Bundesstaaten haben das Contributory Pension Scheme übernommen (TD 2.5.2016).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 6.2016c). Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 3.12.2015).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten.

Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist je nach Region um 35-80 Euro zu erhalten. Saison- und regionalmäßig werden auch gebratene Maiskolben zusätzlich angeboten. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "Minifarming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare über Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Schnecken und "grass-cutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖBA 7.2014).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesundheitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die Koordination der Angelegenheiten in den medizinische Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zuständig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).

Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die

Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von 20-50 Naira (0,1-0,25 Euro) ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 7.2014).

Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 13.7.2016). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 6.2016b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 7.2014).

Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 3.12.2015; vgl. SFH 22.1.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 25.000 Naira (ca. 115 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 3.12.2015). Die Kosten einer Hospitalisierung in einer psychiatrischen Einrichtung variieren zwischen den verschiedenen Regionen Nigerias. In Lagos betragen sie im Lagos State University

Teaching Hospital: Zulassungsgebühr (admission deposit): 15.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 5.000 Naira; Am Lagos

University Teaching Hospital: Zulassungsgebühr 23.000 Naira, wöchentliche Kosten für Unterbringung 20.000 Naira (SFH 22.1.2014).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur 10 Prozent der Bevölkerung zugute (AA 3.12.2015). Gemäß einem Bericht von 2013 vom Health Policy Project (HPP) erreicht das nigerianische Krankenversicherungswesen momentan nur gerade fünf Millionen Menschen. Dies entspricht 3 Prozent der gesamten nigerianischen Bevölkerung. Auf der Webseite des NHIS steht, dass die Krankenversicherung bis ins Jahr 2015 30 Prozent der nigerianischen Bevölkerung erreichen soll (SFH 22.1.2014). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 3.12.2015). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 6.2016b).

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 3.12.2015). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 3.12.2015). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 13.4.2016).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 3.12.2015). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 3.12.2015).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 3.12.2015).

Im Vergleich zu den anderen westafrikanischen Ländern hat sich Ebola in Nigeria nur begrenzt ausgebreitet. Insgesamt gab es 20 bestätigte Ebola-Fälle, 8 davon verliefen tödlich. Präsident Goodluck Jonathan erklärte in der UN-Vollversammlung vom 25. September 2014, dass Nigeria Ebola-frei sei. Damit hatte Nigeria bewiesen, dass das Ebola-Virus kontrollierbar ist. Am 20. Oktober 2014 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Nigeria offiziell für Ebola-frei. Nigeria gilt somit als Vorbild bei der Bekämpfung der Ausbreitung von Ebola (GIZ 6.2016b).

Quellen:

HIV/AIDS

Nigeria hat weltweit die zweitgrößte Zahl HIV-infizierter Einwohner (DAH 11.4.2014; vgl. UNAIDS 10.2.2016). UNAIDS berichtet, dass im Jahr 2014 3,4 Millionen Menschen in Nigeria an HIV erkrankt sind (UNAIDS 10.2.2016) davon sind 58 Prozent Frauen (Leadership/Allafrica 12.9.2015). Für das Jahr 2015 schätzt UNAIDS, dass etwa 3,5 Millionen (2,6-4,5 Millionen) Menschen mit HIV in Nigeria leben. Davon sind etwa 1,9 Millionen (1,4-2,4 Millionen) Frauen im Alter ab 15 Jahren an HIV erkrankt. Die Anzahl der Kinder im Alter bis 14 Jahren wird auf 260.000 (190.000 bis 360.000) geschätzt (UNAIDS 2015). Es wird geschätzt, dass im Jahr 2014 etwa

1.665.403 HIV-erkrankte Menschen antiretrovirale Medikamente (ARV) benötigten. Die Anzahl der an HIV erkrankten schwangeren Frauen, die ARV-Prophylaxen bekamen, um die Mutter-Kind-Übertragung von HIV zu verhindern, stieg von 57.871 im Jahr 2013 auf 63.350 im Jahr 2014 (NACA 2015). Medikamente gegen HIV/Aids können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 7.2014).

Laut jüngsten Schätzungen sinkt die Zahl der Neuinfektionen stetig. Im Jahr 2012 waren es 253.506 Neuinfektionen während die Anzahl im Jahr 2014 auf 227.518 sank. Im Jahr 2014 gab es 174.253 AIDS-bedingte Todesfälle (NACA 2015).

Die National Agency for the Control of AIDS (NACA) ist für die Umsetzung des nationalen HIV/Aids Programms zuständig. Sie koordiniert und kontrolliert die Aktivitäten auf der Ebene der Bundesstaaten und LGAs. Das Programm zielt einerseits auf Aufklärung und Prävention und anderseits auf die Behandlung von HIV/AIDS (SF 26.3.2014; vgl. NACA 2015). Laut NACA gibt es in Nigeria im Jahr 2014 1.047 Zentren (im Jahr 2013 waren es 820), in denen antiretrovirale Behandlung angeboten wird (NACA 2015). Im Jahr 2013 gab es 7.075 (im Jahr 2012 waren es 2.391) HIV-Test- und Beratungszentren in Nigeria (Avert 1.5.2015). Im Bundesstaat Lagos gab es im Jahr 2013 laut MedCOI 57 kostenlose HIV-Test- und Beratungszentren (UKHO 5.2015).

Die Kernpunkte des National HIV/AIDS Strategic Plan (NSP) 2010-2015 waren Verhaltensänderungen und Vorbeugung von Neuinfektionen und dabei die HIV-Behandlung, Versorgung und Unterstützung für Erwachsene und Kinder, die an HIV erkrankt sind oder sonst davon betroffen sind, weiter aufrechtzuhalten. Darüber hinaus sollte der Plan unter anderem auch Geschlechterungleichheit ansprechen (NACA 2014). Für 2016 bis 2020 gibt es von NACA eine eigene Strategie für Jugendliche und junge Erwachsene, nämlich das National HIV Strategy for Adolescents and Young People 2016-2020. Das Ziel dieser Strategie ist es, die Anzahl neuer HIV-Infektionen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Nigeria zu verringern (UNESCO o. D.; vgl. NACA 2016).

Personen mit HIV/AIDS verlieren oft ihre Jobs oder es wird ihnen Gesundheitsversorgung verweigert (USDOS 13.4.2016). Der damalige Präsident, Goodluck Jonathan, unterzeichnete 2014 ein neues Gesetz, das Menschen mit HIV und AIDS vor Diskriminierungen schützen soll. Laut dem HIV/AIDS Anti-Discrimination Act 2014 ist es illegal, Menschen aufgrund ihrer Infektion zu diskriminieren. Arbeitgebern, Einzelpersonen oder Organisationen ist es untersagt, einen HIV-Test als Voraussetzung für eine Anstellung oder Zugriff auf Dienste zu fordern (UNAIDS 11.2.2015).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 7.2014).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 3.12.2015).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 3.12.2015). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen keine Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 7.2014).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33". Vor dem Hintergrund, dass die Sicherheitskräfte Verdächtige misshandeln oder extra-legal töten, statt sie vor Gericht zu stellen, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass Polizei und Militär auch "Decree 33" noch als Legitimationsgrundlage für Repressalien sehen, trotz dessen offizieller Nichtanwendung (AA 3.12.2015). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 7.2014).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 3.12.2015).

Quellen:

Dokumente und Staatsangehörigkeit

Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Die Beantragung eines Passes bei den nigerianischen Passbehörden folgt nicht europäischen Standards. Es ist einfach, einen neuen Pass unter Vorlage eines nationalen, nicht auf Echtheit und inhaltliche Richtigkeit überprüften Dokuments (z.B. Geburtsurkunde) zu erhalten. Damit ist es für jede Person möglich, ihre wahre Identität zu verschleiern und mit gefälschten Personaldaten nach Europa zu gelangen (AA 3.12.2015). Infolge des Fehlens eines geordneten staatlichen Personenstandswesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden nicht möglich (ÖBA 7.2014).

Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind in Lagos, aber auch in anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Diese Fälschungen sind professionell ausgestaltet und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Auch inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. In der Vergangenheit vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden waren in der Form oftmals fehlerhaft oder enthielten falsche Darstellungen der behördlichen Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Auch Aufrufe von Kirchengemeinden, namentlich genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren, waren oftmals gefälscht (AA 3.12.2015; vgl. ÖBA 7.2014).

Die Verfassung knüpft die Staatsangehörigkeit an die Geburt in Nigeria oder – im Ausland – an die Abstammung von einem nigerianischen Elternteil (Art. 25). Mit Dekret 69/92 vom 14.12.1992 wurde die Registrierung von Geburten der Nationalen Bevölkerungskommission (National Population Commission, NPC) übertragen. Die Registrierungspraxis ist landesweit unterschiedlich und weist zum Teil erhebliche Lücken auf (AA 3.12.2015). Es ist nicht vorgeschrieben, Geburten registrieren zu lassen (USDOS 13.4.2016). So wird landesweit nur jede dritte Geburt ordnungsgemäß registriert. Der Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit ist theoretisch möglich (Art. 29 der Verfassung), jedoch nur nach Registrierung durch den Präsidenten wirksam. Praktisch macht diese Durchführungsvorschrift den Verzicht unmöglich, da der Präsident die Registrierung nicht vornimmt und eine Delegierung auf eine andere staatliche Stelle nicht vorgesehen ist (AA 3.12.2015).

Quellen:

1.10. Die Verhältnisse in Nigeria haben sich weder seit dem negativen Asylerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2016 - in welchem - im Kontext mit einem allfällig zuzuerkennenden subsidiären Schutzes - bereits prüft und festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat für ihn keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten, und für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde - nicht maßgeblich verändert noch trat seither eine entscheidungserhebliche Änderung im Hinblick auf den Gesundheitszustand des BF oder in Bezug auf die abschieberelevante Lage ein.

1.11. Entgegen der Behauptung des BF konnten sohin keine Umstände festgestellt werden, wonach die Abschiebung des BF gemäß § 50 FPG in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

1.12. Eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar und bringt für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

2.1.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungs-gerichtes. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie durch Berücksichtigung der im Verwaltungsakt befindlichen, vom BFA eingeholten Urteile der Strafgerichte. Ergänzend zum vorliegenden Akt wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Integrierten Zentralen Fremdenregister (IZR) und der Grundversorgung (GVS) eingeholt.

2.1.2. Die belangte Behörde hat ein mangelfreies Verfahren geführt und sie hat in der Begründung die Ergebnisse, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Maßgebliche Ermittlungslücken oder Verfahrensfehler sind nicht erkennbar und wurden vom BF auch nicht substantiell behauptet.

2.2. Zu den Länderfeststellungen:

2.2.1. Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des BF wurden dem "Länderinformationsblatt" zu Nigeria mit Stand 02.09.2016 entnommen. Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Nach Ansicht der erkennenden Richterin handelt es sich bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0210). Weder wurde diesen Feststellungen vom BF in substantiierter entgegengetreten noch wurden sie entscheidungsrelevant ergänzt.

Zusammenfassend ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass nicht davon auszugehen ist, dass jedem im Falle einer Rückkehr nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde. Es herrscht auch nicht auf dem gesamten Staatsgebiet Nigerias willkürliche Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts.

Hinsichtlich der länderkundlichen Feststellungen älteren Datums ist anzumerken, dass sich in Bezug auf das gegenständliche Beschwerdevorbringen keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und sich die Lage in Nigeria - die einer ständigen Beobachtung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt - in diesen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert darstellt.

Die vom bevollmächtigen Vertreter verfasste Beschwerdeschriftsatz bemängelte oder ergänzte die dem bekämpften Bescheid zugrunde gelegten - und im gegenständlichen Erkenntnis wiedergegeben - Länderberichte im Übrigen nicht, sondern wurde vielmehr die Beschwerdebegründung ebenfalls auf diese Länderberichte gestützt, ohne allfällige Mängel zu monieren.

2.3. Zur Person und zum Vorbringen des BF:

2.3.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese zunächst auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen sowie auf die Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2016.

Der BF brachte auch im Rahmen des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens - wie bereits zuvor im Administrativerfahren und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zum Erkenntnis vom 16.09.2016 auch - keine Identitätsnachweise zur Vorlage.

Es steht daher die Identität des BF weiterhin nicht fest und es kann nur eine bloße Verfahrensidentität angenommen werden.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des BF sowie zur unzureichenden Integration des BF in Österreich beruhen auf folgender - bereits von der Administrativbehörde in ihrem Bescheid vom 10.10.2016 dargestellter - Faktenlage:

Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte in der Folge unter Angabe bewusst falscher Nationalen missbräuchlich insgesamt fünf Anträge auf internationalen Schutz. Den ersten Antrag zog der BF zurück, bei den weiteren Anträgen erhob der BF nach negativen Bescheiden der Erstbehörde Beschwerde an die Rechtsmittelinstanz und versuchte - wiederum missbräuchlich - diese Verfahren in die Länge zu ziehen und sein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet weiter (missbräuchlich) zu verlängern.

Der BF schreckte auch nicht davor zurück, gefälschte Dokumente in einem Asylverfahren vorzulegen, die seine unwahre Behauptung, er stamme aus Sierra Leone, untermauern sollten. Der BF nützte die Zeit seines Aufenthalts auch nicht, um proaktiv berücksichtigungswürdige Integrationsschritte im Bundesgebiet zu setzen.

Vielmehr wurde er wiederholt in hohem Maße - wie oben unter Punkt II.1.7. dargestellt - und bereits kurz nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet und in der Folge über Jahre hinweg (Letztverurteilung am 18.09.2013) - mit einer Vielzahl von Vergehens- und Verbrechenstatbeständen (vorwiegend) im Suchtmittelbereich straffällig. Diese Straffälligkeit mündete in insgesamt 7 rechtskräftigen Verurteilungen und in Summe zu unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen im Ausmaß von rund 7 Jahren. Zudem wurde gegen den BF bereits am 28.02.2007 ein bis 25.04.2018 gültiges und rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen, welches der BF bis dato ignorierte und nicht aus dem Bundesgebiet ausreiste. Auch die offenen Asylverfahren kümmerten den BF während der Begehung seiner Straftaten wenig. Mit den missbräuchlich gestellten Asylanträgen, der Vorlage gefälschter Beweismittel in einem Asylverfahren, der kontinuierlichen Begehung einer Vielzahl von schweren Straftaten im Suchtmittelbereich über eine Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt hinweg und der beharrlichen Missachtung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes legte der BF ein Verhalten an den Tag, dass nur den Schluss zulässt, dass er über eine außergewöhnlich hohe kriminelle Energie verfügt, er der österreichischen Rechtsordnung mit einer ausgeprägten Ignoranz gegenübersteht und er an einer tatsächlichen Integration kein berücksichtigungswürdiges Interesse zeigt.

Darüber hinaus musste sich der BF stets seines unsicheren Aufenthaltsrechtes bewusst gewesen sein, sodass einem allfälligen, auf diesem Bewusstsein aufgebauten, Privat- und Familienleben vor dem Hintergrund der vorangestellten Ausführungen - wenn überhaupt - nur ein sehr vermindertes Gewicht zugesonnen werden könnte. Im diesem Lichte ist auch der Erwerb der (ohnehin nicht qualifizierten) deutschen Sprachkenntnisse sowie die Ablegung einer Schweißer-Prüfung (die zwischenzeitlich am 11.03.2012 abgelaufen ist) und seine jahrelange Beschäftigung als Lagerarbeiter und Verpacker während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einer österreichischen Justizanstalt zu sehen und im Hinblick auf eine mögliche Integration entsprechend gering zu bewerten.

Der BF bezog laut aktuellem GVS-Auszug keine Leistungen aus der Grundversorgung. Den eigenen Angaben zufolge bezieht er Leistungen vom AMS, deren Anwartschaft er sich während seiner Beschäftigung in der Haftzeit erworben hatte. Aus den Gerichtsakten zu den Verurteilungen geht unzweifelhaft hervor, dass sich der BF den Unterhalt über längere Zeiträume hinweg - unterbrochen von Haftzeiten und einer kurzen Phase als Schweißer - wiederholt durch den illegalen gewerbsmäßigen Verkauf von harten Drogen (Kokain) erwirtschaftete.

Insoweit der BF auch in Beschwerde vorbrachte, dass er seit 13.11.2015 mit einer namentlich genannten, in Österreich mit einer Rot-Weiß-Rot-Karte aufenthaltsberechtigten Frau in einer Lebensgemeinschaft lebe, so ist diesbezüglich den Erwägungen der belangten Behörde beizutreten, dass der BF hier mit einer bloßen Schutzbehauptung versucht, ein Familienleben zu konstruieren, dass es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführte hat, hat der BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.04.2016 nämlich ausdrücklich verneint, sich in einer Lebensgemeinschaft zu befinden und sogar dezidiert angegeben, sich die Wohnung und die Miete mit einem Freund zu teilen (vgl. AS 483).

Es ist sohin auch der Ansicht der belangten Behörde beizutreten, dass der Behauptung des BF, er lebe in einer aufrechten Lebensgemeinschaft mit einer Frau, die Glaubhaftigkeit zu versagen und ist ihm die diesbezüglich die persönliche Glaubwürdigkeit zu verwehren. Daran vermag eine Anmeldung bei der behaupteten Lebensgefährtin nichts zu ändern, zumal der BF bereits in der Vergangenheit wiederholt bewusst falsche Angaben vor Behörden und Gerichten getätigt und auch bereits gefälschte Beweismittel (vgl. AS 213ff) vorgelegt hatte. Im Übrigen wäre selbst unter der hypothetischen Annahme, der BF lebe tatsächlich seit 13.11.2015 in einer Lebensgemeinschaft mit einer Frau, für den BF nichts zu gewinnen, weil er diese Lebensgemeinschaft im vollen Bewusstsein seines nur vorübergehenden Aufenthaltsrechts in Österreich eingegangen wäre (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen unten unter Punkt II.3.2.2.).

Dass der BF über keine qualifizierten Deutschkenntnisse verfügt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2016 sowie aus dem Vorbringen des BF, wonach er die Ablegung einer Sprachprüfung in Deutsch auf dem Niveau A2 und eine zeitnahe Prüfung anstrebe. Bis dato hat der BF das in Aussicht gestellte Sprachdiplom jedoch nicht vorgelegt.

Dass der BF derzeit über keinen, über die vorläufige Aufenthaltsberichtigung aus dem Asylverfahren hinausgehenden Aufenthaltstitel verfügt, ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten IZR-Anfrage ebenso, wie das gegen ihn erlassene, rechtskräftige Aufenthaltsverbot. Die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug vom 07.12.2016 sowie aus den bereits von der Administrativbehörde eingeholten Gerichtsurteilen.

2.4. Zur Zulässigkeit der Abschiebung des BF:

2.4.1. Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG iVm § 50 FPG nach Nigeria beruht darauf, dass der BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Dies aus folgenden Erwägungen:

2.4.1.1. Zunächst ist in den Blick zu nehmen, dass aus dem, den dem BFA mit der Stellungnahme vom 06.10.2016 übermittelten und am 04.10.2016 auf Ersuchen des BF vom Sozialmedizinischen Zentrum des Otto-Wagner-Spitals ausgestellten Befund (AS 565ff) hervorgeht, dass der HIV-Test beim BF nach einem negativen Test am 01.07.1999 - nach heterosexuellem Sexualkontakt - erstmals am 30.09.2003 positiv verlaufen war. Zudem zeigt sich u.a., dass der BF seit September 2011 an einer arteriellen Hypertonie, seit November 2014 an einer moderaten Nierenfunktionseinschränkung sowie an Hepatitis A und B leidet.

2.4.1.2. Aus dem Untersuchungsbefund vom 04.10.2016 des Otto-Wagner-Spitals, Abteilung Sozialmedizinisches Zentrum, ergibt sich das Folgende (Fehler im Original):

"Kommt weil er ein ärztliches Atest für Asylverfahren braucht. Subj. dzt. keine Beschwerden. Die Therapie wird gut vertragen und regelmäßig eingenommen. Vor kurzem Ko in der NephroAmb WSP - lt. Pat. stabil. Die letzten Blutbefunde h.o. im Aug. 16 gut und stabil, die HIV-Progressionsparameter am Ziel. Kontrolle bei uns mit Blutabnahme am 3.11.16."

2.4.1.3. Aus dem mit der Stellungnahme vom 06.10.2016 ebenfalls vorgelegten Befund Wiener Krankenanstaltenverbundes, Wilhelminenspital der Stadt Wien, 6. Med. Abt., mit Nephrologie und Dialyse, ausgestellt am 04.10.2016 ergibt sich das Folgende:

"[ ] Der Patient verlangt heute ein Schreiben, das er morgen beim Anwalt abgeben muss.

Die Diagnosen des Patienten entnehmen Sie bitte dem Arztbrief vom 4.2.2016 bzw. der Diagnoseliste am Ende des Briefes. Bei der Begutachtung am 4.10.2016 ist der Patient in gutem AZ. Er ist ödemfrei. Der Blutdruck ist mit 160/100 zu hoch, ich habe Amlodipin erhöht (Therapieliste am Ende des Briefes).Die Niereninsuffizienz im Stadium III mit einem Kreatinin von 2,14 mg/dl und einer eGFR von 38 ml ist stabil. Spurenelemente und Elektrolyte sind im Normbereich, es besteht keine Anämie. Eine regelmäßige Kontrolle in der Nephrologischen Ambulanz zur Adaptierung der laufenden Therapie/antihypertensiven Therapie ist indiziert.

Aktuelle Laborbefunde vom 30.09.2016 hat der Patient mit.

[ .]."

2.4.1.3.1. In der Zusammenschau der Ausführungen unter den Punkten

2.4.1.1. bis 2.4.1.3 zeigt sich, dass beim Gesundheitszustand des BF seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2016 keine entscheidungserhebliche Änderung eingetreten ist. Aus den vorgelegten, jeweils am 04.10.2016 Befunden ergibt sich, dass der BF sich in einem stabilen Gesundheitszustand befindet, seit dem zitierten Erkenntnis keine Veränderung eingetreten ist und insofern der im Beschwerdeschriftsatz monierte Mangel, wonach die belangte Behörde die Befunde vom 04.10.2016 und damit den Gesundheitszustand nur unzureichend in ihrer Entscheidung vom 10.10.2016 berücksichtigt habe, ins Leere zielt.

2.4.1.4. Im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 16.09.2016, Zl. W153 1230905, traf der erkennende Richter zur Rückkehrsituation folgende Feststellungen:

"Es konnten im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, im Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu sein. Insbesondere ist laut den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln grundsätzlich gewährleistet und herrscht keine Hungersnot. Er selbst ist volljährig und arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit bzw. als Schweißer das nötige Einkommen erzielen kann, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Der BF ist seit 2004 HIV positiv. Außerdem leidet er an Hepatitis A und B, Bluthochdruck und einer Nierenkrankheit mit moderater Einschränkung. Er befindet sie sich in ärztlicher Behandlung. Aufgrund erfolgter ärztlicher Therapie und Medikamentierung sowie bestehender Immunlage befindet er sich nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand. Der BF hat gegen die HIV-Infektion die Medikamente Kivexa und Tivicay und ein Medikament gegen Bluthochdruck einzunehmen.

Der BF benötigt eine regelmäßige Therapie. In seinem Heimatland besteht diesbezüglich eine ausreichende medizinische Versorgung für HIV-Kranke."

Beweiswürdigend führte der erkennende Richter im zitierten Erkenntnis vom 16.09.2016 zum festgestellten Gesundheitszustand aus:

"Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BFs ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere den vorliegenden medizinischen Befunden. Die medizinischen Befunde belegen, dass der BF an einer schweren Erkrankung leidet und für sein Überleben eine regelmäßige Betreuung und Therapie benötigt. Laut den Länderfeststellungen steht dem BF in Nigeria für seine Erkrankungen, insbesondere für seine HIV-Erkrankung, grundsätzlich eine medizinische Behandlung zur Verfügung. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen. Medikamente gegen HIV/Aids können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden und es wurden gesetzliche Maßnahmen gegen die Diskriminierung von HIV-Kranken erlassen. Dass die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist als in Österreich, ist hingegen kein Rückkehrhindernis.

Die medizinischen Befunde lassen zum Entscheidungszeitpunkt jedenfalls nicht erkennen, dass sich der BF in einem so kritischen Gesundheitszustand befindet, dass die Rückkehr bei entsprechenden medizinischen Begleitmaßnahmen, wie Arztbriefe für die weitere Behandlung vorort sowie eine ausreichende Medikamentenversorgung für die Übergangsfrist bis zur weiteren Behandlung, nach Nigeria nicht zumutbar wäre."

Schließlich erwog der erkennende Richter im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - hier im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 AsylG 2005 - das Folgende:

"[ ]. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit einem Krankheitszustand der von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffenen Person wird auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hingewiesen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich, EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der BF schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).

Der EGMR schloss nicht aus, dass es andere ganz außergewöhnliche Fälle geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07).

Im vorliegenden Fall leidet der BF insbesondere an HIV. Der BF war drogenabhängig und hat eine stationäre Drogenentzugstherapie erfolgreich absolviert.

Die gesundheitlichen Probleme des BFs lassen jedoch nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung nach Nigeria nicht als eine unmenschliche Behandlung erscheinen. Laut den Recherchen und Länderfeststellungen ist im Herkunftsstaat eine medizinische Behandlung in Nigeria grundsätzlich möglich. Insbesondere besteht eine solche Verfügbarkeit medizinischer Versorgung im Edo-State, wo der BF wahrscheinlich aufgewachsen ist (vgl. dazu AsylGH, 11.10.2010, A12 246417-2/2010). Es ist dem BF auch zumutbar, sich zwecks besserer medizinischer Versorgung in einer größeren Stadt niederzulassen.

Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK ist es jedoch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Im vorliegenden Fall liegen nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen auch keinerlei weitere Umstände vor, welche ein Refoulement des BFs in den Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen, zumal in diesem Staat weder eine objektiv extreme Gefahrenlage in dem geschilderten Sinn noch eine konkrete Gefährdung des BFs aus in seiner Person gelegenen Gründen zu befürchten ist.

Aus dem Vorbringen des BFs sowie den Länderberichten lässt sich insbesondere keineswegs eine reale Gefahr ableiten, dass etwa ein arbeitsfähiger Mann in diesem Staat keinerlei Existenzgrundlage vorfinden oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Der BF hat jedenfalls wie jeder Rückkehrer auch die Möglichkeit, Unterstützung bei Verwandten und Bekannten sowie bei Angehörigen seiner Volksgruppe oder Religionsgemeinschaft zu suchen.

Letztlich stellen sich die Gefahren in Nigeria in hohem Maße als spekulativ dar. Wenn auch nicht verkannt wird, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse in Nigeria unbefriedigend sind und es für Personen ohne höhere Ausbildung und größere finanzielle Mittel äußerst schwierig ist, der allgemeinen Armut zu entfliehen, so ist jedenfalls beim BF, einem arbeitsfähigen Mann, nicht anzunehmen, dass er nicht durch Erwerbsarbeit sein Überleben, wenn auch auf bescheidenem Niveau, sichern könnte. Der BF hat eine Drogenentzugstherapie erfolgreich absolviert, eine Betreuung von HIV-Kranken in seinem Heimatstaat ist möglich und er hat eine Ausbildung zum Schweißer absolviert. Außerdem ist davon auszugehen, dass der BF in seinem Heimatstaat zumindest Freunde hat, die ihn unterstützen können.

Im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung kann keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK ausgegangen werden, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes nicht vorliegen."

2.4.1.4.1. Vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte und des gegenwärtig vorliegenden Sachverhaltes kann von der erkennenden Richterin auch diesen Erwägungen im Erkenntnis vom 16.09.2016 zur Rückkehrsituation des BF ohne Vorbehalt beigetreten werden. Insofern kann auch der belangten Behörde nicht zum Vorhalt gemacht werden, dass sie sich zu Unrecht in ihrem Bescheid vom 10.10.2016 auf die Erwägungen im rezenten Erkenntnis vom 16.09.2016 stützte, zumal nach Erlassung des Erkenntnisses weder in der abschieberelevanten Lage in Nigeria noch im Privat- und Familienleben des BF, sowie auch nicht im Gesundheitszustand eine entscheidungserhebliche Änderung eingetreten war.

2.4.1.5. Im Hinblick auf die im Beschwerdeschriftsatz zitieren Exzerpte aus den Länderberichten in Bezug auf die in Nigeria vorzufindenden Behandlungsmöglichkeiten zu HIV-Infizierten ist zu konstatieren, dass diese Auswahl einer bestimmten Intention zugrunde gelegen haben dürfte, während jedoch die objektive Gesamtschau der Ausführungen in den Länderberichten in den Rubriken "Medizinische Versorgung" sowie "HIV/AIDS" ein anderes Bild zeichnen, nämlich dass die Behandlungen der beim BF manifesten Erkrankungen - wie bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2016 zutreffend erwogen - zumindest in auf einem - dem BF auch zugänglichen - medizinischen Niveau in Nigeria behandelt werden können, sodass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat führ in keine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet (vgl. dazu oben die Ausführungen unter Punkt II. 1.9. sowie die Erwägungen unter Punkt II. 2.4.1.4.).

2.4.1.6. Zusammenfassend wird sohin auch in Bezug auf das bisherige Vorbringen des BF und aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsland festgestellt, dass der BF im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

Zudem wurden vom BF im Beschwerdeverfahren - von den Bedenken bezüglich der medizinischen Versorgung der Erkrankungen des BF abgesehen - keine substantiierten und nachvollziehbaren Behauptungen vorgebracht, aus welchen sich auch nur ansatzweise eine aktuell drohende Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK ableiten ließe. Schließlich bleibt zu konstatieren, dass aus dem Vorbringen des BF sowie den Länderberichten sich keineswegs eine reale Gefahr ableiten lässt, dass ein arbeitsfähiger sowie mit dem Bildungsniveau des BF ausgestatteter Mann in Nigeria keinerlei Existenzgrundlage vorfinden wird oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte.

Die erkennende Richterin übersieht - wie schon der erkennende Richter im Erkenntnis vom 16.09.2016 - dabei nicht, dass der BF an dauerhaft behandlungs- bzw. therapiebedürftigen Erkrankungen leidet, die in Nigeria mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf einem Niveau mitteleuropäischer Standards behandelt werden können. Diesem Umstand kommt im Lichte der ständigen Rechtsprechung des EGMR per se noch keine Asylrelevanz zu (vgl. die diesbezüglich dargestellte Rechtsprechung oben unter Punkt 2.4..1.4.). Trotz der Erkrankungen des BF ist - wie oben ausgeführt - weiterhin von einer Arbeitsfähigkeit des BF auszugehen. Dies umso mehr, als der BF selbst vorgebracht und bescheinigt hat - trotz seiner Erkrankungen - von 2006 bis 2009 als Verpacker und Lagerarbeiter, 2010 als Schweißer und gegenwärtig als fallweise Beschäftigter beim MA 48 gearbeitet zu haben bzw. zu arbeiten. Auch seine Drogensucht hat der BF bereits vor Jahren überwunden.

Nicht außer Acht zu lassen ist im diesem Kontext jedoch auch, dass sich der BF trotz seiner Erkrankungen und seiner ehemaligen Drogensucht kontinuierlich über den Zeitraum eines Jahrzehntes hinweg dem gewerbsmäßigen Drogenhandel gewidmet und damit seinen Lebensunterhalt damit erwirtschaftet hat. Auch geht aus den vorgelegten Befunden vom 04.10.2016 hervor, dass sich der BF in einem stabilen Gesundheitszustand befindet und er subjektiv auch keine Beschwerden hat (vgl. AS 565ff). Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund der mangelnden persönlichen Glaubwürdigkeit des BF auch dessen weiteres Vorbringen, wonach er über keine Verwandte/Bekannte/Freunde in Nigeria verfüge, als unglaubwürdig erachtet. Insofern ist davon auszugehen, dass der BF über soziale Anknüpfungspunkte in Nigeria verfügt. Jedoch selbst gänzlich unabhängig davon, ob der BF tatsächlich keine verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen in Nigeria mehr unterhält - ist davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr nach Nigeria, letztlich wohl auch mit den in Europa gewonnen Berufserfahrungen als Lagerarbeiter, Verpacker und Schweißer und seiner (wenn auch geringen) Sprachkenntnisse in Deutsch, sich in Nigeria das für seinen Lebensunterhalt unbedingt Erforderliche aus eigenem erwirtschaften kann. Auch steht es dem BF offen, eine entsprechende Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.2. Zur Abweisung des Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides:

3.2.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

§ 50 FPG idgF behandelt das "Verbot der Abschiebung" der Abschiebung und lautet:

"§ 50 (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)."

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Im vorliegenden Fall wurde Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde; § 73 AVG gilt.

Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 hat das BFA über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Der mit "Abschiebung" betitelte § 46 FPG idgF lautet wie folgt:

"§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandes-bringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt.

(2a) Das Bundesamt ist berechtigt, Personen, für die das Bundesamt ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen hat, vorzuladen. § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen."

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Wie bereits unter in den Feststellungen unter Punkt II. 1.7.und

2.4.1.6. konstatiert, handelt es sich bei dem BF um einen in einem arbeitsfähigen Alter und Zustand befindlichen Drittstaatsangehörigen. Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des BF im Bundesgebiet, was vom BF auch nicht behauptet wurde. Entgegen seiner Behauptung führt der BF im Bundesgebiet kein aufrechtes Familienleben zu seiner behaupteten Lebensgefährtin. Es ergeben sich auch keine Hinweise, dass der BF sonstige engere soziale Bindungen in Österreich unterhält und wurden solche auch nicht behauptet.

Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und wurde bereits kurz nach seiner Einreise und trotz eines offenen Asylverfahrens im Suchmittelbereich straffällig. Er erwirtschaftete sich seinen bisherigen Lebensunterhalt vorwiegend aus Einkünften aus Suchtmitteldelinquenzen. Der BF weist diesbezüglich bereits 7 rechtskräftige Verurteilungen zu insgesamt mehr als 7 Jahren unbedingter Freiheitsstrafe auf. Derzeit bezieht er seinen eigenen Angaben zufolge Leistungen vom Arbeitsmarktservice, deren Anwartschaft er anlässlich seiner Beschäftigung während einer mehrjährigen Haftzeit erworben hat. Laut aktuellem GVS-Auszug bezieht er keine Leistungen aus der Grundversorgung und er ist auch am Arbeitsmarkt nicht integriert. Gegen ihn besteht seit 28.02.2007 ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot. Der BF verließ das Bundesgebiet trotz dieser rechtskräftigen Entscheidung nicht und stellte in weiterer Folge sogar missbräuchlich seinen fünften Asylantrag.

Sein bisheriges Aufenthaltsrecht beruhte auf insgesamt fünf missbräuchlich gestellten Anträgen auf internationalen Schutz. Der BF verschleierte seine Identität durch die wahrheitswidrigen Angaben verschiedener Nationale sowohl gegenüber Behörden als auch gegenüber Gerichten und weigert sich weiterhin, seine tatsächliche Identität mit entsprechenden Dokumenten nachzuweisen. Er brachte sogar gefälschte Dokumente als Beweismittel bei der Behörde zur Vorlage, um die Behörde in die Irre führen und missbräuchlich ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erlangen.

Es konnten sohin keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Vielmehr ist auf die oben angeführten Delinquenzen hinzuweisen und auf den Umstand, dass der BF trotz seines mehrjährigen Aufenthalts keine berücksichtigungswürdigen Integrationsschritte gesetzt hat und er der österreichischen Rechtsordnung bis dato mit einem außerordentlich hohem Maß an Ignoranz begegnet ist. Der BF hat seinen nunmehr rund 16 Jahre dauernden Aufenthalt nicht dazu genützt, um maßgebliche Integrationsschritte zu setzen, vielmehr ließ er seinen kriminellen Energien über mehr als ein Jahrzehnt hinweg nahezu freien Lauf.

Auch sonst - wie oben ausgeführt - sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Daran vermag auch das durchaus nachvollziehbare - und im Rahmen des Privatleben zu gewichtenden Interesses - des BF an einer Fortsetzung seiner medizinischen Behandlungen und Therapien in Österreich ebenso nichts zu ändern, wie der Umstand, dass der BF während seines rund 16 Jahre dauernden Aufenthaltes Deutschkenntnisse und ein (zwischenzeitlich wieder abgelaufenes) Schweißer-Diplom erworben und während seines Gefängnisaufenthaltes gearbeitet hat und derzeit noch allenfalls fallweise bei der MA 48 arbeitet. Wie oben ausgeführt wäre selbst unter der hypothetischen Annahme, der BF führe tatsächlich seit 13.11.2015 eine Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet, für den BF damit nichts zu gewinnen, weil er diese Lebensgemeinschaft im vollen Bewusstsein seines nur vorübergehenden Aufenthaltsrechts ob der missbräuchlich gestellten Asylanträge in Österreich eingegangen wäre und es ihm auch bewusst sein musste, dass er angesichts seiner schweren Straftaten kein Aufenthaltsrecht erlangen kann. Auch von dem seit 2007 gegen ihn erlassenen rechtskräftigen Aufenthaltsverbot wusste der BF Bescheid.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

Die belangte Behörde ist in ihrer Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass solche Umstände nicht vorliegen, wonach dem BF von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre. Das Vorliegen solcher Umstände wurde im Übrigen vom BF auch nicht behauptet.

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Nigeria unzulässig wäre.

3.2.4. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheides gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 9 FPG idgF sowie § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zur Abweisung des Spruchpunkt II. und des Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides:

3.3.1. § 55 Abs. 4 FPG idgF regelt die Frist für die freiwillige Ausreise und bestimmt, dass das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

3.3.2. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

3.3.3. Wie sich aus den Erwägungen unten unter Punkt 3.4.ff ergibt, stellt der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet vor dem Hintergrund seiner einschlägigen Verurteilungen wegen einer Vielzahl von Vergehen und Verbrechen nach dem Suchmittelgesetz eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung dar, sodass der Ansicht der belangten Behörde, einer Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde abzuerkennen, nicht entgegengetreten werden kann.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG lagen zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vor. Die belangte Behörde ist auf der Grundlage eines nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum Ergebnis gelangt, dass der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Nigeria keiner asylrelevanten Verfolgung oder einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BFs nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde, waren für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich.

3.3.4. Die Beschwerde war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. und Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides gemäß § 55 Abs. 4 FPG und § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF als unbegründet abzuweisen.

3.3.5. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG, wie ihn der BF im Beschwerdeschriftsatz gestellt hat, ist gesetzlich nicht vorgesehen und ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.09.2016, Fr 2016/01/0014-15).

3.4. Zur Abweisung des Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides:

3.4.1. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens

1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist; wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

5. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

6. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

7. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

8. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

3.4.2. Der BF ist Drittstaatsangehöriger und er wurde zuletzt Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.09.2013, Zl. XXXX, wegen § (§ 15 StGB) 27 Abs. Abs. 1 Z 1 (1., 2. und 8. Fall), Abs.2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe 15 Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 08.10.2010, Zl. XXXX, wurde er wegen § 27 Abs. 1 Z 1 (1.Fall), Unterabsatz 3 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Mit Urteil Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13.09.2010, Zl. XXXX, wurde er wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.06.2006, Zl. XXXX, wurde er wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 (4.Fall), Unterabsatz 3 (1.Fall) Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.09.2004, Zl. XXXX, wurde er wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und Abs. 2 (1.Fall) Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Zugleich wurde eine Bewährungshilfe angeordnet. Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 11.11.2002, Zl. XXXX, wurde er wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und § 28 Abs. 1 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten (Junger Erwachsener) verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichte Eisenstadt vom 03.04.2001, Zl. XXXX und XXXX, wurde er wegen § 27 Abs. 1 (2.Fall) und Abs. 2 Suchtmittelgesetz sowie wegen §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt) rechtskräftig einer Freiheitsstrafe von 1 Monat, sowie einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten (bedingt, Probezeit 3 Jahre, Jugendstraftat) verurteilt.

Aus den Verurteilungen bzw. den Urteilsbegründungen geht hervor, dass der BF sich trotz Erstverurteilung, trotz erlittenen Haftübels sowie trotz bedingt ausgesprochener Freiheitsstrafe und verhängter Probezeiten sowie der Anordnung einer Bewährungshilfe nicht davon abhalten ließ, weitere schwere Straftaten zu begehen.

Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot aufgrund dieser rechtskräftigen Verurteilung daher zu Recht auf § 53 Abs. 1 iVm. § Abs. 3. Z 1 FPG (Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten) gestützt und es war ihrer Ansicht, dass das persönliche Verhalten des BF einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, beizutreten.

Im Einklang mit der Ansicht der belangten Behörde geht auch die erkennende Richterin von einer Gefährdungsprognose und einem Charakterbild des BF, wonach vom BF eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht.

Wie sich schon aus der Aktenlage zeigt, verfügt der BF über keinen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet und über keinerlei berücksichtigungswürden soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte im Inland. Er ist offenbar illegal in das Bundesgebiet eingereist, und wurde bereits kurze Zeit nach seiner Einreise straffällig. Der BF stellte unter Angabe verschiedener Nationalen missbräuchlich insgesamt fünf Anträge auf internationalen Schutz. die tatsächliche Identität des BF ist immer noch nicht bekannt. Trotz der offenen Asylverfahren beging der BF über mehr als ein Jahrzehnt hinweg eine Vielzahl von Verbrechen und Vergehen im Suchtmittelbereich, um sich persönlich zu bereichern bzw. seinen Lebensunterhalt damit zu finanzieren. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass der BF keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch genommen hatte, bereits zu einem frühen Zeitpunkt nach seiner illegalen Einreise bereits mit schweren gewerbsmäßigen Suchtmitteldelinquenzen polizeilich in Erscheinung getreten war. Der BF hat bereits rund 7 Jahre in österreichischen Strafgefängnissen verbracht.

Zudem zeigt sich, dass der BF seine Asylanträge bewusst missbräuchlich gestellt hatte und er trotz eines rechtskräftig gegen ihn erlassenes Aufenthaltsverbotes unbeirrt weiter im Bundesgebiet aufhältig geblieben ist, er dabei seinen kriminellen Energien (weiterhin) freien Lauf gelassen und eine Vielzahl dabei eine Vielzahl von weiteren Suchtmitteltatbeständen verwirklicht hat.

Auch scheute er nicht davor zurück, gefälschte Dokumente als Beweismittel im jüngsten Asylverfahren vorzulegen, um die Behörde über seine tatsächliche Herkunft in die Irre zu führen bzw. sich in betrügerischer Absicht sich ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen.

Diese Faktenlage unterstreicht einerseits die hohe kriminelle Energie des BF und bringt andererseits auch Respektlosigkeit und Ignoranz gegenüber der österreichischen Rechtsordnung deutlich zum Ausdruck.

Diese Handlungsweisen zeichnen in der Gesamtschau auch ein Charakterbild des BF, das aus Sicht der erkennenden Richterin - in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde - nur eine über viele Jahre hinweg dauernde negative Gefährdungsprognose zulässt.

Einem weiteren Aufenthalt des BF im Bundesgebiet wäre sohin - auch und insbesondere im Hinblick auf seine rechtskräftigen Verurteilungen und seiner Lebensverhältnisse in Österreich (fehlende familiäre und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, keine nachhaltige Integration trotz 16 Jahren dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet, fehlende soziale Anbindungen, keine Integration am Arbeitsmarkt, mangelnde Deutschkenntnisse, nicht erkennbare Integrationsbemühungen) - ein außerordentlich hohes Gefahrenpotential immanent, sodass die sofortige Ausreise des BF im dringenden Interesse der öffentlichen Ordnung gelegen ist.

Da der gemeinschaftsrechtliche Begriff "Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" sämtliche Gefährdungsbereiche, also auch die gesamte Verwaltungspolizei, erfasst, würde der weitere Verbleib des BF im Bundesgebiet auch im Hinblick auf ein geordnetes Fremden- und Beschäftigungswesen eine große Gefahr darstellen, zumal das dargestellte Charakterbildes des BF in der Zusammenschau mit seinen bisherigen Straftaten und seiner Lebenssituation in Österreich im Allgemeinen keine positive Gefährdungsprognose zulässt und die Gefahr einer neuerlichen Delinquenz als sehr hoch und sehr wahrscheinlich erscheint. Die hohe Rückfallgefahr des BF zeigt sich ohnehin aus den wiederholten Verurteilungen bzw. aus dem oben zitierten Strafurteil.

Ansatzpunkte dafür, dass der BF in naher Zukunft sein Verhalten ändern könne, liegen nicht vor. Daran vermag auch das Faktum nichts ändern, dass die letzte rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung bereits ins Jahr 2013 zurückreicht, die im Übrigen aber auch noch nicht getilgt sind.

Hervorzuheben ist in diesem Kontext die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, weshalb das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. VwGH 14.01.1993, 92/18/0475). In diesem Sinne hat auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Suchtgift drastisch als "Geißel der Menschheit" bezeichnet; der Oberste Gerichtshof verwendete die Diktion "gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor" (vgl. OGH 27.4.1995, 12 Os 31, 32/95), der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betonte die verheerende Wirkung von Drogen auf das gesellschaftliche Leben (vgl. EGMR 23.6.2008, 1638/03, Maslov gegen Österreich [GK]) und schließlich streicht der VwGH die der Suchmittelkriminalität inhärenten, besonders ausgeprägten Wiederholungsgefahr hervor (vgl. VwGH 29.09.1994, 94/18/0370; VwGH 22.05.2007, 2006/21/0115).

In Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" brachte auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für das restriktive Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck (vgl. EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97).

Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände und in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des BF kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere auch zur Wahrung wirtschaftlichen Wohls Österreichs, der Verteidigung der Ordnung, der Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit, der Moral und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, 2001/18/0074).

Angesichts der vorliegenden Delinquenzen gegen österreichische Rechtsnormen, insbesondere im Suchtmittelbereich, und des damit zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens des BF ist daher die Verhängung des Einreiseverbotes in der von der belangten Behörde ausgesprochenen Dauer als angemessen, erforderlich und darüber hinaus auch als verhältnismäßig zu erachten.

Die belangte Behörde hat sich hinreichend mit den konkreten Umständen des Einzelfalles auseinandergesetzt. Die von der belangten Behörde getroffenen Erwägungen sind im angefochtenen Bescheid im Einzelnen und in nachvollziehbarer Weise dargelegt worden.

In der vorliegenden Beschwerde selbst wurden keine Umstände vorgebracht, die allenfalls eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes zulassen würden.

Da sich in einer Gesamtschau der oben angeführten Umstände das Einreiseverbot als rechtmäßig und die festgesetzte Dauer des Einreiseverbotes als angemessen und verhältnismäßig erwiesen haben, war die Beschwerde insoweit gegen Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, VfSlg. 19.632/2012).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VfGH festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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