BVwG W149 2125787-2

BVwGW149 2125787-229.11.2016

BVergG 2006 §129 Abs1 Z3
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
BVergG 2006 §139 Abs1 Z2
BVergG 2006 §139 Abs1 Z4
BVergG 2006 §139 Abs2
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §318 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
BVergG 2006 §129 Abs1 Z3
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
BVergG 2006 §139 Abs1 Z2
BVergG 2006 §139 Abs1 Z4
BVergG 2006 §139 Abs2
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §318 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs1
BVergG 2006 §319 Abs2
BVergG 2006 §320 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W149.2125787.2.00

 

Spruch:

W149 2125787-2/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Rita-Maria KIRSCHBAUM als Vorsitzende sowie Dr. Walter FUCHS als fachkundigen Laienrichter der Auftraggeberseite und Dr. Manfred MÜLLNER als fachkundigen Laienrichter der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren "Sanierung der Altlast N27 ‚Parkplatz Brevillier Urban' (Gz. URB/58.15)" der Bundesaltlastensanierungsgesellschaft mbH, Wien, über den Antrag der XXXX, auf A) Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zugunsten der XXXX, und B) Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren in der mündlichen Verhandlung vom 07.06.2016 wie folgt entschieden und verkündet:

A) Der Antrag wird zurückgewiesen.

B) Der Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren wird

abgewiesen.

C) Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht

zulässig.

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES

AM 07.06.2916 MÜNDLICH VERKÜNDETEN BESCHLUSSES

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Die Bundesaltlastensanierungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Antragsgegnerin) eröffnete ein offenes Vergabeverfahren mit vorheriger österreich- und EU-weiter Bekanntmachung im Oberschwellenbereich, nach welchem ein Dienstleistungsvertrag, u.a. über den Transport und die Behandlung der im Zuge der Sanierung des genannten Objektes anfallenden Abfälle, mit einem zuvor nach dem Bestbieterprinzip ermittelten Unternehmen (bzw. mit einer Bietergemeinschaft) zur Sanierung der Altlast N27 "Parkplatz Brevillier Urban und unmittelbare Umgebung" abgeschlossen werden sollte.

Mit Schreiben vom 29.09.2015 wurde der XXXX (jetzige: mitbeteiligte Partei) mitgeteilt, dass ihr Angebot aus näher dargelegten Gründen (Nichtentsprechen der Ausschreibungsunterlagen und mangelnde Plausibilität) gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 und Z 3 BVergG 2006 ausgeschieden worden sei und man entschieden habe, der XXXX (jetzige: Antragstellerin) den Zuschlag zu erteilen.

Die mitbeteiligte Partei stellte daraufhin Anträge auf Nichtigerklärung der Ausscheidungs- und der Zuschlagsentscheidung, welchen mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.04.2016, Gz. W149 2115613-2/74E, stattgegeben wurde.

Die Begründung stützte sich im Wesentlichen auf die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen, wonach zu der Position 07 der Ausschreibungsunterlagen jeweils Eventualpositionen anzubieten gewesen seien. Ein entsprechendes Angebot hatte nur die mitbeteiligte Partei abgegeben, alle anderen Bieter, darunter die Antragstellerin, hatten in den entsprechenden Rubriken dieselben Leistungen, lediglich unter getrennter Ausweisung der ALSAG-Beiträge, angeboten. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

Die dagegen von der Antragstellerin erhobene außerordentliche Revision zum Verwaltungsgerichtshof wurde mittlerweile mit Beschluss vom 12.09.2016, Zl. Ra 2016/05/0063-3, zurückgewiesen.

Am 28.04.2016 traf die Antragsgegnerin nunmehr eine Zuschlagsentscheidung zugunsten der mitbeteiligte Partei, welche den anderen Bietern (auch der Antragstellerin) am 29.04.2016 übermittelt wurde.

II. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Mit Anträgen vom 09.05.2016 begehrte die Antragstellerin wie folgt:

Das Bundesverwaltungsgericht möge

"die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 28.04.2015, dem Angebot zur Sanierung der Altlast N27 ‚Parkplatz Brevillier Urban' der XXXX den Zuschlag zu erteilen (Zuschlagsentscheidung), für nichtig erklären

sowie

der Antragsgegnerin aufzutragen, der Antragstellerin die entrichteten Pauschalgebühren für diesen Nachprüfungsantrag binnen 14 Tagen zu Handen ihres Rechtsvertreters bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

Dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung zugunsten der mitbeteiligten Partei bis zum Abschluss des Verfahrens über den Nachprüfungsantrag untersagt werden sollte, wurde mit Beschluss vom 18.05.2016, Gz. W149 2125787-1/2E stattgegeben.

Die Antragsgegnerin und die mitbeteiligte Partei wurden von den Anträgen informiert und erhielten jeweils Gelegenheit zur Gegenschrift. Die Antragstellerin reichte eine Replik ein und die Antragsgegnerin sowie die mitbeteiligte Partei hatten Gelegenheit zu einer Duplik.

Am 07.06.2012 fand nach einer Beratung der Vorsitzenden mit den fachkundigen Laienrichtern eine mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat statt, in der die Zulässigkeit des Hauptantrages vor dem Hintergrund der Antragslegitimation und der materiellen Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.04.2016 erörtert wurden.

Nach Schluss der Beweisaufnahme und Beratung der Mitglieder des erkennenden Senates wurde dieser Beschluss mit Begründung mündlich verkündet und den Parteien das Protokoll samt Text der mündlichen Verkündung ausgehändigt.

Der erkennende Senat hat am heutigen Tag beraten und die vorliegende schriftliche Ausfertigung einstimmig beschlossen.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Antrag auf Vorabentscheidungsersuchen an den EUGH

Die Anregung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EUGH gemäß Art. 267 AEUV wird nicht aufgenommen, weil nicht ersichtlich ist, dass eine Auslegung von Art. 1 Abs. 3 RL 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. L 395, 33 vom 30.12.1989, S. 33, idF RL 2007/66, ABl. L 335, 31 v 20.12.2007 (RL 89/665) nach der Judikatur des EUGH in den Rechtssachen Hackermüller, C-249/01 , EU:C:2003:359; Fastweb I, C-100/12 , EU:C:2013:448 und PFE, C-689/13 , EU:C:2016:199 fraglich sein könnte. Dazu sogleich.

2. Unzulässigkeit der Antragstellung

Der Nachprüfungsantrag wurde zwar fristgerecht eingereicht und richtete sich auch gemäß § 320 Abs. 1 BVergG 2006 gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung iSd § 2 Z 16 lit a) bb) BVergG 2006 der Antragsgegnerin, nämlich die Zuschlagsentscheidung zugunsten der mitbeteiligten Partei.

Der Antrag ist jedoch mangels Antragslegitimation der Antragstellerin unzulässig (§ 320 BVergG 2006), weil sie kein rechtlich schützenswertes Interesse an der Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zugunsten der mitbeteiligten Partei hat und ihr somit auch kein Schaden durch den angefochtenen Akt entstanden sein kann.

Der EUGH hat in der Rechtssache "Hackermüller" entschieden (Hervorhebung nicht im Original):

"1. Es verstößt nicht gegen Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18.06.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge geänderten Fassung, wenn die nach dieser Richtlinie vorgesehenen Nachprüfungsverfahren denjenigen, die einen bestimmten öffentlichen Auftrag erhalten wollen, nur zur Verfügung stehen, wenn ihnen durch den von ihnen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

2. Es verstößt gegen Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung, wenn einem Bieter der Zugang zu den nach der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren, um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Auftraggebers, sein Angebot nicht als das beste Angebot zu bewerten, zu bestreiten, mit der Begründung verwehrt wird, dass sein Angebot bereits aus anderen Gründen vom Auftraggeber auszuscheiden gewesen wäre und ihm daher durch die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit kein Schaden entstanden sei bzw. zu entstehen drohe. Im Rahmen des dem Bieter damit zur Verfügung stehenden Nachprüfungsverfahrens muss es diesem ermöglicht werden, die Stichhaltigkeit des Ausschlussgrundes anzuzweifeln, auf dessen Grundlage die für die Nachprüfungsverfahren zuständige Instanz zu beschließen beabsichtigt, dass ihm durch die Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit er behauptet, kein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht."

In der Rechtssache "Fastweb I" hat der EUGH wie folgt präzisiert (Hervorhebungen nicht im Orginal):

"Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Parlaments und des Rates vom 11.12.2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er, wenn im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens der erfolgreiche Bieter, dem der Auftrag erteilt wurde und der Widerklage erhoben hat, eine auf die fehlende Klagebefugnis des klagenden Bieters gestützte Einrede der Unzulässigkeit geltend macht, weil dessen Angebot wegen seiner Nichtübereinstimmung mit den in den Verdingungsunterlagen festgelegten technischen Anforderungen vom öffentlichen Auftraggeber hätte zurückgewiesen werden müssen, dem entgegensteht, dass die Klage nach der Vorabprüfung dieser Unzulässigkeitseinrede für unzulässig erklärt wird, ohne dass darüber entschieden wird, ob das Angebot des erfolgreichen Bieters, dem der Auftrag erteilt wurde, und dasjenige des Bieters, der Klage erhoben hat, den technischen Anforderungen entsprechen."

Der EUGH hat jüngst in der Rechtssache PFE weiter präzisiert (Hervorhebung nicht im Original):

"Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Verfahrensvorschriften entgegensteht, die es gestatten, die Klage eines Bieters, der ein Interesse daran hat, einen bestimmten Auftrag zu erhalten, und der rügt, dass ihm durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich öffentlicher Aufträge oder gegen die Vorschriften über dessen Umsetzung ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe, auf Ausschluss eines anderen Bieters für unzulässig zu erklären, nachdem die von diesen Vorschriften vorgesehene vorrangige Prüfung des vom anderen Bieter eingelegten Anschlussrechtsbehelfs vorgenommen wurde."

Nach der nationalen höchstrichterlichen Judikatur gilt Folgendes:

Das Bundesverwaltungsgericht ist befugt, bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages zu beurteilen, ob das Angebot des Antragstellers auszuscheiden gewesen wäre. Das Gericht hat bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages einen von ihr auf Grund der Akten des Vergabeverfahrens erkannten und vom Auftraggeber nicht aufgegriffenen Ausschließungsgrund heranzuziehen. Dies dient der dient der Sicherung eines wirksamen und raschen Nachprüfungsverfahrens (ua VwGH v 11.11.2009, 2009/04/0240; v 18.03.2009, 2007/04/0095 unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 28.03.2007, 2005/04/0200, alle mit Hinweis auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache "Hackermüller").

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einem Bieter, dessen Angebot auszuscheiden gewesen wäre (aber nicht ausgeschieden wurde), keine Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren zu, weil er für die Zuschlagserteilung ohnehin nicht in Betracht käme und ihm daher durch die behauptete Rechtswidrigkeit kein Schaden im Sinn des § 320 Abs 1 BVergG entstehen bzw drohen kann (siehe bereits VwGH v 27.09.2000, 2000/04/0050; vom 23.05.2007, 2005/04/0103 und v 28.03.2007, 2005/04/0200).

Weiters hat der VwGH in (bislang) ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass ein Bieter, dem es nicht gelingt, auf Grund einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Ausschreibung ein für den Zuschlag geeignetes Angebot zu legen, nicht schutzwürdig ist und daher nicht geltend machen kann, dass auch andere bzw alle anderen Bieter auszuscheiden gewesen wären (VwGH vom 11.11.2009, 2009/04/0240; v 28.05.2008, 2007/04/0232; v 28.03.2007, 2005/04/0200).

Der VwGH hat im Übrigen festgehalten hat, dass das Vergabekontrollverfahren nicht der objektiven Rechtskontrolle dient, sondern der Prüfung, ob der Antragsteller in den geltend gemachten subjektiven Rechten verletzt worden ist (VwGH v 16.10.2013, 2012/04/0027; vom 23.05.2007, 2005/04/0214).

Aus alle dem ist abzuleiten, dass einem Antragsteller die Antraglegitimation (ein Schaden, ein rechtliches Interesse) jedenfalls dann fehlt, wenn sein Angebot auszuscheiden gewesen wäre und nicht auch alle anderen Bieter (einschließlich des präsumtiven Zuschlagsempfängers) auszuschließen gewesenen wären.

Dahinter steht die Idee, dass eine Antragslegitimation jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn es trotz mangelnder Zuschlagsfähigkeit des Angebotes eines Antragstellers noch eine Chance auf die Erteilung des Auftrages gibt, zB. weil das Verfahren wegen Ausscheidens aller Bieter zwingend zu widerrufen ist (§ 139 Abs. 1 z. 4 BVergG 2006), was dann üblicherweise zu einer Neuausschreibung führt, an deren Teilnahme der Antragsteller ein rechtlich schützenswertes Interesse hat und ihn vor einem entsprechenden Schaden bewahrt.

Dies ist im gegenständlichen Verfahren indessen nicht der Fall:

Es ist nämlich zum einen unstreitig und entspricht auch der Aktenlage, dass die Antragstellerin in diesen Positionen - in Verkennung des objektiven Erklärungsinhaltes der Ausschreibungsunterlagen - keine von den Leistungen in den Hauptpositionen zu unterscheidenden "Eventualleistungen" angeboten hatte, sondern die identischen Leistungen wie jene in den Hauptpositionen, wobei sie lediglich einen allfälligen ASLAG-Beitrag getrennt ausgewiesen hatte. Zudem hatte sich die Antragstellerin im genannten Verfahren in Bezug auf die Auslegung der Positionen unter 07 der Ausschreibungsunterlagen schwerpunktmäßig darauf berufen, dass alle Bieter, außer der (jetzigen) mitbeteiligten Partei, die von ihr unterstellte Auslegung der Ausschreibungsunterlagen ebenso wie sie selbst verstanden hatten.

Das Angebot der Antragstellerin wäre also gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 zwingend auszuscheiden gewesen.

Dasselbe gilt auch für die Angebote aller anderen Bieter (bis auf jenes der mitbeteiligten Partei), die mit demselben zwingenden Ausscheidungsgrund des § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 belastet sind, weil sie sämtlich ausschreibungswidrig waren. Dem allen Parteien des gegenständlichen Verfahrens bekannte Erkenntnis des BVwG vom 26.04.2016., Gz. W149 2115613-2/74E, ist nämlich zu entnehmen, dass in den Positionen unter 07 jedenfalls Angebote für Eventualleistungen (Eventualpositionen) anzubieten waren.

Obwohl mithin nur eines der Angebote, nämlich jenes der jetzigen mitbeteiligten Partei in Bezug auf die Leistungen unter der Position 07 ausschreibungskonform war (siehe dazu das vom VwGH nicht behobene h. o. Erkenntnis), ist somit kein zwingender Widerrufsgrund gegeben, weil § 139 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 in dieser Situation - anders als im Falle des Ausscheidens aller Angebote gemäß § 139 Abs. 1 Z. 4 BVergG 2006 - nur eine Widerrufsmöglichkeit im Ermessen des Auftraggebers statuiert wird. Von dieser hat die Antragsgegnerin aber keinen Gebrauch gemacht.

Insoweit sich die Antragstellerin im gegenständlichen Verfahren geltend gemacht hat, das Angebot der mitbeteiligten Partei sei (aus tw. neuen Gründen) sehr wohl - auch - auszuscheiden gewesen, so wird auf die formelle und materielle Rechtskraft des o.a. Erkenntnisses verwiesen.

Auch die Behauptung, es handele sich um Ausscheidungsgründe, welche im besagten Vorgängerverfahren nicht geprüft worden seien, führt hier zu keiner anderen Einschätzung.

Zum einen ist das Bundesverwaltungsgericht gehalten - und hat dies im besagten Erkenntnis auch getan - auch solche Ausscheidungsgründe zu prüfen, die sich ggf. aus den Akten oder indirekt aus dem Vorbringen oder den vorgelegten Beweismitteln ergeben könnten. Weder die jetzige Antragstellerin (und damalige mitbeteiligte Partei) und vor allem nicht die damalige und jetzige Antragsgegnerin, welche bereits damals über alle Beweismittel und Indizien für weitere Ausscheidungsgründe verfügte, haben im besagten Verfahren irgendwelche Hinweise gegeben, dass noch weitere Ausscheidungsgründe in Bezug auf das Angebot der jetzigen mitbeteiligten Partei vorgelegen haben könnten.

Es ist also davon auszugehen, dass mit dem rechtskräftigen Erkenntnis im Vorgängerverfahren abschließend über etwaige Ausscheidungsgründe auf Seiten des Angebots der jetzigen präsumtiven Zuschlagsempfängerin entschieden wurde.

Es liegen schließlich auch keine Gründe vor, die einen anderen zwingenden Widerrufsgrund erkennen lassen. Die Antragstellerin hat sich insoweit nämlich schwerpunktmäßig auf § 139 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006 berufen, wonach eine Ausschreibung zwingend zu widerrufen ist, wenn dem Auftraggeber Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten.

Dabei beruft sich die Antragstellerin jedoch auf die im h.o. Vorgänger Erkenntnis rechtskräftig festgestellte Auslegung der (schon damals mangels Anfechtung bestandfesten) Ausschreibungsunterlagen. Die Auslegung der Positionen unter 07 der Ausschreibungsunterlage erfolgte entlang des im Erkenntnis wiedergegebenen Maßstabes, wonach

Ausschreibungsunterlagen wie rechtsgeschäftliche Willenserklärungen gemäß §§ 914 ff ABGB nach dem "objektivem Erklärungswert" ausgelegt werden. Es kommt mithin weder darauf an, wie ein Antragsteller bestimmte Passagen der Ausschreibungsunterlagen versteht noch darauf, wie der jeweilige Antragsgegner sie verstanden wissen will. Ausschlaggebend ist vielmehr der Horizont eines "redlichen verständigen" Empfängers einer rechtsgeschäftlichen Erklärung (VwGH vom 29.03.2006, Zln 2004/04/0144, 0156, 0157; auch OGH vom 20.01.2000, Zl 6 Ob 69/99m).

Die Unklarheitsregelung des § 915 ABGB, wonach eine undeutliche Äußerung zum Nachteil desjenigen auszulegen ist, der sie verwendet, ist auch bei der Auslegung von Erklärungen (Ausschreibungsunterlagen, Angebote) anzuwenden (VwGH vom 25.02.2004, Zl. 2003/04/0186).

Die Anwendung dieses Maßstabes im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde vom VwGH auch nicht beanstandetet.

Das Verständnis der Ausschreibungsunterlagen kann daher auch nicht als "Umstand" iSd. § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 angesehen werden, welcher der Antragsgegnerin erst nachträglich bekannt wurde. Die Ausschreibungsunterlagen hatte sie nämlich zum einen selbst entworfen und zum anderen würde eine solche Auslegung und Anwendung des § 139 Abs. 1 Z 2 BVergG im Falle einer den Ideen des Auftraggebers widersprechenden Auslegung von bestandskräftigen Ausschreibungsunterlagen durch die Rechtsmittelinstanz wohl stets zu einem zwingenden Widerruf führen - was nicht im Sinne eines effektiven Vergabeverfahrens liegen kann.

3. Gebührenersatz - Spruchpunkt B)

Da der Hauptantrag mangels Zulässigkeit zurückgewiesen wird, besteht gemäß § 319 Abs. 1 und 2 BVergG 2006 kein Anspruch auf Ersatz der Gebühren.

4. Unzulässigkeit der Revision - Spruchpunkt C)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Bundesverwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dadurch, dass im gegenständlichen Fall hauptsächlich die Antragslegitimation der Antragstellerin (III.2) ist eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung des vorliegenden Verfahrens nicht gegeben.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe dazu insbesondere III.1 und III.2), noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

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