BVwG W113 2119249-1

BVwGW113 2119249-123.2.2016

AVG 1950 §74 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 Anh.1 Z30
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §2 Abs3
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs2
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §35
VwGVG §52
AVG 1950 §74 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
UVP-G 2000 Anh.1 Z30
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §2 Abs3
UVP-G 2000 §3 Abs1
UVP-G 2000 §3 Abs2
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §35
VwGVG §52

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W113.2119249.1.00

 

Spruch:

W113 2119249-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina DAVID als Vorsitzende und die Richter Dr. Silvia KRASA und Mag. Georg PECH als Beisitzer über die Beschwerden XXXX, XXXX, XXXX und des XXXX gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30.11.2015, Zl. U-UVP-10/5/5-2015, betreffend die Feststellung, dass über das Vorhaben "Ökostromkraftwerk Defereggental" der XXXX, XXXX, XXXX und XXXX, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gernot Gasser, Dr. Sonja Schneeberger, kein UVP-Verfahren nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Der Antrag der XXXX, XXXX, XXXX und XXXX, den Beschwerdeführern den Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen, wird abgewiesen.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 12.08.2014 haben die XXXX, XXXX, XXXX und XXXX (idF Projektwerberinnen) Anträge auf Erteilung der wasser-, forst-, starkstromwege- und naturschutzrechtlichen Bewilligungen für das Vorhaben "Ökostromkraftwerk Defereggen" gestellt.

2. Die Tiroler Landesregierung (idF belangte Behörde) hat von Amts wegen ein UVP-Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 durchgeführt. Im Zuge des Verfahrens wurden Gutachten aus den Fachbereichen Wasserbautechnik, Gewässerökologie und Naturkunde eingeholt. Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen einer Kraftwerkskette iSd Z 30 lit. c des Anhangs 1 des UVP-G 2000, erkannte aber kumulierende Auswirkungen aufgrund des naturkundefachlichen Gutachtens, weshalb sie eine Einzelfallprüfung durchführte. Mit angefochtenem Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass das Vorhaben nicht den Tatbestand Anhang 1 Z 30 des UVP-G 2000 erfüllt und keine UVP durchzuführen ist, da die geprüften kumulierenden Umweltauswirkungen nicht das Maß der Erheblichkeit erreichen würden.

3. Dagegen haben XXXX und XXXX mit Schreiben vom 22.12.2015 eine gemeinsame Beschwerde eingebracht. Weiters haben XXXX mit Schreiben vom 23.12.2015 und XXXX mit Schreiben vom 29.12.2015 Beschwerden eingebracht. Die Beschwerden umfassen die gleichen Beschwerdepunkte und werden gemeinsam behandelt:

Die belangte Behörde habe aufgrund der Kumulationsbestimmung nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 eine Einzelfallprüfung eingeleitet, aber dann rechtswidrige Schlüsse gezogen. Die geplanten Kraftwerke (KW) im Einzugsbereich der XXXX, nämlich das KW XXXX, das KW XXXX, die Erweiterung des KW XXXX und das KW XXXX seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Kumulierende Auswirkungen auf andere Arten außer der Deutschen Tamariske, wie die Koppe (Cottus gobio), seien nicht überprüft worden.

Nach dem naturschutzfachlichen Gutachten vom 12.10.2015 komme es sehr wohl durch die Realisierung des geplanten Vorhabens in einer Zusammenschau mit den bereits bestehenden oder zur Genehmigung eingereichten Wassernutzungen zur Überlagerung der Wirkungsebene der Eingriffe im Sinne kumulativer und additiver Effekte. Eine genauere Untersuchung sei nicht erfolgt, da die Ausgleichsmaßnahmen "Schmittensteg" (Projektsgegenstand) und "Görtschach" (Projektsgegenstand des Vorhabens KW XXXX, Ausbau) vorgesehen seien. Maßnahmen eines anderen Projektes könnten aber nicht kompensierend für das gegenständliche Vorhaben sein. Sollte das andere Projekt nicht realisiert werden, hätte auch die Ausgleichsmaßnahme keine Wirkungen. Die Einbeziehung von Ausgleichsmaßnahmen sei auch nur möglich, wenn diese ihre Funktion voll erfüllen würden. Die Wirksamkeit der Ausgleichsmaßnahmen sei aber unsicher und könne erst durch ein Monitoring festgestellt werden. Dies zeige sich besonders im Zusammenhang mit dem Vorkommen der Deutschen Tamariske als Leitart des FFH-Lebensraumtypes (FFH-LRT) 3230 "Alpine Flüsse und ihre Ufervegetation mit Myricaria germanica". Ausgleichsmaßnahmen seien auch immer nur eine ultima ratio (EuGH 15.05.2014, Rs C-521/12 , Briels).

Der Erhaltungszustand des FFH-LRT 3230 würde im aktuellen Bericht des Umweltbundesamtes gemäß Art. 17 FFH-RL als "ungünstig-schlecht" eigestuft. Daraus resultiere die Verpflichtung, einen günstigen Erhaltungszustand wieder herzustellen. Der Biotoptyp Weiden-Tamarisken-Gebüsch, welcher dem FFH-LRT 3230 entspreche, sei in der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Österreichs als "von vollständiger Vernichtung bedroht" eingestuft. Studien würden belegen, dass das Vorkommen der Deutschen Tamariske als Leitart dieses FFH-LRT an der Isel eine stark vernetzte und komplexe Meta-Population darstelle. Diese Pflanzenart sei nach der TNSchVO 2006 geschützt und nach der Roten Liste "vom Aussterben" bedroht. Eingriffe, nicht nur am Projektstandort, könnten stark negative Auswirkungen haben. Die geplanten KW würden jeweils für sich betrachtet erhebliche ökologische Auswirkungen haben und insgesamt die Vitalität des Tamariskenbestandes beeinträchtigen. Die Erreichung des günstigen Erhaltungszustands der Tamariske würde durch das Vorhaben eindeutig gefährdet. Kraftwerke und Restwasserstrecken würden die longitudinale Vernetzung der Populationen einschränken und wie Barrieren wirken. Die Reduktion der Wasserführung der XXXX durch das Vorhaben verändere den Geschiebehaushalt deutlich und wirke sich damit entlang des gesamten weiteren Gewässerverlaufs flussabwärts negativ auf den Tamariskenbestand aus. Deswegen sei es nicht gerechtfertigt, aufgrund zweier Ausgleichsmaßnahmen, deren Wirksamkeit ohnehin fragwürdig sei, erhebliche Auswirkungen auszuschließen. Selbst wenn die Ausgleichsmaßnahmen wirksam seien, würden die funktionalen Störungen und damit eine ständige Abnahme des Tamariskenbestandes an der XXXX dauerhaft bestehen bleiben. Das Ausgleichspotential für diesen FFH-LRT in den Alpen würde darüber hinaus als gering eingestuft. Eine UVP-Pflicht sei aufgrund der naturkundlichen Sensibilität des Betrachtungszeitraums und des Vorsorgeprinzips anzunehmen.

Der Natura-2000 Ausweisungsprozess in Osttirol ist noch nicht abgeschlossen und bestünden Zweifel, ob der Gebietsvorschlag Österreichs an die Europäische Kommission (EK) als ausreichend beurteilt werde. Tatsächlich hätte auch das Projektsgebiet als Natura-2000 Gebiet gemeldet werden müssen.

Die geplanten KW würden zu einer Verschlechterung der betroffenen Wasserkörper iSd Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (WRRL) führen: an allen Standorten weise die hydromorphologische Qualitätskomponente Wasserhaushalt einen "sehr guten" Zustand auf und würde die Wasserentnahme zumindest zu einem "guten" Zustand führen. Deswegen sei von einer wesentlichen Beeinträchtigung des ökologischen Zustands der betroffenen Gewässerabschnitte und damit von einer erheblichen schädlichen Umweltauswirkung auszugehen (US 22.06.2011, US 8A/2010/15-56; EuGH 01.07.2010, C-461/13 , Weser).

Mit der Durchführung einer UVP wäre auch sicher gestellt, dass die betroffene Öffentlichkeit am Verfahren beteiligt wäre, wie das ACCC dies für Wasserrechtsverfahren in Österreich bereits moniert habe (mVa VwGH 2015/0007-1, Vorabentscheidungsverfahren).

Die Beschwerdeführer beantragen, das Gericht möge die UVP-Pflicht für das Vorhaben nach § 3 Abs. 1 iVm Anhang 1, Z 30 UVP-G 2000 feststellen, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und die Sache an die Behörde zurückverweisen.

4. Mit Schreiben vom 05.02.2016 brachte die XXXX eine Stellungnahme ein, mit der sie auf ihre Stellungnahmen im behördlichen Verfahren verweist. Inhaltlich seien die Beschwerden nachvollziehbar. Die Umweltanwaltschaft betont die Verantwortung Österreichs für den LRT 3230 mit der Leitart der Ufer-Tamariske. Auf Grund der Einzigartigkeit des Uferbestandes dieser Pflanze sei davon auszugehen, dass etwaige Auswirkungen von Vorhaben rasch den Grad der Erheblichkeit erreichen. Nachdem mehrere gleichartige Vorhaben im Einzugsgebiet der XXXX geplant sind, ist von erheblichen kumulativen Auswirkungen auf die Ufer-Tamariske auszugehen. Aufgrund des Vorsorgeprinzips sollte eine UVP durchgeführt werden.

5. Mit Schreiben vom 10.02.2016 brachten die Projektwerberinnen eine Stellungnahme ein. Im Wesentlichen weisen sie darauf hin, dass das Vorhaben nicht im auszuweisenden Natura-2000 Gebiet liegt. Der Gutachtensauftrag der Behörde sei nicht auf die Ufer-Tamariske beschränkt geblieben und seien alle relevanten Umstände umfassend geprüft worden. Die Einbeziehung der Ausgleichsmaßnamen sei korrekt, alleine dadurch werde ein Ausgleich gegenüber der vom Vorhaben benötigten Fläche der Metapopulation gesehen. Tatsächlich würden die Ausgleichsmaßnahmen einen aufgestockten Sameneintrag bewirken und zu einer Verbesserung des derzeitigen Tamariskenbestandes führen. Die Beschwerdeführer würden dem naturkundefachlichen Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten. Absurd sei, die Ausgleichsmaßnahmen als nutzlos zu bezeichnen, weil diese einem künftigen Hochwasserereignis zum Opfer fallen könnten. Auch ohne die Maßnahmen würde der Tamariskenbestand durch ein Hochwasser vernichtet werden. Eine detaillierte Prüfung aller Auswirkungen sei dem Genehmigungsverfahren vorbehalten und nicht im Rahmen einer Grobprüfung abzuhandeln. Die Projektwerberinnen beantragen, den Beschwerden nicht stattzugeben und den Beschwerdeführern die genauer verzeichneten Verfahrenskosten aufzuerlegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

1.1. Zulässigkeit der Beschwerden

Sämtliche Beschwerden wurden als Anträge auf Überprüfung nach § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 eingebracht, wobei sich aus dem Inhalt klar der Wille auf Einbringung von Beschwerden nach der genannten Bestimmung ergibt.

Alle Beschwerden wurden rechtzeitig eingebracht und handelt es sich bei den Beschwerdeführern um anerkannte Umweltorganisationen iSd § 19 Abs. 7 UVP-G 2000, deren Tätigkeitsbereiche ua. im verfahrensgegenständlichen Bundesland Tirol liegen.

1.2. Vorhaben

Das Vorhaben besteht in der Errichtung und dem Betrieb eines Wasserkraftwerks (KW) an der XXXX bei km 11,17 mit einer Ausbauleistung von 5.800 kW und einem Regelarbeitsvermögen von 22,5 GWh. Die Ausleitungsstrecke beträgt 1.650 m und die Druckrohrlänge

1.505 m.

Projektsgegenständlich ist auch die Ausgleichsmaßnahme "Schmittensteg", wo die XXXX flussabwärts auf einer Länge von 600 m von 15 m auf ca. 25-45 m aufgeweitet wird. Die Angaben zum Vorhaben ergeben sich aus den Projektunterlagen.

Das Ausbauvorhaben KW XXXX beinhaltet die Ausgleichsmaßnahme "Görtschach". Dabei wird ein Grauerlenauwald in Pionierstandorte und Auwaldbereiche umgewandelt werden. Die Maßnahme erstreckt sich über eine Länge von 150 m. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der naturkundlichen ASV.

1.3. Wasserbautechnik

Der wasserbautechnische Amtssachverständige (ASV) hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass oberhalb des Vorhabens kein weiteres KW existiere und das nächste KW XXXX unterhalb bei km 4,67 liege. Zwischen den beiden KW liege somit eine Gewässerstrecke von 6,5 km bei einem Einzugsgebiet von 238,9 km². Zu kumulierenden Auswirkungen mit weiteren KW komme es nicht: Durch die Stauhaltung des geplanten Vorhabens komme es zwar zu einem temporären Rückhalt der ankommenden Geschiebefracht, die aber durch regelmäßige Stauraumspülungen in das Unterwasser der Wehranlage weitergegeben werden. Nach der Restwasserstrecke folge zwischen Rückleitung des gegenständlichen Vorhabens und Ausleitung des KW XXXX eine 5 km lange Fließstrecke, innerhalb derer sich mehrere Aufweitungen mit Pufferwirkung befinden würden. Bei der Wasserfassung des KW XXXX sei daher schon mit keiner Beeinträchtigung mehr zu rechnen.

Diese Angaben blieben zum Teil unbestritten und werden dem Verfahren daher zu Grunde gelegt. Die Beschwerdeführer monierten aber, dass es durch die Reduktion der Wasserführung in der XXXX zu einem veränderten Geschiebehaushalt käme, der sich deutlich flussabwärts auf den Tamariskenbestand auswirken würde. Rein wasserbautechnisch überzeugen die schlüssigen Ausführungen des ASV, wonach es auf Grund der regelmäßigen Stauraumspülungen zu keinen kumulativen Auswirkungen auf die Geschiebefracht kommt. Die Beschwerdeführer haben dazu keine fachlichen Argumente vorgebracht. Die sonstigen Auswirkungen auf den Tamariskenbestand werden im Fachgebiet Naturkunde behandelt.

1.4. Gewässerökologie

Der gewässerökologische ASV hat ausgeführt, dass überlagernde Effekte durch Unterbrechung der Durchgängigkeit oder durch vermehrten Geschiebetransport nicht zu erwarten seien. Erhebliche schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen auf die Umwelt seien nicht zu erwarten. Wegen der vorgesehenen Dotierwassermenge sei davon auszugehen, dass der derzeitige ökologische Zustand im betroffenen Detailwasserkörper nicht wesentlich beeinträchtigt und nicht verschlechtert wird. Die Errichtung der Anlage hindere auch nicht die Erreichung des Zielzustandes. Kumulierende Beeinträchtigungen werden nicht erkannt.

Zum Teil blieben diese Angaben unbestritten und werden daher dem Verfahren zu Grunde gelegt. Einige Beschwerdeführer monieren aber, dass eine Zustandsverschlechterung stattfinden wird und begründen dies mit einer Verschlechterung des hydromorphologischen Qualitätszustandes bzw. der Verschlechterung der hydromorphologischen Qualitätskomponente Wasserhaushalt vom "sehr guten" zum "guten" Zustand.

Das Vorhaben soll im Detailwasserkörper (DWK) XXXX errichtet werden. Aus dem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan 2009 (NGP) ergibt sich, dass die XXXX als nicht erhebliche veränderter Wasserkörper eingestuft ist. Der chemische Zustand des WK wird als "gut" und der ökologische Zustand als "mäßig" beurteilt, sohin der Gesamtzustand mit "mäßig" mit hoher Sicherheit bewertet. Nach den Untersuchungen des Gewässerabschnitts im Zuge der Projekterstellung kommt die XXXX im gewässerökologischen Bericht der Einreichplanung zum Ergebnis, dass der "gute ökologische Zustand" sowie der "gute fischökologische Zustand" bereits gegeben seien. Im Entwurf des NGP 2015, Anhang Tabellen Oberflächengewässer, wird der Gesamtzustand im betreffenden DWK mit "gut" bewertet.

Insgesamt ist schlüssig, dass der "gute ökologische Zustand" im DWK XXXX der XXXX derzeit vorliegt und die Errichtung der Anlage diesen Zustand weder verschlechtert noch die Zielerreichung gefährdet. Die Beschwerdeführer haben auch nicht substantiiert vorgebracht, warum diese Feststellungen unzutreffend sein sollten.

1.5. Naturkunde

Unbestritten blieb die Beurteilung der naturkundlichen Amtssachverständigen, dass es durch die Realisierung des Vorhabens in Zusammenschau mit anderen Vorhaben zur Überlagerung der Wirkungsebene der Eingriffe iS kumulativer und additiver Effekte kommen kann. Aufgrund der Längsvernetzung eines Fließgewässerökosystems stellen Fließgewässerstrecken keine isolierten Lebensraumabschnitte dar, sondern stehen durch Funktionszusammenhänge wechselseitig im Austausch zueinander.

Unbestritten ist auch, dass im Vorhabensgebiet die Deutsche Tamariske und der entsprechende Biotoptyp Weiden-Tamarisken-Gebüsch bzw. der FFH-LRT 3230 "Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica" in mehreren Beständen vorkommt. Durch das Vorhaben werden Teile davon in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt. Die negativen Auswirkungen beschränken sich nicht auf die jeweilige Projektstrecke, sondern sind weitreichender und betreffen aufgrund der Funktionsweise der Art und des Lebensraums als Metapopulation auch andere Tamariskenbestände an den Gewässern Osttirols. Die Deutsche Tamariske wird von der ASV dabei als Beispiel für die kumulative Beeinträchtigung aufgrund ihrer Funktionsweise als Metapopulation und ihrer und des Lebensraums hohen Sensibilität genannt.

Genauso würden die anderen geplanten Vorhaben Beeinträchtigungen verursachen, womit eine Überlagerung der Wirkungsebene gegeben sei. Diese Vorhaben im räumlichen Zusammenhang seien das KW XXXX und dessen Ausbau, KW XXXX, KW XXXX, KW XXXX sowie die geplanten KW XXXX, KW XXXX und KW XXXX. Die ASV beurteilt die Auswirkungen auf die Umwelt durch die kumulativen Beeinträchtigungen als erheblich schädlich, belästigend oder belastend.

Zu beachten sei aber auch die mit dem Vorhaben geplante Ausgleichsmaßnahme "Schmittensteg". Damit werde ein Lebensraum für Pionierarten wie der Deutschen Tamariske geschaffen. Es sei damit zu rechnen, dass die Deutsche Tamariske im revitalisierten Bereich Fuß fassen kann und sich der Biotoptyp Weiden-Tamarisken-Gebüsche (FFH-LRT 3230) etabliert. Dabei könne ein entsprechender Ausgleich zu der vom Vorhaben beeinträchtigten Fläche geschaffen werden, sofern die Maßnahme fachgerecht umgesetzt wird und durch ein begleitendes Monitoring und allfällige Adaptierungen, falls die Zielerreichung sich nicht einstellt, die Wirksamkeit sichergestellt werde.

Bei Umsetzung der Maßnahme "Görtschach" und Etablierung eines neuen Tamariskenbestandes könne die durch das Vorhaben reduzierte Vernetzung abgemindert werden. Durch den zusätzlichen Samenpool bachaufwärts der Fassung sei von einem gegenüber dem Ist-Zustand aufgestockten Sameneintrag auszugehen, der der prognostizierten, verminderten Weitergabe von keimfähigen Samen ins Unterwasser und der reduzierten Vernetzung entgegenwirkt. Die Zielerreichung sei dabei sicherzustellen.

Unter Berücksichtigung der beiden Ausgleichsmaßnahmen und unter der Voraussetzung der tatsächlichen Etablierung der Deutschen Tamariske und des FFH-LRT 3230 im prognostizierten Ausmaß könne die Eingriffserheblichkeit der kumulierenden Auswirkungen abgemindert werden. In einer Grobprüfung sei unter diesen Voraussetzungen nicht mehr zu erwarten, dass die kumulierenden Umweltauswirkungen erheblich sind. Die ASV weist auf ein nicht auszuschließendes Restrisiko hin, falls die Ausgleichsmaßnahmen ihre Funktion nicht erwartungsgemäß entwickeln.

Festgestellt werden kann, dass unter Berücksichtigung der Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr mit erheblichen Umweltauswirkungen auf Grund von kumulierenden Auswirkungen des Vorhabens gemeinsam mit anderen gleichartigen Vorhaben zu rechnen ist. Dass die Ausgleichsmaßnahmen nicht berücksichtigt werden dürfen, wie die Beschwerdeführer vermeinen, erweist sich dabei als Rechtsfrage. Zum Einwand, die Ausgleichsmaßnahmen könnten einem Hochwasserereignis zum Opfer fallen und hätten dann keine Wirkung mehr, ist den Angaben der Projektwerberin zu folgen, wonach ein solches Hochwasserereignis auch den Tamariskenbestand, der sich nicht durch die Ausgleichsmaßnahmen entwickelt hat, vernichten würde. Maßgeblicher ist dabei die Möglichkeit für die Pflanze, sich wiederanzusiedeln, was nach den Angaben der naturkundefachlichen ASV durch einen erhöhten Sameneintrag gerade durch die Ausgleichsmaßnahme gewährleistet sein wird. Darüber hinaus brachten die Beschwerdeführer keine fachlichen Argumente, warum die kumulativen Auswirkungen auf den Tamariskenbestand bzw. den FFH-LRT 3230 dennoch erheblich sein sollten. Das allgemein gehaltene Vorbringen, etwa der Hinweis auf die Fachliteratur und das Gutachten von XXXX (siehe nächster Absatz) sind nicht geeignet, einen substantiierten Einwand darzulegen. Die konkreten fachlichen Ausführungen der naturkundefachlichen ASV überzeugen daher als schlüssig und nachvollziehbar.

Aus dem Projekt und dem Gutachten der naturkundefachlichen ASV ergibt sich, dass das Projektsgebiet nicht in einem ausgewiesenen Natura-2000 liegt und auch nicht von den von der Tiroler Landesregierung nachnominierten Gebieten, insb. dem Gebiet Osttiroler Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach umfasst ist (vgl. auch https://www.tirol.gv.at/umwelt/naturschutz/natura2000-tirol ). Die Nachnominierung basiert insb. auf der Studie "Natura 2000 Nachnominierung Tirol, 3230 Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica" aus August 2014 von REVITAL (Oliver Stöhr).

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zuständigkeiten

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG i.V.m. § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 liegt Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Eine mündliche Verhandlung wurde von keinem Beschwerdeführer beantragt und erachtet auch das Bundesverwaltungsgericht eine solche nicht für erforderlich, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerden geklärt ist. Die mündliche Erörterung lässt eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten.

2.2. Beschwerdelegitimation

Bei allen Beschwerdeführern handelt es sich um anerkannte Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000. Das beabsichtigte verfahrensgegenständliche Vorhaben soll im Bundesland Tirol errichtet werden, welches sich mithin innerhalb des Tätigkeitsbereiches dieser anerkannten Umweltorganisationen befindet.

Sämtliche Beschwerden wurden rechtzeitig eingebracht und sind zulässig. Alle Beschwerden wurden als Anträge auf Überprüfung gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 tituliert, aus dem Inhalt der Beschwerden geht aber klar der Wille auf Erhebung einer Beschwerde nach der zitierten Bestimmung hervor. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vermag die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels allein dessen Unzulässigkeit nicht zu begründen und ist für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe vielmehr ihr Inhalt wesentlich (VwGH 26.02.2003, 2002/17/0279 und 0280, mwN). Die Überprüfungsanträge sind daher als Beschwerden gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 zu werten.

2.3. In der Sache

Die belangte Behörde hat zunächst rechtsrichtig erkannt, dass das Vorhaben nicht unter den Tatbestand der Z 30 lit. c des Anhangs 1 des UVP-G 2000 (Kraftwerkskette) fällt. Das Vorhaben erreicht zwar mit 5,8 MW die Engpassleistung von 2 MW. Das Einzugsgebiet umfasst 238,9 km², womit der erforderliche Mindestabstand zum nächsten Wehrbauwerk laut Fußnote 7 der zitierten Bestimmung 4 km haben muss, damit dieser Tatbestand nicht erfüllt ist. Der Abstand zum nächsten Fassungsbauwerk ist 6,5 km. Soweit bleiben die rechtlichen Ausführungen der belangten Behörde unbestritten.

Gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 hat die Behörde bei Vorhaben des Anhanges 1, die die dort festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen und mit diesen gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen, im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine UVP für das Vorhaben durchzuführen ist. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das beantragte Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 4 Z 1 bis 3 leg. cit. zu berücksichtigen.

Durch den Kumulationstatbestand können additive Effekte von Vorhaben bei einer Entscheidung über die UVP-Pflicht berücksichtigt werden, die in keinem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang miteinander stehen, aber im gleichen geographischen Gebiet (räumlicher Zusammenhang) ihre umweltbelastenden Wirkungen entfalten (Ennöckl/ Raschauer/ Bergthaler, UVP-G § 3 Rz 9).

Voraussetzung für die Anwendung des Kumulationstatbestandes ist zunächst, dass das beantragte Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang mit einem oder mehreren Vorhaben steht. Bei den Vorhaben muss es sich um gleiche Vorhabenstypen handeln. Bei der Prüfung des räumlichen Zusammenhangs hat die belangte Behörde richtigerweise auch geplante Kraftwerksprojekte mitberücksichtigt. Der Räumliche Zusammenhang ist dabei schutzgutbezogen zu beurteilen und wird je Belastungspfad und Schutzgut unterschiedlich weit sein (Schmelz/Schwarzer, UVP-G § 3 Rz 27). Weiters müssen die Vorhaben gemeinsam den Schwellenwert erreichen oder die Kriterien erfüllen, die in Anhang 1 für diesen Vorhabenstyp normiert sind. Die Kumulationsbestimmung verlangt somit, dass der einschlägige Schwellenwert des Anhangs 1 mit "anderen Vorhaben" iSd § 2 Abs. 3 UVP-G 2000 erreicht wird, gegenständlich also 15 MW iSd Z 30 lit. a des Anhangs 1 des UVP-G 2000.

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass weder aus wasserbautechnischer noch gewässerökologischer Sicht ein räumlicher Zusammenhang mit anderen Vorhaben schutzgutbezogen gegeben ist. Aus naturkundefachlicher Sicht werden aber kumulative Auswirkungen mit anderen Vorhaben im räumlichen Zusammenhang befürchtet, mit denen gemeinsam der Schwellenwert von 15 MW erreicht wird. Das Vorhaben selber erreicht auch 25 % des maßgeblichen Schwellenwerts. Eine Einzelfallprüfung war daher durchzuführen.

Die Behörde hat im Rahmen einer Grobprüfung zu prüfen, ob die Auswirkungen auf die Umwelt so erheblich sind, dass eine UVP erforderlich ist. Beurteilungsgegenstand der Einzelfallprüfung ist nicht, ob das Vorhaben an sich wesentliche Auswirkungen auf die Umwelt erwarten lässt, sondern ob aufgrund der Kumulierung der Auswirkungen mit solchen Auswirkungen zu rechnen ist (Ennöckl, RdU-UT 2009, 30; Raschauer, RdU-UT 2009, 22). Es ist zu fragen, ob aufgrund der Kumulierung erhebliche schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind.

Aus den Feststellungen zum Fachbereich Naturkunde ergibt sich zunächst, dass durch das gegenständliche Vorhaben in Verbindung mit anderen Vorhaben von erheblichen kumulativen Umweltauswirkungen auszugehen ist. Unter Berücksichtigung der Ausgleichsmaßnahmen "Schmittensteg" und "Görtschach" können diese Auswirkungen aber abgemindert werden. Unter der Voraussetzung der Erreichung der bei den Maßnahmen prognostizierten Ziele ist nicht mehr zu erwarten, dass die kumulierenden belastenden Umweltauswirkungen erheblich sind. Damit ist der Kumulationstatbestand des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 nicht erfüllt und keine UVP durchzuführen.

2.4. Zu den Beschwerden

2.4.1. Nicht nachvollziehbar ist das Vorbringen, es seien die Vorhaben KW XXXX, KW XXXX, KW XXXX und KW XXXX nicht bei der Prüfung der kumulierenden Auswirkungen berücksichtigt worden. Aus den Gutachten, insbesondere dem naturkundefachlichen Gutachten geht klar hervor, dass die genannten KW und noch anderen Vorhaben im räumlichen Zusammenhang Berücksichtigung fanden (vgl. Feststellungen/Beweiswürdigung Pkt. 1.5.).

Ebenso nicht nachvollziehbar ist, wenn die Beschwerdeführer monieren, dass andere Arten als die Deutsche Tamariske, zB die Koppe, nicht in die Kumulationsprüfung miteinbezogen wurden. Der Gutachtensauftrag an die naturkundefachliche ASV war, wie sich aus dem Verfahrensakt ergibt, nicht eingeschränkt und führt diese auf S. 7 ihres Gutachtens die Koppe an. Es ist daher sehr wohl davon auszugehen, dass die Koppe, wie auch alle anderen möglicherweise betroffenen Arten Berücksichtigung fanden. Richtig ist, dass die ASV, wie sich aus den Feststellungen ergibt, die Deutsche Tamariske als Beispiel für die kumulierenden Auswirkungen angeführt hat. Dem ist aus rechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, da es sich bei der Einzelfallprüfung um eine Grobprüfung handelt und nicht um eine abschließende Beurteilung der Umweltauswirkungen, sondern vorzugsweise um eine Fokussierung auf möglichst problematische Bereiche (BVwG 04.11.2014, W155 2000191-1, Hühnermast Gosdorf), wie die Behörde richtig ausführt. Die Beschwerdeführer belassen es hier auch bei der lapidaren Behauptung, andere Arten seien nicht geprüft worden und belegen dies weder auf fachlicher Ebene noch begründen diese näher. Die Behauptung blieb somit unsubstantiiert und ist ungeeignet, die durchgeführte Kumulationsprüfung in Frage zu stellen (vgl. VwGH 18.12.2012, 2009/07/0095).

2.4.2. Wenn die Beschwerdeführer vermeinen, die Ausgleichsmaßnahme "Schmittensteg" dürfe nicht in die Kumulationsprüfung miteinbezogen werden, sind dem die Ausführungen der Behörde entgegenzuhalten:

Ausgleichsmaßnahmen sind bei der Beurteilung über die zu erwartenden Umweltauswirkungen jedenfalls miteinzubeziehen (vgl. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066), sofern sie Projektsbestandteil sind. Die Behörde kann solche Maßnahmen von sich aus erst im Genehmigungsverfahren vorschreiben, insoweit liegen die Beschwerdeführer richtig. Wenn die Beschwerdeführer weiters monieren, die Ausgleichsmaßnahme "Görtschach" sei Bestandteil des Erweiterungsvorhabens des KW XXXX und deswegen nicht zu berücksichtigen, liegen sie falsch, da auch geplante Vorhaben (und damit auch dessen projektimmanente Ausgleichsmaßnahmen) im Feststellungsverfahren zu berücksichtigen sind (vgl. BVwG 26.06.2015, W113 2013215-1, Windpark Bärofen).

Dass die naturkundefachliche ASV auf das Restrisiko hingewiesen hat, die Ausgleichsmaßnahmen könnten nicht "funktionieren", bewirkt entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer nicht, dass daraus erhebliche kumulierende Umweltauswirkungen abgeleitet werden können. Zuvor legt sie nämlich klar dar, dass mit der Etablierung der Tamariske und dem FFH-LRT 3230 zu rechnen ist, wenn eine fachgerechte Umsetzung der Maßnahmen erfolgt und die Zielerreichung sichergestellt wird. Es ist davon auszugehen, dass eine fachgerechte Umsetzung der Projekte erfolgen wird, was im Rahmen eines begleitenden Monitorings und einer Kollaudierung (etwa nach § 121 WRG) sicherzustellen ist. Gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 führt die Einzelfallprüfung nur dann zu einer UVP-Pflicht, wenn mit erheblichen kumulierenden Umweltauswirkungen "zu rechnen" ist. Genau das trifft nach dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der naturkundefachlichen ASV aber unter Einbeziehung der Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr zu.

2.4.3. Zum Einwand der Beschwerdeführer, dass die erfolgte Nachnominierung eines Natura-2000 Gebietes Osttiroler Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach auch das Vorhabensgebiet umfassen müsse, ist auf die Feststellungen zu verweisen, wonach es sich beim Projektsgebiet nicht um ein ausgewiesenes Natura-2000-Gebiet handelt. Allerdings ist zu Zl. VV.13/4077 ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission (EK) gegen Österreich anhängig, im Rahmen dessen die EK einen Nachnominierungsbedarf erklärt hat. Die EK fordert ua. die Nachnominierung zusätzlicher Gebiete für den prioritären FFH-Lebensraumtyp 3230 - Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica für das Natura-2000-Netzwerk und nennt dabei das Gebiet "Öffentliches Wassergut der Isel und ihrer Zubringer Schwarzach, Tauernbach und Kalserbach". Die Tiroler Landesregierung hat mittlerweile ein Natura-2000-Gebiet Osttiroler Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach an die EK gemeldet, welches das Projektsgebiet nicht mitumfasst.

Nach der Judikatur des EuGH unterliegen "potenzielle FFH-Gebiete", die noch nicht in die von der EK festgelegten Liste der Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden sind, noch nicht direkt der Anwendung der in Art. 6 Abs. 2 bis 4 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, Amtsblatt der EG, L 206 vom 22.07.1992, S. 7, in der Fassung der Richtlinie 97/62/EG des Rates vom 27.10.1997, Amtsblatt der EG, L 305 vom 08.11.1997, S. 42. (kurz: FFH-RL) angeführten Schutzmaßnahmen. Sie sind nach der Rechtsprechung des EuGH und der Auffassung der EK aber trotzdem besonders geschützt (EuGH 13.01.2005, C-117/03 , Dragaggi; Donat, Schaufler RdU 2014/138; vgl. auch § 14 Abs. 11 Tiroler Naturschutzgesetz 2005).

Nun ist einerseits der Ausweisungsprozess abgeschlossen, aber andererseits ein Nachnominierungsbedarf seitens der EK nachhaltig dargelegt worden. Die Meldung des Natura-2000-Gebietes Osttiroler Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach an die EK impliziert, dass Flächen außerhalb des ausgewiesenen Gebietes - zumindest nach Ansicht der Tiroler Landesregierung - kein Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung iSd Phase 1 und 2 des Anhangs III der FFH-RL darstellen. Unabhängig davon, ob die EK nun mit der erfolgten Nachnominierung hinsichtlich des LRT 3230 einverstanden ist, sieht das Gericht keinen Anlass, nicht an der oben zitierten Judikatur des EuGH festzuhalten, wonach angemessene Schutzregelungen nur für jene Gebiete zu ergreifen sind, die vom Mitgliedstaat iSd Phase 1 des Anhangs III der FFH-RL in die "nationale Liste" aufgenommen worden sind oder bezüglich derer der Mitgliedstaat nicht bestreitet, dass ein Gebiet in die nationale Liste aufgenommen hätte werden müssen (EuGH 14.09.2006, C-244/05 , Naturschutzbund Bayern; 15.03.2012, C-340/10 , Kommission/Zypern). Mit dem Einwand, das Projektsgebiet hätte im nachnominierten FFH-Gebiet enthalten sein müssen, ist für die Beschwerdeführer also nichts gewonnen (vgl. dazu ausführlich BVwG 22.01.2016, W113 2017242-1, Windpark Handalm).

Dass der LRT 3230 dennoch im Rahmen der zu schützenden Biotoptypen als schützenswert erkannt wurde und daher Ausgleichsmaßnahmen zu dessen Erhalt bereits im Projekt enthalten sind, ergibt sich aus den Feststellungen. Die Beeinträchtigung dieser Art durch das Vorhaben wurde im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung auch ausreichend erfasst und beurteilt. Eine erhebliche Beeinträchtigung durch das Vorhaben wird unter Berücksichtigung der geplanten Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr erwartet. Darüber hinaus sind gemäß dem Tiroler Naturschutzgesetz in Verbindung mit der Tiroler Naturschutzverordnung sowohl einzelne Arten, wie sie Myricaria germanica, des Lebensraumtyps 3230 als auch der gesamte LRT 3230 geschützt.

2.4.4. Die Beschwerdeführer vermeinen, eine erhebliche Umweltauswirkung darin zu erblicken, dass gegen das Verschlechterungsverbot nach der WRRL verstoßen werde. Die Beschwerdeführer übersehen mit ihrem Vorbringen, dass es sich bei einer Verschlechterung des Gewässers durch das Vorhaben um eine rein vorhabensbedingte Beeinträchtigung handelt, diese aber nicht auf kumulierende Umweltauswirkungen zurückzuführen ist. Maßgeblich ist gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000, ob es durch die verschiedenen Eingriffe gleichartiger Vorhaben zu einer Überlagerung der Wirkungsebenen dieser Eingriffe im Sinne kumulativer und additiver Effekte kommen kann (vgl. Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP-G Kommentar³, § 3 Rz 10). Entscheidend ist jener Bereich, in dem sich die maßgeblichen Umweltauswirkungen der zu kumulierenden Vorhaben erwartungsgemäß überlagern werden. Auswirkungen, selbst erhebliche, des Vorhabens alleine sind in diesem Zusammenhang nicht relevant und führen nicht zur UVP-Pflicht.

Aus den Feststellungen ergibt sich darüber hinaus, dass eine Verschlechterung des Gesamtzustands oder alleine des ökologischen Zustands durch die Errichtung der Anlage nicht erwartet wird. Wenn die Beschwerdeführer vorbringen, es herrsche im betroffenen Gewässerabschnitt der "sehr gute" Zustand, sind dem die Feststellungen entgegen zu halten. Soweit sie auf die Entscheidung des EuGH vom 01.07.2010, Rs C-461/13 , Weser, verweisen und meinen, es dürfe keine einzige hydromorphologische Qualitätskomponente, verschlechtert werden, kann dies vor dem Hintergrund des vorhergehenden Absatzes dahingestellt bleiben.

2.4.5. Alleine deswegen die UVP-Pflicht festzustellen, damit die Beschwerdeführer eine Parteistellung im Verfahren haben, hätte eine rechtswidrige Entscheidung zum Inhalt und ist in diesem Zusammenhang auf das vom VwGH eingeleitet Vorabentscheidungsverfahren zur Frage der Parteistellung von Umweltorganisationen in wasserrechtlichen Verfahren hinzuweisen: VwGH 26.11.2015, EU 2015/0008-1 zu Ra 2015/07/0055.

Zu B) Ersatz der Verfahrenskosten der Projektwerberinnen

Im VwGVG ist mit §§ 35 und 52 ein Kostenersatz lediglich für Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und in Verwaltungsstrafsachen geregelt; sonstige Regelungen über die Kostentragung sind nicht statuiert. Nach der Grundregel des § 74 Abs. 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Im Anwendungsbereich des AVG gilt damit der Grundsatz der Kostenselbsttragung (VwGH 27.06.2007, 2005/04/0257; 02.05.2006, 2004/07/0089). Ein Kostenersatz zwischen den Beteiligten findet nur dort statt, wo er in der Verwaltungsvorschrift geregelt ist. Somit findet ein solcher gemäß § 74 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG nicht statt. Der Antrag der Projektwerberinnen war mangels Rechtsgrundlage abzuweisen.

Zu C) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es waren Tatsachenfragen zu beurteilen (etwa, dass keine kumulierenden erheblichen Umweltauswirkungen durch die Errichtung und den Betrieb des Vorhaben gemeinsam mit anderen Vorhaben iSd § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 zu erwarten sind) und weicht die zu Grunde gelegte Judikatur nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Zum Teil lassen sich die Rechtsfragen mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut lösen (dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich kein Kostenersatz stattfindet ergibt sich etwa aus 74 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG). Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Zu einer Rechtsfrage, ob das Vorhabensgebiet ein (potentielles) Natura-2000 Gebiet darstellt und daher einem besonderen Schutz unterliegt, ist auf die Judikatur des EuGH zu verweisen, wonach angemessene Schutzregelungen nur für jene Gebiete zu ergreifen sind, die vom Mitgliedstaat iSd Phase 1 des Anhangs III der FFH-RL in die "nationale Liste" aufgenommen worden sind bzw. der Mitgliedstaat nicht bestreitet, dass das Gebiet in die nationale Liste hätte aufgenommen werde müssen (EuGH 13.01.2005, C-117/03 , Dragaggi; 14.09.2006, C-244/05 , Naturschutzbund Bayern; 15.03.2012, C-340/10 , Kommission/Zypern).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte