AlVG §7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
AlVG §12
AlVG §7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:L503.2119521.1.00
Spruch:
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. ENZLBERGER und Mag. SIGHARTNER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS Salzburg vom 14.12.2015, GZ: XXXX , beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben
und die Angelegenheit gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS Salzburg zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gem. Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Mit Bescheid vom 29.9.2015 sprach das AMS aus, dass dem Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden kurz: "BF") vom 10.9.2015 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs 1 Z 1 und Abs 2 in Verbindung mit § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben werde.
Begründend führte das AMS nach Darstellung der einschlägigen Bestimmungen der §§ 7 und 12 AlVG aus, der BF sei Mitglied der Rechtsanwaltskammer München und unterliege in Deutschland der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung.
2. Im Akt befinden sich folgende Dokumente:
2.1. Im Akt befindet sich ein Antrag des BF auf Arbeitslosengeld vom 10.9.2015. Auf die Frage, ob er selbstständig erwerbstätig sei, gab der BF im Antragsformular an: "Bisher nur zur Standessicherung".
2.2. Im Akt befindet sich eine Auflösungsvereinbarung, geschlossen zwischen der Z. AG und dem BF, der zufolge das Dienstverhältnis mit dem BF mit Wirkung zum 4.8.2015 einvernehmlich aufgelöst wird.
2.3. Im Akt befindet sich ein Rechtsanwaltsausweis des BF, ausgestellt von der Rechtsanwaltskammer München, gültig bis zum 31.12.2016.
2.4. Im Akt befindet sich ein Protokoll über die niederschriftliche Befragung des BF vor dem AMS am 29.9.2015. Darin gab der BF zu Protokoll, er übe seit 1996 eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt in Deutschland aus; er sei in Deutschland in der Rechtsanwaltsversorgung pflichtversichert. Dem BF wurde daraufhin seitens des AMS mitgeteilt, dass Arbeitslosigkeit nicht vorliege, wobei der BF dazu angab, er vertrete eine andere Rechtsauffassung.
2.5. Im Akt befinden sich die Einkommensteuerbescheide des BF jeweils die Jahre 2010, 2011 und 2012 betreffend sowie eine "Einnahme-Überschussrechnung für 2013".
2.6. Im Akt befindet sich ein "Beitragsbescheid" der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (Bayerische Versorgungskammer) vom 9.1.2015, mit dem der Pflichtbeitrag des BF ab Jänner 2015 in einer Höhe von € 70,70 festgesetzt wird; dabei handelt es sich laut Begründung des Beitragsbescheids um den halben Mindestbeitrag, da der BF derzeit "keine berufliche Tätigkeit" ausübe. Im Akt befindet sich zudem ein "Versicherungsschein zur Krankenversicherung" der bayerischen Beamtenkrankenkasse vom 7.3.2015, mit dem der monatliche Gesamtbeitrag des BF ab 1.5.2015 in einer Höhe von € 255,06 festgesetzt wird.
2.7. Im Akt befindet sich schließlich ein Ausdruck zum bisherigen Versicherungs- und Bezugsverlauf des BF, wobei aus letzterem hervorgeht, dass der BF bislang keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat.
3. Mit Schriftsatz vom 17.10.2015 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 29.9.2015.
Eingangs hielt der BF in seiner Beschwerde fest, der Bescheid werde vollumfänglich angefochten, da dieser sowohl gegen nationales als auch gegen gemeinschaftliches Recht verstoße. Es werde "die Zuerkennung von Arbeitslosengeld ohne die Anrechnung von Einkünften in anderen Mitgliedstaaten der EU begehrt".
Begründend führte der BF sodann aus, am 29.9.2015 sei ihm anlässlich einer Vorsprache beim AMS mitgeteilt worden, dass die Pflichtversicherung in einer ausländischen Pensionsversicherung ein Ablehnungsgrund bezüglich der Zuerkennung von Arbeitslosengeld sein könne.
Der BF habe klargestellt, dass er seit 1996 Mitglied der Rechtsanwaltskammer München und als solches pflichtversichert in der ständischen Rentenversicherung (Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung) sei.
Es sei fraglich, ob diese Versicherung als Pensionsversicherung im Sinne von § 12 Abs 1 Z 2 AlVG zu verstehen sei; das österreichische Sozialversicherungssystem sei nämlich in weiten Bereichen anders geregelt als das deutsche, da nach deutschem Verständnis bei einem Syndikusanwalt sehr wohl ein Anspruch auf Arbeitslosengeld neben einer unselbstständigen Tätigkeit bestehen könne.
Nach österreichischem Verständnis hätte offenbar ein in Österreich unselbstständig beschäftigter Syndikusanwalt zu keiner Zeit Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Im Fall des BF liege allerdings keine Pflichtversicherung im Sinne von § 12 Abs 1 Z 2 AlVG vor, da es sich hier "nicht um die reguläre Rentenversicherung Deutschlands handle", sondern um eine ständische Versorgungskasse.
Doch selbst wenn die ständische Versorgungskasse als Pflichtversicherung im Sinne von § 12 AlVG zu verstehen wäre, sei im Vorgehen des AMS ein Verstoß gegen das "grundgesetzliche Gebot der Verhältnismäßigkeit" gegeben, da der BF im Zeitraum vom 1.9.2013 bis zum 4.8.2015 dann Beiträge zur österreichischen Sozialversicherung entrichtet hätte, ohne dass jemals ein Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte entstehen können. Sofern Beiträge erhoben würden, müsste zumindest die theoretische Möglichkeit bestehen, die entsprechenden Leistungen in Anspruch nehmen zu können.
Im Übrigen stelle der bekämpfte Bescheid insbesondere eine Verletzung von Art. 48 AEUV (Sicherstellung der Ansprüche und Leistungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit) dar. Es sei nämlich nicht zulässig, dass Arbeitnehmer, die in mehreren Mitgliedstaaten arbeiten - also von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben - Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, die ihnen die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats sichern (vgl. EuGH Rs. C-267/97 , Engelbrecht). Im Fall des BF werde eine sozialrechtliche Leistung nicht gewährt, weil er von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe. Andernfalls wäre nämlich ein Anspruch nach der deutschen Arbeitslosenversicherung entstanden.
Darüber hinaus lasse sich aus den Rechtssachen Engelbrecht und van Munster (Rs. C-165/91 ) ableiten, dass der Verlust oder die Kürzung einer sozialen Vergünstigung eines Arbeitnehmers nicht aufgrund unmittelbarer Verbindung der nationalen Rechtskreise geschehen dürfe.
Schließlich sei festzuhalten, dass im Lichte der EuGH-Urteile Engelbrecht und van Munster eine Anrechnung von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit nicht erfolgen dürfe. Diese Einkünfte seien Bestandteil eines anderen Sozialversicherungssystems und dürften nicht mehrfach berücksichtigt werden.
4. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 14.12.2015 wies das AMS die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 29.9.2015 im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ab.
Nach eingehender Wiedergabe der rechtlichen Argumentation des BF in seiner Beschwerde führte das AMS zum Sachverhalt aus, der BF sei vom 1.9.2013 bis zum 4.8.2015 bei der Firma Z. AG beschäftigt gewesen. Vom 5.8.2015 bis zum 5.9.2015 habe er eine Urlaubsersatzleistung erhalten. Am 10.9.2015 habe der BF beim AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt; in der mit dem BF vor dem AMS am 29.9.2015 aufgenommenen Niederschrift habe der BF angegeben, dass er seit 1996 eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt in Deutschland ausübe und daher in Deutschland in der Rechtsanwaltsversorgung pflichtversichert sei.
In rechtlicher Hinsicht verwies das AMS sodann insbesondere auf die Regelungen der §§ 7 und 12 AlVG sowie Artikel 5 lit b der VO (EG) 883/2004, wonach dann, wenn nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen hat, dieser Mitgliedstaat die in einem Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse berücksichtigt, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.
Subsumierend führte das AMS im Fall des BF aus, es stehe fest, dass er seit 1996 in Deutschland eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt ausübe und als solcher Mitglied der Rechtsanwaltskammer München sei. Als Mitglied der Rechtsanwaltskammer sei er in der ständischen Rentenversicherung der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung pflichtversichert.
§ 12 AlVG setze für Arbeitslosigkeit voraus, dass keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bestehe.
Da Art. 5 der VO (EG) 883/2004 die Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen, die rechtliche Auswirkungen in der Arbeitslosenversicherung haben, unabhängig davon verlange, ob sie in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat stattgefunden haben, seien vergleichbare Tatbestände nach § 12 AlVG in einem anderen EU-Staat bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen.
Die Pflichtversicherung in der ständischen Rentenversicherung der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung komme der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung der Versorgungseinrichtungen der österreichischen Rechtsanwaltskammern gleich. Im Übrigen würde bei einer Person, die der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung in der Versorgungseinrichtung einer österreichischen Rechtsanwaltskammer unterliege, Arbeitslosigkeit jedenfalls nicht vorliegen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH komme es schließlich bei Bestehen einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung für den Ausschluss der Arbeitslosigkeit auf die Höhe der Einkünfte nicht an (vgl. VwGH 2.5.2012, Zl. 2009/08/0155).
Folglich schließe die Pflichtversicherung in der ständischen Rentenversicherung bei der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung Arbeitslosigkeit aus.
5. Mit Schriftsatz vom 21.12.2015 stellte der BF fristgerecht einen Vorlageantrag.
In seinem Vorlageantrag verwies der BF zunächst auf die Begründung in seiner Beschwerde und gab sodann ergänzend an, in der bayerischen Versorgungskammer sei lediglich eine Mindestversicherung vorgelegen. Diesbezüglich lege er den Beitragsbescheid vom 9.1.2015 vor, auf dem sich der Hinweis "derzeit keine berufliche Tätigkeit" und "halber Mindestbeitrag wegen Vorliegen eines Befreiungstatbestandes" befinde; es liege somit in Deutschland keine Pensionsbeziehungsweise Rentenversicherung vor.
Der BF sei in Deutschland auch nicht krankenversichert gewesen; entsprechend zur Pensionsversicherung sei die Krankenversicherung stillgelegt worden. Es seien in der fraglichen Zeit lediglich Beiträge zur Anwartschaftsversicherung ohne Anspruch auf Übernahme von Heilbehandlungskosten geleistet worden; diesbezüglich lege er in Kopie den Versicherungsschein vom 7.2.2015 vor.
Aufgrund von Pflicht- und anderen Beiträgen im Rahmen der Tätigkeit als Rechtsanwalt habe der BF in den Jahren 2010 bis 2013 nur Verluste erlitten und lege er entsprechende Einkommensteuerbescheide vor.
Schließlich wies der BF darauf hin, dass er sowohl in Deutschland als auch in Österreich als Rechtsanwalt zugelassen gewesen beziehungsweise nach wie vor zugelassen sei. Allerdings seien "weder die ständische Versorgung noch Versicherung vergleichbar". Der BF sei daher trotz Mitgliedschaft in den berufsständischen Einrichtungen in Deutschland nicht sozialversichert und sei in Österreich somit Arbeitslosengeld zu gewähren.
6. Am 13.1.2016 legte das AMS den Akt dem BVwG vor. Anlässlich der Vorlage wurde darauf hingewiesen, dass sich der BF am 29.9.2015 von der Vormerkung abgemeldet und den Kontrollmeldetermin am 19.10.2015 nicht eingehalten habe. Im Übrigen verwies das AMS auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung und stellte den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der BF ging in Österreich zuletzt vom 1.9.2013 bis zum 4.8.2015 einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit als Angestellter (konkret: als angestellter Rechtsanwalt) nach.
Der BF ist nach wie vor Rechtsanwalt. Er entrichtet in Deutschland laufend Beiträge (da er laut aktuellem Beitragsbescheid vom 9.1.2015 derzeit "keine berufliche Tätigkeit ausübe" in Höhe des halben Mindestbeitrages - konkret € 70,70) an die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (Bayerische Versorgungskammer).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des AMS.
Die obigen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt - insbesondere dem Rechtsanwaltsausweis des BF, ausgestellt von der Rechtsanwaltskammer München und dem Beitragsbescheid der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung vom 9.1.2015 - sowie den eigenen Angaben des BF.
Die Feststellungen zur arbeitslosenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit des BF in Österreich zuletzt in der Zeit vom 1.9.2013 bis zum 4.8.2015 folgen unstrittig aus einem Ausdruck zum bisherigen Versicherungsverlauf des BF.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gem. § 56 Abs 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Das Vorschlagsrecht für die Bestellung der erforderlichen Anzahl fachkundiger Laienrichter und Ersatzrichter steht gem. § 56 Abs 4 AlVG für den Kreis der Arbeitgeber der Wirtschaftskammer Österreich und für den Kreis der Arbeitnehmer der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu; die vorgeschlagenen Personen müssen über besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung verfügen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28 VwGVG lautet auszugsweise:
[...]
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
[...]
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
3.2. Das AMS hat gegenständlich eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen und der BF hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt; gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Anders als in § 64a AVG tritt mit der Vorlage der Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft; Beschwerdegegenstand im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht soll die Beschwerdevorentscheidung sein (EB zur RV 2009 dB XXIV.GP, S. 5).
3.3. Zum Vorliegen von Arbeitslosigkeit:
3.3.1. § 12 AlVG lautet auszugsweise:
§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer
1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,
2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt [...]
3.3.2. Die VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit lautet auszugsweise:
Artikel 3
Sachlicher Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:
[...]
h) Leistungen bei Arbeitslosigkeit;
[...]
Artikel 5
Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen
Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:
a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.
b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.
3.4. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
3.4.1. Das AMS hat den verfahrensgegenständlichen Antrag des BF auf Arbeitslosengeld mit der Begründung abgewiesen, der BF sei aufgrund seiner Pflichtversicherung in der ständischen Rentenversicherung bei der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung nicht arbeitslos.
Gem. § 12 Abs 1 Z 2 AlVG ist Voraussetzung für das Bestehen von Arbeitslosigkeit unter anderem das Fehlen einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung. Entscheidungswesentlich ist somit, ob die Versicherung des BF in der ständischen Rentenversicherung bei der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung als Pflichtversicherung iSd § 12 Abs 1 Z 2 AlVG anzusehen ist.
In diesem Zusammenhang hat das AMS zunächst zutreffend auf Art 5 lit b der VO (EG) Nr. 883/2004 hingewiesen, demzufolge dann, wenn nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen hat, dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse berücksichtigt, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.
Folglich kommt es darauf an, ob in der obligatorischen Versicherung des BF in der ständischen Rentenversicherung bei der bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ein der österreichischen Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung iSd § 12 Abs 1 Z 2 AlVG "entsprechender Sachverhalt" zu erblicken ist.
3.4.2. Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung wird auf deren eigener Website (www.brastv.de , Abruf am 22.1.2016) auszugsweise wie folgt beschrieben:
Aufgabe
Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist Träger der berufsständischen Versorgung im Alter, bei Berufsunfähigkeit und für die Hinterbliebenen der Mitglieder.
Zuständigkeitsgebiet
Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist für Rechtsanwälte/innen sowie seit dem Jahr 2000 für die Steuerberaterinnen und Steuerberater in Bayern zuständig. [...]
Mitgliederkreis
Mitglieder sind obligatorisch die Mitglieder der Rechtsanwaltskammern der Oberlandesgerichtsbezirke München, Nürnberg und Bamberg.
Versorgungsleistungen
Das Versorgungswerk erbringt im Rahmen eines versicherungsaufsichtsrechtlich genehmigten Finanzierungsverfahrens beitragsbezogene Versorgungsleistungen:
* Altersruhegeld, auch in Form von vorgezogenem Altersruhegeld (mit versicherungsmathematischen Abschlägen),
* Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit im Anwalts- bzw. Steuerberaterberuf,
* Hinterbliebenenversorgung in Form von Sterbegeld, Witwen-/Witwergeld/ Partnerrente und Halb- bzw. Vollwaisengeld.
Organisation
Die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Rechtsbeziehungen beruhen auf dem Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen und der Satzung des Versorgungswerks. [...]
Aufsicht
Das Versorgungswerk unterliegt der Rechts- und der Versicherungsaufsicht. [...]
Die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) lauten wie folgt:
Art. 1
Rechtsform, Sitz, Geltungsbereich
(1) Bei der Bayerischen Versicherungskammer-Versorgung (Versorgungskammer) bestehen folgende rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (Versorgungsanstalten):
[...]
5. die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung
[...]
Art. 10
Satzung
(1) Die Versorgungsanstalten regeln ihre Angelegenheiten durch Satzung nach Maßgabe dieses Gesetzes.
[...]
Art. 30
Mitgliedschaft
(1) Bei den Versorgungsanstalten besteht Pflichtmitgliedschaft.
[...]
Art. 31
Beiträge, Überleitung
(1) Die Mitglieder sind nach Maßgabe der Satzung zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet. Die Satzung kann einkommensunabhängige Mindestbeiträge vorsehen.
[...]
Art. 32
Leistungen
(1) Die Versorgungsanstalten gewähren den Mitgliedern und ihren Hinterbliebenen nach Maßgabe der Satzung laufende Leistungen zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung sowie einmalige Leistungen. [...]
3.4.3. Im Vergleich dazu lauten die einschlägigen Bestimmungen zur österreichischen Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO auszugsweise wie folgt:
§ 49. (1) Die Rechtsanwaltskammern haben Einrichtungen zur Versorgung der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes des Rechtsanwalts oder des Rechtsanwaltsanwärters mit einer zu beschließenden Satzung zu schaffen und aufrechtzuerhalten.
[...]
(2) Beitragspflichtig sind grundsätzlich alle in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer oder in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte [...].
§ 50. (1) Jeder Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter sowie deren Hinterbliebene haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.
[...]
3.4.4. Zusammengefasst handelt es sich bei der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung durch die bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung um ein Versorgungswerk im Rahmen der berufsständischen Versorgung, das für Angehörige kammerfähiger freier Berufe aufgrund einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft Altersversorgung gewährt und ist diese Vorsorge klar von der (allgemeinen) deutschen Rentenversicherung auf Grundlage des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu unterscheiden.
Die Rechtslage in Österreich stellt sich ähnlich dar. Auch hier ist Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO eine Art Sonderversicherung, wobei der Träger der Versorgungseinrichtung nicht ein (dem Hauptverband angehörender) Sozialversicherungsträger, sondern die jeweilige Rechtsanwaltskammer selbst ist.
Insofern ist zu bejahen, dass die obligatorische Versicherung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ein der obligatorischen österreichischen Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung eines Rechtsanwalts gem. den §§ 49 ff RAO "entsprechender Sachverhalt" iSd Art 5 lit b der VO (EG) Nr. 883/2004 ist.
3.4.5. Vor diesem Hintergrund ist gegenständlich anhand der zur österreichischen Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen, ob es sich dabei tatsächlich um eine "Pflichtversicherung" in der Pensionsversicherung handelt, welche gem. § 12 Abs 1 Z 2 AlVG Arbeitslosigkeit ausschließt.
Die Frage, ob unter den Gesetzesbegriff "Pflichtversicherung" auch die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO zählt, hat der VwGH bereits - wenn auch nicht in Zusammenhang mit dem AlVG, sondern dem (damaligen) Bauern-Pensionsversicherungsgesetz und dem (aktuellen) GSVG - geklärt, wobei der VwGH zum Ergebnis gelangte, dass es sich bei der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung nach den §§ 49 ff RAO um keine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG handle, vgl. zuletzt wörtlich den VwGH in seinem Erkenntnis vom 20.3.2014, Zl. 2013/08/0026:
"Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 3 Abs. 1 des Bauern-Pensionsversicherungsgesetzes (B-PVG), BGBl. Nr. 28/1970, wonach Personen von der Pflichtversicherung nach § 2 B-PVG ausgenommen waren, die "auf Grund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in einer Pensionsversicherung pflichtversichert sind", mehrfach ausgesprochen, dass es sich bei der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte nach der RAO um keine Pensionsversicherung im Sinn dieser Bestimmung handelt (vgl. die Erkenntnisse vom 14. Dezember 1979, Zl. 2746/77, VwSlg. 9991 A, vom 22. Mai 1980, Zl. 0515/78, vom 7. November 1980, Zl. 1407/79, und vom 12. Februar 1987, Zl. 86/08/0237). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der statuierten Ausnahme von der Pflicht zur Sozialversicherung wieder nur um eine solche handeln könne; als Sozialversicherung könnten nur jene Versicherungen qualifiziert werden, deren Träger gemäß § 31 Abs. 1 ASVG im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zusammengefasst seien; dies seien die in den §§ 23 bis 25 ASVG genannten Träger der Sozialversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und die Träger der im § 2 Abs. 2 ASVG bezeichneten Sonderversicherungen. Da die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte im Katalog der Sonderversicherungen des § 2 Abs. 2 ASVG nicht aufscheine, handle es sich dabei um keine Sozialversicherung und damit um keine Pensionsversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 B-PVG.
Diese Überlegungen lassen sich sinngemäß auf die Auslegung des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG übertragen. Schon der Begriff "Pflichtversicherung" in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG spricht im gegebenen Zusammenhang dafür, dass dabei - so wie auch sonst bei der Verwendung dieses Begriffs in den Sozialversicherungsgesetzen - an die gesetzliche Sozialversicherung (im Sinn des Kompetenztatbestandes des Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG) und nicht an sonstige, allenfalls vergleichbaren Zwecken dienende Versorgungseinrichtungen gedacht war. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (886 BlgNR 20. GP , 110) belegen dies insofern, als dort - worauf auch die belangte Behörde zu Recht hingewiesen hat - ausdrücklich von einer Pflichtversicherung nach dem GSVG selbst oder "einem anderen Sozialversicherungsgesetz" die Rede ist.
Um ein solches handelt es sich bei der RAO bzw. den §§ 49 ff nicht. Die genannten Bestimmungen stützen sich auf den Kompetenztatbestand "Angelegenheiten der Rechtsanwälte" nach Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1979, B 39/77, VfSlg. 8703). Träger der Versorgungseinrichtung ist nicht ein (dem Hauptverband angehörender) Sozialversicherungsträger, sondern die jeweilige Rechtsanwaltskammer selbst. Dementsprechend scheint die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte (nach wie vor) nicht im Katalog der Sonderversicherungen des § 2 Abs. 2 ASVG auf."
Wesentlich ist hier somit, dass der VwGH in zitierten Erkenntnis vom 20.3.2014, Zl. 2013/08/0026, explizit aussprach, dass beim Begriff "Pflichtversicherung" (in § 2 Abs 1 Z 4 GSVG) "an die gesetzliche
Sozialversicherung ... und nicht an sonstige, allenfalls
vergleichbaren Zwecken dienende Versorgungseinrichtungen gedacht war", sodass die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte gem. §§ 49 ff RAO nicht darunter fällt.
In diesem Zusammenhang verkennt das BVwG nicht, dass die dargestellte Rechtsprechung zunächst zum Begriff der "Pflichtversicherung" im (damaligen) Bauern-Pensionsversicherungsgesetz und sodann zum (aktuellen) GSVG erging, wobei aber - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung zum Begriff der "Pflichtversicherung" iSd § 12 Abs 1 Z 2 AlVG besteht. Zudem verkennt das BVwG nicht, dass in § 2 Abs 1 Z 4 GSVG von "Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en)" die Rede ist, während § 12 Abs 1 Z 2 AlVG auf die "Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung" verweist. Dessen ungeachtet erhellt nach Ansicht des BVwG - insbesondere vor dem Hintergrund der klaren Ausführungen des VwGH in seinem Erkenntnis vom 20.3.2014, Zl. 2013/08/0026 -, nicht, warum der Begriff "Pflichtversicherung" in § 12 Abs 1 Z 2 AlVG anders ausgelegt werden sollte als in § 2 Abs 1 Z 4 GSVG.
3.4.6. Folglich schließt im Fall des BF - in Zusammenschau mit Art 5 lit b der VO (EG) Nr. 883/2004 - dessen "Pflichtversicherung" bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht aus und wurde sein Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld diesbezüglich zu Unrecht abgewiesen.
3.4.7. Da einerseits aus der Aktenlage nicht ersichtlich ist, ob im Fall des BF die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld im Einzelnen vorliegen - wodurch ein qualifiziert mangelhafter Sachverhalt im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 vorliegt - und andererseits das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld auch gar nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist, kann das BVwG hier nur mit einer Zurückverweisung im Sinne von § 28 Abs 3 VwGVG vorgehen.
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das AMS gem. § 28 Abs 3 letzter Satz VwGVG an die rechtliche Beurteilung durch das BVwG gebunden ist, was im konkreten Fall bedeutet, dass dem BF das Arbeitslosengeld nicht erneut unter Hinweis auf seine "Pflichtversicherung" bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung verweigert werden darf.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da in gegenständlicher Entscheidung für die Behörde bindend (§ 28 Abs 3 VwGVG) ausgesprochen wurde, dass die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung für Rechtsanwälte - sei es nun in Deutschland oder Österreich - keine "Pflichtversicherung" in der Pensionsversicherung im Sinne von § 12 Abs 1 Z 2 AlVG darstellt. Es besteht zwar eine klare Rechtsprechung des VwGH, dass unter "Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz" in § 2 Abs 1 Z 4 GSVG eben nicht die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung für Rechtsanwälte zu subsumieren ist, allerdings fehlt eine Rechtsprechung des VwGH dazu, ob dies auch für die "Pflichtversicherung" in der Pensionsversicherung im Sinne von § 12 Abs 1 Z 2 AlVG gilt, wenngleich ein derartiger Schluss nach Ansicht des BVwG naheliegend ist.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. Aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
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