BVwG G307 1428961-2

BVwGG307 1428961-212.8.2015

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:G307.1428961.2.00

 

Spruch:

G307 1428961-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX, geb. XXXX, StA. Albanien, gesetzlich vertreten durch die Mutter, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2015, Zl. 821012305 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 52 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 9 und § 55 FPG sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 als unbegründet a b g e w i e s e n .

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der minderjährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), gesetzlich vertreten durch die Mutter, stellte am 06.08.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF.

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesasylamtes, von der Mutter des BF als gesetzliche Vertreterin persönlich übernommen am 14.08.2012, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Albanien ausgewiesen (Spruchpunkt III).

3. Mit dem am 30.08.2012 beim Bundesasylamt eingebrachten und mit 27.08.2012 datierten Schriftsatz erhob die Mutter des BF Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesasylamt vorgelegt und sind am 05.09.2012 beim Asylgerichtshof eingelangt.

Mit Schreiben vom 15.09.2014 übermittelte die Mutter des BF dem Bundesverwaltungsgericht mehrere Dokumente, welche sich laut dem "XXXX" mit dem Mord an ihrer Mutter auseinandersetzten. Es werde ferner darin darauf hingewiesen, dass sich der BF noch niemals in Albanien befunden und somit keinerlei Bezug zu diesem Land habe. Auch in Bezug auf die Mutter des BF sei die Dauer der Abwesenheit von ihrem Heimatland und der Umstand zu berücksichtigen, dass sie ihre Probleme bis nach Griechenland verfolgt hätten.

4. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF und seine Mutter teilnahmen.

5. Mit Erkenntnis vom 01.06.2015, Zahl 1428961-1/10E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den unter Punkt 2. erwähnten Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idGF als unbegründet ab und verwies in Spruchpunkt II. das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF zurück.

Am 07.07.2015 fand vor dem BFA, Regionaldirektion Niederösterreich eine weitere Einvernahme des BF statt. Darin gab der BF an, er beherrsche die deutsche Sprache und wolle die Einvernahme in Deutsch durchführen. Er wisse nicht, ob sich Verwandte seiner Person in Österreich befänden. Er habe mit Angehörigen der Zeugen Jehovas Kontakt, habe bis dato zwei Jahre lang die "Neue Mittelschule" und einen polytechnischen Lehrgang in XXXX besucht. Derzeit lebe er von Sozialhilfe. Der BF sei gesund und lege dem BFA ferner eine Bestätigung über einen Englischkurs vor. Ferner spreche er Griechisch.

6. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 13.07.2015 erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005, erließ gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Begründend führte das BFA aus, der BF halte sich seit 05.08.2012 in Österreich auf, habe in Österreich, abgesehen von seiner Mutter, keine weiteren Familienangehörigen, seien im Verfahren zwar Deutschkenntnisse, aber weder eine legale, regelmäßige Erwerbstätigkeit noch Kursbesuche, ein Studium oder eine Tätigkeit in einem Verein hervorgekommen wie andere Aspekte einer schützenswerten Integration. Der BF habe auch keinen unter § 57 AsylG fallenden Sachverhalt geltend gemacht, sodass die Voraussetzung für die Erteilung einer diesbezügliche Aufenthaltsberechtigung nicht gegeben sei.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BFA sei der BF seit rund 3 Jahren im Bundesgebiet aufhältig, dies lediglich aufgrund der Asylantragstellung und nur vorübergehend. Der BF sei zwar der deutschen Sprache mächtig, übe aber keine regelmäßige, legale Beschäftigung aus. Der BF verfüge, abgesehen von seiner Mutter über keine privaten und familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Ferner seien keine Tatbestände einer außergewöhnlichen, schützenswerten Integration hervorgekommen. Er verfüge außerdem über keinen eigenen Wohnsitz.

7. Mit Schriftsatz, beim BFA eingebracht am 23.07.2015, erhob der BF Beschwerde gegen den soeben angeführten Bescheid. Darin wurde beantragt, die Rechtsmittelbehörde (gemeint wohl das Bundesverwaltungsgericht) möge den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde (gemeint wohl das BFA) dahingehend abändern, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und zur Verfahrensergänzung sowie neuerlichen Entscheidung an das BFA, RD NÖ zurückzuverweisen, in eventu die gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung aufzuheben, weil eine Rückkehr nach Albanien für den BF und seine Mutter eine reale Gefahr einer Verletzung der Art 2 und 3 EMRK bedeute, in eventu die Ausweisungsentscheidung zu beheben, jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen.

Inhaltlich wurde ausgeführt, der BF rufe nochmals in Erinnerung, dass er 1999 in Griechenland geboren sei, sich noch niemals in Albanien befunden hätte und auch die dort gesprochene Sprache nicht beherrschte. Dieser Umstand habe keinerlei Eingang in die Feststellungen und die Beweiswürdigung des bekämpften Bescheides gefunden. Ebenso wenig die Tatsache, dass sowohl dem BF wie auch seiner Mutter jegliches soziales Netz fehle und beide keinerlei Anknüpfungspunkte mehr nach Albanien hätten. Die Mutter des BF selbst sei das letzte Mal vor 18 Jahren in ihrer Heimat gewesen.

Unter Hinweis auf Art 8 Abs. 2 EMRK stellte eine Rückführung nach Albanien eine reale Gefahr für Leben und Leben (gemeint wohl Leib und Leben) im Sinne der EMRK dar. Der BF beantrage daher die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, um seine Fluchtgründe noch einmal vor einem unabhängigen Richter oder einer Richterin persönlich und unmittelbar schildern und glaubhaft machen zu können.

8. Die diesbezügliche Beschwerde wurde am 27.07.2015 vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und ist dort am 29.07.2015 eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF behauptet, XXXX zu heißen und am XXXX in XXXX (Albanien) geboren zu sein. Der BF ist Staatbürger der Republik Albanien.

Der BF ist (leiblicher) Sohn der XXXX, geb. am XXXX, StA: Albanien. Der BF lebt in Österreich mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt. Er hält sich seit 06.08.2012 in Österreich auf.

Der BF verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache und ist strafrechtlich unbescholten. Er geht keiner Beschäftigung nach, ist nicht Mitglied in einem Verein, hält jedoch Kontakt zu Angehörigen der Zeugen Jehovas.

Der BF ist gesund.

Der BF verfügt - abgesehen von den soeben genannten Familienmitgliedern - über keine weiteren verwandtschaftlichen oder sonstigen Bindungen zu anderen Personen in Österreich. Er lebt von der staatlichen Grundversorgung.

1.2. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des BF nach Albanien gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.3. Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort) und Staatsbürgerschaft des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.

Der BF hat der Behörde einen albanischen Reisepass im Original vorgelegt, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Der Umstand der guten Deutschkenntnisse ergibt sich aus den Einvernahmen vor dem BFA und der Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.

Der Aufenthalt des BF seit 06.08.2012 folgt aus dem Akt des BFA und den eigenen Ausführungen des BF.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand, den integrationsrelevanten Umständen sowie den familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat beruhen auf den eigenen Angaben des BF.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit beruht auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich).

Die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und in Österreich beruhen auf den Angaben des BF.

Die fehlende Beschäftigung und der Bezug von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung beruht auf den Angaben des BF, dem Sozialversicherungsdatenauszug sowie einem Auszug aus dem staatlichen Grundversorgungssystem.

2.4. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

2.4.1. Das Vorbringen des BF zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht auf den Angaben der Mutter des BF in der Erstbefragung, in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt, den Ausführungen in der Beschwerde, dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung und der eigenen Einvernahme vor dem BFA am 07.07.2015.

Soweit von Seiten der Mutter des BF vorgebracht wurde, sie habe sich seit 18 Jahren nicht in Albanien befunden, ist in dieser Behauptung allein kein Anhaltspunkt zu erblicken, der für sie und den BF im Falle einer Rückkehr eine Gefahr nach Art 2 oder 3 EMRK mit sich brächte. Wie die Mutter des BF im Übrigen selbst ausführte, arbeitete sie auch in Albanien als Kellnerin und stehen einer Rückkehr die Arbeitsfähigkeit und ihr Gesundheitszustand wie jener des BF nicht entgegen. Ferner leben Onkel und Tante des BF im Heimatland. Zu berücksichtigen ist weiters, dass der BF ausschließlich mit seiner Mutter ausgereist ist. Somit gibt es keine weiteren Mitglieder der Kernfamilie und ist nicht von deren Zerrüttung im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat auszugehen. Was die diesbezügliche Prüfung betrifft, lässt das Gesetz - auch im Hinblick auf den Umstand, dass der BF in Griechenland aufgewachsen ist - begrifflich keinen Spielraum, beziehen sich sowohl § 52 (Rückkehrentscheidung) als auch § 46 FPG (Abschiebung) auf den Herkunftsstaat.

Somit ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie vermeint, der BF verfüge im Bundegebiet - abgesehen von seiner Mutter - über keine weiteren Verwandten oder sonstigen Kontaktpersonen.

2.4.2. Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien ergibt sich daraus, dass der BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus von der BF zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre (§ 52 Abs. 9 FPG).

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1 Die gegenständliche - noch an den Asylgerichtshof gerichtete - Beschwerde wurde am 27.07.2013 beim Bundesamt eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 29.07.2015 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, so ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde; § 73 AVG gilt.

Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 hat das BFA über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30.10.2007, Zahl B 1150/07 erwogen:

Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht wäre dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer dem Art 8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art 8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art 8 Abs 2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hätte (vgl. VfSlg. 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erk. VfSlg. 17.340/2004 ausführte, darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Auszuweisenden verletzt würde. Diese Rechtsansicht entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR; vgl. die Urteile des EGMR 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 27.1.2006, Fall Aristimuño Mendizabal, Appl. 51.431/99, newsletter 2006, 18 u.a.).

Der EGMR hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

3.2.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF konnte keine intensive Beziehung zu in Österreich lebenden Verwandten darlegen und verfügt - abgesehen von seiner Mutter - über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Der BF vermochte bis dato keine eigenen, genügenden Existenzmittel in Österreich nachzuweisen. Der BF lebt seit Anfang August 2012, somit seit rund 3 Jahren in Österreich. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Der BF verfügt zwar über gute Deutschkenntnisse. Dieser Umstand vermag jedoch - auch in Verbindung mit der strafrechtlichen Unbescholtenheit - die sonstigen fehlenden Integrationsmomente nicht aufzuwiegen. Der BF pflegt in Österreich auch sonst keine nennenswerten sozialen Bindungen. Der BF war lediglich seines bis dato bestehenden Asylwerberstatus in Österreich aufenthaltsberechtigt. Sein Aufenthaltsstatus war daher bisher als unsicher zu qualifizieren.

Bei näherer Betrachtung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG für die Integration normierten Elemente fallen die Art des Aufenthalts als bisheriger Asylwerber sowie der erst kurze Aufenthalt im Bundesgebiet ins Auge.

Die Beschwerde vermochte dem Bescheid des BFA im Hinblick auf die unzureichende Integration des BF nichts entgegenzusetzen. Ferner vermag der in der Beschwerde angeführte ausschließliche Aufenthalt des BF in Griechenland an einer mangelnden Integration nichts zu ändern, ist die Prüfung der Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat vorzunehmen.

Was die Art des Aufenthalts betrifft, so ist der aktuelle Aufenthalt des BF asylbedingt, was seinen Integrationsgrad relativiert.

Die Bindungen zum Heimatstaat sind zwar vor dem Hintergrund des langjährigen Aufenthalts in Griechenland als sehr lose zu betrachten. Dem gegenüber ist jedoch hervorzuheben, dass dieser Anhaltpunkt die anderen Umstände fehlender Integration (Sprache, soziale Bindungen, fehlende Beschäftigung) nicht aufzuwiegen vermag. Der BF ist mit seiner Mutter ausgereist, gibt es keine weiteren Angehörigen der Kernfamilie und ist deren Zusammenleben weder durch den gemeinsamen Aufenthalt in Österreich noch durch eine allfällige Rückreise nach Albanien als aufgehoben anzusehen.

Im Übrigen musste sich der BF zu jeder Zeit seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die belangte Behörde ist des Weiteren auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände des BF zu Recht davon ausgegangen, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist.

Auch Umstände, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen nicht vor.

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Albanien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht behauptet.

3.2.4. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 52 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 9 FPG idgF sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Die Abs. 1 und 3 des mit "Frist für die freiwillige Ausreise" betitelten § 55 FPG lauten:

"§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt."

Da dem gegenständlichen Sachverhalt keine besonderen Umstände zu entnehmen sind, welche für die Einräumung einer längeren als der 14tätigen Frist zur freiwilligen Ausreise sprächen, war von dieser Zeitspanne nicht abzuweichen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,

Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen

Die für die Beurteilung des Sachverhalts maßgebenden Umstände sind dem Akteninhalt erschöpfend zu entnehmen. So wurde nicht nur vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung in enger zeitlicher Nähe zur gegenständlichen Entscheidung abgehalten, in welcher auch die persönlichen Verhältnisse des BF behandelt wurden, sondern wurde der aktuelle Sachverhaltsstand im Rahmen einer neuerlichen Befragung des BF vor dem BFA am 07.07.2015 nochmals erörtert. Seitdem haben sich keine erkennbaren Änderungen des Sachverhalts ergeben, weshalb von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 2 BFA-VG iVm 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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