BVwG W184 2014450-1

BVwGW184 2014450-17.1.2015

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61
AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W184.2014450.1.00

 

Spruch:

W184 2014450-1/5E

W184 2014451-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX StA. Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2014, Zl. 13-820152704/14893781 (zu 1.), Zl. 13-820152802/14893820 (zu 2.), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005, § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerinnen brachten nach der Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.08.2014 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerinnen bereits am 10.02.2009 und am 03.02.2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

Bei der Erstbefragung am 21.08.2014 gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie sei am 08.08.2014 mit ihrer Tochter nach Polen geflogen; nach einer Stunde Aufenthalt im Transitbereich seien sie mit einer anderen Fluglinie nach Österreich weitergeflogen. Ihren Reisepass habe sie in XXXX weggeworfen. Vom 08.08.2014 bis 19.08.2014 habe sie sich bei einer bekannten Familie aufgehalten, weil es ihr psychisch nicht gut gegangen sei. Aus ihrem Heimatland sei sie geflohen, weil ihr Bruder, der Polizist sei, am XXXX seine Ehefrau und seinen Bruder erschossen habe. Die Cousine der Erstbeschwerdeführerin habe diese einige Tage danach angerufen und ihr mitgeteilt, dass die Familie der Ehefrau an ihr Blutrache üben wolle. Hinsichtlich der Fluchtgründe ihrer Tochter führte sie aus, dass für diese ihre Angaben gelten würden, ihr Kind habe keine eigenen Fluchtgründe. Im Jahr 2009 sei sie das erste Mal aus Georgien geflüchtet, sie habe in Österreich bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt, welche negativ entschieden worden seien. Am 06.05.2012 sei sie freiwillig mit ihrer Tochter nach Georgien gereist, wo sie bis zur neuerlichen Ausreise im August auch geblieben seien. Bei ihrem ersten Antrag in Österreich habe sie einen anderen Namen angegeben, weil sie Angst gehabt habe, wieder nach Georgien zurückkehren zu müssen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 28.08.2014 ein auf Art. 34 Dublin III-Verordnung gerichtetes Informationsersuchen an Polen. Mit Schreiben vom 08.09.2014 teilte Polen mit, dass die Beschwerdeführerinnen bei ihrer Einreise nach Polen am 08.08.2014 ein niederländisches Visum gehabt hätten. Das Bundesamt richtete sodann am 07.10.2014 ein auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an die Niederlande. Mit einem Schreiben vom 14.10.2014 stimmten die Niederlande dem Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.

Nach der Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005, dass das Bundesamt Konsultationen mit Polen führe, brachten die Beschwerdeführerinnen in einer Stellungnahme vom 04.09.2014 vor, dass ein einstündiger Aufenthalt im Transitbereich nicht als Einreise nach Polen im Sinn der Dublin III-Verordnung zu verwerten sei. Es bestehe kein Anknüpfungspunkt für eine Zuständigkeit Polens.

Am 07.10.2014 wurde den Beschwerdeführerinnen, nicht jedoch deren Rechtsanwalt, eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ausgehändigt, dass das Bundesamt seit diesem Tag Konsultationen mit den Niederlanden führe.

Der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerinnen teilte mit E-Mail vom 21.10.2014 dem Bundesamt mit, dass ihn die Beschwerdeführerinnen über den Einvernahmetermin am 23.10.2014 informiert haben, und ersuchte um Zustellung einer Ladung. Mit einem weiteren Schreiben wurde die Gewährung von Akteneinsicht beantragt.

Bei der Einvernahme durch das Bundesamt am 23.10.2014 gab die Erstbeschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsberaterin im Wesentlichen an, dass sie Beruhigungsmittel nehme, ansonsten gehe es ihr gut, sie stehe nicht in medizinischer Behandlung. In Österreich lebe sie mit keiner Person in einer Familiengemeinschaft. Nach Vorhalt der beabsichtigen Überstellung in die Niederlande erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass sie auf Grund ihres Germanistikstudiums sehr gut Deutsch spreche und deshalb gut integriert sei. Auch ihre Tochter würde bereits gut Deutsch sprechen, schon bei ihrem ersten Aufenthalt sei sie hier in den Kindergarten gegangen. In Österreich würden sie sich sicher fühlen und bekämen sie Unterstützung.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden I. die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Niederlande gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zur Prüfung der Anträge zuständig sind, sowie II. die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerinnen gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen in die Niederlande gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Diese Bescheide legen in der Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

"Allgemeines zum Asylverfahren

Die Einreise in die Niederlande und die Gewährung von Asyl werden im Aliens Act 2000, der mit 1. April 2001 in Kraft trat, geregelt. Weitere Bestimmungen hierzu sind der General Administrative Law Act und der Act of the Agency of Reception (AIDA 2.7.2014).

Zuständig für das Asylverfahren ist der Immigration and Naturalisation Service (IND). Um einen Asylantrag einbringen zu können, muss sich der Asylwerber (AW) bei der Fremdenpolizei in Ter Apel oder am Flughafen Schipol melden. Dort wird der AW erkennungsdienstlich behandelt und seine Identität festgestellt. Das dauert normalerweise nicht länger als zwei Tage. Während dieser Zeit wird der AW in der benachbarten Zentralen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Ist der AW per Flugzeug eingereist, ist bei der Royal Netherlands Marechaussee (niederländischer Grenzschutz) Meldung zu erstatten und wird er dann in das Schipol Aufnahmezentrum gebracht (IND o.D.).

Das reguläre Asylverfahren besteht aus einem verkürzten und einem erweiterten Verfahren. Jeder Asylantrag durchläuft zuerst das verkürzte Verfahren. Dabei entscheidet der IND, ob Asyl gewährt/abgelehnt oder ob der Antrag in das erweiterte Verfahren übergeleitet werden soll (AIDA 2.7.2014). Das verkürzte Asylverfahren dauert üblicherweise nicht länger als acht Tage, kann aber in Ausnahmefällen bis zu 14 Tage betragen (IND o.D.). Erfüllt der Asylwerber die Voraussetzungen für Asyl nicht, wird ihm am fünften Tag schriftlich die Absicht mitgeteilt, ihn negativ zu bescheiden. Auf diese Absicht können der AW und sein Anwalt reagieren. Danach entscheidet der IND, ob die Absicht fallen gelassen wird oder ein negativer Bescheid ergeht.

Ein negativer Bescheid ergeht nicht später als am achten Tag des verkürzten Verfahrens. Eine Beschwerde dagegen kann vor Gericht eingebracht werden (AIDA 2.7.2014).

Wenn mehr Zeit für Nachforschungen gebraucht wird, wird das Verfahren in das erweiterte Verfahren übergeleitet. Eine Entscheidung ergeht dann innerhalb von maximal 6 Monaten, eine Verlängerung um maximal 6 Monate ist möglich. Der AW wird dann in eine andere Einrichtung gebracht. Telefonische Auskünfte über den Stand des Verfahrens können der AW oder sein Rechtsbeistand jederzeit einholen. AW, die sich im erweiterten Verfahren befinden, erhalten einen Ausweis, das sogenannte "W-Dokument", das ihren legalen Aufenthalt in den Niederlanden bescheinigt. Nach Ablauf der ersten sechs Monate des Verfahrens darf der AW für 24 Wochen im Jahr arbeiten (IND o.D.).

Gegen einen negativen Bescheid des IND im verkürzten Verfahren kann innerhalb einer Woche Beschwerde eingelegt werden. Der AW darf während dieser Beschwerde aber nur im Land bleiben, wenn er vor Gericht aufschiebende Wirkung beantragt.

Gegen einen negativen Bescheid im erweiterten Verfahren kann innerhalb von vier Wochen Beschwerde eingelegt werden. Während dieses Verfahren läuft, darf der AW im Land bleiben. Die Beschwerde bzw. der Antrag auf aufschiebende Wirkung sind kostenlos. Entscheidet das Gericht negativ, muss der AW das Land verlassen (IND o. D.).

Alle Entscheidungen der Gerichte, bei denen Beschwerde eingelegt werden kann, können sowohl seitens des IND als auch des AW beim sog. Council of State beeinsprucht werden. Allerdings haben solche Einsprüche keine aufschiebende Wirkung. Um sicherzustellen, dass ein AW nicht vor einem Urteil das Land verlassen muss, ist eine einstweilige Verfügung des Council of State notwendig (AIDA 2.7.2014)

Quellen

Eurostat (24.3.2014): Pressemitteilung 46/2014 ...;

AIDA - Asylum information database (2.7.2014): Regular procedure Netherlands ...;

IND - Immigration and Naturalisation Service (o.D.): Asylum ...

Dublin-Rückkehrer

Ein Asylwerber, dessen Verfahren die Niederlande zu führen haben und der im Rahmen der Dublin-Verordnung übernommen wird, hat Zugang zum ordentlichen (verkürzten bzw. erweiterten) Asylverfahren. Auch ist der IND für das gesamte Asylverfahren zuständig. Im Falle eines "take back"-Verfahrens kann der AW einen neuen Antrag stellen, wenn sich neue Umstände ergeben haben. Diese werden dann als Folgeanträge behandelt. In "take charge"-Fällen muss der AW einen Asylantrag stellen, wenn dieser internationalen Schutz gewährt haben will. Eine Ablehnung eines Asylantrags aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates kann bei einem regionalen Gericht beeinsprucht werden, wobei ein solcher Einspruch im Gegensatz zum normalen erweiterten Verfahren keine aufschiebende Wirkung hat. Jedoch kann auch in solchen Fällen ein Anwalt das Gericht um eine einstweilige Verfügung ersuchen. Wird diesem stattgegeben, hat der AW das Recht auf weitere Versorgung. Grundsätzlich wird seitens des Gerichts im Falle einer Überstellung entsprechend der Dublin-Verordnung auf eine mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK, auf das Niveau bei den Aufnahmeeinrichtungen und auf prozedurale Garantien im jeweiligen Mitgliedstaat Bedacht genommen (AIDA 2.7.2014).

Dublin-Rückkehrer haben dieselben Rechte wie andere Asylwerber und können einen Folgeantrag einbringen, wenn sie wollen. Dieser wird wie der Folgeantrag eines Nicht-Dublin-Rückkehrers behandelt. Das heißt, wenn der Folgeantrag keine neuen Elemente enthält, wird der Antrag unter Verweis auf die Entscheidung im ersten Verfahren abgewiesen. Werden neue Elemente vorgebracht, wird der Antrag vollständig geprüft (IND 11.1.2012).

Grundsätzlich haben AW im Dublin II-Verfahren Zugang zum ordentlichen Asylverfahren in den Niederlanden, insbesondere diejenigen, die vorher noch keinen Asylantrag gestellt hatten, sogenannten "take charge" Fälle. AW, die bereits einen Asylantrag in den NL gestellt hatten und die während des Asylverfahrens die NL verließen ("take back"-Fälle), müssen einen neuerlichen Antrag stellen, in dem neue Fakten und Umstände anzuführen sind, die einen solchen rechtfertigen würden (ECRE 3.2006).

Quellen

AIDA - Asylum information database (2.7.2014): Regular procedure Netherlands ...;

ECRE - European Council on Refugees and Exiles (3.2006): Report on the Application of the Dublin II Regulation in Europe ...;

IND - Immigration and Naturalisation Service (11.1.2012):

Anfragebeantwortung, per Email

Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA)

Grundsätzlich werden alle Asylwerber dem gleichen Asylverfahren unterzogen. Eine spezielle Behandlung gibt es allerdings für unbegleitete Minderjährige, die beim ersten Asylantrag nicht älter als 15 Jahre sind und wenn es offensichtlich ist, dass solche AW ohne deren eigenes Verschulden innerhalb von drei Jahren nicht in das Herkunftsland zurückgebracht werden können. Der IND stellt dabei eine Asylaufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis für UMAs aus. AW, die älter als 15 Jahre sind, bekommen alle notwendigen Hilfen im Falle einer negativen Asylentscheidung zur Rückkehr. Ist diese nicht möglich, können sich auch solche AW, wie Erwachsene, für eine reguläre Aufenthaltserlaubnis qualifizieren (IND o.D.).

AW unter 18 Jahren werden als unbegleitete Kinder eingestuft. Bestehen Zweifel über das Alter, wird eine entsprechende Röntgenuntersuchung durchgeführt. UMAs unter 12 Jahren können einen Asylantrag nur durch einen Rechtsvertreter oder Vormund stellen. Ein Vormund wird von NIDOS, einer Organisation, die für die Bereitstellung von Kindesbetreuern zuständig ist, bestellt. Kinder von 13 bis 18 Jahren werden zuerst in einer sogenannten Process Reception Location (POL) untergebracht, danach bei Pflegefamilien oder in Kleinsiedlungen (AIDA 2.7.2014).

Quellen

IND - Immigration and Naturalisation Service (o.D.): Asylum ...;

AIDA - Asylum information database (2.7.2014): Regular procedure Netherlands ...

Non-Refoulement

Entscheidungen über Deportationen in Länder oder Gebiete, in denen laut Einschätzung der Spezialisten ein Schutz vor Verfolgung nicht gesichert werden kann, werden nur in enger Zusammenarbeit mit dem Außenministerium und internationalen Menschenrechtsorganisationen durchgeführt. Auch versicherten die Behörden, dass keine Rückführungen stattfinden, wenn der AW bei der Rückkehr inhaftiert werden würde (USDOS 27.2.2014).

Ein AW kann eine Aufenthaltserlaubnis auf Basis der GFK, aus besonderen humanitären Gründen (z. B. aufgrund traumatischer Erfahrungen) und wenn eine Rückkehr diesen einem besonderen Risiko aussetzen würde (z. B. aufgrund kriegerischer Handlungen), erhalten (Refworld 3.2004).

Quellen

USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013 - Netherlands ...

Versorgung

Grundversorgung

Die Central Agency for the Reception of Asylum Seekers (COA) ist für die Unterbringung und die Versorgung der grundlegenden Bedürfnisse von Asylwerbern während ihres Asylverfahrens verantwortlich. Die erste Unterkunft für AW ist das Aufnahmezentrum Ter Apel. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird der AW in eine Unterkunft der COA verlegt. Dabei erhalten diese von den Angestellten in den Unterbringungszentren Hilfe und Unterstützung je nach Stand ihres Verfahrens. Zusätzlich gibt es entsprechende Unterstützung und Informationen hinsichtlich Integration oder Rückkehr in das Herkunfts- oder Drittland. Die Unterbringungszentren der COA sind in den gesamten Niederlanden zu finden (COA o.D.).

Sowohl im verkürzten als auch im erweiterten Verfahren besteht das Recht auf weitere Versorgung im Falle einer negativen Asylentscheidung durch den IND für weitere 4 Wochen. Grundsätzlich endet dieses Recht nach Ablauf dieser Zeitspanne. Diese kann jedoch, im Falle eines erhobenen Einspruchs bis zur Entscheidung des Gerichts darüber, mittels einer einstweiligen Verfügung nochmals verlängert werden (AIDA 2.7.2014).

Quellen

COA - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.): Asylum Seekers ...;

AIDA - Asylum information database (2.7.2014): Regular procedure Netherlands ...

Medizinische Versorgung

Die Gesundheitsversorgung für Asylwerber wird in den Niederlanden durch das Gesundheitszentrum für Asylwerber (Gezondheidscentrum asielzoekers, GC A) bewerkstelligt. Wenn ein AW zum ersten Mal in ein Asylzentrum kommt, wird eine medizinische Eingangsuntersuchung angeboten, um Behandlungserfordernisse frühzeitig zu erfassen. Kosten für Übersetzer werden mit dem COA verrechnet. Außenstellen des GC A finden sich in oder bei jedem Asylwerberzentrum an insgesamt rund 40 Orten. Ein Allgemeinmediziner, eine Krankenschwester und ein psychologischer Berater oder medizinischer Assistent stehen dort zur Verfügung. In den Zentren wird zu fixen Zeiten ordiniert und jeder AW kann diese besuchen oder sich einen Termin ausmachen. Zu jeder Zeit (24 Stunden / 7 Tage die Woche) steht die Telefon-Hotline zur Verfügung, wo Fragen gestellt, Termine ausgemacht und Taxifahrten organisiert werden können. Die Behandlung ist dieselbe wie für niederländische Bürger, erweitert um besonderes Augenmerk auf sprachliche und kulturelle Unterschiede, die Lebenssituation von AW, das Asylverfahren und deren besonderen Bedürfnisse. Seit 2010 bietet GC A primäre psychologische Versorgung durch die psychologischen Berater an, die ebenfalls zu Ordinationszeiten anwesend sind (GCA o.D.).

Quellen

GCA - Gezondheidscentrum asielzoekers (o.D.): How does the GC A work

...

Unterbringung

Die wichtigsten Regelungen für die Aufnahme von Asylwerbern sind wesentlich im sogenannten Central Agency Act for the Reception of Asylum Seekers festgelegt. Die Regelung über die Unterstützung für Asylwerber aus dem Jahr 2005 basiert auf diesem Gesetz und legt fest, wer dazu berechtigt ist und wer davon ausgenommen wird. Dabei besteht der Grundsatz, dass alle mittellosen AW ein Recht auf Unterbringung und materielle Versorgung haben (AIDA 2.7.2014).

AW, denen ein Schutzstatus verweigert wurde, können noch weitere 4 Wochen in einem Asylwerberzentrum verbleiben. Wenn es nötig ist, ist ein zusätzlicher Aufenthalt in einer sogenannten freedom restricting location für weitere maximal 12 Wochen möglich. Während dieser Zeit muss die Heimreise ins Herkunftsland organisiert werden. Dies wird allerdings bei Ex-AWs, wenn gewichtige medizinische Gründe vorliegen, nicht durchgeführt (COA o.D.).

Quellen

AIDA - Asylum information database (2.7.2014): Regular procedure Netherlands ...;

COA - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.): Asylum Seekers ...

Schutzberechtigte

Nach Auskunft des IND (Immigration and Naturalisation Service) haben anerkannte Flüchtlinge und Begünstigte bezüglich eines internationalen Schutzes vollen Zugang zum niederländischen Wohlfahrtssystem (medizinische, soziale und finanzielle Zuwendungen) (IND 12.8.2014).

Nach den Bestimmungen des Aliens Act 2000 erhalten alle anerkannten Flüchtlinge die gleiche Art einer Aufenthaltsberechtigung (Refworld 3.2004). AW, die eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben, werden in Unterkünften untergebracht, die von den jeweiligen Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Innerhalb von 14 Wochen müssen diese das Aufnahmezentrum verlassen und in die neue Unterkunft umziehen. COA unterstützt und berät dabei Besitzer von Aufenthaltsberechtigungen hinsichtlich Informationen über die holländische Gesellschaft, bietet Sprachkurse an und führt persönliche Beratungsgespräche durch (COA o.D.).

Bei Schutzgewährung stellt der IND eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung aus, die grundsätzlich 5 Jahre gültig ist. Diese Karte berechtigt zur Familienzusammenführung von Familienmitgliedern. Bei Ausstellung einer Asylaufenthaltsberechtigung ist ein Besuch eines Integrationskurses verpflichtend. Weiters muss man einer bezahlten Arbeit nachgehen und man hat das Recht auf eine Wohnung, vermittelt durch die Organisation COA, das Recht auf Ansuchen um die Staatsbürgerschaft und das Recht auf Ausbildung und Erziehung (IND o.D.a).

Um sich für eine permanente Aufenthaltserlaubnis oder eine Staatsbürgerschaft zu qualifizieren, muss eine sogenannte Integrationsprüfung positiv abgelegt werden. Dabei gibt es in bestimmten Fällen Ausnahmeregelungen (z. B.: aus medizinischen Gründen etc.). Weitere Voraussetzungen sind u. a.: Besitz einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis seit 5 ununterbrochenen Jahren, ausreichende Mittel für den Lebensunterhalt und ausreichende Integration in die holländischen Gesellschaft (IND o.D.b).

Ein unbegleitetes Kind, welches sich nicht für Asyl qualifizieren konnte, kann trotzdem eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis bekommen, wenn gewisse Kriterien (u. a. fehlende Unterbringungsmöglichkeiten im Herkunftsland etc.) erfüllt sind. Diese wird normalerweise mit Erreichen des 18. Lebensjahres wieder entzogen, wenn adäquate Bedingungen im Herkunftsland gegeben sind (AIDA 2.7.2014).

Quellen

AIDA - Asylum information database (2.7.2014): Regular procedure Netherlands ...;

COA - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.): Asylum Seekers ...;

IND - Immigration and Naturalisation Service (o.D.a): Asylum ...;

Refworld (3.2004): The Aliens Act 2000 ...;

IND - Immigration and Naturalisation Service (o.D.b): Other information ...;

IND - Immigration and Naturalisation Service (12.8.2014): Auskunft des IND, per Email"

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und außerdem vorgebracht wurde, dass das Parteiengehör verletzt worden sei. Es sei trotz Aufforderung keine Ladung zur Einvernahme an den Rechtsvertreter zugestellt worden, zudem sei keine Verständigung über den Verfahrensstand erfolgt und ein Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei unbeantwortet geblieben. Es sei zu bemängeln, dass der Erstbeschwerdeführerin keine Verfahrensanordnung hinsichtlich der Konsultationen mit den Niederlanden übergeben worden sei. Mangels Ladung habe der Rechtsvertreter nicht an der Niederschrift teilnehmen können. Diese Verfahrensmängel würden noch dadurch verstärkt, dass der Rechtsvertreter nach der Stellungnahme zu den Konsulationen mit Polen abermals von der Behörde über geführte Konsultationen mit Polen informiert worden sei. Die Ausstellung eines zuständigkeitsbegründenden Visums werde bestritten. Es werde eingewandt, dass es sich bei den Niederlanden jedenfalls nicht um den vertretenen Mitgliedstaat im Sinn des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung bei einer allfälligen Visaerteilung handeln könne. Mangels Gewährung der Akteneinsicht sei eine weitere Begründung der eingebrachten Beschwerde gar nicht möglich. Die Behörde habe sich auch nicht mit dem Kindeswohl und mit Art. 17 der Dublin III-Verordnung auseinandergesetzt. Die Beschwerdeführerinnen würden beide fließend Deutsch sprechen und es bestünden zahlreiche private Bindungen zum Bundesgebiet. Der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin wäre ein sofortiger Schulbesuch im Bundesgebiet ohne sprachliche Schwierigkeiten möglich. Zu den Niederlanden bestünden keinerlei Bezugspunkte der Beschwerdeführerinnen. Die Erstbeschwerdeführerin sei nicht näher zu ihrem psychologischen Status befragt worden, obwohl sie Beruhigungsmittel nehme. Die Zweitbeschwerdeführerin würde massiv unter einem neuerlichen Ortswechsel leiden, der bloße Gedanke daran rufe bei ihr Panik und Trauer hervor, eine Überstellung in die Niederlande wäre aus kinderpsychologischer Sicht völlig unvertretbar.

Aus einer Urkundenvorlage vom 24.11.2014 geht hervor, dass die Erstbeschwerdeführerin seit ihrer Aufnahme im Lager regelmäßig therapeutische Gespräche in Anspruch nimmt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerinnen stellten ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich am 10.02.2009 sowie am 03.02.2012 und kehrten sodann nach rechtskräftigen negativen Entscheidungen am 06.05.2012 freiwillig nach Georgien zurück. Als sich die Beschwerdeführerinnen im August 2014 von ihrem Heimatstaat nach Polen begaben, waren sie im Besitz niederländischer Visa. Schließlich reisten die Beschwerdeführerinnen weiter nach Österreich und brachten am 21.08.2014 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 07.10.2014 ein auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an die Niederlande, welchem die Niederlande mit einem Schreiben vom 14.10.2014 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmten.

Bei keiner der Beschwerdeführerinnen liegen gegenwärtig besonders schwere Erkankungen vor. Die Erstbeschwerdeführerin nimmt Beruhigungsmittel ein und besucht therapeutische Gespräche.

Die Beschwerdeführerinnen haben in Österreich keine besonderen privaten oder familiären Bindungen.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften.

In dem Antwortschreiben der polnischen Behörden ist die Nummer der niederländischen Visa angeführt, darüber hinaus bestätigten die Niederlande die Ausstellung dieser Visa, indem sie dem Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmten. Die Erstbeschwerdeführerin warf nach eigenen Angaben den Reisepass nach ihrer Ankunft in XXXX weg und beschränkte sich im Übrigen darauf, die Existenz von niederländischen Visa bloß unsubstanziiert zu bestreiten.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Mangels konkreter Angaben über eine allfällige besonders schwere Erkrankung samt Vorlage von entsprechenden Befunden kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vom Vorliegen einer derartigen Krankheit ausgegangen werden. Die Erstbeschwerdeführerin legte zwar ein Schreiben vor, dass sie wegen ihres schlechten psychischen Zustandes regelmäßig Gespräche in Anspruch nehme, eine allfällige psychische Erkrankung wurde jedoch nicht durch Befunde belegt. Dass sie Beruhigungsmittel einnimmt, brachte sie selbst im Rahmen des Beweisverfahrens vor.

Besondere private oder familiäre Bindungen der Beschwerdeführerinnen zu Österreich wurden nicht konkret vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird."

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

..."

Art. 7 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

Art. 12 Abs. 1 und 2:

"(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig."

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit der Niederlande ergibt. Dies folgt aus der Regelung des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung.

Im Übrigen sprach der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich, aus, Art. 19 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ist dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Nach dieser Rechtsprechung regeln also die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-Verordnung (nunmehr: Dublin III-Verordnung) die subjektiven Rechte der Mitgliedstaaten untereinander, begründen aber kein subjektives Recht eines Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat der Union. Im Übrigen sieht in ähnlicher Weise auch die österreichische Rechtsordnung kein subjektives Recht eines Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Bundesland vor, sondern es obliegt vielmehr die Auswahl der jeweils zuständigen Regionaldirektion des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl entsprechend den sachlichen Notwendigkeiten allein dieser Behörde.

Zu einer Verpflichtung Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu der damals geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, 22. GP ):

"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk"-Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären, etwa durch eine Kettenabschiebung.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86):

"75. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Die Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und des Protokolls von 1967 ist in Art. 18 der Charta und in Art. 78 AEUV geregelt (vgl. Urteile vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C-175/08 , C-176/08 , C-178/08 und C-179/08 , Slg. 2010, I-1493, Randnr. 53, und vom 17. Juni 2010, Bolbol, C-31/09 , Slg. 2010, I-0000, Randnr. 38).

76. Wie oben in Randnr. 15 ausgeführt, heißt es in den einzelnen Verordnungen und Richtlinien, die für die Ausgangsverfahren einschlägig sind, dass sie die Grundrechte und die mit der Charta anerkannten Grundsätze achten.

77. Nach gefestigter Rechtsprechung haben überdies die Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht unionsrechtskonform auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts kollidiert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Lindqvist, C-101/01 , Slg. 2003, I-12971, Randnr. 87, und vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C-305/05 , Slg. 2007, I-5305, Randnr. 28).

78. Die Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem bilden, ergibt, dass dieses in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen.

79. Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Verordnung Nr. 343/2003 erlassen und die oben in den Randnrn. 24 bis 26 genannten Übereinkommen und Abkommen geschlossen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem "forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen.

80. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.

81. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist.

82. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde.

83. Auf dem Spiel stehen nämlich der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet.

84. Es wäre auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Mit der Verordnung Nr. 343/2003 soll nämlich, ausgehend von der Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers in dem normalerweise für die Entscheidung über seinen Antrag zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, wie in den Nrn. 124 und 125 der Schlussanträge in der Rechtssache C-411/10 ausgeführt worden ist, eine klare und praktikable Methode eingerichtet werden, mit der rasch bestimmt werden kann, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass für die Entscheidung über in einem Land der Union gestellte Asylanträge nur ein Mitgliedstaat zuständig ist, der auf der Grundlage objektiver Kriterien bestimmt wird.

85. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen der Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist.

86. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.

...

88. Bei einem Sachverhalt, der denen der Ausgangsverfahren gleicht, nämlich einer Überstellung eines Asylbewerbers an Griechenland, den im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zuständigen Mitgliedstaat, im Juni 2009, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte u. a. entschieden, dass das Königreich Belgien gegen Art. 3 EMRK verstoßen habe, indem es den Beschwerdeführer zum einen den sich aus den Mängeln des Asylverfahrens in Griechenland ergebenden Risiken ausgesetzt habe, da die belgischen Behörden gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass eine gewissenhafte Prüfung seines Asylantrags durch die griechischen Behörden in keiner Weise gewährleistet gewesen sei, und indem es ihn zum anderen wissentlich Haft- und Existenzbedingungen ausgesetzt habe, die eine erniedrigende Behandlung darstellten (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, noch nicht im Recueil des arrêts et décisions veröffentlicht, §§ 358, 360 und 367).

89. Das in jenem Urteil beschriebene Ausmaß der Beeinträchtigung der Grundrechte zeugt von einer systemischen Unzulänglichkeit des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland zur Zeit der Überstellung des Beschwerdeführers M.S.S.

...

105. In Anbetracht dessen ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass das Unionsrecht der Geltung einer unwiderlegbaren Vermutung entgegensteht, dass der im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 als zuständig bestimmte Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet.

106. Art. 4 der Charta ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.

107. Ist die Überstellung eines Antragstellers an einen anderen Mitgliedstaat der Union, wenn dieser Staat nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung Nr. 343/2003 als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt worden ist, nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne des Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.

108. Der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, hat jedoch darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 selbst prüfen."

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich, EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).

Der EGMR schloss nicht aus, dass es andere ganz außergewöhnliche Fälle geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR hindert auch die Selbstmorddrohung einer Person den Vertragsstaat nicht an der Durchsetzung einer beabsichtigten Ausweisung, sofern konkrete Maßnahmen zwecks Verhütung der Ausführung der Drohung ergriffen werden. Dies gilt auch im Fall bereits früher begangener Selbstmordversuche (z. B. EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev; 04.07.2006, 24171/05, Karim).

Im vorliegenden Fall brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, unter psychischen Problemen zu leiden, Beruhigungstabletten zu nehmen und psychologische Gespräche in Anspruch zu nehmen.

Die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerinnen weisen somit keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich etwa die Beschwerdeführerinnen in dauernder stationärer Behandlung befänden oder auf Dauer nicht reisefähig wären. Laut den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides wird Asylwerbern im zuständigen Mitgliedstaat die notwendige medizinische Versorgung gewährt und können daher die erforderlichen Therapien auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. In diesem Staat sind alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Insgesamt gesehen handelt es sich daher im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des EGMR um keinen ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die Rückführung zwingend sind, fehlt es doch an sämtlichen dafür maßgeblichen Kriterien: Denn im Fall D./Vereinigtes Königreich lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass sich der Beschwerdeführer erstens in der Endphase einer tödlichen Erkrankung befand, nämlich wegen AIDS im letzten Stadium bereits stationär in einem Krankenhaus aufgenommen wurde, dass zweitens für ihn im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar war und dass drittens mangels Angehöriger im Herkunftsstaat seine Grundbedürfnisse nicht gesichert waren.

Die allgemeinen Ausführungen in der Beschwerde sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für in die Niederlande überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

Nach den Länderberichten zu den Niederlanden kann also keinesfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit in den Niederlanden nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich außerdem, dass die Verletzung einzelner Bestimmungen von Richtlinien nicht schon per se mit einem systemischen Mangel gleichzusetzen ist (EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 82 bis 85).

Auch sonst konnten die Beschwerdeführerinnen keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls haben die Beschwerdeführerinnen die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in den Niederlanden und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK wurde erwogen:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im vorliegenden Fall brachten die Beschwerdeführerinnen vor, dass sie in Österreich bereits gut integriert wären und fließend Deutsch sprechen.

Es liegt jedoch letztlich mangels eines schützenswerten Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerinnen in Österreich im Zusammenhang mit der Anordnung zur Außerlandesbringung kein Eingriff in das Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens vor.

Auch im Fall eines Eingriffs in das Grundrecht ergäbe eine Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des § 9 BFA-VG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. Art. 52 Abs. 1 GRC, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes, dass ein solcher Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und verhältnismäßig wäre (vgl. zur zwingend vorgesehenen Ausweisung von Asylwerbern nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens zwecks Vermeidung einer Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch das Stellen von Asylanträgen z. B. VfGH 17.03.2005, G 78/04, und VwGH 08.09.2000, 2000/19/0043).

Denn die Beschwerdeführerinnen verfügten zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich. Ihr zweimaliger Aufenthalt in Österreich stützte sich nur auf unbegründete bzw. unzulässige Anträge auf internationalen Schutz, wobei die Beschwerdeführerinnen widersprüchliche und unwahre Angaben zu ihrer Identität machten. Auch im gegenständlichen dritten Verfahren stützten die Beschwerdeführerinnen ihren Aufenthalt in Österreich auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerinnen befinden sich nach ihrer letzten Einreise in das österreichische Bundesgebiet erst seit vier Monaten im Land, und es ergaben sich im Verfahren keine konkreten Hinweise darauf, dass eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund langer Verfahrensdauer, vorläge (vgl. VfGH 26.02.2007, B 1802/06).

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken (vgl. z. B. VfGH 12.06.2010, U 613/10; VfSlg. 14.681/1996; VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen.

Insgesamt gesehen kann somit den Beschwerdeführerinnen jedenfalls zugemutet werden, ihren Wunsch nach Einwanderung in Österreich im Einklang mit den einschlägigen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften zu verwirklichen.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG lagen nicht vor.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Den Umfang der Verhandlungspflicht umschrieb der Verfassungsgerichtshof in seinem zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 ergangenen Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, folgendermaßen:

"7.2. Im Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK hat Art. 47 Abs. 2 GRC die gleiche Tragweite und Bedeutung wie jener. Jenseits dessen gelten die Garantien des Art. 6 EMRK für den Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 2 GRC entsprechend (so die Erläuterungen zur Grundrechte-Charta, ABl. 2007 C 303, S 30). Dabei ist zu beachten, dass die Garantien in Abhängigkeit von der Materie, vom Verfahrensgegenstand und von der Instanz in unterschiedlichem Maße gelten, das wiederum vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt ist. Bei Strafverfahren gelten die strengsten Anforderungen, im Rahmen von Zivilverfahren akzeptieren der Verfassungsgerichtshof und der EGMR Beschränkungen insbesondere bei der mündlichen Verhandlung und bei der Kontrolldichte, wenn es sich um Verwaltungsverfahren handelt, die bloße Auswirkungen auf Zivilrechtspositionen haben (VfSlg. 11.500/1987).

7.3. Überträgt man diese Überlegungen auf jenen Teil des Anwendungsbereichs der Chartagarantie, der nicht civil rights und Strafverfahren betrifft, so gelangt man auch für diesen zum Ergebnis, dass weitergehende Beschränkungen (als etwa im Strafverfahren) zulässig sind. Weil insoweit aber nicht mehr unmittelbar die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK herangezogen werden kann, ist das Ausmaß der Gewährleistung der Einzelgarantien letztlich durch Art. 52 Abs. 1 GRC, mithin vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist daher maßgeblich, ob Beschränkungen der Durchführung mündlicher Verhandlungen durch § 41 Abs. 7 AsylG 2005 erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

7.3.1. Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jedermann in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich gehört wird. Daraus ist abzuleiten, dass jedenfalls dann, wenn eine Verhandlung beantragt wird, grundsätzlich ein Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung besteht (vgl. EGMR 28.5.1997, Fall Pauger, Appl. 16.717/90, Z60).

7.3.2. Art. 6 EMRK steht hinsichtlich des Zugangs zu Gericht nach der Rechtsprechung des EGMR unter dem (ungeschriebenen) Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkung (beginnend mit EGMR 21.2.1975, Fall Golder, Appl. 4451/70, Z 38). Der Ausschluss der Öffentlichkeit von Verhandlungen steht unter einem ausdrücklichen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen. Auch bei anderen Garantien liegen den impliziten Beschränkungen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zugrunde (so zur Kognitionsbefugnis EGMR 21.9.1993, Fall Zumtobel, Appl. 12.235/86, Z 29; zu Zeugenbefragungsrechten und dem Grundsatz des fairen Verfahrens EGMR 13.10.2005, Fall Bracci, Appl. 36.822/02, Z 49 ff.; bei der Verfahrensdauer kommt es auf die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer an, EGMR 16.9.1996 [GK], Fall Süßmann, Appl. 20.024/92, Z 61). In der jüngeren Rechtsprechung des EGMR werden auch Fragen des Anwendungsbereichs mit solchen der Anforderungen des Grundrechts in Verbindung gebracht (EGMR 19.4.2007 [GK], Fall Eskelinen u. a., Appl. 63.235/00, Z 62).

7.3.3. Verfahren, in denen über Asyl und den Aufenthalt von Fremden auf dem Gebiet eines Staates entschieden wird, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (z. B. EGMR 5.10.2000, Fall Maaouia, Appl. 39.652/98). Aus Art. 47 Abs. 2 GRC ist jedoch ein Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch in Fällen abzuleiten, in denen ein solches Gebot mangels Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK nicht unmittelbar aus diesem folgt. Angesichts dessen, dass Art. 47 Abs. 2 GRC ein Grundrecht anerkennt, das sich nicht nur aus der EMRK, sondern auch aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, ist er ebenso bei der Auslegung auch des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (als Ausfluss des Gebots unionsrechtskonformer Auslegung und zur Verhinderung von Situationen der Inländerdiskriminierung) zu berücksichtigen. Umgekehrt hat die Auslegung des Art. 47 Abs. 2 GRC die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und damit die mitgliedstaatlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsgebots zu berücksichtigen. Damit ist sichergestellt, dass bei der Auslegung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte keine von der Auslegung der korrespondierenden Charta-Rechte abweichenden Ergebnisse erzielt werden.

7.4. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen. Solche Umstände liegen etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche vor, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z 29).

Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK ferner maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist.

In diesem Zusammenhang ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR zum Gebot der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Rechtsmittelverfahren auch maßgeblich, welche Bedeutung und Notwendigkeit eine Verhandlung für die Beweiserhebung und Beweiswürdigung sowie für die Lösung von Rechtsfragen hat (EGMR 29.10.1991, Fall Helmers, Appl. 11.826/85, Z 37).

7.5. Der EGMR hat im Übrigen für bestimmte Verfahrensarten explizit anerkannt, dass nicht alle Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK in gleicher Weise erfüllt werden müssen. So kommen die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur insoweit zur Anwendung, als dies mit der Natur des einstweiligen Rechtsschutzes vereinbar ist (EGMR 15.10.2009 [GK], Fall Micallef, Appl. 17.056/06, Z 86). Für verfassungsgerichtliche Verfahren anerkennt die Rechtsprechung, dass die Garantien des Art. 6 EMRK in modifizierter Form zur Anwendung gebracht werden (so etwa zur überlangen Verfahrensdauer EGMR 16.9.1996 [GK], Fall Süßmann, Appl. 20.024/92).

8. Der Verfassungsgerichtshof hegt vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch kann er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hat. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018-9, diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen und dabei die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes folgendermaßen zusammengefasst:

"Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Im vorliegenden Fall wurde den Beschwerdeführerinnen im Verwaltungsverfahren ausführlich Parteiengehör eingeräumt. Auch die Beschwerde zeigt nicht auf, inwieweit eine neuerliche Einvernahme der Beschwerdeführerinnen zu einer weiteren Klärung der Sache führen könnte.

Hinsichtlich der in der Beschwerde behaupteten Verletzung des Rechts auf Parteiengehör wird bemerkt, dass die Ladung zur Einvernahme vor dem Bundesamt gemäß § 11 Abs. 2 BFA-VG dem Rechtsberater zugestellt wurde und dieser auch an der Einvernahme teilnahm sowie dass auch der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerinnen über diesen Termin informiert war. Die Verfahrensanordnung vom 07.10.2014, wonach seit diesem Tag Konsultationen mit den Niederlanden geführt würden, wurde der Erstbeschwerdeführerin persönlich zugestellt, nicht jedoch ihrem Rechtsanwalt. Im Rahmen der Einvernahme wurde die Erstbeschwerdeführerin nochmals darüber aufgeklärt, dass Konsultationen mit den Niederlanden geführt worden seien und beabsichtigt sei, sie dorthin zu überstellen. Die Erstbeschwerdeführerin führte selbst aus, die Länderinformationsblätter betreffend die Niederlande gelesen zu haben. Es wurde ihr auch eine Frist zur allfälligen schriftlichen Stellungnahme gewährt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde der maßgebliche Sachverhalt vollständig dargelegt sowie weiters festgehalten, dass den Beschwerdeführerinnen im Rahmen der Rechtsberatung Akteneinsicht gewährt wurde. Auch in der Beschwerde werden keine konkreten Umstände dargelegt, die an der Existenz von gültigen niederländischen Visa zweifeln ließen. Der Rechtsanwalt machte von seinem Recht, im Rahmen einer Vorsprache beim Bundesamt bzw. beim Bundesverwaltungsgericht ebenfalls Akteneinsicht zu nehmen, bis dato nicht Gebrauch.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

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