Normen
B-VG Art139 Abs1 Z1
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
Stmk RaumOG 2010 §9 , §26, §40
Flächenwidmungsplan 4.0 der Landeshauptstadt Graz §4, Deckplan1
VfGG §7 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V26.2024
Spruch:
I. §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 04/2018, wird, soweit damit für das Grundstück Nr 974/17, EZ1359, KG 63104 Lend, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Steiermark verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 04/2018, soweit damit für das Grundstück Nr 974/17, EZ1359, KG 63104 Lend, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 – StROG, LGBl 49/2010, idF LGBl 73/2023 lauten auszugsweise wie folgt:
"§9
Bausperre
(1) Die Landesregierung hat, wenn dies zur Sicherung der Zielsetzungen eines zu erlassenden Entwicklungsprogramms notwendig ist, für bestimmte Teile des Landesgebietes durch Verordnung eine Bausperre zu erlassen. Die Verordnung ist in der 'Grazer Zeitung – Amtsblatt für die Steiermark' und auch sonst ortsüblich und zweckmäßig bekanntzumachen.
(2) Der Gemeinderat hat, wenn dies zur Sicherung der Zielsetzungen eines zu erlassenden örtlichen Entwicklungskonzeptes, Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes notwendig ist, für das gesamte Gemeindegebiet oder für bestimmte Teile desselben durch Verordnung eine Bausperre zu erlassen.
(3) Die Bausperre tritt, soweit sie nicht früher aufgehoben wird, mit dem Inkrafttreten des Entwicklungsprogramms (Abs1), des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes (Abs2) außer Kraft. Wird das Entwicklungsprogramm, das örtliche Entwicklungskonzept, der Flächenwidmungs- oder der Bebauungsplan nicht innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten der Bausperre erlassen, dann tritt die Bausperre außer Kraft. Die zweijährige Frist kann aus Gründen, die nicht in einer Säumigkeit der Gemeinde oder des Landes liegen, um höchstens ein weiteres Jahr verlängert werden.
(4) Die Bausperre hat die Wirkung, dass für raumbedeutsame Maßnahmen behördliche Bewilligungen, insbesondere nach dem Steiermärkischen Baugesetz, die dem Planungsvorhaben, zu deren Sicherung die Bausperre erlassen wurde, widersprechen, nicht erlassen werden dürfen."
"§26
Inhalt des Flächenwidmungsplans
(1) Der Flächenwidmungsplan hat das gesamte Gemeindegebiet räumlich zu gliedern und die Nutzungsart für alle Flächen entsprechend den räumlich-funktionellen Erfordernissen festzulegen. Dabei sind folgende Nutzungsarten vorzusehen:
1. Bauland,
2. Verkehrsflächen,
3. Freiland.
[…]
(2) – (3) […]
(4) Im Flächenwidmungsplan hat die Gemeinde jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland sowie jene Verkehrsflächen festzulegen, für die durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen sind (Bebauungsplanzonierung). Die Festlegungen sind bei der nächsten regelmäßigen Revision oder Änderung des Flächenwidmungsplanes im Flächenwidmungsplan zu treffen. Die Gemeinde kann überdies in der Bebauungsplanzonierung festlegen, dass bestimmte bauliche Anlagen bereits vor dem Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, wenn sich diese in die umgebende Bebauung einfügen, der Ensemblekomplettierung dienen und im Einklang mit den mit der Bebauungsplanung verfolgten Zielsetzungen stehen. Dazu sind Festlegungen hinsichtlich Lage, Größe, Höhe, Gestaltung und Funktion zu treffen. Bei jeder weiteren Fortführung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes sind die Bebauungsplanzonierung sowie der Inhalt der Festlegungen zu überprüfen.
(5) – (8) […]"
"§40
Bebauungsplanung
(1) Jede Gemeinde hat zur Umsetzung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Bebauungsplanzonierung durch Verordnung Bebauungspläne zu erstellen und fortzuführen. Der Bebauungsplan besteht aus einer zeichnerischen Darstellung und einem Verordnungswortlaut. Zur Begründung ist ein Erläuterungsbericht zu erstellen.
(2) Mit der Bebauungsplanung ist eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen) anzustreben.
(3) […]
(4) Die Erlassung von Bebauungsplänen hat jedenfalls zu erfolgen:
1. Nach einer Änderung des Flächenwidmungsplanes zur Vermeidung oder Behebung von Widersprüchen zu übergeordneten Planungen der Gemeinde, zumindest im Anlassfall.
2. Zur Errichtung von Einkaufszentren. Ein begründeter Entfall ist bei bereits abgeschlossen bebauten Gebieten zulässig, wenn keine wesentliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes und der Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Die Aufstellung oder Fortführung eines Bebauungsplanes ist auch Voraussetzung für Änderungen an einem Einkaufszentrum, die eine Baubewilligung erfordern und auf den Flächenwidmungsplan und den Zweck der Bebauungsplanung von Einfluss sind. In der Bebauungsplanung sind unter anderem die gesetzlichen Regelungen für Einkaufszentren in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentrenverordnung umzusetzen.
3. In einem Landschaftsschutzgebiet gemäß den naturschutzrechtlichen Bestimmungen, wenn die als Bauland, Sondernutzungen im Freiland sowie Verkehrsflächen ausgewiesenen, zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3 000 m2 übersteigen, sofern kein räumliches Leitbild gemäß §22 Abs7 erlassen wurde.
4. Beim Erfordernis einer Grundumlegung.
5. Für Flächen, die nach den forstrechtlichen und wasserrechtlichen Bestimmungen als Gefahrenzonen ausgewiesen sind, wenn die als Bauland, Sondernutzungen im Freiland sowie Verkehrsflächen ausgewiesenen, zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3 000 m² übersteigen.
(5) – (7) […]
(8) Für die Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland, für die gemäß §26 Abs4 Bebauungspläne zu erlassen sind, haben die Gemeinden spätestens im Anlassfall (z. B. Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen) Bebauungspläne zu erstellen. Dabei ist das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen. Baubewilligungen nach dem Steiermärkischen Baugesetz dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten sowie für bauliche Anlagen, die entsprechend einer Festlegung im Flächenwidmungsplan gemäß §26 Abs4 vor der Erlassung eines Bebauungsplanes baurechtlich bewilligt werden dürfen, ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend."
2. Die maßgebliche Bestimmung des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, beschlossen im Gemeinderat am 11. Mai 2017 und am 8. Februar 2018, genehmigt von der Steiermärkischen Landesregierung mit Bescheid vom 8. März 2018 und kundgemacht im Amtsblatt vom 21. März 2018, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 04/2018, lautet (die gesamte Bestimmung ist als in Bezug auf das betreffende Grundstück in Prüfung gezogen hervorgehoben):
§4
BEBAUUNGSPLANZONIERUNG
(1) Für Flächen, für die gemäß Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) eine Bebauungsplanung erforderlich ist, wird im Anlassfall ein Bebauungsplan erstellt. Baubewilligungen sowie Genehmigungen nach §33 nach dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend.
(2) Gemäß §26 Abs26 des 4.0 Stadtentwicklungskonzeptes der Stadt Graz gilt Abs1 sinngemäß auch für Flächen mit bestehender oder angestrebter Blockrandbebauung in geschlossenen Siedlungsbereichen, für die zum Schutz der Innenhöfe und Vorgärten die Bebauungsplanpflicht festgesetzt ist, mit der Maßgabe, dass bei der Schließung von Baulücken und bei Zubauten ein raumplanerisches Gutachten genügt.
(3) Für Flächen mit zeitlich nachfolgend einsetzender Bebauungsplanpflicht gilt ebenfalls Abs1 sinngemäß.
(4) Innerhalb der festgelegten bebauungsplanpflichtigen Gebiete ist im Zuge der Bebauungsplanerstellung eine Unterteilung in städtebaulich zweckmäßige Planungsgebiete (Teilbebauungspläne) vorzunehmen.
(5) Die in der Bebauungsplanzonierung festgelegte Bebauungsplanpflicht für Vorbehaltsflächen tritt erst mit Einsetzen der zeitlich nachfolgenden Nutzung in Kraft. Für diese gilt dann Abs1 sinngemäß."
3. Der maßgebliche Bereich des Deckplanes 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz stellt sich wie folgt dar (das betreffende Grundstück ist türkis umrandet):
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2. Die Partei des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht (im Folgenden: beteiligte Partei), eine juristische Person des Privatrechts, ist Eigentümerin des Grundstückes Nr 974/17, EZ1359, KG 63104 Lend, in Graz. Mit dem 4.0 Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz wurde ua für dieses, als "Bauland – Gewerbegebiet" gewidmete Grundstück gemäß §26 Abs4 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 – StROG (im Folgenden: StROG) die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung verordnet (§4 iVm Deckplan 1 [Bebauungsplanzonierungsplan]). Allgemein gilt gemäß §40 Abs8 StROG, dass soweit eine Bebauungsplanpflicht nach §26 Abs4 StROG besteht, die Gemeinden spätestens im Anlassfall Bebauungspläne zu erstellen haben, wobei das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen ist. Baubewilligungen dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden.
3. Mit Schreiben vom 31. Mai 2017 brachte die beteiligte Partei beim Leiter des Stadtplanungsamtes der Landeshauptstadt Graz einen Antrag auf Erstellung eines Bebauungsplanes für das Grundstück Nr 974/17, EZ1359, KG 63104 Lend, ein. In der Folge fanden mehrere Gespräche zwischen Vertretern der beteiligten Partei und jenen der Landeshauptstadt Graz statt. Zuletzt fand am 20. Jänner 2023 eine Besprechung zwischen einem von der beteiligten Partei beauftragten Architekten sowie Vertretern des Stadtplanungsamtes der Landeshauptstadt Graz über eine Bebauungsstudie des entsprechenden Grundstückes statt.
4. Die beteiligte Partei stellte daraufhin einen Antrag gemäß §18 Abs1 Stmk BauG, die Bebauungsgrundlagen für das Grundstück einzelfallbezogen in näher bestimmtem Ausmaß festzulegen. Mit Bescheid vom 16. Jänner 2024 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz diesen Antrag zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass das Grundstück in einer Zonierungszone gelegen und daher die Erforderlichkeit der Erlassung eines Bebauungsplanes gemäß §26 Abs4 StROG verordnet worden sei. Der Bebauungsplan sei bislang nicht erlassen worden. Da nach dem Wortlaut des §18 Abs1 Stmk BauG Voraussetzung für die inhaltliche Erledigung eines Antrages auf Festlegung der Bebauungsgrundlagen sei, dass Bebauungspläne nicht erforderlich sind, erweise sich der Antrag als unzulässig.
5. Darüber hinaus stellte die beteiligte Partei den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung von näher bezeichneten baulichen Anlagen gemäß §19 Stmk BauG auf dem Grundstück. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 24. Jänner 2024 wurde der Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass sich der Bauplatz in einem bebauungsplanpflichtigen Gebiet befinde, ein Bebauungsplan für das Grundstück jedoch noch nicht erlassen worden sei. Baubewilligungen dürften jedoch erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Auch komme, da es sich beim Bauvorhaben um keinen Zubau zu einer bestehenden baulichen Anlage gemäß §4 Z64 Stmk BauG handle, eine baurechtliche Bewilligung vor der Erlassung eines Bebauungsplanes nicht in Betracht.
6. Aus Anlass der gegen die Bescheide vom 16. Jänner 2024 und 24. Jänner 2024 erhobenen Beschwerden fasste das Landesverwaltungsgericht Steiermark am 14. März 2024 den Beschluss gemäß Art139 Abs1 Z1 B‑VG, den vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
7. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt seine Bedenken wie folgt dar:
"[…]
4. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.604/2005 ausgeführt hat, kann ein Gesetz verfassungswidrig sein, wenn seine Verfassungsmäßigkeit von der Erlassung einer Verordnung abhängt, der Verordnungsgeber jedoch in der Folge untätig bleibt. Angesichts eines gesetzlich angeordneten Ausschlusses der Erteilung einer Baubewilligung, die nur dann möglich sein sollte, wenn entsprechende Bebauungspläne erlassen würden, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das so effektiv bewirkte Bauverbot eine Eigentumsbeschränkung darstellt, für deren Zulässigkeit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ua im Urteil vom 23.09.1982, Fall Sporrong und Lönnroth, Appl 7151/75, 7152/75, EuGRZ1983, S 523 ff., ein faires Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums verlangt hat. Ein solches faires Gleichgewicht im Sinne des Art1 1. ZPEMRK liegt nicht mehr vor, wenn in einem unangemessen langen Zeitraum trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Bebauungsplanung vorgenommen wird und dies auch nicht in einem absehbaren Zeitraum der Fall sein wird. Das Verbot der Erteilung der Baubewilligung für Bauland, das seit Jahrzehnten als solches gewidmet war und für das (auf Grund der in jenem Fall geltenden Rechtslage) zwar ein allgemeiner Bebauungsplan, jedoch nicht der notwendige ergänzende Bebauungsplan erlassen worden und dessen Erlassung innerhalb eines absehbaren Zeitraumes auch nicht sichergestellt war, ist — so der Verfassungsgerichtshof — unverhältnismäßig und verstößt gegen das gebotene faire Gleichgewicht zwischen den öffentlichen Interessen an der Eigentumsbeschränkung und dem privaten Interesse am Schutz des Eigentums.
5.1. Diese Überlegungen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 03.03.2022, V249/2021-10, auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan nach der Steiermärkischen Rechtslage übertragen. Sieht nämlich der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplans verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück:
5.2. §40 Abs8 Stmk ROG 2010 und §4 Abs1 des 4.0 Flächenwidmungsplans der Landeshauptstadt Graz bestimmen nämlich, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplans erteilt werden dürfen. Sollte eine Baubewilligung dennoch vor einem rechtswirksamen Bebauungsplan erteilt werden, ist diese mit Nichtigkeit gemäß §8 Abs5 Stmk ROG 2010 iVm §68 Abs4 Z4 AVG bedroht.
5.3. Der Landesgesetzgeber sieht daher auch vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im 'Anlassfall', insbesondere im Falle eines 'Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplans nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen', Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 Stmk ROG 2010). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplans zu enden hat, wobei das 'Abschließen' des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung in der Kundmachung des Bebauungsplans besteht (vgl VfGH 03.03.2022, V249/2021-10). Aus §40 Abs1 und 8 StROG ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplans nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern sie dazu verpflichtet ist, die Bebauungsplanung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Die 18‑monatige Frist zur Erlassung des Bebauungsplans dient dabei der Rechtssicherheit des Grundstückseigentümers, der im Vertrauen auf die Widmung eines Grundstücks als Bauland seine individuellen Planungsabsichten gestalten möchte (vgl VfSlg 17.604/2005 mwN). Somit ist es gerade der Telos der verpflichtend einzuhaltenden Frist in §40 Abs8 Stmk ROG 2010, den mit der Festlegung der Bebauungsplanpflicht für — wie im vorliegenden Fall — als Bauland gewidmete und erschlossene Grundstücke als Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art11. ZPEMRK und die daraus erfließende Baufreiheit (vgl VfSlg 17.604/2005; 13.282/1992, 11.914/1988, 11.374/1987) abzumindern. Läge hingegen die Erlassung eines Bebauungsplans vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde, könnte die Neubautätigkeit auf einem als Bauland gewidmeten und erschlossenen Grundstück zeitlich unbefristet hintangehalten werden können, was mit Art5 StGG und Art1 1. ZPEMKR unvereinbar wäre (VfSlg 17.604/2005).
5.4. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 03.03.2022, V249/2021-10, dargelegt hat, ist dabei gemäß §40 Abs2 Stmk ROG 2010 die 'den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes' mit der Bebauungsplanung anzustreben, weshalb ein Bebauungsplan jedenfalls zu erlassen ist, wenn der FlächenwidmungsPlan dies vorsieht. Die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplans kann auch nicht mit Verweis auf die Raumordnungsgrundsätze über die Frist von 18 Monaten ab Vorliegen eines Ansuchens um Erstellung eines Bebauungsplans hinausgezögert werden. Lassen die Raumordnungsgrundsätze nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein. Hinzu kommt, dass dem Rechtsunterworfenen bei Untätigkeit des Verordnungsgebers über die 18-monatige Frist des §40 Abs8 Stmk ROG 2010 hinaus auch nicht die Möglichkeit zukommt, die Bebaubarkeit des von der Bebauungsplanpflicht betroffenen Grundstücks im Wege eines Verfahrens über die Festlegung der Bebauungsgrundlagen gemäß §18 Stmk BauG zu erreichen, kommt diese doch nur in Betracht, 'sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind'.
5.5. So hat der Verfassungsgerichtshof in der angeführten Entscheidung in einem Fall, in dem die verordnungserlassende Behörde nach Ablauf von 18 Monaten nach Eintreten des Anlassfalls durch ausdrückliche Verweigerung der Erlassung des Bebauungsplans qualifiziert untätig geblieben ist, in der Bebauungsplanpflicht eines Grundstücks eine Eigentumsbeschränkung angenommen, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen ist, was zur Gesetzwidrigkeit der Bebauungsplanpflicht führte.
6. Der vorliegende Fall dürfte mit dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 03.03.2022, V249/2021-10, zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar sein, sodass das Landesverwaltungsgericht Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Bebauungsplanpflicht für das in Rede stehende Grundstück hegt:
7.1. Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Gesellschaft am 31.05.2017 einen an den Leiter des Stadtplanungsamts der Stadt Graz als zuständigen Sachbearbeiter der verordnungserlassenden Behörde gerichteten Antrag auf Erlassung eines Bebauungsplans für das Grundstück Nr 974/17, EZ1359, KG 63104 Lend, gestellt. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat das Verfahren nicht binnen 18 Monaten abgeschlossen, sondern bis zum heutigen Tag keinen Bebauungsplan erlassen. Somit besteht seit mehr als sechseinhalb Jahren ein effektives Bauverbot, das die verordnungserlassende Behörde nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Steiermark durch Erlassung eines Bebauungsplans hätte beseitigen müssen.
7.2. §40 Abs8 Stmk ROG 2010 führt als Beispiel für einen die Frist von 18 Monaten zur Erlassung eines Bebauungsplans auslösenden Anlassfall ein 'Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen' an.
7.3. Was eine Vorfrage iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 ist, wird weder im Gesetz definiert noch hat sich der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 03.03.2022, V249/2021, damit auseinandergesetzt. In der Literatur werden darunter etwa Aufschließungserfordernisse verstanden (vgl Katalan/Reitinger, Eigentumsbeschränkung durch nicht erlassenen Bebauungsplan? RFG 2022/22, 104 [106]). Das antragsgegenständliche Grundstück ist aufgeschlossen und als vollwertiges Bauland gewidmet.
7.4. Es sind im gegenständlichen Fall keine ungeklärten Vorfragen ersichtlich, die den Fristenlauf des §40 Abs8 Stmk ROG 2010 hindern würden. Bei dem laut dem vorgelegten Aktenmerk (Beilage ./3 der verfahrensgegenständlichen Beschwerden) über die am 20.01.2023 nach Präsentation der von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorbereiteten Bebauungsstudie stattgefundene Besprechung zwischen dem Architekten der beschwerdeführenden Gesellschaft und Vertretern des Stadtplanungsamts seitens des Leiters des Stadtplanungsamts dargelegten Argument, dass die zukünftige Bebauung auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück in einem grundstücksübergreifenden Gesamtkontext, vor allem betreffend die Grundstücke entlang des Bahnhofgürtels in nördlicher Richtung, gesehen werden müsse und daher für das ausgewiesene Gesamtareal ein moderiertes städtebauliches Dialogverfahren mit Vertretern des Stadtplanungsamts, externen Experten und den vom Grundstückseigentümer bestimmten Planern erfolgen solle, dessen Ergebnis dann Grundlage für die Erstellung des Baubauungsplans bilden würde, dürfte es sich jedenfalls nicht um eine Vorfrage iSd §40 Abs8 Stmk ROG 2010 handeln, die den Fristenlauf des §40 Abs8 Stmk ROG 2010 hindert. Es wird daher davon ausgegangen, dass spätestens zum Zeitpunkt der Besprechung vom 20.01.2023 sämtliche Vorfragen iSd §40 Abs8 Stmk ROG 20210 geklärt waren.
7.5. Da seit dem 20.01.2023 bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über diesen Antrag nach dessen üblichen Geschäftsgang auch schon mehr als 18 Monate vergangen sein werden, dürfte, sofern zu diesem Zeitpunkt ein Bebauungsplan nicht rechtsgültig beschlossen und kundgemacht worden sein wird, schon allein darin eine qualifizierte Untätigkeit iSd oben angeführten Rechtsprechung liegen (vgl VfSlg 8699/1979; 8004/1977, jeweils mwN, wonach für die Beurteilung einer Gesetz- bzw Verfassungsmäßigkeit einer Norm die Sachlage im Zeitpunkt ihrer Prüfung maßgeblich ist).
8. Im Ergebnis dürfte es sich bei der Nichterlassung eines Bebauungsplans binnen achtzehn Monaten ab dem Antrag vom 31.05.2017 (spätestens aber ab der Besprechung vom 20.01.2023) um eine qualifizierte Untätigkeit der verordnungserlassenden Behörde im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs handeln, die dazu führen dürfte, dass sich die Bebauungsplanpflicht im 4.0 Flächenwidmungsplan in Bezug auf das Grundstück der beschwerdeführenden Gesellschaft als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen sein dürfte. Sie dürfte damit gesetzwidrig sein.
V. Auswirkungen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf den Anlassfall
9.Sollte der Verfassungsgerichtshof die Bebauungsplanpflicht gemäß §4 iVm Deckplan 1 (BebauungsplanzonierungsPlan) des 4.0 Flächenwidmungsplans der Landeshauptstadt Graz in Bezug auf das Grundstück der beschwerdeführenden Gesellschaft antragsgemäß aufheben, würde damit der tragende Grund für die Zurückweisung des Antrags auf Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Einzelfall
gemäß §18 Stmk BauG wegfallen. Zudem würde mit einer antragsgemäßen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof auch das Antragshindernis der Bebauungsplanpflicht für das gegenständliche Grundstück im Baubewilligungsverfahren wegfallen. Daher ist die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bebauungsplanpflicht für das in Rede stehende Grundstück eine Vorfrage iSd §57 Abs2 VfGG für die Entscheidung der beim antragstellenden Gericht anhängigen Rechtssachen.
10. Gemäß §57 Abs3 VfGG dürfen in beim Landesverwaltungsgericht Steiermark anhängigen Beschwerdeverfahren bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nunmehr nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder welche die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten."
Die beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark anschließt und im Wesentlichen ergänzend ausführt, dass der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die seit knapp 7 Jahren verletzte Pflicht zur Erlassung eines Bebauungsplanes zu umgehen versuche, indem er beabsichtige, das Grundstück durch eine – noch nicht rechtskräftig erlassene – Änderung des 4.0 Flächenwidmungsplanes (Nr 4.08) von "Bauland – Gewerbegebiet (mit einer Bebauungsdichte von 0,5 bis 2,5)" in "Vorbehaltsfläche – Sondernutzung im Freiland (öffentliche Parkanlage)" mit der Begründung umzuwidmen, dass es sich bei dem Grundstück um eine der letzten unverbauten Flächen im Bezirk handle.
8. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat die Akten betreffend das Zustandekommen des 4.0 Flächenwidmungsplanes – entgegen der Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 26. März 2024 – nicht vorgelegt und auch keine Äußerung erstattet.
9. Die Steiermärkische Landesregierung hat ebenso keine Äußerung erstattet.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinn des Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
1.2.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
1.2.2. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag solche untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.298/2007, 18.486/2008; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).
1.2.3. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet:
2.3. Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass sich die im Fall VfSlg 17.604/2005 angestellten Überlegungen auf das Verhältnis von Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan übertragen lassen (vgl VfSlg 20.527/2022). Sieht der Verordnungsgeber im Flächenwidmungsplan die Erlassung eines Bebauungsplanes verpflichtend vor, so bewirkt er damit, solange er keinen Bebauungsplan erlässt, ein effektives Bauverbot auf dem betreffenden Grundstück.
§40 Abs8 StROG und §4 Abs1 des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz bestimmen, dass Baubewilligungen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden dürfen. Der Landesgesetzgeber sieht daher vor, dass die jeweilige Gemeinde spätestens im "Anlassfall", insbesondere im Falle eines "Ansuchens um Erstellung des Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen", Bebauungspläne zu erstellen, Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen hat (§40 Abs8 StROG). Das Gesetz verpflichtet somit dazu, dass ein solches Verfahren mit der Erlassung eines Bebauungsplanes – nicht mit deren Verweigerung – zu enden hat: Das "Abschließen" des Verfahrens zur Bebauungsplanerstellung besteht in der Kundmachung des Bebauungsplanes. Aus §40 Abs1 und 8 StROG ergibt sich demnach, dass die Erstellung eines Bebauungsplanes nicht im Ermessen der verordnungserlassenden Behörde liegt, sondern sie dazu verpflichtet ist, die Bebauungsplanung innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen. Aus §40 Abs2 StROG ergibt sich ferner, dass die "den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzungen)" mit der Bebauungsplanung und nicht durch ihre tatsächliche Verweigerung anzustreben ist. Ein Bebauungsplan ist daher jedenfalls zu erlassen, wenn der Flächenwidmungsplan dies vorsieht; die Planungsziele sind durch den Bebauungsplan anzustreben und die Erlassung des Bebauungsplanes kann nicht mit Verweis auf die Raumordnungsgrundsätze verweigert werden. Lassen diese nämlich im Einzelfall keine Bebauung zu, so dürfte das betreffende Grundstück überhaupt nicht als Bauland gewidmet sein. Zu alldem kommt hinzu, dass die Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Bauland für den Einzelfall gemäß §18 Abs1 Stmk BauG wie im vorliegenden Fall nur in Betracht kommt, "sofern Bebauungspläne nicht erforderlich sind".
2.4. Die beteiligte Partei hat am 31. Mai 2017 einen Antrag auf Erlassung eines Bebauungsplanes für das Grundstück Nr 974/17, EZ1359, KG 63104 Lend, gestellt. Dem Landesverwaltungsgericht Steiermark ist dabei insoweit beizupflichten, als es ausführt, dass es sich bei dem im Zuge der am 20. Jänner 2023 abgehaltenen Besprechung erstatteten Vorbringen des Stadtplanungsamtes der Landeshauptstadt Graz, wonach die zukünftige Bebauung auf dem Grundstück in einem grundstücksübergreifenden Gesamtkontext gesehen werden müsse, sodass ein "moderiertes städtebauliches Dialogverfahren" mit Vertretern des Stadtplanungsamtes, externen Experten und den von der beteiligten Partei bestimmten Planern geführt werden müsse, welches seinerseits die Grundlage für die Erlassung eines Bebauungsplanes bilde, um keine Vorfrage iSd §40 Abs8 StROG handle. Auch sonst sind keine ungeklärten Vorfragen iSd §40 Abs8 StROG ersichtlich, welche den Eintritt des Anlassfalles hintangehalten hätten bzw hintanhalten würden.
2.5. Folglich besteht für die beteiligte Partei seit mehr als sechs Jahren ein effektives Bauverbot, das die verordnungserlassende Behörde durch Erlassung eines Bebauungsplanes hätte beseitigen müssen. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat bisher jedoch keinen Bebauungsplan erlassen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich die Bebauungsplanpflicht im 4.0 Flächenwidmungsplan in Bezug auf das Grundstück der beteiligten Partei im Einzelfall als Eigentumsbeschränkung darstellt, die nicht mehr von einem fairen Gleichgewicht der öffentlichen und privaten Interessen getragen ist. Sie ist damit gesetzwidrig.
V. Ergebnis
1. §4 iVm Deckplan 1 (Bebauungsplanzonierungsplan) des 4.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz, Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz 04/2018, ist daher, soweit damit für das Grundstück Nr 974/17, EZ1359, KG 63104 Lend, die Erforderlichkeit einer Bebauungsplanung vorgesehen wird, als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz, LGBl 25/1999, idF LGBl 84/2022.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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