VfGH G30/2022

VfGHG30/202218.6.2022

Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des IPR-G betreffend die Voraussetzungen der Annahme an Kindes statt; ausländisches Recht, das eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare verwehrt, verletzt die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung, den Gleichheitsgrundsatz sowie das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens; keine Anwendung des ausländischen Rechts auf Grund der ordre public-Klausel des IPR-G

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
EMRK Art8
IPR-G §6, §26 Abs1
ABGB §194 Abs1
StGG Art2
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2022:G30.2022

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG, begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

"unter Absehen von einer Frist für das Außerkrafttreten

A.

den Absatz 1 des §26 IPR-G BGBI 304/1978 idF BGBl I Nr 58/2018 als verfassungswidrig [aufheben],

B. in eventu

den §26 IPR-G BGBI 304/1978 idF BGBl I Nr 58/2018 als verfassungswidrig [aufheben],

C. in eventu

IPR-G BGBI 304/1978 idF BGBl I Nr 72/2019 zur Gänze als verfassungswidrig [aufheben]".

 

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz), BGBl 304/1978, idF BGBl I 58/2018 lauten (die im Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

 

"Vorbehaltsklausel (ordre public)

 

§6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.

 

[…]

 

Personalstatut einer natürlichen Person

 

§9. (1) Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht.

 

(2) Ist eine Person staatenlos oder kann ihre Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden, so ist ihr Personalstatut das Recht des Staates, in dem sie den gewöhnlichen Aufenthalt hat.

 

(3) Das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, ist das Recht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; eine Verweisung dieses Rechtes auf das Recht des Heimatstaates (§5) ist unbeachtlich.

 

[…]

 

Annahme an Kindesstatt

 

§26. (1) Die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt und der Beendigung der Wahlkindschaft sind nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Ist das Kind nicht entscheidungsfähig, so ist sein Personalstatut nur hinsichtlich der Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, maßgebend.

 

(2) Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt sind nach dem Personalstatut des Annehmenden, bei Annahme durch Ehegatten nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht, nach dem Tod eines der Ehegatten nach dem Personalstatut des anderen Ehegatten zu beurteilen."

 

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragsteller sind eingetragene Partner und haben mit der Wiener Kinder- und Jugendhilfe am 24. September 2021 einen Adoptionsvertrag betreffend die minderjährige *** abgeschlossen. Mit Beschluss vom 20. Jänner 2022 wies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Antrag auf Bewilligung der Adoption mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen der Annahme an Kindes statt auf Grund der Staatsangehörigkeit der Antragsteller nach tschechischem und slowakischem Recht (kumulativ) zu beurteilen seien und nach tschechischem Recht eine Adoption durch in eingetragener Partnerschaft lebende Paare nicht möglich sei.

2. Gegen diesen Beschluss erhoben die Antragsteller Rekurs und stellten aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag. Darin legen sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar:

"V. Darlegung der Bedenken

 

1. Wie das BG Innere Stadt Wien in seinem Beschluss vom 20.01.2022 (Blg. ./A) darlegt, bestimmt §26 Abs1 IPR-G, dass die Voraussetzungen der Annahme eines (minderjährigen) Wahlkindes nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen ist und dass das tschechische Recht (wie im übrigen auch das slowakische) Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare (anders als durch verschiedengeschlechtliche), sei es gleichzeitig (gemeinsame Adoption) oder nacheinander (Sukzessivadoption), verbietet.

 

2. Dies ist grundrechtswidrig.

 

3. §26 Abs1 IPR-G hat zur Folge, dass auf eine große Zahl gleichgeschlechtlicher Paare (nämlich auf all jene, bei denen, wie bei den A, zumindest ein Teil Staatsangehöriger eines Landes ist, das gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption noch – ausschließlich auf Grund des Geschlechts und sexueller Orientierung – verbietet), just jene Rechtslage (wieder) Anwendung findet, die der Verfassungsgerichtshof als verfassungs- und grundrechtswidrig erkannt hat (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014).

 

4. Obwohl ihre Beziehung von den gleichen intentionalen Werten getragen ist und diese ihre Beziehung in ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für sie und ihre Adoptivkinder grundsätzlich gleich ist wie für analoge verschiedengeschlechtliche Paare mit denselben Staatsangehörigkeiten, ist gleichgeschlechtlichen Paaren (wie den A) bei Anwendung des ausländischen Adoptionsverbots die Adoption von Kindern in Österreich verboten[,] während analogen (hier: tschechisch-slowakischen) verschiedengeschlechtlichen Paaren die Adoption offensteht. Für diese Differenzierung (auf Grund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung) besteht keine Notwendigkeit aus besonders schwerwiegenden Gründen (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014; ebenso VfGH G258-259/17 04.12.17 Rz 13; VfGH 03.10.2018, G69/2018 Rz 39) und würde sie öffentlich und für jede Person deutlich machen, dass die Beziehung zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts etwas Anderes wäre als eine Beziehung zwischen Personen verschiedenen Geschlechts (vgl VfGH G258-259/17 04.12.17 Rz 16f).

 

5. Die Anwendung des ausländischen (hier: tschechischen und slowakischen Rechts) hat zum Ergebnis, dass gleichgeschlechtlichen Paaren, wie den A, – ausschließlich auf Grund ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung – (gemeinsame) Adoptionen verboten werden, was der Verfassungsgerichtshof als grundrechtswidrig erkannt hat (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014).

 

6. Die schwere Diskriminierung der Familie auf Grund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und der Staatsangehörigkeit der Adoptiveltern verletzt die Antragsteller und die Adoptivtoch[t]er in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insb. in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK), auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung jedes Kindes sowie auf die Wahrung seiner Interessen und auf Primat des Kindeswohls bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen (Art1 BVG über die Rechte von Kindern; Art24 Abs1 EU-GRC) und auf Freiheit von Diskriminierung und auf Gleichbehandlung (Art14 EMRK iVm Art8 EMRK; Art1 BVG Rassendiskriminierung) (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014).

 

7. Die angefochtene Gesetzesbestimmung verpflichtet das Adoptionsgericht, verfassungswidrige Gesetze anzuwenden, die eine gemeinsame Adoptivelternschaft gleichgeschlechtlicher Paare auch dann ausschließen, wenn diese ein Kind in Pflege haben oder ein Partner das Kind bereits adoptiert hat,- ja sogar dann, wenn sie das Kind (wie just im Falle der A) seit seiner Geburt in Pflege haben! Eine sachliche Rechtfertigung für dieses Verbot und diese Ungleichbehandlungen ist – insbesondere aus dem auch im Lichte des Art1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, BGBl I 4/2011, gebotenen Blickwinkel des Wohles des Kindes – nicht gegeben. Weder nach Art8 iVm Art14 EMRK noch nach Art7 Abs1 B‑VG ist es sachlich gerechtfertigt, gleichgeschlechtliche Paare grundsätzlich von der gemeinsamen Adoption oder der Sukzessivadoption auszuschließen (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 43).

 

8. Es ist nicht zu sehen, warum es im Interesse des Kindeswohls liegen soll, in derartigen Konstellationen nicht nur dem Kind von vorneherein die rechtliche Institutionalisierung des Verhältnisses zu einer (bestehenden oder künftigen) Bezugsperson (hier: zu den faktischen Eltern seit Geburt des Kindes) durch Adoptionsvertrag zu verwehren, sondern auch auf diese Weise das Kind von vorneherein von Unterhalts- und Versorgungsansprüchen abzuschneiden (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 48; VfGH 06.12.2021, G247/2021).

 

9. Der grundsätzliche gesetzliche Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare davon, gemeinsam als Vertragspartner eines Adoptionsvertrages ein Wahlkind anzunehmen, während die gemeinsame Elternschaft verschiedengeschlechtlicher Paare mit gleicher Staatsangehörigkeit ebenso rechtlich möglich ist wie die gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare mit bloß anderer Staatsangehörigkeit (nämlich von Ländern ohne solches grundrechtswidriges Verbot), ist inkohärent (vgl EGMR, Fall X ua, Z144) und kann nicht mit der Wahrung des Kindeswohls gerechtfertigt werden (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 49; VfGH 06.12.2021, G247/2021).

 

10. Ganz im Gegenteil verletzt der durch die angefochtene Gesetzesbestimmung angeordnete grundsätzliche Ausschluss der gemeinsamen Adoption und der Sukzessivadoption eines Kindes durch gleichgeschlechtliche Paare (wie die A) das Kindeswohl (VfGH 11.12.2014, G119-120/2014 Rz 46; VfGH 06.12.2021, G247/2021).

 

11. Nach Art1 BVG über die Rechte von Kindern hat jedes Kind 'Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.' Die verfassungsrechtliche Vorgabe, bei Kinder betreffenden Maßnahmen das Kindeswohl als vorrangige Erwägung zu berücksichtigen, bindet auch den Gesetzgeber, wenn er die Grundlagen für solche Maßnahmen normiert. Das im zweiten Satz des Art1 BVG über die Rechte von Kindern solcherart verankerte Kindeswohl wird maßgeblich bestimmt durch den im ersten Satz normierten Anspruch von Kindern auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung (VfGH 11.12.2014, G18/2014 Rz 40; VfGH 06.12.2021, G247/2021).

 

12. Ein ausnahmsloses und generelles Verbot von Adoptionen bloß auf Grund der Gleichgeschlechtlichkeit der Adoptiveltern kann – wie just der Fall der Antragsteller anschaulich belegt – das Kindeswohl in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen, dann nämlich, wenn ein Wahlkind längere Zeit in Familienverhältnissen gelebt hat, die einer Eltern-Kind-Beziehung sehr ähnlich sind oder gar entsprechen, und eine Adoption alleine deshalb nicht bewilligt werden kann, weil die Eltern gleichen Geschlechts sind. Eine solche Regelung schließt eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare auch dann aus, wenn das Kindeswohl die Bewilligung der Adoption geböte. In Fällen, in denen sich ein Kind bereits in einem Familienverband befindet, der durch Adoption rechtlich verfestigt werden soll, hat das grundrechtliche Schutzgut der bestmöglichen Entwicklung und Entfaltung des Kindes erhebliches Gewicht, welches durch das Gebot der Berücksichtigung des Kindeswohls als vorrangige Erwägung in Art1 letzter Satz BVG über die Rechte von Kindern verstärkt wird (VfGH 11.12.2014, G18/2014 Rz 49, 50; VfGH 06.12.2021, G247/2021).

 

13. Die Bestimmung des §26 Abs1 IPR-G, die die Anwendung ausländischer Gesetzesbestimmungen vorschreibt, die, ohne das konkrete Kindeswohl zu berücksichtigen, alleine auf das Erfordernis der Verschiedengeschlechtlichkeit abzielen, ohne die Möglichkeit eines Absehens von diesem Erfordernis (bei gemeinsamer oder Sukzessivadoption) vorzusehen, verstößt daher gegen Art1 BVG über die Rechte von Kindern (VfGH 11.12.2014, G18/2014 Rz 53; VfGH 11.12.2014, G119-120/2014; VfGH 06.12.2021, G247/2021; EGMR: ADVISORY OPINION conceming the recognition in domestic law of a legal parent-child relationship between a child born through a gestational surrogacy arrangement abroad and the intended mother, Requested by the French Court of Cassation, Request no. P 16-2018-001, Grand Chamber 10.04.2019).

 

14. Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen verletzen die Antragsteller sohin in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insb. in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK), und auf Freiheit von Diskriminierung und auf Gleichbehandlung (Art14 EMRK iVm Art8 EMRK; Art21 EU-GRC; ArtI BVG Rassendiskriminierung). Und sie verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der mitbeteiligten Partei, der Adoptivtochter, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung jedes Kindes sowie auf die Wahrung seiner Interessen und auf Primat des Kindeswohls bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen (Art1 BVG über die Rechte von Kindern; Art24 Abs2 EU-GRC)."

 

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsteller wie folgt entgegentritt:

"3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

 

§26 Abs1 IPRG stellt für die Annahme an Kindesstatt auf das Personalstatut jedes Annehmenden und das Personalstatut des Kindes ab; bei nicht entscheidungsfähigen Kindern ist letzteres jedoch nur hinsichtlich der Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, maßgebend. Personalstatut einer natürlichen Person ist gemäß §9 Abs1 IPRG das Recht des Staates, dem die Person angehört.

 

Die Anknüpfung an das Personalstatut stellt eine besondere Ausprägung des in §1 Abs1 IPRG normierten Grundsatzes der stärksten Beziehung dar (vgl §1 Abs2 IPRG; zur Entwicklung und Bedeutung dieses Grundsatzes siehe auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 784 BlgNR XIV. GP , 10 f). Bei einer gemeinsamen Annahme durch Ehegatten (bzw eingetragene Partner) mit verschiedenem Personalstatut sind die Personalstatute beider Annehmender zu beachten (vgl die ErlRV 784 BlgNR XIV. GP , 41 f, wonach diese Maßgeblichkeit beider Personalstatuten sich im Interesse einer allseitigen Wirksamkeit der Adoption empfehle).

 

Gemäß §6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist; an ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden (sog Ordre-Public-Klausel).

 

II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

 

1. […]

 

2. Zur Zulässigkeit

 

2.1. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, dh dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die jeweils bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl VfSlg 11.150/1986, 13.851/1994, 14.802/1997, 19.933/2014).

 

Der vorliegende Antrag erweist sich nach Auffassung der Bundesregierung aus folgendem Grund als unzulässig:

 

2.2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers richten sich nicht gegen die Kollisionsnorm des §26 Abs1 IPRG als solche, sondern gehen dahin, dass auf Grund der Anwendbarkeit des fremden Rechts eine Annahme an Kindesstatt im konkreten Fall ausgeschlossen ist. Da das fremde Recht formell als solches nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art140 B‑VG sein kann (vgl Rohregger, Art140 B‑VG in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar, 6. Lfg. 2003, Rz. 71), stellt sich die Frage, ob und in welcher Form das fremde Recht Eingang in die Rechtsordnung findet und ob – sollten die Bedenken der Antragsteller gegen das fremde Recht zutreffen – die angefochtene Bestimmung Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit des fremden Rechts ist.

 

2.2.1. Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass das fremde Recht gemäß §4 IPRG vom Gericht zu 'ermitteln' ist, wozu allenfalls auch Sachverständigengutachten eingeholt werden können. Der Grundsatz 'iura novit curia' gilt demnach für fremdes Recht nicht (vgl VwGH 25.02.2009, 2008/03/0179).

 

Schon dies deutet darauf hin, dass das Gericht das fremde Recht nicht im verfassungsrechtlichen Sinn 'vollzieht', sondern es als 'Sachverhalt' seinem Urteil zu Grunde legt. Dass auch Phänomene, die für sich genommen als rechtliche Willenserklärungen zu qualifizieren sind, auf Grund gesetzlicher Anordnungen als Sachverhalt in Erscheinung treten können, ist der Rechtsordnung nicht fremd und so wird in der Literatur auch angenommen, dass das fremde Recht im Sinne des IPR als Sachverhalt 'wiedereintritt' (siehe Jabloner, Der Sachverhalt im Recht, ZÖR 2016, 199 [208]).

 

2.2.2. Würde man das fremde Recht nicht als Sachverhalt qualifizieren, würde dies grundlegende Fragen der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des IPR selbst aufwerfen.

 

Die Annahme, dass das Gericht das fremde Recht auf Grund der Kollisionsnorm in einem verfassungsrechtlichen Sinn 'vollzieht', wäre nur dann zutreffend, wenn das fremde Recht auf Grund einer 'Verweisung' in §26 Abs1 IPRG Eingang in die österreichische Rechtsordnung findet. Eine solche 'Verweisung' wäre freilich mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen auf Akte fremder Rechtssetzungsautoritäten (vgl VfSlg 19.645/2012 mwN) unvereinbar.

 

In der Literatur (in der Kollisionsnormen als Verweisung gedeutet werden) wird die Verfassungskonformität des IPR damit begründet, dass das IPR von der Verfassungsgesetzgebung des Jahres 1920 historisch vorgefunden und daher als nicht regelungsbedürftig angesehen wurde (siehe Griller, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, 1989, 129 mwN). Auch die Erläuterungen zur Stammfassung des IPRG berufen sich darauf, 'daß das Institut des internationalen Privatrechts vom Bundes-Verfassungsgesetz 1929 bereits vorausgesetzt wird' (ErlRV 784 BlgNR XIV. GP 10; vgl auch Schwind, Internationales Privatrecht, 1990, Rz. 127).

 

Wäre die verfassungsrechtliche Zulässigkeit – vereinfacht gesprochen: – 'des IPR' mit dem 'beredten Schweigen' (vgl Schäffer, Verfassungsinterpretation in Österreich, 1971, 66 ff, 126 ff) der Verfassungsgesetzgebung zu begründen, stellt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen daraus in Bezug auf die normative Qualität des fremden Rechts zu ziehen sind:

 

Zum einen könnte angenommen werden, dass das beredte Schweigen der Bundesverfassung zur Folge hat, dass die Kollisionsbestimmungen des IPRG in (hier: ausnahmsweise) zulässiger Weise dynamisch auf das fremde Recht verweisen und dass dieses fremde Recht sohin als 'Bundesgesetz' gilt. Sitz dieses 'Bundesgesetzes' könnte die Verweisungsbestimmung des IPRG selbst sein. Dies hätte zur Folge, dass sämtliches fremdes Recht, das auf Grund des IPRG 'vollzogen' werden soll, der (uneingeschränkten) verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen würde. (Dafür, dass in einem solchen Fall Prüfungsmaßstab 'lediglich' der ordre public und nicht das Verfassungsrecht sei, bestehen keine Anhaltspunkte.)

 

Zum anderen könnte angenommen werden, dass das beredte Schweigen der Bundesverfassung zur Folge hat, dass das fremde Recht als solches gilt. Nach Ansicht der Bundesregierung sprechen – so man der Auffassung, das fremde Recht sei 'Sachverhalt', nicht folgt – die besseren Argumente für Letzteres. Die verfassungsrechtliche Problematik der Anwendung des fremden Rechts auf Grund des IPRG wird in der Literatur – zutreffend – unter dem Aspekt der Geschlossenheit des Rechtsquellensystems diskutiert (siehe Griller, Hoheitsrechte 83 ff, insb. 127 ff mwN). Aus der Geschlossenheit des Rechtsquellensystems (wie auch immer sie begründet werden mag; siehe Schäffer, Rechtsquellen und Rechtsanwendung, 5. ÖJT I/1/B, 1973, 35 f) folge, dass (generelle) Rechtssetzung in den vom B‑VG vorgesehenen Rechtsformen zu erfolgen habe. Als Ausnahme davon gelte, dass (generelle) Rechtssetzung auch in historisch vorgefundenen Formen erfolgen dürfe (durch kollektive Rechtsgestaltung im Arbeitsrecht und durch autonome Landtagsbeschlüsse; vgl VfSlg 6277/1970). Diese historisch vorgefundenen Rechtsquellentypen werden als Rechtsakte sui generis aufgefasst. Für die Bundesregierung liegt es daher nahe, auch das fremde Recht – so es sich nicht um einen Sachverhalt handelt – als solches zu qualifizieren.

 

2.2.3. Die Bundesregierung vertritt daher die Auffassung, dass das fremde Recht vom Gericht nicht als 'Bundesgesetz' 'vollzogen' wird, sondern vom Gericht als 'Sachverhalt' behandelt oder allenfalls als 'fremdes Recht' angewendet wird.

 

Dies hat freilich zur Konsequenz, dass das fremde Recht einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle gemäß Art140 B‑VG nicht zugänglich ist (so im Ergebnis auch Rohregger aaO; Schäffer/Kneihs, Art140 B‑VG in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar. Bundesverfassungsrecht, 18. Lfg. 2017, Rz. 36). Nach Ansicht der Bundesregierung schadet dies aber insofern nicht, zumal das fremde Recht dem Vorbehalt des ordre public gemäß §6 IPRG unterliegt.

 

Bei der ordre-public-Prüfung besteht ein nach Ausmaß und Bedeutung des Inlandsbezugs der Sache abgestufter Prüfungsmaßstab ('Relativität des ordre public', siehe etwa 3 Ob 186/11s). Je engeren Bezug der zu beurteilende Lebenssachverhalt zum Inland hat, desto kritischer ist die Vereinbarkeit des Ergebnisses der Anwendung einer fremden Rechtsordnung mit den inländischen Grundwertungen zu prüfen, desto eher kann deren Anwendung am inländischen ordre public scheitern.

 

Zum ordre public zählen nach herrschender Lehre und Rechtsprechung der Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechtes (OGH 13.9.2009, 4 Ob 199/00v), also die unverzichtbaren Wertvorstellungen, die die österreichische Rechtsordnung prägen. Verfassungsgrundsätze (insbesondere durch die EMRK geschützte Menschenrechte) spielen dabei jedenfalls eine tragende Rolle. Als von §6 IPRG geschützte Grundwerte und somit ordre-public-feste Rechtsgüter werden etwa die persönliche Freiheit, die Gleichberechtigung, das Verbot abstammungsmäßiger, rassischer und konfessioneller Diskriminierung, die Freiheit der Eheschließung, die Einehe, das Verbot der Kinderehe und insbesondere auch der Schutz des Kindeswohles angesehen (vgl VfSlg 19.596/2011, 19.692/2012, jeweils mit Verweis auf Verschraegen in Rummel3, IPRG §6 Rz. 2 mwN; vgl auch OGH 7 Ob 600/86, 9 Ob 34/10f, 6 Ob 138/13g, 2 Ob 170/18s, 2 Ob 207/20k ua). Zu den Grundwerten des österreichischen Rechts gehört auch die Gleichbehandlung der Geschlechter (OGH 2 Ob 170/18s).

 

Der Umfang des ordre public ist daher nicht mit dem Verfassungsrecht als solchem gleichzusetzen; eine Bestimmung des fremden Rechts ist aber immer dann nicht anzuwenden, wenn dies zu einem Ergebnis führen würde, das mit den og. Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar wäre. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechend[e] Bestimmung des österreichischen Rechts anzuwenden (inländisches Ersatzrecht).

 

Nach Auffassung der Bundesregierung stellt dies insgesamt ein ausgewogenes System dar, das bei Fällen mit Auslandsbezug einerseits das jeweils anwendbare Recht ausreichend präzise bestimmt, andererseits aber auch die verfassungsrechtlich geschützten Rechte der Betroffenen gewährleistet.

 

2.2.4 Lediglich der Vollständigkeit halber weist die Bundesregierung darauf hin, dass das IPRG selbst uneingeschränkt Prüfungsgegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art140 B‑VG sein kann. Liegt der Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit daher in der Kollisionsbestimmung selbst (und nicht im anzuwendenden fremden Recht), so kann dies zu ihrer Aufhebung führen. So hat das dt. Bundesverfassungsgericht erkannt, dass eine Kollisionsregelung im Ehegüterrecht, die stets an die Staatsangehörigkeit des Mannes – und nicht (auch) der Frau – anknüpft, gegen Art3 Abs2 des Grundgesetzes verstößt (vgl BVerfG 18.12.2002, 1 B BvR 108/96). Die Prüfung der Kollisionsnorm kann sich freilich nur darauf erstrecken, ob die generelle Entscheidung der Gesetzgebung für ein bestimmtes Regelungsprinzip, besonders die Auswahl der Anknüpfungspunkte, mit der Verfassung vereinbar ist (vgl auch BVerfGE 31, 58 Rz. 40). Kollisionsnormen enthalten allerdings keine materiell-rechtlichen Vorschriften, sondern ordnen lediglich an, welches Recht in Fällen mit Auslandsberührung zur Anwendung kommt.

 

Die Antragsteller haben jedoch keine Bedenken dahingehend vorgebracht, dass die Anknüpfung an das Personalstatut (und somit die Staatsangehörigkeit) der Annehmenden in §26 Abs1 IPRG per se verfassungswidrig wäre.

 

2.3. Zusammengefasst ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Antrag unzulässig ist, da sich die Bedenken nicht gegen die angefochtene Bestimmung, sondern gegen das fremde Recht richten.

 

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:

 

III. In der Sache:

 

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

 

1. Die Antragsteller sehen sich durch die verwehrte Möglichkeit der gemeinsamen Adoption in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) und auf Freiheit von Diskriminierung und auf Gleichbehandlung (Art14 iVm. Art8 EMRK, Art1 Abs1 BVG Rassische Diskriminierung, Art21 GRC) verletzt. Die Verletzung in ihren Rechten liege darin, dass das gemäß §26 Abs1 IPRG anwendbare fremde Recht eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare nicht zulasse, während verschiedengeschlechtlichen Paaren die Adoption offenstehe. Die Anwendung des fremden Rechts führe daher zu einer Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren ausschließlich aufgrund ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung, was der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 19.942/2014 als verfassungswidrig erkannt habe. Ein ausnahmsloses und generelles Verbot von Adoptionen bloß aufgrund der Gleichgeschlechtlichkeit der Adoptiveltern könne überdies das Kindeswohl in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen und verstoße daher auch gegen Art1 BVG über die Rechte von Kindern und Art24 Abs2 GRC.

 

1.1. Den Antragstellern ist zuzustimmen, dass ein genereller Ausschluss gleichgeschlechtlicher eingetragener Partner von der Adoption eines Kindes weder aus dem im Lichte des Art1 BVG über die Rechte von Kindern gebotenen Blickwinkel des Wohles des Kindes noch nach Art8 iVm. Art14 EMRK bzw Art1 Abs1 BVG Rassische Diskriminierung sachlich gerechtfertigt ist (vgl VfSlg 19.942/2014). Wie bereits dargelegt, sieht §26 Abs1 iVm. §6 IPRG einen solchen generellen Ausschluss allerdings nicht vor.

 

Im vorliegenden Fall ist durch den Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt der Adoptiveltern und des Adoptivkindes ein sehr starker Nahebezug der Adoptionssache zu Österreich gegeben, der durch den inländischen Ort der Schließung des Adoptionsvertrags noch verstärkt wird. Dies gebietet eine strenge ordre-public-Prüfung, die das Bezirksgericht Innere Stadt Wien unterlassen hat und die im Rahmen des Rekursverfahrens nachzuholen wäre. Angesichts der konkreten Umstände des Adoptionsvorhabens (Inkognitoadoption, geordnete und stabile Verhältnisse der Adoptionseltern, bereits seit dem dritten Tag nach der Geburt des Kindes bis dato bestehende, einem biologischen Eltern-Kind-Verhältnis vergleichbare elterliche Beziehung zwischen den Adoptivvätern und dem Adoptivkind) läge die Bewilligung der Adoption auch im Wohle des Kindes. Aufgrund der besonderen Bedeutung, die der Wahrung des Kindeswohles in der österreichischen Rechtsordnung zukommt, und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts und der sexuellen Orientierung wäre daher durch Anwendung der ordre-public-Klausel des §6 IPRG und Anwendung österreichischen Ersatzrechts die Adoption zu bewilligen gewesen (das Entstehen eines 'hinkenden Rechtsverhältnisses' im Verhältnis zur Tschechischen und zur Slowakischen Republik wäre dabei in Kauf zu nehmen, siehe dazu näher unten).

 

Die von den Antragstellern ins Treffen geführte Verfassungswidrigkeit basiert daher auf einem Vollzugsmangel, der keinen Prüfungsgegenstand im Verfahren nach Art140 B‑VG darstellt (vgl VfGH 2.7.2015, G145/2015; VfSlg 20.188/2017).

 

1.2. Im Übrigen weist die Bundesregierung nochmals darauf hin, dass die Antragsteller keine Bedenken vorgebracht haben, die sich gegen die Auswahl der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt für die Frage des anwendbaren Rechts und somit gegen das Regelungsprinzip des §26 Abs1 IPRG als solches richten.

 

Die Gesetzgebung hat sich mit §26 Abs1 IPRG bezüglich der Voraussetzungen der Begründung eines rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses durch Adoption für eine Anknüpfung an das Personalstatut der Beteiligten entschieden. Es mag zutreffen, dass die Staatsangehörigkeit aufgrund der zunehmenden Mobilität der Menschen nicht mehr ganz den 'Anknüpfungswert' aufweist, den sie in Zeiten hatte, in denen die Lebensverhältnisse der Menschen von geringer Mobilität geprägt waren und in denen daher die Verbindung zum Heimatstaat (idR der Staat der Geburt) häufig ein Leben lang sehr stark, wenn nicht gar exklusiv geblieben ist. In zahlreichen Kollisionsrechten, auch im österreichischen IPR, ist daher eine allmähliche Zurückdrängung des Anknüpfungsmoments der Staatsangehörigkeit zugunsten anderer Momente, insbesondere zugunsten des gewöhnlichen Aufenthalts, zu beobachten.

 

Im Bereich von Statusverhältnissen, und ganz besonders beim so elementaren Status der Abstammung und dem rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnis, sind derartige Änderungen aber mit besonderer Vorsicht zu betrachten. In der Regel werden diese Verhältnisse im Geburtsstaat begründet, der in den meisten Fällen auch die Staatbürgerschaft der Betroffenen festlegt. Selbst wenn viele Menschen auch nicht mehr ein Leben lang in ihrem Geburtsstaat verbleiben, bleibt ihre Beziehung zu diesem Staatswesen doch in aller Regel wichtig und bedeutsam, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Geburtsstaat oft nicht endgültig verlassen wird.

 

In Bezug auf Statusverhältnisse ist die Rücksichtnahme auf das Recht des Geburtsstaates, der idR auch der Heimatstaat ist, auch heute noch maßgeblich und zweckmäßig, zumal ansonsten die Entstehung sogenannter 'hinkender Statusverhältnisse' droht. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass ein familiärer Status von einem Staat anerkannt wird, von anderen Staaten, vor allem auch den Heimatstaaten der Betroffenen, hingegen nicht. Hinkende Statusverhältnisse sind für die betroffenen Menschen in der Regel äußerst nachteilig, zumal viele Regelungen (etwa in den Bereichen Obsorge, Kontaktrechte, Unterhalt, Erbrecht, Staatsangehörigkeit, Sozialversicherung, Aufenthaltsrecht oder staatliche Transferleistungen) an einen bestimmten familienrechtlichen Status anknüpfen. Nicht nur, aber vor allem zeigt sich dies bei der Rückkehr in den Heimatstaat, wenn dieser im Ausland nach dortigem Recht begründete Statusverhältnisse nicht anerkennt.

 

Aus gutem Grund stellen die Kollisionsrechte vieler Staaten für die Begründung von Statusverhältnissen, und ganz besonders beim so elementaren Eltern-Kind-Verhältnis, daher nach wie vor auf die Staatsangehörigkeit(en) der Beteiligten ab. Ein einseitiges Abgehen von dieser verbreiteten internationalen Übung würde zu vielen hinkenden Statusverhältnissen mit all ihren Nachteilen für die Betroffenen führen. Es ist daher weitgehend anerkannt, dass ein allfälliger Paradigmenwechsel im Kollisionsrecht der Statusverhältnisse sinnvoller Weise nur im internationalen bzw – aus europäischer Sicht – zumindest europäischen Gleichklang geschehen kann. Sowohl in der Haager Konferenz für internationales Privatrecht als auch in der Europäischen Union sind neue globale bzw unionsweite Vorschläge in Vorbereitung; jedenfalls die EU-Initiative soll auch den Aspekt der rechtlichen Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses durch Adoption umfassen.

 

Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass der Staatsangehörigkeitsgrundsatz im Abstammungsrecht grundsätzlich sinnvoll und sachlich gerechtfertigt ist. Dass (jegliche) kollisionsrechtliche Anknüpfungsmomente in Einzelfällen zu Sachrechten führen können, die aus österreichischer Sicht unerwünschte Regelungen enthalten, liegt im Wesen des Kollisionsrechts. Der Schutz der 'Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung' (siehe dazu bereits oben) wird jedenfalls durch den Vorbehalt des ordre public gemäß §6 IPRG sichergestellt.

 

2. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Bestimmung nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist.

 

Sollte der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Bestimmung dennoch für verfassungswidrig erachten, kann nach Ansicht der Bundesregierung mit der Aufhebung des im Hauptantrag angefochtenen §26 Abs1 IPRG das Auslangen gefunden werden."

 

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. Jänner 2022, 6 P 121/21w-7, gestellt. Mit diesem Beschluss wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG).

1.3. Die Antragsteller im verfassungsgerichtlichen Verfahren sind als Antragsteller im zivilgerichtlichen Verfahren Parteien des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit sie zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG berechtigt sind.

1.4. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels haben die Antragsteller dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen den genannten Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien am selben Tag erhoben und eingebracht haben (vgl VfSlg 20.074/2016).

Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.

1.5. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl VfSlg 20.010/2015, 20.029/2015).

Das Erstgericht hat §26 Abs1 IPR-G, dessen Verfassungswidrigkeit die Antragsteller behaupten, ausdrücklich angewendet und damit die Abweisung des Antrages auf Bewilligung der Adoption begründet, weil das nach dieser Bestimmung unter anderem zur Anwendung berufene tschechische Recht einer Adoption durch eingetragene Partner gleichen Geschlechtes entgegenstehe. Die angefochtene Bestimmung ist somit als präjudiziell anzusehen.

1.6. Die Bundesregierung ist der Auffassung, der vorliegende Antrag sei unzulässig. Begründend führt die Bundesregierung dazu zusammengefasst das Folgende aus:

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsteller richteten sich nicht gegen die Kollisionsnorm des §26 Abs1 IPR-G als solche, sondern dagegen, dass das ausländische Recht die Annahme an Kindes statt im vorliegenden Fall ausschließe. Da fremdes Recht nicht Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art140 B‑VG sein könne, stelle sich die Frage, ob und in welcher Form das fremde Recht Eingang in die österreichische Rechtsordnung finde und ob die angefochtene Bestimmung der Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit sei.

Die Bundesregierung vertrete die Auffassung, dass das fremde Recht vom Gericht nicht gleich einem Bundesgesetz vollzogen, sondern als Teil des Sachverhaltes behandelt oder allenfalls als fremdes Recht angewendet werde. Dies habe zur Konsequenz, dass das fremde Recht einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich sei. Dies schade jedoch nicht, zumal es dem Vorbehalt des ordre public gemäß §6 IPR-G unterliege. Eine Bestimmung des fremden Rechtes sei dann nicht anzuwenden, wenn dies mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar sei.

Das IPR-Gesetz selbst könne demgegenüber uneingeschränkt Prüfungsgegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art140 B‑VG sein. Liege der Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit in der Kollisionsnorm selbst, könne dies zu ihrer Aufhebung führen. Die Antragsteller hätten jedoch keine Bedenken dahingehend vorgebracht, dass die Anknüpfung an das Personalstatut der annehmenden Personen in §26 Abs1 IPR-G für sich genommen verfassungswidrig sei. Zusammengefasst sei daher die Bundesregierung der Ansicht, der Antrag sei unzulässig, weil sich die Bedenken der Antragsteller nicht gegen die angefochtene Bestimmung, sondern das zur Anwendung berufene fremde Recht richteten.

1.7. Der Verfassungsgerichtshof teilt die von der Bundesregierung erhobenen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages nicht:

Entgegen dem Vorbringen der Bundesregierung erheben die Antragsteller verfassungsrechtliche Bedenken gegen §26 Abs1 IPR-G. Sie machen nämlich zutreffend geltend, dass es gerade diese Bestimmung überhaupt erst ermöglicht, fremdes Recht in Österreich anzuwenden. Im konkreten Fall führt §26 Abs1 IPR-G dazu, dass ein Recht zur Anwendung kommt, demzufolge die Adoption nicht bewilligt werden kann, weil die Antragsteller homosexuell sind und in einer eingetragenen Partnerschaft leben.

1.8. Da sich somit bereits der Hauptantrag als zulässig erweist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Eventualanträge.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Antrag ist nicht begründet.

2.1. Die Antragsteller legen ihre Bedenken, die sie zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bewogen haben, zusammengefasst wie folgt dar:

§26 Abs1 IPR-G bestimme, dass die Voraussetzungen der Annahme eines minderjährigen Wahlkindes nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen seien. Das hier anzuwendende tschechische sowie das slowakische Recht ließen jedoch eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare nicht zu. Dies sei grundrechtswidrig. Die angefochtene Bestimmung habe zur Folge, dass gleichgeschlechtlichen Paaren ausschließlich auf Grund ihres Geschlechtes bzw ihrer sexuellen Orientierung der Zugang zu einer Adoption verwehrt sei. Diese Rechtslage habe der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.942/2014 als verfassungswidrig erkannt.

Die Differenzierung auf Grund des Geschlechtes sowie der sexuellen Orientierung stelle eine schwerwiegende Diskriminierung der Familie der Antragsteller dar und verletze sie in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B‑VG und Art2 StGG iVm Art14 EMRK. Darüber hinaus verstoße die angefochtene Bestimmung auch gegen das Recht auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung jedes Kindes sowie auf Wahrung seiner Interessen gemäß Art1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern.

Die angefochtene Bestimmung verpflichte das Adoptionsgericht, verfassungswidrige Gesetze anzuwenden, die eine gemeinsame Adoptivelternschaft gleichgeschlechtlicher Paare ausschlössen. Dies gelte sogar dann, wenn das Kind bereits seit seiner Geburt in der Pflege der Annehmenden stehe. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Diskriminierung sei nicht zu erkennen. Es sei nicht zu sehen, warum es im Interesse des Kindeswohles liegen solle, dem Kind in derartigen Konstellationen von vornherein die rechtliche Institutionalisierung seines Verhältnisses zu bestehenden Bezugspersonen zu verwehren und es auf diese Weise von Unterhalts- und Versorgungsansprüchen abzuschneiden. Der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Möglichkeit einer Adoption könne auch nicht mit der Wahrung des Kindeswohles gerechtfertigt werden. Ganz im Gegenteil verletze die angefochtene Gesetzesbestimmung das Kindeswohl. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach vorrangig das Kindeswohl zu berücksichtigen sei, binde auch den Gesetzgeber, wenn er die Grundlagen für solche Maßnahmen normiere.

Ein ausnahmsloses und generelles Verbot von Adoptionen bloß auf Grund der Gleichgeschlechtlichkeit der Adoptiveltern könne das Kindeswohl in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen, nämlich dann, wenn ein Wahlkind bereits längere Zeit in Familienverhältnissen gelebt habe, die einer Eltern-Kind-Beziehung ähnlich seien oder dieser gar entsprächen, die Adoption jedoch lediglich deshalb nicht bewilligt werden könne, weil die Eltern gleichen Geschlechtes seien. Eine solche Regelung schließe die Adoption auch für den Fall aus, dass das Kindeswohl deren Bewilligung gebiete. Die angefochtene Bestimmung sei daher aus den angeführten Gründen verfassungswidrig.

2.2. Die Bundesregierung hält diesem Vorbringen der Antragsteller zusammengefasst Folgendes entgegen:

Den Antragstellern sei beizupflichten, dass ein genereller Ausschluss gleichgeschlechtlicher eingetragener Partner von der Adoption eines Kindes sachlich nicht gerechtfertigt werden könne. Die österreichische Rechtsordnung sehe jedoch einen solchen generellen Ausschluss nicht vor. Im vorliegenden Fall sei durch den Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt der Adoptiveltern und des Adoptivkindes ein starker Nahebezug der Adoptionssache zu Österreich gegeben, der durch den inländischen Ort des Abschlusses des Adoptionsvertrages weiter verstärkt werde. Dies gebiete eine strenge Prüfung des ordre public nach §6 IPR-G, die das Bezirksgericht Innere Stadt Wien unterlassen habe. Angesichts der Umstände des Adoptionsvorhabens diene die Bewilligung der Adoption dem Kindeswohl. Auf Grund der besonderen Bedeutung, die der Wahrung des Kindeswohles in der österreichischen Rechtsordnung zukomme, sowie des Verbotes der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechtes und der sexuellen Orientierung sei die Adoption durch Anwendung der ordre public-Klausel und des österreichischen Ersatzrechtes zu bewilligen gewesen. Die von den Antragstellern ins Treffen geführte Verfassungswidrigkeit basiere daher auf einem Vollzugsmangel der gerichtlichen Entscheidung.

Der Gesetzgeber habe sich mit der Regelung des §26 Abs1 IPR-G hinsichtlich der Voraussetzungen der Adoption für eine Anknüpfung an das Personalstatut der Beteiligten entschieden. Es möge zutreffen, dass die Staatsangehörigkeit auf Grund der zunehmenden Mobilität der Menschen nicht mehr denselben Anknüpfungswert aufweise, der ihr in früheren Zeiten zugekommen sei. In zahlreichen Kollisionsrechten sei daher eine allmähliche Zurückdrängung des Anknüpfungsmomentes der Staatsangehörigkeit zu beobachten.

Im Bereich von Statusverhältnissen sowie insbesondere bei der Abstammung und dem rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnis seien aber derartige Änderungen mit großer Vorsicht zu betrachten. In der Regel würden diese Verhältnisse im Geburtsstaat begründet, der in den meisten Fällen auch die Staatsbürgerschaft der Betroffenen festlege. Selbst wenn viele Menschen nicht mehr ein Leben lang in ihrem Geburtsstaat verblieben, bleibe die Beziehung zu diesem Staatswesen in aller Regel wichtig und bedeutsam. Die Rücksichtnahme auf das Recht des Geburtsstaates sei auch deshalb zweckmäßig, weil ansonsten die Entstehung sogenannter "hinkender Statusverhältnisse" drohe. Diese seien dadurch gekennzeichnet, dass der familiäre Status von einem Staat anerkannt werde, von anderen Staaten hingegen nicht. Hinkende Statusverhältnisse seien für die Betroffenen in der Regel äußerst nachteilig, zumal viele Regelungen an einen bestimmten familienrechtlichen Status anknüpften. Die Bundesregierung sei daher der Auffassung, dass der Staatsangehörigkeitsgrundsatz im Abstammungsrecht grundsätzlich sachlich gerechtfertigt sei. Der Schutz der Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung werde durch den ordre public-Vorbehalt gemäß §6 IPR-G sichergestellt.

2.3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

2.3.1. §26 Abs1 IPR-G bestimmt, dass die Voraussetzungen der Annahme an Kindes statt und der Beendigung der Wahlkindschaft nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen sind. Gemäß §9 Abs1 IPR-G ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht jenes Staates, dem die Person angehört. Im vorliegenden Verfahren ist daher die Zulässigkeit der Adoption kumulativ nach tschechischem und slowakischem Recht zu beurteilen. Da die tschechische Rechtsordnung eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, nicht vorsieht, versagte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien der beantragten Adoption die Bewilligung.

2.3.2. Nach früherem österreichischen Recht (§191 ABGB idF BGBl I 15/2013) war eine gemeinsame Adoption nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet waren. Diese Bestimmung bewirkte zusammen mit der korrespondierenden Bestimmung des §8 Abs4 EPG insbesondere, dass die gemeinsame Adoption im Ergebnis lediglich verschiedengeschlechtlichen Paaren möglich war, weil die Ehe nach der damaligen Rechtslage lediglich solchen Paaren offenstand.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis VfSlg 19.942/2014 §191 Abs2 erster Satz ABGB (idF BGBl I 15/2013) sowie §8 Abs4 EPG wegen Verstoßes gegen Art8 iVm Art14 EMRK sowie den Gleichheitsgrundsatz auf. Diese Bestimmungen, die eine rechtliche Ungleichbehandlung eingetragener Partner gegenüber Ehegatten und gegenüber gleich- wie verschiedengeschlechtlichen Personen in Lebensgemeinschaft sowie eingetragenen Partnern im Hinblick auf die Stiefkindadoption und damit auch von Adoptivkindern in Bezug zu eingetragenen Partnern gegenüber Adoptivkindern in Bezug zu Personen in den anderen genannten Konstellationen bewirkten, entbehrten der gebotenen sachlichen Rechtfertigung.

Nach geltender Rechtslage steht die Adoption nunmehr Einzelpersonen, Ehegatten und eingetragenen Partnern (vgl Deixler-Hübner, §191 ABGB, in: Kletečka/Schauer [Hrsg.], ABGB-ON1.06, rdb.at, Stand 15.1.2021, Rz 3 f.) sowie Lebensgefährten (vgl VfGH 6.12.2021, G247/2021) offen. Diese Möglichkeiten bestehen unabhängig von der jeweiligen sexuellen Orientierung der annehmenden Personen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Adoption in diesen Konstellationen nicht nur dem Kindeswohl entsprechen, sondern vielmehr aus diesem Grund sogar geboten sein kann. Das Gericht hat gemäß §194 Abs1 erster Satz ABGB in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Annahme an Kindes statt dem Kindeswohl entspricht und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsteller gegen die angefochtene Bestimmung nicht:

2.4.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er Regelungen verbietet, die sachlich nicht begründbare Ungleichheiten vorsehen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Dabei vermögen nur besonders schwerwiegende Gründe eine gesetzliche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, die an diskriminierungsverdächtigen Merkmalen anknüpft, wie sie in Art7 Abs1 zweiter Satz B‑VG enthalten sind (vgl VfSlg 19.942/2014 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu am Geschlecht und an der sexuellen Orientierung anknüpfenden gesetzlichen Differenzierungen; vgl auch VfSlg 20.225/2017).

2.4.2. §6 IPR-G ordnet an, dass eine Bestimmung des fremden Rechtes nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führte, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist (Vorbehalt des ordre public). Dies ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes etwa bei einer erbrechtlichen Regelung der Fall, die Frauen im Vergleich zu Männern diskriminiert und damit den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau verletzt (OGH 29.1.2019, 2 Ob 170/18s). Auch im vorliegenden Verfahren verletzte die Anwendung des ausländischen Rechtes die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung:

Der Gleichheitsgrundsatz des Art7 B‑VG enthält ein Verbot, Menschen auf Grund personaler Merkmale wie hier der sexuellen Orientierung und des Geschlechtes zu diskriminieren (vgl VfSlg 20.225/2017). Für den Verfassungsgerichtshof sind keine besonders schwerwiegenden Gründe dafür erkennbar, eingetragenen Partnern gleichen Geschlechtes die gemeinsame Adoptivelternschaft für ein Wahlkind schlechthin zu verwehren (vgl VfSlg 19.942/2014). Eine gegenteilige (innerstaatliche) Regelung verstieße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art7 B‑VG sowie gegen das Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Art8 EMRK.

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung des Obersten Gerichtshofes, dass von der ordre public-Klausel des §6 IPR-G "sparsamster Gebrauch" zu machen ist (vgl zB OGH 10.7.1986, 7 Ob 600/86). Bei der Konkretisierung des ordre public spielen jedoch die Grundrechte sowie die Verfassung im Allgemeinen eine zentrale Rolle (vgl Neumayr, §6 IPRG, in: Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger [Hrsg.], ABGB Kurzkommentar6, 2020, Rz 3). Eine Bestimmung des ausländischen Rechtes, welche die Adoption eines Kindes lediglich deshalb untersagt, weil die Annehmenden gleichen Geschlechtes sind, ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als nicht mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung vereinbar anzusehen.

2.4.3. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 19.942/2014 ausgesprochen, dass das Kindeswohl den grundsätzlichen Ausschluss gleichgeschlechtlicher eingetragener Partner von der Möglichkeit der gemeinsamen Annahme eines Wahlkindes nicht zu rechtfertigen vermag, sondern die Adoption aus diesem Grund sogar geboten sein kann (vgl auch VfGH 6.12.2021, G247/2021). Es widerspräche auch insofern den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung, wenn das ausländische Recht das österreichische Adoptionsgericht dazu verpflichten könnte, eine Entscheidung zu treffen, die dem Kindeswohl widerspricht.

2.5. §6 IPR-G ermöglicht es den ordentlichen Gerichten, das nach der angefochtenen Bestimmung grundsätzlich zur Anwendung berufene ausländische Recht unangewendet zu lassen, wenn dieses – wie im vorliegenden Fall – zu einem Ergebnis führte, das den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspräche. Die von den Antragstellern behauptete Verfassungswidrigkeit des §26 Abs1 IPR-G liegt aus diesem Grund nicht vor.

Das Erstgericht hätte daher aus verfassungsrechtlichen Gründen davon ausgehen müssen, dass die verwiesenen Bestimmungen des ausländischen Rechtes nicht zur Anwendung gelangen, und stattdessen die entsprechenden Bestimmungen des österreichischen Rechtes anwenden müssen, die einer Annahme an Kindes statt durch eingetragene Partner gleichen Geschlechtes dem Grundsatz nach nicht entgegenstehen.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des §26 Abs1 IPR-G erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 20.102/2016, 20.112/2016).

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