European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2000:E59176
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.086,40 S (darin 1014,40 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, österreichischer, früher jugoslawischer Staatsbürger, hat der Beklagten, einer jugoslawischen Staatsbürgerin mit Wohnsitz in Wien, im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verlobung ihrer Kinder ‑ der Sohn des Klägers war damals fast 15 Jahre alt, die Tochter der Beklagten 14 Jahre alt - in Österreich im Oktober 1997 einen Betrag von 150.000 S übergeben. Alle Beteiligten gehören der Volksgruppe der Roma an. Die Beklagte hatte die Zahlung für ihre Zustimmung zur beabsichtigten Verlobung und Heirat ihrer Tochter vom Kläger verlangt. Im Anschluss an die Verlobungsfeier in Wien im Oktober 1997 zog die Tochter der Beklagten zum Sohn des Klägers, verließ diesen aber nach acht Monaten wieder. Eine Vereinbarung, was mit dem Geld in dem Fall sein sollte, dass die Verlobung gelöst würde, war zwischen den Streitteilen nicht getroffen worden.
Der Kläger begehrt von der Beklagten 100.000 S sA. Aus prozessualer Vorsicht begehre er die Rückzahlung nur eines Teils der geleisteten Zahlung, weil die Tochter der Beklagten ja doch eine Zeit lang mit dem Sohn des Klägers zusammengelebt habe. Sie habe ihn jedoch in der Folge grundlos verlassen und sei zur Beklagten zurückgekehrt, damit diese "nun ein neues Geschäft eingehen" könne. Nach "unserem Brauch" sollte nun die Beklagte das Geld zurückgeben. Sie habe sich auch am 15. 6. 1998 rechtsverbindlich und unwiderruflich zur Rückzahlung verpflichtet. Der Kläger sei von der Beklagten arglistig getäuscht worden. Diese beabsichtige nun, ihre Tochter weiter anderen herzugeben und neuerlich ein Geschäft zu machen, wie dies "bei uns der Brauch" sei. Sie werde das Geld erst dann zurückgeben, nachdem sie ihre Tochter neuerlich verlobt habe.
Die Beklagte erklärte in ihrer Klagebeantwortung nur, das Klagebegehren zu bestreiten und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. In der mündlichen Streitverhandlung bestritt sie (pauschal) auch das gesamte Klagevorbringen, ohne jedoch vorerst selbst sachliche Prozessbehauptungen aufzustellen. Die Streitteile hätten zumindest konkludent die Geltung serbischen Rechts vereinbart; danach sei der streitgegenständliche Betrag geschenkt. Die Rückforderung sei zulässig (gemeint offenbar: unzulässig), weil die Tochter der Beklagten nicht mehr jungfräulich zur Mutter zurückgekommen sei. Der Rückforderungsanspruch sei auch sittenwidrig, weil die Tochter der Beklagten in Anbetracht des Drogenkonsums ihres Verlobten, unmenschlicher Behandlung sowie sexueller Belästigung begründet aus dem Haus des Sohns der Klägerin ausgezogen sei.
Das Erstgericht gab der Klage in der Hauptsache statt. Es stellte fest, dass die Beklagte für ihre Zustimmung zur beabsichtigten Heirat und Verlobung vom Kläger die Zahlung von 200.000 S verlangt und zur Unterstützung dieser Forderung darauf hingewiesen hat, dass die Tochter Jungfrau sei. In der Folge einigten sich die Streitteile, dass der Kläger der Beklagten für die Zustimmung zur beabsichtigten Eheschließung ihrer Tochter mit seinem Sohn eine Geldzuwendung leiste. Es konnte weder festgestellt werden, dass der Sohn des Klägers Rauschgift genommen oder die Tochter der Beklagten schlecht behandelt hätte, noch dass sie nach den acht Monaten des Zusammenlebens keine Jungfrau mehr gewesen wäre. Rechtlich schloss das Erstgericht daraus, dass auf die Vereinbarung der Streitteile gemäß § 36 IPRG österreichisches Recht zur Anwendung komme. Eine ausdrückliche, abweichende Rechtswahl sei nicht behauptet worden; gemäß § 8 (gemeint wohl: § 18) Abs 2 IPRG sei eine getroffene Rechtswahl unbeachtlich. Selbst im Falle der Geltung entsprechender ausländischer Rechtsnormen sei die Vereinbarung zwischen den Streitteilen wegen eines Verstoßes gegen den österreichischen ordre public gemäß § 6 IPRG unwirksam. Nach dem auf den vorliegenden Fall anzuwendenden österreichischen Recht verstoße die vorliegende Zahlung iSd § 879 Abs 1 ABGB gegen die guten Sitten, weshalb die Vereinbarung nichtig sei. Die vom Kläger erbrachte Leistung sei daher zurückzustellen; die Gegenleistung der Beklagten sei durch den Auszug der Tochter ohnedies längst obsolet geworden. Ein Fall des § 1247 zweiter Satz ABGB liege nicht vor, weil es sich hiebei um eine Zuwendung an einen der Verlobten durch den anderen Partner oder einen Dritten handle, nicht wie im vorliegenden Fall um eine Zuwendung an einen Dritten (Mutter) durch einen Dritten (Vater).
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zu einer vergleichbaren Konstellation, insbesondere zur Frage des Verstoßes einer solchen Vereinbarung gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung iSd § 6 IPRG, noch nicht Stellung genommen habe. Absolute Nichtigkeit lasse den Vertrag jedenfalls von Anfang an unwirksam sein, ohne dass es einer besonderen Geltendmachung der Nichtigkeit bedürfe. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Verstöße gegen solche Vorschriften vorlägen, die dem Schutz von Allgemeininteressen oder der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienten. Grundsätzlich genüge es, wenn die betreffende Partei Umstände geltend mache, die die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung begründen könnten; eine ausdrückliche Berufung auf die Sittenwidrigkeit sei nicht erforderlich. Die Rückforderung des Geleisteten unter Hinweis auf die der Hingabe des Geldes zugrundeliegende (unwirksame) Vereinbarung sei jedenfalls ausreichend. Die hier zu beurteilende Vereinbarung zwischen den Streitteilen sei für den Fall der Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts zweifellos nichtig, weil das Zustandekommen eines Verlöbnisses in erster Linie vom darauf gerichteten übereinstimmenden Willen der zukünftigen Verlobten abhängig sein solle, gegebenenfalls weiters von der allenfalls erforderlichen Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bei Minderjährigkeit eines Beteiligten. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters solle erfolgen, wenn überwiegende sachliche Gründe für die Verlobung sprechen. Keinesfalls erscheine es aber mit den Wertungen des österreichischen Verlöbnisrechts vereinbar, die Zustimmung zur Verlobung nicht von sachlichen, insbesondere zwischenmenschlichen Kriterien, sondern von einer finanziellen Gegenleistung der anderen "Sippe" abhängig zu machen. Dass die erhaltene Zahlung Unterhaltscharakter haben sollte, sei im Verfahren erster Instanz niemals behauptet worden; diese unzulässige Neuerung stehe auch mit der eigenen Parteienaussage der Beklagten in Widerspruch, in der sie behauptete, mit dem erhaltenen Betrag die Kosten der Verlobungsfeier bestritten zu haben. Für die Beklagte wäre aber auch nichts gewonnen, wollte man iSd § 35 Abs 1 iVm § 1 IPRG die Maßgeblichkeit einer fremden Rechtsordnung, nämlich des serbischen Rechts, annehmen. Sollte eine Vereinbarung wie die vorliegende nach den Bestimmungen des serbischen Rechts tatsächlich zulässig und üblich sein, so läge es durchaus nahe, davon auszugehen, dass die Streitteile - auch ohne dies ausdrücklich zu erörtern - diese Rechtsordnung als maßgebend angenommen haben. Auch der Kläger berufe sich ja im Zusammenhang mit der Rückforderung - und damit wohl auch für die der Zahlung zugrundeliegende Vereinbarung - auf "unseren Brauch", womit zweifellos nicht das österreichische materielle Recht gemeint sein könne. Auf Grund der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG sei eine Bestimmung des fremden Rechts aber dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führte, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar sei. Unter Berücksichtigung der Grundwertungen des österreichischen (Familien‑)Rechts sei es inakzeptabel, einer im Inland abgeschlossenen (und nach den Vorstellungen der Parteien auch hier beiderseits zu erfüllenden) Vereinbarung Rechtsgültigkeit zuzuerkennen, mit der sich die Mutter einer minderjährigen Tochter ihre Zustimmung zur Verlobung mit einem ebenfalls Minderjährigen dadurch "abkaufen" lasse, dass sie sie von dem Erhalt eines Geldbetrags in erheblicher Höhe abhängig mache. Eine angeblich existierende Bestimmung des serbischen Rechts, die derartige Vereinbarungen für zulässig erklären solle, wäre wegen Verstoßes gegen den österreichischen ordre public jedenfalls nicht anzuwenden; an ihrer Stelle käme es gemäß § 6 zweiter Satz IPRG zur Anwendung der entsprechenden Bestimmung des österreichischen Rechts, also des § 879 Abs 1 ABGB. Die Nichtigkeitssanktion dieser Bestimmung wolle nicht nur die Entstehung durchsetzbarer Verpflichtungen verhindern, sondern missbillige auch die tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung; notwendige Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Vertrags sei daher auch ein entsprechender Rückforderungsanspruch des Klägers, weil sich die Beklagte auf keinen Rechtsgrund berufen könne, der es ihr gestattete, die geforderten Geldbeträge zu behalten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, die gegenständliche Leistung sei - auch ohne ausdrückliche Widmung der Parteien - als Alimentationszahlung an die Mutter der Braut zu beurteilen; eine solche sei nicht sittenwidrig, jedenfalls aber nicht absolut sittenwidrig. Die ordre‑public‑Klausel des § 6 IPRG sei nicht anzuwenden, weil diese Bestimmung nicht losgelöst von den tatsächlichen (serbischen) Lebenshintergründen betrachtet werden könne. Für die Prüfung der ordre‑public‑Widrigkeit des vorliegenden Brauchs gelte - ebenso wie bei der Beurteilung der Verfassungswidrigkeit einer Norm - das Sachlichkeitsgebot, das anhand der tatsächlichen Lebenshintergründe zu beurteilen sei. Nach serbischem Recht sei die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern auch unter dem Aspekt der (privaten) Altersversorgung stark ausgeprägt. Die zugrundeliegende Vereinbarung verstoße daher nicht gegen den ordre public. Dazu ist zu erwägen:
Infolge der Auslandsberührung des Sachverhalts haben sich die Vorinstanzen zutreffend mit der Frage der anzuwendenden Rechtsordnung auseinandergesetzt. Mangels ausdrücklicher oder schlüssiger Rechtswahl der Parteien (§ 35 Abs 1 erster Halbsatz IPRG) ist - weil die Vereinbarung im Oktober 1997 abgeschlossen worden ist - in diese Prüfung auch § 35 Abs 1 zweiter Halbsatz IPRG, in Geltung bis 30. 11. 1998 (vgl Art 1 Nr 1 BGBl 1998 I/119), einzubeziehen und zu fragen, ob von den Parteien die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung als maßgebend angenommen worden ist.
Für die schlüssig zutage tretende Geltungsannahme einer bestimmten Rechtsordnung sind die Konkludenzmaßstäbe des § 863 ABGB analog heranzuziehen (ZfVR 1993/123); dass die Parteien eine bestimmte Rechtsordnung als maßgebend angesehen haben, darf nach allen Umständen nicht zweifelhaft sein (Schwimann in Rummel, ABGBý § 35 IPRG Rz 6a mwN). Verlangt wird, dass die Indizien in überwältigender, jede andere Anknüpfung ausschließenden Weise auf ein bestimmtes Recht dermaßen hinweisen müssen, dass von seiner Zugrundelegung durch die Parteien mit Selbstverständlichkeit ausgegangen werden darf (SZ 59/223; Schwimann aaO Rz 6b mwN). Entscheidend ist, ob die Parteien bei der Gestaltung wesentlicher Teile ihres Vertragsverhältnisses von konkreten Vorschriften oder Usancen einer bestimmten Rechtsordnung ausgegangen sind und wo sie bestimmte charakteristische Wirkungen ihres Vertragsverhältnisses lokalisiert haben (ZfRV 1991, 304; ZfRV 1993, 123; ZfRV 1994, 248 = ecolex 1994, 619).
Ob nach diesen strengen Maßstäben im vorliegenden Fall den Parteien zu unterstellen ist, sie hätten bei Abschluss ihrer Vereinbarung die serbische Rechtsordnung als anwendbar zugrundegelegt, ist zweifelhaft. Zwar gehören sämtliche Beteiligten derselben Volksgruppe an; auch haben sich beide Parteien auf ,unseren Brauch" hinsichtlich der Leistung der Zahlung anläßlich der Verlobung bezogen. Dass sie dabei aber an die Anwendbarkeit serbischen Rechts gedacht hätten oder dieses als selbstverständlich anwendbar angenommen hätten, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden. In diese Richtung deutende überwältigende Indizien, die in einer jede andere Anknüpfung ausschließenden Weise auf serbisches Recht hinwiesen, sind nicht zu erkennen. Dieser Frage muss aber ebensowenig weiter nachgegangen werden wie jener, ob allenfalls nach § 1 Abs 1 IPRG - welche Bestimmung als Grundnorm und methodische Leitlinie für Auslegung und Lückenfüllung Verwendung findet (Schwimann, IPRý 55, FN 2) - zu einer ausländischen Rechtsordnung die stärkste Beziehung besteht.
Die Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG nimmt an sich vom IPR berufene ausländische Sachnormen dann von der Anwendungspflicht aus, wenn deren Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Weil die ordre‑public‑Klausel eine systemwidrige Ausnahme ist, wird allgemein sparsamster Gebrauch dieser Bestimmung gefordert (SZ 59/128; JBl 1992, 189 <Schwimann>; SZ 71/26). Eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebensowenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssen vielmehr Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein. Darunter sind die unverzichtbaren Wertvorstellungen zu verstehen, die das österreichische Recht prägen. Die Lehre stimmt darin überein, dass mangels einer exakten Definitionsmöglichkeit jedenfalls die Grundsätze der MRK und tragende Verfassungsgrundsätze der Vorbehaltsklausel unterliegen (Schwimann, IPRý 48; Schwind, IPR Rz 113). Weitere wesentliche Voraussetzungen für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel sind, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Sachrechts und nicht bloß dieses selbst anstößig ist und überdies eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht (ZfRV 1999, 79).
Der Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechtes läßt sich im einzelnen nicht definieren und ist auch zeitlichen Veränderungen unterworfen. Verfassungsgrundsätze spielen jedenfalls eine tragende Rolle. Persönliche Gleichberechtigung, Verbot abstammungsmäßiger, rassischer und konfessioneller Diskriminierung gehören zum Schutzbereich des ordre public; außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen zählen etwa die Einehe, das Verbot der Kinderehe und des Ehezwanges, der Schutz des Kindeswohls im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung der wirtschaftlich und sozial schwächeren Partei dazu (SZ 59/128 = JBl 1987, 115 = IPRE 2/57).
Schwimann (IPR und höchstrichterliche Rechtsprechung, ZfVR 1974, 198 ff <204 f>) vertritt im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen eines Verlöbnisses (ebenso wie die hdL; Nachweise in FN 51) die Ansicht, der unmittelbare Zwang zur Eheschließung sei in jeder Form ordre‑public‑widrig; beim mittelbaren Zwang (etwa in Form einer Vertragsstrafe) sei hingegen nur jene Maßnahme verpönt, die geeignet sei, ohne ausreichende materiale Rechtfertigung (etwa ohne Schadenersatzfunktion) einen ernsthaften Druck auf die Motivation zur Eheschließung auszuüben.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass es den Grundwertungen des österreichischen Ehe- und Familienrechtes widerspricht, wenn die Mutter einer Minderjährigen ihre Zustimmung zur Verlobung eines ebenfalls Minderjährigen von der Zahlung eines Geldbetrags durch dessen Vater abhängig macht. Entscheidungen über die Eheschließung haben ohne Einschränkung der Willensfreiheit und ohne Anknüpfungen an Bedingungen zu erfolgen; Gleiches muss für das Verlöbnis und nicht nur zwischen den Verlöbnispartnern selbst, sondern auch im Verhältnis zwischen deren Erziehungsberechtigten gelten, weil die angesprochene Willensfreiheit auch dann eingeschränkt ist, wenn die erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters einer Minderjährigen zu einem Verlöbnis mit Geld abgekauft wird. Dass eine solche Zahlung geeignet ist, einen ernsthaften Druck auf die Motivation der Minderjährigen zur Eheschließung auszuüben, liegt auf der Hand. Eine allenfalls in einer ausländischen Rechtsordnung bestehende Norm oder Übung, die eine solche Zahlung für rechtsgültig erklärte, verstieße daher gegen den ordre public iSd § 6 IPRG. Die für die Anwendung dieser Bestimmung erforderliche ausreichende Inlandsbeziehung liegt darin, dass der Ort der Vereinbarung sowie der Zahlung im Inland liegt. In der Frage der Rechtsgültigkeit der Vereinbarung ist demnach jedenfalls österreichisches Recht zugrundezulegen.
Im Lichte des § 879 Abs 1 ABGB kann die Zahlungsvereinbarung der Streitteile keinen Bestand haben. Bei Prüfung der Sittenwidrigkeit sind die Wertentscheidungen und Grundprinzipien der Rechtsordnung zugrundezulegen (SZ 67/202); unter den guten Sitten ist der Inbegriff jener Rechtsnormen zu verstehen, die im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen sind, die sich aber aus der richtigen Betrachtung der rechtlichen Interessen ergeben (SZ 62/123; JBl 1992, 798). Auch hier gelten die zuvor im Zusammenhang des § 6 IPRG angestellten Überlegungen. Die Vereinbarung widerspricht sohin den guten Sitten und unterliegt der Nichtigkeitssanktion des § 879 Abs 1 ABGB. Diese ist, wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, eine absolute, weil nicht nur die Vereinbarung, sondern auch die tatsächlich vorgenommene Verögensverschiebung zu missbilligen ist; ein Verlöbnis ist keine unerlaubte Handlung iSd § 1174 ABGB (Krejci in Rummel, ABGBý § 879 Rz 258). Die vom Kläger an die Beklagte erbrachte Leistung ist somit rückabzuwickeln. Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Von der Anordnung einer Verhandlung über die Revision war - trotz eines darauf abzielenden Antrags des Klägers - als zur Entscheidung nicht erforderlich (§ 509 Abs 2 ZPO) abzusehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Einheitssatz für die Revisionsbeantwortung beträgt nur 60% (§ 23 Abs 3 RATG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)