VfGH E720/2021

VfGHE720/202123.6.2021

Verletzung im Gleichheitsrecht durch 22-monatige Zeitspanne zwischen Verkündung und Ausfertigung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung; Verletzung im Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist bei insgesamt 28-monatiger Dauer des Verfahrens und 22-monatigem Verfahrensstillstand

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
EMRK Art6 Abs1
StGG Art2
Wr DienstO 1994 §94 Abs2
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:E720.2021

 

Spruch:

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist nach Art6 Abs1 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Die Stadt Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Mit Dekret vom 18. März 2014 des Bürgermeisters der Stadt Wien wurde die Beschwerdeführerin zur "Bediensteten mit Sonderaufgaben gemäß §9 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien in der Funktion als Bereichsleiterin für die Errichtung, Übersiedlung und Inbetriebnahme der Krankenanstalten der Unternehmung Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) zwecks Weiterführung und Umsetzung des Wiener Spitalksonzeptes 2030" bestellt.

2. Mit Bescheid der Disziplinarkommission der Stadt Wien (Senat 1) vom 14. Juni 2018 wurde die Beschwerdeführerin gemäß "§94 Abs2 Dienstordnung 1994 – DO 1994, LGBL für Wien Nr 56/1994, in der geltenden Fassung, […] wegen des Verdachts, […] Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben", vom Dienst suspendiert.

3. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 8. Februar 2019 wies dieses – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – die Beschwerde als unbegründet ab.

3.1. Das gegenüber der Beschwerdeführerin mündlich verkündete Erkenntnis wird (ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung) wie folgt begründet:

"Festgestellt wird, dass ein begründeter Verdacht dahingehend besteht, dass die Disziplinarbeschuldigte unter Verletzung der im angefochtenen Bescheid angeführten Bestimmungen Aufträge vergeben hat, welche sich als unzweckmäßig erwiesen haben ('Energiekreis KH Nord'). Darüber hinaus besteht der begründete Verdacht, dass die Beschwerdeführerin Auftragssummen ausbezahlt hat, obwohl der Auftrag in Bezug auf Leistungszeitraum und Leistungsempfängerzahl unerfüllt geblieben ist und sie in der Folge keine Nachverhandlungen durchgeführt hat, obwohl dies im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geboten gewesen wäre. Des Weiteren besteht der begründete Verdacht, dass sie Leistungserbringungen bestätigt hat, ohne dass ein Nachweis über die erbrachte Leistung vorgelegen hat. Schließlich besteht der begründete Verdacht, dass sie auch eine Zahlung angeordnet hat, obwohl sie diesbezüglich nicht allein anordnungsberechtigt gewesen ist. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, Empfehlungen […] [einer externen Spezialistin] aufgrund deren Position [als ärztliche Direktorin des Krankenhauses Nord] vor Pensionierung bzw aufgrund deren Ansehen bei politischen Entscheidungsträgern, gefolgt zu sein, geht insoweit ins Leere, als […] [diese] ihr gegenüber nicht weisungsbefugt war. Vielmehr war die Disziplinarbeschuldigte in ihrer Funktion als Programm- und Bereichsleiterin für die Einhaltung interner Vorschriften zuständig und verantwortlich. Von einer Führungskraft in der oberen Hierarchie können und dürfen der Dienstgeber sowie die Öffentlichkeit erwarten, dass diese Empfehlungen nicht weisungsbefugter Personen nicht ohne Weiteres quasi aus vorauseilendem Gehorsam und unnötiger Subordination folgt und diese umsetzt, sondern vielmehr kritisch hinterfragt und damit ihre Aufgabe als Führungskraft, welche sich an den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit zu orientieren hat, ordnungsgemäß erfüllt. Die Weiterbelassung der Beschwerdeführerin im Dienst würde das Ansehen der Stadt Wien gefährden, was sich auch im Hinblick auf die Anhängigkeit eines Strafverfahrens wegen Untreue ergibt. Darüber hinaus sind wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, dies auch im Hinblick darauf, dass eine Weiterbelassung im Dienst den nicht sorgfältigen Umgang mit Steuergeldern als Kavaliersdelikt erscheinen ließe und sich auch der Dienstgeber vor dem nicht sorgfältigen Umgang mit seinen Geldern schützen muss. Überdies hätte eine Weiterbelassung im Dienst eine negative Vorbildswirkung für andere Mitarbeiter."

3.2. Aus dem Protokoll der am 8. Februar 2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt hat und dass ihr eine (unkorrigierte) Kopie der Verhandlungsschrift ausgehändigt wurde.

4. Am 21. Dezember 2020 erging die schriftliche Ausfertigung des am 8. Februar 2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

5. In der vorliegenden, auf Art144 B‑VG gestützten Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG sowie auf ein faires Verfahren innerhalb angemessener Zeit gemäß Art6 Abs1 EMRK und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das mündlich verkündete Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien nicht einmal ansatzweise die "rudimentärsten" Bestandteile einer Gerichtsentscheidung enthalte, weshalb es rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen nicht genüge. Dies belaste die Entscheidung mit Willkür. Zwischen Erhebung der Beschwerde am 11. Juli 2018 gegen den Bescheid der Disziplinarkommission der Stadt Wien (Senat 1) vom 14. Juni 2018 und der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses seien sieben Monate und 28 Tage, bis zur schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses seien weitere 22 Monate und 13 Tage vergangen. Zu dieser überlangen Verfahrensdauer habe die Beschwerdeführerin nicht beigetragen. Die überlange Dauer des Verfahrens sei unangemessen.

6. Das Verwaltungsgericht Wien hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet. Darin führt das Verwaltungsgericht Wien im Wesentlichen aus, dass sich das mündlich verkündete Erkenntnis keineswegs in einer bloß stichwortartigen Aufzählung von Rechtsfragen erschöpfe und die verkündeten Gründe sowohl für die Adressaten dieser Entscheidung als auch für das Höchstgericht selbst überprüfbar seien. In der Begründung der mündlich verkündeten Entscheidung werde überdies dargelegt, worin der jeweils begründete Verdacht der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch die Beschwerdeführerin liege; es sei auch in beweiswürdigender Hinsicht eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihr gegenüber vorgebrachte Empfehlungen von dritter Seite erfolgt. In rechtlicher Hinsicht sei – rekurrierend auf die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Parameter zur Suspendierung – ausgeführt, warum eine Weiterbelassung der Beschwerdeführerin im Dienst nicht in Betracht komme. Die organisatorischen Umstände, welche zur verzögerten Ausfertigung der Entscheidung rund 22 Monate nach ihrer Verkündung geführt hätten, seien der Sphäre des Verwaltungsgerichtes zuzuordnen. Die Gesamtdauer des Suspendierungsverfahrens liege jedoch unter drei Jahren. Es sei unter Verweis auf den umfangreichen Inhalt des verwaltungsbehördlichen sowie des verwaltungsgerichtlichen Akteninhaltes durchaus von einem schwierigen und komplexen Verfahren auszugehen, in welchem insbesondere auch der Inhalt des Strafaktes der Staatsanwaltschaft Wien beizuschaffen und zu sichten gewesen sei. Es sei nicht von einer überlangen Verfahrensdauer auszugehen.

II. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Verwaltungsgericht diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleich-heitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die Beschwerdeführerin im verfas-sungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn das Verwaltungsgericht Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist dem Verwaltungsgericht Wien ein willkürliches Vorgehen anzulasten:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 10. März 2021, E2059/2020 ua, im Hinblick auf die Beurteilung der Zeitspanne zwischen der das verwaltungsgerichtliche Verfahren abschließenden mündlichen Verkündung der Entscheidung und der Erlassung der schriftlichen Ausfertigung derselben Folgendes ausgesprochen:

"Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist bezüglich der Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung der Zustellung einer Entscheidung ihre mündliche Verkündung gleichzuhalten ist (vgl VwGH 15.12.2014, Ro 2014/04/0068; 22.11.2017, Ra 2017/03/0082; s. auch VfSlg 19.965/2015, wonach der Verfassungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §29 VwGVG hegt und sich auch der Verfassungsgerichtshof insofern der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anschließt). Mit der mündlichen Verkündung wird die Entscheidung unabhängig von der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung (§29 Abs4 VwGVG) rechtlich existent (VwGH 27.6.2016, Ra 2016/11/0059; 14.9.2016, Fr 2016/18/0015; 4.4.2017, Ra 2017/02/0050), wenn sowohl der Inhalt einer Entscheidung als auch die Tatsache ihrer Verkündung in der Niederschrift festgehalten werden (VwGH 13.10.2015, Fr 2015/03/0007; 22.11.2017, Ra 2017/03/0082). Bereits an die Verkündung einer Entscheidung knüpfen sich daher deren Rechtswirkungen (vgl VfGH 11.6.2019, E671/2019; VwGH 23.9.2020, Ra 2019/14/0558). Daher kann die Entscheidung bereits nach der mündlichen Verkündung mit Beschwerde gemäß Art144 B‑VG angefochten werden, sofern mindestens ein hiezu Berechtigter einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung der Entscheidung gemäß §29 Abs4 VwGVG gestellt hat (§82 Abs3b letzter Satz VfGG; siehe VfGH 20.6.2015, E163/2014; VwGH 15.12.2014, Ro 2014/04/0068; 22.11.2017, Ra 2017/03/0082).

Unabhängig von der Möglichkeit, die Entscheidung bereits nach der mündlichen Verkündung anzufechten, ist der Rechtsschutzsuchende in der Regel auf die – nähere und ausführliche – Begründung der Entscheidung in der schriftlichen Ausfertigung gemäß §29 Abs4 VwGVG angewiesen, um die Entscheidung auf Grund der maßgebenden Erwägungen gegebenenfalls mit einer Beschwerde gemäß Art144 B‑VG bekämpfen zu können. Aus der rechtsstaatlich gebotene Pflicht zur Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen folgt daher im Zusammenhang mit der Regelungssystematik des §29 VwGVG auch die Pflicht zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung, weil andernfalls dem Rechtsschutzsuchenden effektiver Rechtsschutz verwehrt sein könnte (zum Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes siehe zB VfSlg 11.196/1986, 15.218/1998, 17.340/2004, 20.107/2016), was rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erlassung gerichtlicher Entscheidungen widerspricht."

3.2. Die hier angeführte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes betraf einen asylrechtlichen Fall, bei dem der Zeitraum zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung des Erkenntnisses 17 Monate betrug. Im Hinblick auf die lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidung sind der Fall, der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. März 2021, E2059/2020 ua, zugrunde lag, und der vorliegende Fall vergleichbar. Die schriftliche Ausfertigung der am 8. Februar 2019 mündlich verkündeten Entscheidung erfolgte am 21. Dezember 2020 und somit mehr als 22 Monate nach der mündlichen Verkündung. Eine derart lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidung widerspricht jedenfalls der Pflicht des Verwaltungsgerichtes zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung. Der Beschwerdeführerin wurde dadurch ein effektiver Rechtsschutz verwehrt, weshalb die Entscheidung schon deshalb den rechtstaatlichen Anforderungen an die Erlassung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen widerspricht. Die Entscheidung ist daher bereits aus diesem Grund aufzuheben.

4. Zum Vorwurf der Verletzung des durch Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist:

4.1. Gemäß Art6 Abs1 EMRK hat jedermann unter anderem Anspruch darauf, dass seine Sache innerhalb angemessener Frist gehört wird, und zwar von einem Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat (zur Anwendbarkeit der Bestimmung des Art6 Abs1 EMRK bei Entscheidungen über dienstrechtliche Streitigkeiten vgl zB VfSlg 17.644/2005). Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen (vgl VfSlg 17.307/2004, 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht die Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis staatlicher Organe zurückzuführen ist (vgl VfSlg 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).

4.2. Das Verwaltungsgericht Wien führt in seiner Gegenschrift dazu aus, dass die (lange) Zeitspanne zwischen der Beschwerdevorlage an das Verwaltungsgericht und der Ausfertigung der Entscheidung auf den umfangreichen Inhalt des verwaltungsbehördlichen sowie des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und deren Komplexität zurückzuführen sei bzw auch der Inhalt des Strafaktes der Staatsanwaltschaft Wien beizuschaffen und zu sichten gewesen sei. Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, dass es sich dabei um typische Elemente der Sachverhaltsermittlung handelt, die im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung der Entscheidung bereits vollständig abgeschlossen sein müssen. Die lange Zeitspanne zwischen der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses und der – von der Beschwerdeführerin ausdrücklich beantragten – schriftlichen Ausfertigung desselben kann dadurch nicht gerechtfertigt werden.

4.3. In der Gesamtdauer des vorliegenden Verfahrens von mehr als 28 Monaten wurden daher in der Zeit zwischen mündlicher Verkündung des Erkenntnisses am 8. Februar 2019 und der schriftlichen Ausfertigung am 21. Dezember 2020 keine Verfahrensschritte durch das Verwaltungsgericht Wien gesetzt. Da für diesen Zeitraum von mehr als 22 Monaten keine weiteren besonderen Umstände hervorgekommen sind, die die Dauer des Verfahrens rechtfertigten könnten, und die völlig unangemessene Dauer des Verfahrens auch nicht in der Sphäre der Beschwerdeführerin begründet lag, sondern allein dem Verhalten staatlicher Organe zuzuschreiben war, ist dessen Dauer nicht mehr angemessen iSd Art6 Abs1 EMRK (vgl zB VfSlg 17.644/2005, 18.307/2007). Die Beschwerdeführerin ist daher auch in ihrem durch Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt worden.

III. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist gemäß Art6 Abs1 EMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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