VfGH E1633/2018

VfGHE1633/201825.2.2019

Feststellung der Verletzung im Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) mangels Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges binnen einer Woche

Normen

PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
FremdenpolizeiG 2005 §76 Abs2
BFA-VG §22a Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:E1633.2018

 

Spruch:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist durch Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden, weil die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, nicht binnen einer Woche erging.

Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin durch Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Die Beschwerde wird daher insoweit abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Die Beschwerde wird insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige und reiste 2004 in Österreich ein. Am 28. November 2005 beantragte sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, der am 10. Jänner 2008 rechtskräftig versagt wurde.

1.1. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. November 2009 wurde die Beschwerdeführerin wegen §83 Abs1, §107 Abs1, §223 Abs2 und §224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.2. Am 17. Dezember 2009 stellte die Beschwerdeführerin, im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle, einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 10. April 2010 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Mit Erkenntnis vom 11. August 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ab und verwies das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22. August 2017 wurde der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, ausgesprochen, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei und eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gesetzt. Der Bescheid wurde rechtskräftig.

1.3. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Dezember 2011 wurde die Beschwerdeführerin wegen §288 Abs1 und 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.4. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. November 2017 wurde die Beschwerdeführerin wegen §12 zweite und dritte Alternative iVm §15 iVm §146, §147 Abs1 Z1 und Abs2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Dezember 2017 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, am 10. Jänner 2018 um 15.00 Uhr beim türkischen Konsulat persönlich zu erscheinen. Mit Eingabe vom 10. Jänner 2018 teilte die Beschwerdeführerin mit, den Termin nur in Anwesenheit ihres Rechtsanwalts wahrnehmen zu wollen. Da ihr Rechtsanwalt verhindert sei, ersuche sie um neuerliche Ladung.

2.1. Am 9. Jänner 2018 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §55 Abs2 AsylG. Sie sei seit 15. Oktober 2010 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Die türkischen Behörden verweigerten die Ausstellung eines Reisepasses, sie könne ihn daher nicht vorlegen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 7. Februar 2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

2.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8. Februar 2018 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, zur Einholung eines Ersatzreisedokuments am 21. Februar 2018 um 15:00 Uhr beim türkischen Konsulat persönlich zu erscheinen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde der Beschwerdeführerin eine Haftstrafe von 14 Tagen angedroht. Mit Eingabe vom 19. Februar 2018 zog die Beschwerdeführerin den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §55 AsylG zurück.

2.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. März 2018 wurde über die Beschwerdeführerin die angedrohte Haftstrafe von 14 Tagen verhängt, weil die Beschwerdeführerin entgegen der bescheidmäßigen Aufforderung vom 8. Februar 2018 am 21. Februar 2018 nicht persönlich am Konsulat erschienen war. Die Beschwerdeführerin wurde am 3. April 2018 zum Vollzug der Zwangsstrafe festgenommen. Anlässlich ihrer Festnahme gab die Beschwerdeführerin an, um 10.00 Uhr einen Termin beim türkischen Konsulat zu haben. Den letzten Termin habe sie wegen eines Anwaltswechsels nicht wahrnehmen können. In der von ihrem Rechtsanwalt eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid vom 27. März 2018 bringt die Beschwerdeführerin vor, ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §55 AsylG am 19. Februar 2018 zurückgezogen und deshalb den Termin beim Konsulat am 21. Februar 2018 nicht wahrgenommen zu haben.

2.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6. April 2018 wurde über die Beschwerdeführerin Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde ausgeführt, dass das türkische Konsulat dem Bundesamt den Reisepass der Beschwerdeführerin am 6. April 2018 ausgefolgt habe und sohin die Grundlage für die Beugehaft weggefallen sei. Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz.

3. Mit Eingabe vom 12. April 2018 erhob die Beschwerdeführerin "Schubhaftbeschwerde" beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und stellte Anträge "auf Feststellung der Rechtswidrigkeit meiner Inschubhaftnahme, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit meiner weiteren Anhaltung in Schubhaft, auf sofortige Enthaftung gegen gelinderes Mittel sowie auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung". Die Beschwerdeführerin brachte vor, den Termin beim Konsulat nicht wahrgenommen zu haben, weil sie ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §55 AsylG zurückgezogen habe. Sie habe damit aber keinesfalls eine aufenthaltsbeendende Maßnahme vereiteln oder verhindern wollen. Sie sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und sei für die Behörden an der gemeinsamen Wohnadresse erreichbar. Die Beschwerde weist außerdem eine Aktenzahl auf, die jedenfalls nicht jener des Mandatsbescheids vom 6. April 2018, mit dem die Schubhaft verhängt wurde, entspricht. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete die Beschwerde noch am selben Tag an das Bundesverwaltungsgericht weiter.

3.1. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 16. April 2018 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin auf, den angefochtenen Bescheid zu bezeichnen und anzugeben, aus welchen Gründen sie den angefochtenen Bescheid und die "darauf basierende" Anhaltung für rechtswidrig erachtet. Diesem Mängelbehebungsauftrag kam die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 18. April 2018 nach.

3.2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab und erklärte die Anhaltung in Schubhaft ab 6. April 2018 für rechtmäßig (Spruchpunkt A I.). Das Bundesverwaltungsgericht stellte außerdem fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A II.). Begründend wurde ausgeführt, dass sich die fehlende Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin aus ihrem Verhalten seit September 2017 ergebe. Sie sei ihrer Verpflichtung zur Ausreise gemäß der rechtskräftigen Entscheidung vom 22. August 2017 nicht nachgekommen. Gleichzeitig habe sie sich trotz dieses Wissens um einen Aufenthaltstitel bei der MA 35 bemüht. Dies sei wegen ihres fehlenden türkischen Reisepasses erfolglos geblieben. Die Beschwerdeführerin sei unstrittig vom Bundesamt mit Bescheid vom 8. Februar 2018 unter Androhung einer Zwangsstrafe zur Mitwirkung bei der Erlangung eines Ersatzreisedokuments verpflichtet worden. Ebenso sei unstrittig, dass sie diesem bewusst nicht nachgekommen sei und auch die Behörde davon (und ihrem diesbezüglichen Motiv) nicht vorab in Kenntnis gesetzt habe. Vielmehr habe sie beim türkischen Konsulat einen neuen (regulären) Reisepass erlangen wollen. Diesen hätte sie am 3. April 2018 abholen können, das Bundesamt habe die angedrohte Zwangsstrafe aber in den Morgenstunden dieses Tages vollstreckt. Da sie den Reisepass in der Beschwerde erwähnt habe, sei sie vom Bundesamt zum türkischen Konsulat geführt worden, habe dort allerdings die Annahme des Reisepasses verweigert, der ihr vom Bundesamt – zur schnelleren Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme – hätte abgenommen werden können. Das Bundesamt sei daher gezwungen gewesen, ein Verfahren zur Erlangung dieses Passes oder eines Ersatzreisedokuments einzuleiten. Das Verhalten der Beschwerdeführerin lasse keinen anderen Schluss zu als die Feststellung einer offenkundigen "Obstruktionstaktik" zur Hintertreibung rechtskräftiger behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen. Der Beschwerdeführerin fehle es an Vertrauenswürdigkeit und an Kooperationsbereitschaft. Es bestehe kein Zweifel, dass sie auch bereit wäre, ihren Aufenthalt vorübergehend im Verborgenen fortzusetzen.

3.3. Es sei in der Beschwerde nicht "substanziell" vorgebracht worden, dass die Voraussetzungen nach §76 Abs3 Z1, Z1a und Z3 FPG nicht vorlägen. Unter Berücksichtigung des Grads der sozialen Verankerung der Beschwerdeführerin in Österreich sei die belangte Behörde zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdeführerin zwar einen österreichischen Ehemann habe, aber mangels legaler Erwerbstätigkeit bzw mangels ausreichender Barmittel über keine Bindungen in Österreich verfüge. Es sei daher anzunehmen, dass sich die Beschwerdeführerin bis zu einer Überstellung den Behörden entziehen werde. Gelindere Mittel kämen nicht in Frage, da sie sich in Kenntnis einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung in "geradezu beispielhafter Weise" als nicht kooperativ erwiesen habe. Persönliche Vertrauenswürdigkeit komme ihr nicht zu. Ein österreichischer Ehemann und die gesicherte Unterkunft seien nicht ausreichend, um einer Entziehung vor dem behördlichen Zugriff entgegen zu stehen. Auf Grund der Fluchtgefahr, die sich im bisherigen Verhalten der Beschwerdeführerin manifestiere, würden daher die öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin überwiegen.

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete auch die Fortsetzung der Schubhaft gemäß §22a Abs3 BFA-VG für rechtmäßig: Für die Durchsetzung der Abschiebung sei die Anwesenheit der Beschwerdeführerin erforderlich. Es sei angesichts ihres bisherigen Verhaltens davon auszugehen, dass sie sich dem behördlichen Zugriff nunmehr durch Untertauchen entziehen werde. Da sie außer ihrem Ehemann über keine feststellbaren familiären, beruflichen und sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfüge, sei nicht ersichtlich, was die Beschwerdeführerin bei einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten solle. Es seien daher die Kriterien des §76 Abs3 Z1, Z1a und Z3 FPG weiterhin gegeben. Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung – einzelne familiäre Anknüpfungspunkte würden nicht reichen – seien nicht hervorgekommen. Es bestehe weiterhin Fluchtgefahr, weil davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin einen Aufenthalt im Verborgenen jedenfalls in Kauf nehmen würde, wenn sie dadurch die Umsetzung der rechtskräftig angeordneten Außerlandesbringung verhindern könnte. Damit liege die geforderte "ultima-ratio-Situation" für die Verhängung der Schubhaft vor und erweise sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig. Zudem sei derzeit von einer Abschiebung in einem zumutbaren Zeitraum auszugehen. Der Vollständigkeit halber sei festzuhalten, dass im Rahmen der Schubhaftprüfung keine klassische Interessenabwägung nach Art8 EMRK stattfinde, sondern dass die durch Art8 EMRK geschützten Rechte in der Beurteilung nach §76 Abs3 Z9 FPG zu berücksichtigen seien.

3.5. Eine mündliche Verhandlung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Sachverhalt iVm der Beschwerde geklärt sei und sachverhaltsbezogene Widersprüche nicht vorgelegen seien.

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Erkenntnisses beantragt.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, aber von der Erstattung einer Gegenschrift mit Verweis auf die angefochtene Entscheidung abgesehen.

II. Rechtslage

1. Das Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988, lautet auszugsweise wie folgt:

"Artikel 6

(1) Jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, hat das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

(2) Im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer ist deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde zu überprüfen."

2. Das Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 70/2015, lautet auszugsweise wie folgt:

"Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn 1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist, 2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder 3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs1 gelten die für Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z2 B‑VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß §13 Abs3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

[…]"

3. Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I 100/2005 idF BGBl I 145/2017, lautet auszugsweise wie folgt:

"8. Abschnitt

Schubhaft und gelinderes Mittel

Schubhaft

§76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1.dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2.die Voraussetzungen des Art28 Abs1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs2 und Art28 Abs1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs2 Z1 oder im Sinne des Art2 litn Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß §46 Abs2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß §46 Abs2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§3 Abs3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§2 Abs1 Z23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund §34 Abs3 Z1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§52a, 56, 57 oder 71 FPG, §38b SPG, §13 Abs2 BFA-VG oder §§15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß §57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. §11 Abs8 und §12 Abs1 BFA-VG gelten sinngemäß."

III. Erwägungen

Die Beschwerde ist zulässig:

1. Das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes, mit dem darüber entschieden wird, ob eine Festnahme oder Anhaltung einer Person rechtmäßig war oder ist, verletzt das durch Art1 ff. des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit und durch Art5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit), wenn es gegen die verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw Anhaltung verstößt, wenn es in Anwendung eines verfassungswidrigen, insbesondere den genannten Verfassungsvorschriften widersprechenden Gesetzes erlassen wurde oder wenn es gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage ergangen ist; ein Fall, der nur dann vorläge, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (VfSlg 13.708/1994, 15.131/1998, 15.684/1999 und 16.384/2001).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ist auch verletzt, wenn die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entgegen dem verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernis des Art6 Abs1 letzter Satz PersFrSchG nicht binnen einer Woche ergangen ist.

Aus der Anordnung in Art6 Abs1 letzter Satz PersFrSchG, dass die Entscheidung binnen einer Woche zu ergehen hat, erfließt auch die Verpflichtung des erkennenden Verwaltungsgerichtes, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, dass auch im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid seine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges gemäß §22a Abs3 BFA-VG möglichst bald, spätestens innerhalb einer Woche dem Beschwerdeführer (gegebenenfalls seinem Rechtsvertreter) und der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde zugeht (vgl VfSlg 13.893/1994, 14.193/1995, 18.081/2007, 18.964/2009, 19.968/2015; zuletzt VfGH 12.12.2016, E931/2016).

Die gemäß Art6 Abs1 letzter Satz PersFrSchG gebotene Frist von einer Woche ist grundsätzlich ab dem Einlangen einer Beschwerde bei der zuständigen Behörde zu berechnen (vgl VfSlg 18.081/2007 mH auf Kopetzki, Art6 PersFrG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz 46 ff. sowie insb. Rz 50, wonach der Fristenlauf im Falle eines antragsbedürftigen Verfahrens mit der Antragstellung bzw mit dem Einlangen des Antrags bei der zuständigen Behörde beginnt).

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgesetzgeber unabhängig von behördeninternen Vorgängen eine einwöchige Frist als Obergrenze festgelegt hat (vgl VfSlg 18.081/2007, 18.964/2009). Der aus Art6 Abs1 letzter Satz PersFrSchG erfließenden Verpflichtung, die auch im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges gemäß §22a Abs3 BFA-VG innerhalb einer Woche verlangt, ist das belangte Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht nachgekommen, erging doch die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht in dem von Art6 Abs1 letzter Satz PersFrSchG geforderten Zeitraum von einer Woche. Die Verpflichtung, innerhalb einer Woche zu entscheiden, folgt unmittelbar aus Art6 Abs1 PersFrSchG. Selbst dann, wenn besondere zusätzliche organisatorische Vorkehrungen zu treffen gewesen wären, hätte das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung über die Schubhaftbeschwerde jedenfalls innerhalb einer Woche treffen müssen (VfSlg 13.893/1994, 14.193/1995 sowie zur Verpflichtung, allfällige organisatorische Vorkehrungen zu treffen VfSlg 18.081/2007; VfGH 12.12.2016, E931/2016).

Gemäß §22a Abs1 BFA-VG hat ein Fremder das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn u.a. "gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde". Für derartige Beschwerden gelten nach §22a Abs1a BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z2 B‑VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG; sie sind daher gemäß §20 erster Satz VwGVG iVm §12 VwGVG unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

Wie sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts und dem vorgelegten Gerichtsakt ergibt, wurde im vorliegenden Fall die Schubhaftbeschwerde von der Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter am 12. April 2018 per Telefax beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht. Das Bundesamt hat die Beschwerde noch am selben Tag per E‑Mail an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 16. April 2018, zugestellt am 17. April 2018, wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, den angefochtenen Bescheid zu bezeichnen und die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begründen. Mit Eingabe vom 18. April 2018 wurde dem Mängelbehebungsauftrag entsprochen. Die einwöchige Frist begann am 12. April 2018 und wurde mit Zustellung des Mängelbehebungsauftrags am 17. April 2018 gehemmt. Mit Eingang der Mängelbehebung am 18. April 2018 ist die Frist weitergelaufen und endete sohin am Freitag 20. April 2018. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erging am 24. April 2018. Auch unter Berücksichtigung der Fristhemmung auf Grund der Mängelbehebung erging die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in der verfassungsgesetzlich vorgesehenen einwöchigen Frist.

Die Beschwerdeführerin wurde daher dadurch, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges nicht binnen einer Woche erging, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt.

Durch die begehrte Aufhebung der verspätet ergangenen Entscheidung könnte die Rechtsverletzung aber nicht beseitigt, sondern insoweit sogar verschärft werden, als die im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ergehende Entscheidung nur noch später ergehen könnte. Der Verfassungsgerichtshof hat sich deshalb auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung der Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) stattgefunden hat (vgl VfSlg 18.014/2006 mwN, 18.964/2009, 19.968/2015; VfGH 12.12.2016, E931/2016).

2. Im Übrigen aber hat das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren nicht ergeben, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches an einem weiteren in die Verfassungssphäre reichenden Mangel leidet. Angesichts des Umstandes, dass sowohl für die Anordnung als auch für die Aufrechterhaltung der Schubhaft eine – aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles unbedenkliche – gesetzliche Grundlage vorliegt und das Bundesverwaltungsgericht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft aus verfassungsrechtlicher Sicht nachvollziehbar begründet hat, liegt keine (weitere) Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) vor.

Insoweit ist die Beschwerde daher abzuweisen.

3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegen-den Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Entscheidung in jeder Hinsicht dem einfachen Gesetz entspricht, nicht anzustellen.

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, abgewiesen.

2. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

3. Soweit die Beschwerde abgewiesen wird oder ihre Behandlung abgelehnt wird, wird sie gemäß Art144 Abs3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat (vgl VfSlg 16.760/2002). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

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