VfGH G104/2018 ua

VfGHG104/2018 ua12.12.2018

Zurückweisung von Gerichtsanträgen gegen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsG mangels Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen auf Grund Anwendungsvorrangs des Unionsrechts

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
AEUV Art56
Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsG §33, §34
Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG §7m

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G104.2018

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Anträge

1. Mit den vorliegenden, zu G104/2018, G209/2018 und G229/2018 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Anträgen begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, §33 letzter Satz sowie §34 LSD-BG, BGBl I 44/2016, in eventu §34 Abs8 LSD-BG BGBl I 44/2016, als verfassungswidrig aufzuheben. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark begehrt mit dem zu G279/2018 protokollierten und auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag, §34 Abs8 LSD-BG idF BGBl I 44/2016, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD‑BG) idF BGBl I 44/2016 lautet auszugsweise wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind unterstrichen):

"Vorläufige Sicherheit

§33. Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§26, 27, 28, 29 Abs1 oder 31 Abs4 vor und ist im Einzelfall auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers (Auftragnehmers) oder in der Person des Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, sind die Abgabenbehörden ermächtigt, eine vorläufige Sicherheit bis zum Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe festzusetzen und einzuheben. Soweit der Tätigkeitsbereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse betroffen ist, haben die Abgabenbehörden diese über die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit zu verständigen. Die Ansprechperson im Sinne des §19 Abs3 Z3 gilt als Vertreter des Arbeitgebers, falls dieser oder ein von ihm bestellter Vertreter bei der Amtshandlung nicht anwesend ist. Auf nach dem ersten Satz eingehobene vorläufige Sicherheiten sind die §§37a Abs3 bis 5 und 50 Abs6 erster Satz VStG sinngemäß anzuwenden. Die Abgabenbehörden sind ermächtigt, dem Arbeitgeber (Auftragnehmer) oder Überlasser zu gestatten, die vorläufige Sicherheit auch in bestimmten fremden Währungen oder mit Scheck oder Kreditkarte zu entrichten. Mit der Überweisung nach §34 Abs4 oder der Erlegung einer Sicherheit nach §34 Abs9 ist eine Beschlagnahme aufzuheben.

 

Zahlungsstopp – Sicherheitsleistung

§34. (1) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§26, 27, 28, 29 Abs1 oder 31 Abs4 vor und ist im Einzelfall auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers (Auftragnehmers) oder in der Person des Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, können die Abgabenbehörden in Verbindung mit den Erhebungen nach §12 sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem Auftraggeber, bei einer Überlassung dem Beschäftiger schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). Gegen die Verhängung eines Zahlungsstopps ist kein Rechtsmittel zulässig. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Der Zahlungsstopp darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe.

(2) Leistet der Auftraggeber oder der Beschäftiger entgegen dem Zahlungsstopp den Werklohn oder das Überlassungsentgelt, gilt im Verfahren nach Abs4 der Werklohn oder das Überlassungsentgelt als nicht geleistet. Die Abgabenbehörden dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, soweit eine vorläufige Sicherheit nach §33 nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte. Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse darf einen Zahlungsstopp nicht verhängen, wenn sie von den Abgabenbehörden über die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit nach §33 verständigt wurde. Leistet der Auftragnehmer oder der Überlasser die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem, ist der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben; ein allfälliges Verfahren nach Abs4 ist einzustellen.

(3) Die Abgabenbehörden und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse haben nach Verhängung eines Zahlungstopps nach Abs1 binnen drei Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs4 zu beantragen, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat darüber innerhalb von vier Wochen ab Einlangen des Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. In diesen Verfahren haben die im ersten Satz genannten Einrichtungen Parteistellung, soweit diese den Antrag auf Erlegung einer Sicherheit gestellt haben. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

(4) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§26, 27, 28, 29 Abs1 oder 31 Abs4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers (Auftragnehmers) oder in der Person des Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem Auftraggeber, bei einer Überlassung dem Beschäftiger durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Über Aufforderung der Bezirksverwaltungsbehörde hat der Auftraggeber den Werkvertrag oder der Beschäftiger die Überlassungsvereinbarung in deutscher Sprache vorzulegen. Die §§37 und 37a VStG sind in diesen Fällen, sofern in dieser Bestimmung nichts anderes vorgesehen ist, nicht anzuwenden. Mit Erlassung eines Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg.

(5) Als Werklohn oder als Überlassungsentgelt gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages oder der Überlassung zu leistende Entgelt.

(6) Die Überweisung nach Abs4 wirkt für den Auftraggeber oder den Beschäftiger gegenüber dem Auftragnehmer oder dem Überlasser im Ausmaß der Überweisung schuldbefreiend.

(7) Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Der Auftraggeber oder der Beschäftiger ist verpflichtet, auf Anfrage der Bezirksverwaltungsbehörde die Höhe und Fälligkeit des Werklohnes oder des Überlassungsentgeltes bekannt zu geben. Können aus dem noch zu leistenden Werklohn oder Überlassungsentgelt die Sicherheitsleistung sowie der sich aus §67a ASVG und §82a Einkommensteuergesetz 1988 (EStG), BGBl Nr 400/1988, ergebende Haftungsbetrag nicht bedeckt werden, kann der Auftraggeber oder der Beschäftiger von seinem Recht zur Leistung des Werklohns an das Dienstleistungszentrum (§67c ASVG) jedenfalls Gebrauch machen.

(8) Beschwerden gegen Bescheide nach Abs4 haben keine aufschiebende Wirkung.

(9) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für frei zu erklären, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Auftragnehmer oder den Überlasser verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen eines Jahres der Verfall ausgesprochen wurde. In Verfahren nach §29 Abs1 findet der erste Satz Anwendung mit der Maßgabe, dass die Sicherheit für frei zu erklären ist, wenn nicht binnen zwei Jahren der Verfall ausgesprochen wurde. Die Sicherheit ist auch dann für frei zu erklären, wenn sie vom Auftragnehmer oder dem Überlasser erlegt wird. Frei gewordene Sicherheiten sind an den Auftraggeber oder den Beschäftiger auszuzahlen.

(10) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für verfallen zu erklären, sobald sich die Strafverfolgung des Auftragnehmers oder des Überlassers oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. §17 VStG ist sinngemäß anzuwenden.

(11) Für die Verwertung verfallener Sicherheiten gilt §37 Abs6 VStG sinngemäß, wobei ein allfälliger Restbetrag an den Auftraggeber oder den Beschäftiger auszuzahlen ist."

III. Antragsvorbringen

1. Dem zu G104/2018 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen mit Sitz in Österreich und ein Unternehmen mit Sitz in der Slowakei haben eine vertragliche Vereinbarung zur Durchführung von Bauarbeiten abgeschlossen. Im Zuge einer Kontrolle durch Organe der Abgabenbehörde an einer Baustelle in Wels wurden vier slowakische Arbeitnehmer des slowakischen Unternehmens angetroffen. Die Finanzpolizei verfügte am 31. Jänner 2018 gegenüber dem österreichischen Unternehmen einen Zahlungsstopp idHv € 12.800,– gemäß §34 Abs1 LSD‑BG und führte aus, dass begründeter Verdacht bestehe, dass das slowakische Unternehmen Verwaltungsübertretungen nach §19 Abs1 bis 4 iVm §26 Abs1 Z1 LSD-BG und nach §22 Abs2 2. Fall iVm §28 Z2 begangen habe. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 2. Februar 2018 wurde dem österreichischen Unternehmen der Erlag einer Sicherheitsleistung idHv € 12.800,– aufgetragen. Dagegen erhob das österreichische Unternehmen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und beantragte der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

2. Dem zu G209/2018 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen mit Sitz in Österreich und ein Unternehmen mit Sitz in der Slowakei haben eine vertragliche Vereinbarung zur Durchführung von Bauarbeiten abgeschlossen. Im Zuge einer Kontrolle durch Organe der Abgabenbehörde an einer Baustelle in Hinzenbach wurden zwei slowakische Arbeitnehmer des slowakischen Unternehmens angetroffen. Die Finanzpolizei verfügte am 20. April 2018 gegenüber dem österreichischen Unternehmen einen Zahlungsstopp idHv € 8.000,– gemäß §34 Abs1 LSD‑BG. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 3. Mai 2018 wurde dem österreichischen Unternehmen der Erlag einer Sicherheitsleistung idHv € 8.000,– aufgetragen. Begründend wurde ausgeführt, dass das slowakische Unternehmen im Verdacht stehe, Verwaltungsübertretungen nach §19 Abs1 bis 4 iVm §26 Abs1 Z1 LSD-BG und nach §22 Abs1 iVm §28 Z1 LSD-BG begangen zu haben. Dagegen erhob das österreichische Unternehmen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und beantragte der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3. Dem zu G229/2018 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen mit Sitz in Österreich und ein Unternehmen mit Sitz in Italien haben eine vertragliche Vereinbarung über Bauleistungen abgeschlossen. Im Zuge einer durch Organe der Abgabenbehörde durchgeführten Kontrolle an einer Baustelle in Schlüsselberg wurden zwei mazedonische Arbeitnehmer des italienischen Unternehmens angetroffen. Die Finanzpolizei verhängte gegenüber dem österreichischen Unternehmen einen Zahlungsstopp idHv € 8.000,– und führte dazu aus, dass begründeter Verdacht bestehe, dass das italienische Unternehmen Verwaltungsübertretungen nach §19 Abs1 bis 4 iVm §26 Abs1 Z1 LSD-BG und nach §22 Abs2 2. Fall iVm §28 Z2 LSD‑BG begangen habe. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 25. April 2018 wurde dem österreichischen Unternehmen aufgetragen, eine Sicherheitsleistung idHv € 8.000,– zu erlegen. Dagegen erhob das österreichische Unternehmen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und beantragte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Dem zu G279/2018 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Anlässlich einer Kontrolle durch Organe der Abgabenbehörde an einer Baustelle in Frohnleiten, wurden drei rumänische Arbeitnehmer eines rumänischen Unternehmens angetroffen. Gegen dieses rumänische Unternehmen besteht der Verdacht, Verwaltungsübertretungen nach §19 Abs1 bis 4 iVm §26 Abs1 Z3 LSD-BG, §21 Abs1 Z1 iVm §26 Abs1 Z3 und §22 Abs2 2. Fall iVm §28 Z2 LSD-BG begangen zu haben. Daher wurde gegen den österreichischen Auftraggeber ein Zahlungsstopp verfügt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 7. Juni 2018 ist dem österreichischen Unternehmer aufgetragen worden, eine Sicherheit idHv € 6.600,– zu erlegen. Dagegen erhob der österreichische Auftragnehmer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark und beantragte seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legt seine Bedenken in den im Wesentlichen gleichlautenden zu G104/2018, G209/2019 und G279/2018 protokollierten Anträgen – zusammengefasst – wie folgt dar:

5.1. §34 LSD‑BG verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil der inländische Auftraggeber eine Sicherheit erlegen müsse, obwohl nicht er, sondern sein ausländischer Vertragspartner einer Verwaltungsstraftat verdächtigt würde. Wenngleich eine Sicherheitsleistung keine Verhängung einer Strafe darstelle, handle es sich im Ergebnis um eine verfassungswidrige Haftung für fremdes Verschulden. Die Sicherheitsleistung gemäß §34 LSD-BG ermögliche weitreichende behördliche Eingriffe in die Abwicklung eines zivilrechtlichen Vertrages zum Nachteil eines unbeteiligten Dritten und ziehe nicht unbeträchtliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich.

5.2. Außerdem werde das Eigentumsrecht des unbeteiligten Dritten gemäß Art1 1. ZPEMRK und Art5 StGG verletzt: Zur Durchsetzung des öffentlichen Interesses – Sicherung des Verwaltungsstrafverfahrens – könne auf das gelindere Mittel der vorläufigen Sicherheit gemäß §33 LSD-BG, durch Beschlagnahme am Kontrollort vorhandener verwertbarer Sachen, zurückgegriffen werden.

5.3. §34 Abs1, 2, 4 und 9 LSD-BG würden überdies gegen das Determinierungsgebot des Art18 Abs2 B‑VG verstoßen, zumal nicht erkennbar sei, was unter der Wortfolge "bestimmter Tatsachen" zu verstehen sei.

5.4. Die Sicherheitsleistung gemäß §34 LSD-BG verstoße auch gegen Art15 und Art16 GRC, weil die Durchführung von Aufträgen in Österreich für Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten erheblich erschwert werde.

5.5. Da dem ausländischen Unternehmen im Verfahren zum Erlag einer Sicherheitsleistung regelmäßig Parteistellung verweigert werde, liege außerdem eine Verletzung des Rechts auf Wahrung des rechtlichen Gehörs vor.

5.6. Zum Umfang der Anfechtung führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass §33 letzter Satz LSD-BG in untrennbarem Zusammenhang mit §34 LSD-BG stehe.

5.7. Abschließend weist das Landesverwaltungsgericht auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2018, G260/2017 betreffend die Vorgängerbestimmung der nunmehr angefochtenen Regelung, hin und führt aus, dass der in §34 Abs8 LSD-BG normierte generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung aus denselben Gründen verfassungswidrig sei.

6. Die Partei des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat als beteiligte Partei eine Äußerung zu G104/2018 erstattet, in der sie sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichts anschließt.

7. Die Bundesregierung hat am 29. Oktober 2018 eine Äußerung zu G229/2018 erstattet, in der sie vorbringt, dass die Anträge unzulässig seien, weil §33 letzter Satz, §34 Abs1, 2, 9, 10 und 11 LSD-BG vom Landesverwaltungsgericht nicht anzuwenden und daher nicht präjudiziell seien. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, VfSlg 20.132/2016, und beantragt die Anträge zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung beantragt die Bundesregierung, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

8. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark verweist im zu G279/2018 protokollierten Antrag auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2018, G260/2017, und führt aus, dass die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes uneingeschränkt auf die inhaltsgleiche, nunmehr angefochtene Nachfolgebestimmung des §7m Abs7 AVRAG, §34 Abs8 LSD-BG, übertragbar seien.

IV. Zulässigkeit

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Dies kann – nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 15.368/1998, 16.293/2001) – auch dann vorliegen, wenn die innerstaatliche Rechtsvorschrift in offenkundigem Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht.

2. Mit Urteil vom 13. November 2018, Rs. C-33/17 , Čepelnik, hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgesprochen, dass Art56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach die zuständigen Behörden einem inländischen Auftraggeber auferlegen können, die Zahlungen an seinen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Vertragspartner zu stoppen und sogar eine Sicherheitsleistung in Höhe des noch ausstehenden Werklohns zu zahlen, um die Zahlung einer Geldbuße zu sichern, die gegen den Vertragspartner im Fall der Feststellung eines Verstoßes gegen das Arbeitsrecht des ersteren Mitgliedsstaats verhängt werden könnte.

2.1. Im Ausgangsverfahren, das zur Vorlage der Fragen zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union vom Bezirksgericht Bleiburg ausgesetzt wurde, war die Vorgängerbestimmung von §34 LSD-BG, nämlich §7m Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), maßgeblich. Beide Bestimmungen (§34 LSD-BG und §7m AVRAG) ermächtig(t)en die Behörde dazu, einen Zahlungsstopp gegenüber dem Vertragspartner eines Arbeitgebers, Auftragnehmers oder Überlassers (mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat) zu verhängen, wenn gegenüber dem Arbeitgeber, Auftragnehmer oder Überlasser der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung im Zusammenhang mit der Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping besteht (insbes. Nichtbereithalten/fehlende Übermittlung von Lohnunterlagen, Unterentlohnung usw, vgl §7b Abs8, §§7i oder 7k Abs4 AVRAG idF BGBl I 44/2016 bzw §§26, 27, 28, 29 Abs1 und §31 Abs4 LSD-BG) und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers, Auftragnehmers oder Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird.

2.2. Wie sich aus dem erwähnten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, steht das Unionsrecht Bestimmungen wie §34 LSD-BG entgegen. §34 LSD-BG ist daher in den Verfahren vor den antragstellenden Gerichten nicht anzuwenden. Die Anträge sind daher mangels Präjudizialität der als verfassungswidrig angefochtenen Bestimmungen als unzulässig zurückzuweisen.

V. Ergebnis

1. Die Anträge sind als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite bzw §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).

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