VfGH G298/2017

VfGHG298/201714.6.2018

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Regelung des Tiroler GrundverkehrsG betreffend die Definition von Vereinen als "Ausländer" im Sinne dieses Gesetzes als zu eng gefasst

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 / Prüfungsumfang
Tir GVG 1996 §2 Abs7 lite

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G298.2017

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehren die antragstellenden Vereine, der Verfassungsgerichtshof möge §2 Abs7 lite des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (im Folgenden: TGVG), LGBl 61/1996, idF LGBl 60/2009 als verfassungswidrig aufheben.

2. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. An der Liegenschaft in EZ ***, KG **************, ist Wohnungseigentum begründet. Grundbücherlicher Eigentümer beider darauf befindlicher Wohnungseigentumsobjekte ist *************************, der am 9. März 2017 verstorben ist.

2.2. Mit letztwilliger Verfügung vermachte er die beiden Miteigentumsanteile der Liegenschaft an zwei Vereine, deren Mitglied er jeweils war. Es handelt sich dabei um die *********************************************** ****************, den erstantragstellenden Verein, sowie den ******************************************** *****************, den zweitantragstellenden Verein. Mit rechtskräftigen Beschlüssen des Verlassenschaftsgerichtes zu ***********, je vom 10. Mai 2017, wurde die Bestätigung gemäß §182 AußStrG erteilt, dass hinsichtlich der genannten Miteigentumsanteile die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die beiden antragstellenden Vereine erfolgen kann, nämlich für den erstantragstellenden Verein hinsichtlich des Wohnungseigentums an Top 2 und für den zweitantragstellenden Verein hinsichtlich des Wohnungseigentums an Top 1.

2.3. Sowohl bei der Erstantragstellerin als auch der Zweitantragstellerin handelt es sich um österreichische Vereine mit Sitz in Österreich. Der erstantragstellende Verein, die *********************************************** ****************, hat rund 200 Mitglieder, der zweitantragstellende Verein, der ******************************************** *****************, rund 700 Mitglieder.

3. Mit Grundbuchsantrag vom 10. Oktober 2017 begehrten die antragstellenden Vereine die Einverleibung des Eigentumsrechtes an den beiden Miteigentumsanteilen. Dem Antrag waren die Staatsbürgerschaftsnachweise der organschaftlichen Vertreter beider Vereine angeschlossen. Das Erstgericht trug mit Beschluss vom 13. Oktober 2017 eine Verbesserung der Grundbuchseingabe dahingehend auf, dass für die jeweiligen Vereine nicht der Nachweis der Staatsangehörigkeit der organschaftlichen Vertreter zu erbringen ist, sondern der Nachweis der Staatsangehörigkeit mehr als der Hälfte der Mitglieder. Die antragstellenden Vereine begehrten daraufhin – ohne die Vorlage ergänzender Urkunden – eine Entscheidung über den Antrag.

4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Kufstein als Grundbuchsgericht zur TZ ********* vom 25. Oktober 2017 wurden die beiden Begehren auf Einverleibung des Eigentumsrechtes abgewiesen. Begründend führte das Gericht zusammengefasst aus, dass für den Rechtserwerb eines Vereins neben einem Vereinsregisterauszug auch der Nachweis über die Staatsangehörigkeit der Mitglieder zu erbringen sei. Ein bloßer Nachweis der Staatsangehörigkeit der organschaftlichen Vertreter des Vereins würde bedeuten, dass auch ein Verein mit ausschließlich ausländischen Vereinsmitgliedern, dessen organschaftliche Vertreter österreichische Staatsbürger oder österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt seien, letztlich als Inländer zu behandeln seien, was jedoch den Bestimmungen des TGVG widerspräche. §2 Abs7 lite TGVG bestimme nämlich, dass ein Verein, der seinen Sitz zwar im Inland hat, dessen Mitglieder jedoch mindestens zur Hälfte nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, als Ausländer zu gelten hätte. Ohne entsprechenden Nachweis über die Staatsangehörigkeit der Mitglieder könne daher die Notwendigkeit einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung iSd §12 TGVG nicht beurteilt werden.

5. Gegen diesen abweisenden Beschluss erhoben die antragstellenden Vereine am 30. November 2017 Rekurs an das Landesgericht Innsbruck. Gleichzeitig wurde der vorliegende Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestellt.

5.1. Begründend führten die antragstellenden Vereine zur Zulässigkeit aus, dass die angefochtene Bestimmung präjudiziell sei, weil das Bezirksgericht Kufstein §2 Abs7 lite TGVG angewendet habe. Der Beschluss des Bezirksgerichtes Kufstein sei den antragstellenden Vereinen mit Wirksamkeit vom 31. Oktober 2017 zugestellt worden. Mit Eingabe vom 30. November 2017, sohin innerhalb offener Rekursfrist, hätten die antragstellenden Vereine einen Rekurs gegen diese Entscheidung erhoben.

5.2. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des §2 Abs7 lite TGVG brachten sie zusammengefasst vor, dass sich insbesondere aus §3 TGVG ergebe, dass nach den Rechtvorschriften eines EU-Mitgliedstaates gegründete juristische Personen, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben würden, österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt und somit für Zwecke des TGVG als "Inländer" zu behandeln seien; dies unabhängig davon, wer (Unionsbürger, EWR-Angehörige, Drittstaatsangehörige) an der juristischen Person beteiligt bzw. – im Fall einer Genossenschaft oder eines Vereins – dort Mitglied sei.

Demgegenüber seien juristische Personen mit Sitz in Österreich benachteiligt, weil diese im Sinne der sog. "Kontrolltheorie" nur dann als Inländer gelten würden, wenn – in Bezug auf Gesellschaften – gemäß §2 Abs7 litb TGVG ihr Gesellschaftskapital oder Anteile am Vermögen nicht zur Hälfte Drittstaatsangehörigen gehörten oder wenn – in Bezug auf Vereine – gemäß §2 Abs7 lite TGVG ihre Mitglieder mindestens zur Hälfte die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen. Bei juristischen Personen mit Sitz in Österreich sei nach dem TGVG abweichend von den Regelungen für "EU-Gesellschaften" also auch die Staatsangehörigkeit der Gesellschafter bzw. Mitglieder für die Qualifikation der juristischen Person als "Inländer" maßgeblich. Dies habe zur Konsequenz, dass österreichische juristische Personen bei mehrheitlicher Beteiligung bzw. Mitgliedschaft von Drittstaatsangehörigen im Gegensatz zu ähnlich bzw. gleich strukturierten "EU-Gesellschaften" einem Genehmigungsverfahren nach den Bestimmungen über den Ausländergrundverkehr (§12 f. TGVG) unterworfen seien. Selbst wenn an ihnen mehrheitlich österreichische Staatsbürger beteiligt bzw. bei ihnen – wie in den Anlassfällen – ganz überwiegend österreichische Staatsbürger bzw. Unionsbürger Mitglieder seien, würden sie zu einem erheblichen Aufwand (insbesondere urkundliche Nachweise) verpflichtet, um – hier: vom zuständigen Grundbuchsgericht – die Inländereigenschaft iSd TGVG zuerkannt zu bekommen.

Aus dieser Benachteiligung juristischer Personen mit Sitz in Österreich resultiere eine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung, zumal ein sachlicher Grund für diese Differenzierung nicht ersichtlich sei. Insbesondere greife der maßgebliche Zweck der Kontrolltheorie angesichts des Umstandes, dass der "Umweg" über die Gründung einer mit Inländern gleichzustellenden juristischen Person im EU-Ausland offenstehe, nicht (mehr).

Daher verstoße die angefochtene Bestimmung des §2 Abs7 lite TGVG infolge der durch sie bewirkten Inländerdiskriminierung und die dadurch inländischen juristischen Personen auferlegten, unverhältnismäßigen und nicht sachlich zu rechtfertigenden Erschwernisse beim Erwerb von Baugrundstücken gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art7 B‑VG bzw. Art2 StGG.

6. Sowohl die Salzburger als auch die Tiroler Landesregierung erstatteten eine Äußerung, in der sie dem Vorbringen der antragstellenden Vereine entgegentreten und die Zurück- bzw. die Abweisung des vorliegenden Antrages beantragen.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl 61/1996, idF LGBl 26/2017 (TGVG) lauten samt Überschriften – auszugsweise – wie folgt:

"§2

Begriffsbestimmungen

(1) - (2) […]

(3) Baugrundstücke sind:

a) bebaute Grundstücke, das sind solche, die mit Gebäuden, mit Ausnahme von land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden, bebaut sind; als bebaute Grundstücke gelten auch baulich in sich abgeschlossene Teile eines Gebäudes, die als Wohnungen, Geschäftsräume, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen verwendet werden;

b) unbebaute Grundstücke, die im Flächenwidmungsplan als Bauland, als Vorbehaltsfläche oder als Sonderfläche, ausgenommen Sonderflächen für Schipisten, für Hofstellen, für landwirtschaftliche Intensivtierhaltung, für Austraghäuser, für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude und für Anlagen zur Aufbereitung mineralischer Rohstoffe, gewidmet sind.

Grundstücke, auf denen sich ausschließlich Gebäude von untergeordneter Bedeutung, wie Garagen, Geräteschuppen, Bienenhäuser, Gartenhäuschen und dergleichen, befinden, gelten nicht als bebaut im Sinn dieses Gesetzes.

(4) - (6) […]

(7) Ausländer sind:

a) - d) […]

e) Vereine, die zwar ihren Sitz im Inland haben, deren Mitglieder jedoch mindestens zur Hälfte nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.

§3

Gleichstellung im Rahmen der europäischen Integration sowie aufgrund staatsvertraglicher Verpflichtungen

(1) Staatsangehörige eines anderen EU-Mitgliedstaates oder eines anderen Vertragsstaates des EWR-Abkommens sind für den Geltungsbereich dieses Gesetzes den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

(2) Juristische Personen und sonstige rechtsfähige Personengemeinschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines der im Abs1 genannten Staaten gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem dieser Staaten haben, sind österreichischen juristischen Personen bzw. sonstigen rechtsfähigen Personengemeinschaften gleichgestellt, wenn der Rechtserwerb in Ausübung einer der folgenden Freiheiten erfolgt:

a) der Niederlassungsfreiheit nach Art49 AEUV bzw. nach Art31 des EWR-Abkommens,

b) des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art56 AEUV bzw. nach Art36 des EWR-Abkommens,

c) der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art63 AEUV bzw. nach Art40 des EWR-Abkommens.

(3) Im Übrigen sind natürliche Personen sowie juristische Personen und sonstige rechtsfähige Personengemeinschaften den österreichischen Staatsbürgern und den österreichischen juristischen Personen bzw. sonstigen rechtsfähigen Personengemeinschaften gleichgestellt, soweit sich dies in sonstiger Weise aus dem Unionsrecht oder aus staatsvertraglichen Verpflichtungen, einschließlich solcher aus Verträgen im Rahmen der europäischen Integration, ergibt.

(4) Der Nachweis, dass die Voraussetzungen nach Abs1, 2 oder 3 vorliegen, obliegt dem Rechtserwerber.

[…]

4. Abschnitt Rechtserwerbe an Grundstücken durch Ausländer

§12

Genehmigungspflicht, Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die den Erwerb eines der folgenden Rechte durch Ausländer zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb von Rechten an Baugrundstücken;

[…]

§25

Erteilung der Genehmigung

(1) Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung für den angezeigten Rechtserwerb an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück oder durch einen Ausländer vor, so hat die Grundverkehrsbehörde mit schriftlichem Bescheid die Genehmigung zu erteilen.

[…]

§32

Zulässigkeit der Grundbuchseintragung

(1) Ein Recht an einem Grundstück im Sinne der §§4, 9 und 12 Abs1 darf im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn dem Grundbuchsgesuch beigeschlossen ist:

a) bei einem Rechtserwerb an einem land- und forstwirtschaftlichen Grundstück oder durch einen Ausländer die entsprechende rechtskräftige Entscheidung nach §24 Abs1 oder §25 Abs1;

b) bei einem Rechtserwerb an einem unbebauten Baugrundstück die entsprechende Bestätigung nach §25a Abs1 oder 2;

c) bei einem Rechtserwerb an einem bebauten Baugrundstück

1. eine Bestätigung des Bürgermeisters über die Flächenwidmung des betreffenden Grundstückes und über die Tatsache, dass es bebaut im Sinn des §2 Abs3 ist, oder eine rechtskräftige Feststellung nach §24 Abs2, dass es bebaut im Sinn des §2 Abs3 ist; dies gilt nicht beim Erwerb von Wohnungseigentum;

2. wenn der Rechtserwerber österreichischer Staatsbürger oder österreichischen Staatsbürgern nach §3 gleichgestellt ist,

aa) bei natürlichen Personen der Nachweis über die Staatsangehörigkeit,

bb) bei juristischen Personen oder sonstigen rechtsfähigen Personengemeinschaften die für die Beurteilung des Vorliegens der Gleichstellung im Sinn des §3 Abs2 oder 3 erforderlichen Nachweise, wie insbesondere, dass sie nach dem Recht eines EU Mitgliedstaates, eines Vertragsstaates des EWR-Abkommens oder eines sonst staatsvertraglich begünstigten Staates gegründet wurden und dass sie ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem dieser Staaten haben;

d) im Fall des §20 Abs2 zweiter Satz die Bieterbewilligung oder eine der im §20 Abs2 erster Satz genannten Bestätigungen.

(2) - (4) […]"

III. Zur Zulässigkeit

1. Zur Zulässigkeit des Antrages:

Ein von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl. VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 9.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt wurde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben wurde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden konnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erhält, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

2. Der vorliegende Antrag erweist sich als zu eng gefasst:

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes kommt gesetzlichen Begriffsbestimmungen in der Regel keine eigenständige normative Bedeutung zu, weil eine solche erst im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die diesen Begriff verwenden, bewirkt wird (vgl. VfSlg 17.340/2004 [S 512], 18.087/2007; VfGH 12.12.2016, G105/2016).

Im Sinne dieser Rechtsprechung handelt es sich bei der angefochtenen Vorschrift des §2 Abs7 lite TGVG um eine Begriffsbestimmung ohne eigenständige normative Wirkung (arg.: §2 TGVG trägt die Überschrift "Begriffsbestimmungen"). Isoliert betrachtet legt sie lediglich fest, unter welchen Voraussetzungen ein Verein als "Ausländer" im Sinne des TGVG zu gelten hat. Normativen Gehalt entfaltet der Begriff "Ausländer" erst im Zusammenhang mit anderen Regelungen des TGVG. Die antragstellenden Vereine fechten die Begriffsbestimmung allerdings allein an und nicht etwa gemeinsam mit Regelungen, in denen der in Rede stehende Begriff verwendet wird (vgl. in diesem Zusammenhang §§12, 25 und 32 Abs1 lita TGVG).

Somit ist §2 Abs7 lite TGVG einer gesonderten Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG nicht zugänglich. Der Antrag ist zu eng gefasst und daher zurückzuweisen.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag, §2 Abs7 lite TGVG als verfassungswidrig aufzuheben, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfGH 15.10.2016, G339/2015; 2.12.2016, G497/2015).

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