VfGH G14/2016

VfGHG14/201614.3.2017

Zurückweisung eines weiteren Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes betreffend das Rücktrittsrecht des Verbrauchers bei außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossenen Verträgen als zu eng gefasst; Unzulässigkeit auch des Eventualantrags auf Aufhebung des gesamten Gesetzes als zu weit gefasst

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
Fern- und Auswärtsgeschäfte-G §4, §10, §14, §15, §16, §17, §18
Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU Art6
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
Fern- und Auswärtsgeschäfte-G §4, §10, §14, §15, §16, §17, §18
Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU Art6

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Die antragstellende Gesellschaft, die das Maler- und Anstreichergewerbe sowie das Stukkateure- und Trockenbaugewerbe ausübt, begehrt mit ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "1. im §4 Abs1 FAGG die Wortfolge 'oder seine Vertragserklärung', 2. §4 Abs1 Z10 FAGG, 3. §4 Abs3 FAGG iVm Anhang I Teil A[,] 4. §10 FAGG, 5. §14 FAGG, 6. §15 Abs4 letzter Satz FAGG, 7. im §15 Abs5 die Wortfolge '..und allfälliger Mehrkosten nach §14 Abs2..'[,] 8. §16 Abs1 FAGG, 9. §16 Abs2 FAGG, 10. §16 Abs4 FAGG[,] 11. im §17 2. Satz FAGG die Wortfolge 'und 16', 12. im §18 Abs1 Z1 FAGG die Wortfolge '– auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach §10 sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung –'[,] 13. §19 Z7 FAGG" als verfassungswidrig aufheben. In eventu möge der Verfassungsgerichtshof "das FAGG (Art4 des BGBl I 33/2014 – Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG) iSd Art140 B‑VG insgesamt aufheben und […] dem EuGH die Frage, ob die angefochtenen Bestimmungen, soweit sie auf der VRRL beruhen, der GRC widersprechen zur Vorabentscheidung vorlegen […], konkret möge also der EuGH insbesondere gefragt werden, ob die Art6 Abs1, 7 Abs3, 8 Abs8, 13 Abs1, 14 Abs2 letzter Satz, 15 Abs1, 16 lita VRRL und damit auch die mit diesen Bestimmungen korrelierenden Bestimmungen des FAGG in den Wesensgehalt der Art16, 17 Abs1, 20 GRC eingreifen oder unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit iSd Art52 Abs1 GRC Einschränkungen vornehmen, die nicht zur Wahrung der Rechte und Freiheiten anderer erforderlich sind, sowie erkennen, der Bund ist schuldig, der Antragstellerin die erwachsenen Prozesskosten im gesetzlichen pauschalierten Ausmaß zu Handen der Rechtsvertreter binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

II. Rechtslage

1. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

2. Die Vorschriften des Fern- und Auswärtsgeschäftegesetzes ergingen in Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304/64 (in weiterer Folge: "Verbraucherrechte-Richtlinie").

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG), BGBl I 33/2014 idF BGBl I 83/2015, lauten (die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen und Teile der Rechtsvorschriften sind hervorgehoben):

"1. Abschnitt

Allgemeines

Geltungsbereich

§1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte) zwischen Unternehmern und Verbrauchern (§1 KSchG).

(2) Dieses Bundesgesetz gilt – soweit in §8 Abs4 nicht anderes bestimmt ist – nicht für Verträge,

1. die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden (§3 Z1) und bei denen das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt den Betrag von 50 Euro nicht überschreitet,

2. über soziale Dienstleistungen einschließlich der Bereitstellung und Vermietung von Sozialwohnungen, der Kinderbetreuung oder der Unterstützung von dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Familien oder Personen einschließlich Langzeitpflege,

3. über Gesundheitsdienstleistungen gemäß Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, ABl. Nr L 88 vom 4.4.2011 S. 45, unabhängig davon, ob sie von einer Einrichtung des Gesundheitswesens erbracht werden, dies mit Ausnahme des Vertriebs von Arzneimitteln und Medizinprodukten im Fernabsatz,

4. über Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielkasinos und Wetten,

5. über Finanzdienstleistungen,

6. über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Eigentum oder anderen Rechten an unbeweglichen Sachen,

7. über den Bau von neuen Gebäuden, erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden oder die Vermietung von Wohnraum,

8. die in den Geltungsbereich der Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen, ABl. Nr L 158 vom 23.6.1990 S. 59, fallen,

9. die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/122/EG über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen, ABl. Nr L 33 vom 3.2.2009 S. 10, fallen,

10. die vor einem öffentlichen Amtsträger geschlossen werden, der gesetzlich zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet ist und durch umfassende rechtliche Aufklärung sicherzustellen hat, dass der Verbraucher den Vertrag nur aufgrund gründlicher rechtlicher Prüfung und in Kenntnis seiner rechtlichen Tragweite abschließt,

11. über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die vom Unternehmer im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers geliefert werden,

12. die unter Verwendung von Warenautomaten oder automatisierten Geschäftsräumen geschlossen werden,

13. die mit Betreibern von Telekommunikationsmitteln mit Hilfe öffentlicher Fernsprecher zu deren Nutzung geschlossen werden oder die zur Nutzung einer einzelnen von einem Verbraucher hergestellten Telefon-, Internet- oder Faxverbindung geschlossen werden.

(3) Für Verträge über die Beförderung von Personen ist nur §8 anzuwenden.

(4) Soweit eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes zu einer anderen Gesetzesbestimmung, die der Umsetzung eines sektorspezifischen Unionsrechtsakts dient, oder zu einem innerstaatlich unmittelbar anwendbaren Unionsrechtsakt in einem unlösbaren inhaltlichen Widerspruch steht, ist sie auf die von der kollidierenden Vorschrift erfassten Verträge nicht anzuwenden.

Zwingendes Recht

§2. Soweit Vereinbarungen zum Nachteil des Verbrauchers von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes abweichen, sind sie unwirksam.

Begriffsbestimmungen

§3. In diesem Bundesgesetz bezeichnet der Ausdruck

1. 'außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag' jeden Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher,

a) der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,

b) für den der Verbraucher unter den in lita genannten Umständen ein Angebot gemacht hat,

c) der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers oder dessen Beauftragten und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder

d) der auf einem Ausflug geschlossen wird, der von einem Unternehmer oder von dessen Beauftragten in der Absicht oder mit dem Ergebnis organisiert wurde, dass der Unternehmer für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen beim Verbraucher wirbt oder werben lässt und entsprechende Verträge mit dem Verbraucher abschließt;

2. 'Fernabsatzvertrag' jeden Vertrag, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrags ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden;

3. 'Geschäftsräume' unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt;

4. 'öffentliche Versteigerung' eine Verkaufsmethode, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die bei der Versteigerung persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist;

5. 'dauerhafter Datenträger' jedes Medium, das es dem Verbraucher oder dem Unternehmer gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht;

6. 'digitale Inhalte' Daten, die in digitaler Form hergestellt oder bereitgestellt werden;

7. 'akzessorischer Vertrag' einen Vertrag, mit dem der Verbraucher Waren oder Dienstleistungen erwirbt, die im Zusammenhang mit einem Fern- oder Auswärtsgeschäft stehen und bei dem diese Waren oder Dienstleistungen von dem Unternehmer oder einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen diesem Dritten und dem Unternehmer geliefert oder erbracht werden.

2. Abschnitt

Informationspflichten

Inhalt der Informationspflicht; Rechtsfolgen

§4. (1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, muss ihn der Unternehmer in klarer und verständlicher Weise über Folgendes informieren:

1. die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung in dem für das Kommunikationsmittel und die Ware oder Dienstleistung angemessenen Umfang,

2. den Namen oder die Firma des Unternehmers sowie die Anschrift seiner Niederlassung,

3. gegebenenfalls

a) die Telefonnummer, die Faxnummer und die E-Mail-Adresse, unter denen der Verbraucher den Unternehmer schnell erreichen und ohne besonderen Aufwand mit ihm in Verbindung treten kann,

b) die von der Niederlassung des Unternehmers abweichende Geschäftsanschrift, an die sich der Verbraucher mit jeder Beschwerde wenden kann, und

c) den Namen oder die Firma und die Anschrift der Niederlassung jener Person, in deren Auftrag der Unternehmer handelt, sowie die allenfalls abweichende Geschäftsanschrift dieser Person, an die sich der Verbraucher mit jeder Beschwerde wenden kann,

4. den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller Steuern und Abgaben, wenn aber der Preis aufgrund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung und gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer-, Versand- oder sonstigen Kosten oder, wenn diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, das allfällige Anfallen solcher zusätzlichen Kosten,

5. bei einem unbefristeten Vertrag oder einem Abonnementvertrag die für jeden Abrechnungszeitraum anfallenden Gesamtkosten, wenn für einen solchen Vertrag Festbeträge in Rechnung gestellt werden, die monatlichen Gesamtkosten, wenn aber die Gesamtkosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Art der Preisberechnung,

6. die Kosten für den Einsatz der für den Vertragsabschluss genutzten Fernkommunikationsmittel, sofern diese nicht nach dem Grundtarif berechnet werden,

7. die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, den Zeitraum, innerhalb dessen nach der Zusage des Unternehmers die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird, sowie ein allenfalls vorgesehenes Verfahren beim Umgang des Unternehmers mit Beschwerden,

8. bei Bestehen eines Rücktrittsrechts die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts, dies unter Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars gemäß Anhang I Teil B,

9. gegebenenfalls die den Verbraucher im Fall seines Rücktritts vom Vertrag gemäß §15 treffende Pflicht zur Tragung der Kosten für die Rücksendung der Ware sowie bei Fernabsatzverträgen über Waren, die wegen ihrer Beschaffenheit üblicherweise nicht auf dem Postweg versendet werden, die Höhe der Rücksendungskosten,

10. gegebenenfalls die den Verbraucher im Fall seines Rücktritts vom Vertrag gemäß §16 treffende Pflicht zur Zahlung eines anteiligen Betrags für die bereits erbrachten Leistungen,

11. gegebenenfalls über das Nichtbestehen eines Rücktrittsrechts nach §18 oder über die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Rücktrittsrecht verliert,

12. zusätzlich zu dem Hinweis auf das Bestehen eines gesetzlichen Gewährleistungsrechts für die Ware gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienstleistungen und von gewerblichen Garantien,

13. gegebenenfalls bestehende einschlägige Verhaltenskodizes gemäß §1 Abs4 Z4 UWG und darüber, wie der Verbraucher eine Ausfertigung davon erhalten kann,

14. gegebenenfalls die Laufzeit des Vertrags oder die Bedingungen für die Kündigung unbefristeter Verträge oder sich automatisch verlängernder Verträge,

15. gegebenenfalls die Mindestdauer der Verpflichtungen, die der Verbraucher mit dem Vertrag eingeht,

16. gegebenenfalls das Recht des Unternehmers, vom Verbraucher die Stellung einer Kaution oder anderer finanzieller Sicherheiten zu verlangen, sowie deren Bedingungen,

17. gegebenenfalls die Funktionsweise digitaler Inhalte einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen für solche Inhalte,

18. gegebenenfalls – soweit wesentlich – die Interoperabilität digitaler Inhalte mit Hard- und Software, soweit diese dem Unternehmer bekannt ist oder vernünftigerweise bekannt sein muss, und

19. gegebenenfalls die Möglichkeit des Zugangs zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren, dem der Unternehmer unterworfen ist, und die Voraussetzungen für diesen Zugang.

(2) Im Fall einer öffentlichen Versteigerung können anstelle der in Abs1 Z2 und 3 genannten Informationen die entsprechenden Angaben des Versteigerers übermittelt werden.

(3) Die Informationen nach Abs1 Z8, 9 und 10 können mittels der Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A erteilt werden. Mit dieser formularmäßigen Informationserteilung gelten die genannten Informationspflichten des Unternehmers als erfüllt, sofern der Unternehmer dem Verbraucher das Formular zutreffend ausgefüllt übermittelt hat.

(4) Die dem Verbraucher nach Abs1 erteilten Informationen sind Vertragsbestandteil. Änderungen sind nur dann wirksam, wenn sie von den Vertragsparteien ausdrücklich vereinbart wurden.

(5) Hat der Unternehmer seine Pflicht zur Information über zusätzliche und sonstige Kosten nach Abs1 Z4 oder über die Kosten für die Rücksendung der Ware nach Abs1 Z9 nicht erfüllt, so hat der Verbraucher die zusätzlichen und sonstigen Kosten nicht zu tragen.

(6) Die Informationspflichten nach Abs1 gelten unbeschadet anderer Informationspflichten nach gesetzlichen Vorschriften, die auf der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr L 376 vom 27.12.2006 S. 36, oder auf der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. Nr L 178 vom 17.7.2000 S. 1, beruhen.

Informationserteilung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen

§5. (1) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sind die in §4 Abs1 genannten Informationen dem Verbraucher auf Papier oder, sofern der Verbraucher dem zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen. Die Informationen müssen lesbar, klar und verständlich sein.

(2) Der Unternehmer hat dem Verbraucher eine Ausfertigung des unterzeichneten Vertragsdokuments oder die Bestätigung des geschlossenen Vertrags auf Papier oder, sofern der Verbraucher dem zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen. Gegebenenfalls muss die Ausfertigung oder Bestätigung des Vertrags auch eine Bestätigung der Zustimmung und Kenntnisnahme des Verbrauchers nach §18 Abs1 Z11 enthalten.

Vereinfachte Informationserteilung bei Handwerkerverträgen

§6. (1) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten, bei denen der Verbraucher das Kommen und die Dienste des Unternehmers zur Ausführung dieser Arbeiten ausdrücklich angefordert hat, das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt den Betrag von 200 Euro nicht übersteigt und beide Vertragsteile ihre vertraglichen Verpflichtungen sofort erfüllen, gelten für die Informationserteilung abweichend von §5 Abs1 die Bestimmungen des nachfolgenden Absatzes.

(2) Der Unternehmer hat dem Verbraucher die in §4 Abs1 Z2 und 3 lita und c genannten Informationen sowie Informationen über die Höhe des Preises oder die Art der Preisberechnung zusammen mit einem Kostenvoranschlag über die Gesamtkosten auf Papier oder, wenn der Verbraucher dem zustimmt, einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen. Überdies hat der Unternehmer dem Verbraucher die in §4 Abs1 Z1, 8 und 11 genannten Informationen zu erteilen, kann jedoch davon absehen, diese auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen, wenn sich der Verbraucher damit ausdrücklich einverstanden erklärt. Die nach §5 Abs2 zur Verfügung zu stellende Ausfertigung oder Bestätigung muss auch die in §4 Abs1 genannten Informationen enthalten.

Informationserteilung bei Fernabsatzverträgen

§7. (1) Bei Fernabsatzverträgen sind die in §4 Abs1 genannten Informationen dem Verbraucher klar und verständlich in einer dem verwendeten Fernkommunikationsmittel angepassten Art und Weise bereitzustellen. Werden diese Informationen auf einem dauerhaften Datenträger bereitgestellt, so müssen sie lesbar sein.

(2) Wird der Vertrag unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen, bei dem für die Darstellung der Information nur begrenzter Raum oder begrenzte Zeit zur Verfügung steht, so hat der Unternehmer dem Verbraucher vor dem Vertragsabschluss über dieses Fernkommunikationsmittel zumindest die in §4 Abs1 Z1, 2, 4, 5, 8 und 14 genannten Informationen über die wesentlichen Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, den Namen des Unternehmers, den Gesamtpreis, das Rücktrittsrecht, die Vertragslaufzeit und die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge zu erteilen. Die anderen in §4 Abs1 genannten Informationen sind dem Verbraucher auf geeignete Weise unter Beachtung von Abs1 zu erteilen.

(3) Der Unternehmer hat dem Verbraucher innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Vertragsabschluss, spätestens jedoch mit der Lieferung der Waren oder vor dem Beginn der Dienstleistungserbringung, eine Bestätigung des geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen, die die in §4 Abs1 genannten Informationen enthält, sofern er diese Informationen dem Verbraucher nicht schon vor Vertragsabschluss auf einem dauerhaften Datenträger bereitgestellt hat. Gegebenenfalls muss die Vertragsbestätigung auch eine Bestätigung der Zustimmung und Kenntnisnahme des Verbrauchers nach §18 Abs1 Z11 enthalten.

Besondere Erfordernisse bei elektronisch geschlossenen Verträgen

§8. (1) Wenn ein elektronisch, jedoch nicht ausschließlich im Weg der elektronischen Post oder eines damit vergleichbaren individuellen elektronischen Kommunikationsmittels geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zu einer Zahlung verpflichtet, hat der Unternehmer den Verbraucher, unmittelbar bevor dieser seine Vertragserklärung abgibt, klar und in hervorgehobener Weise auf die in §4 Abs1 Z1, 4, 5, 14 und 15 genannten Informationen hinzuweisen.

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder die Betätigung einer ähnlichen Funktion erfordert, muss diese Schaltfläche oder Funktion gut lesbar ausschließlich mit den Worten 'zahlungspflichtig bestellen' oder einer gleichartigen, eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist. Kommt der Unternehmer den Pflichten nach diesem Absatz nicht nach, so ist der Verbraucher an den Vertrag oder seine Vertragserklärung nicht gebunden.

(3) Auf Websites für den elektronischen Geschäftsverkehr ist spätestens bei Beginn des Bestellvorgangs klar und deutlich anzugeben, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden.

(4) Die Abs1 bis 3 gelten auch für die in §1 Abs2 Z8 genannten Verträge. Die Regelungen in Abs2 zweiter und dritter Satz gelten auch für die in §1 Abs2 Z2 und 3 genannten Verträge, sofern diese auf die in Abs1 angeführte Weise geschlossen werden.

Besondere Erfordernisse bei telefonisch geschlossenen Verträgen

§9. (1) Bei Ferngesprächen mit Verbrauchern, die auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrags abzielen, hat der Unternehmer dem Verbraucher zu Beginn des Gesprächs seinen Namen oder seine Firma, gegebenenfalls den Namen der Person, in deren Auftrag er handelt, sowie den geschäftlichen Zweck des Gesprächs offenzulegen.

(2) Bei einem Fernabsatzvertrag über eine Dienstleistung, der während eines vom Unternehmer eingeleiteten Anrufs ausgehandelt wurde, ist der Verbraucher erst gebunden, wenn der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung seines Vertragsanbots auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung stellt und der Verbraucher dem Unternehmer hierauf eine schriftliche Erklärung über die Annahme dieses Anbots auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt.

Beginn der Vertragserfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist

§10. Hat ein Fernabsatzvertrag oder ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag eine Dienstleistung, die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom oder die Lieferung von Fernwärme zum Gegenstand und wünscht der Verbraucher, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 mit der Vertragserfüllung beginnt, so muss der Unternehmer den Verbraucher dazu auffordern, ihm ein ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären.

3. Abschnitt

Rücktritt vom Vertrag

Rücktrittsrecht und Rücktrittsfrist

§11. (1) Der Verbraucher kann von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten.

(2) Die Frist zum Rücktritt beginnt

1. bei Dienstleistungsverträgen mit dem Tag des Vertragsabschlusses,

2. bei Kaufverträgen und sonstigen auf den entgeltlichen Erwerb einer Ware gerichteten Verträgen

a) mit dem Tag, an dem der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter, nicht als Beförderer tätiger Dritter den Besitz an der Ware erlangt,

b) wenn der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat, die getrennt geliefert werden, mit dem Tag, an dem der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter, nicht als Beförderer tätiger Dritter den Besitz an der zuletzt gelieferten Ware erlangt,

c) bei Lieferung einer Ware in mehreren Teilsendungen mit dem Tag, an dem der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter, nicht als Beförderer tätiger Dritter den Besitz an der letzten Teilsendung erlangt,

d) bei Verträgen über die regelmäßige Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum hinweg mit dem Tag, an dem der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter, nicht als Beförderer tätiger Dritter den Besitz an der zuerst gelieferten Ware erlangt,

3. bei einem Vertrag, der die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, die Lieferung von Fernwärme oder die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten zum Gegenstand hat, mit dem Tag des Vertragsabschlusses.

Unterbliebene Aufklärung über das Rücktrittsrecht

§12. (1) Ist der Unternehmer seiner Informationspflicht nach §4 Abs1 Z8 nicht nachgekommen, so verlängert sich die in §11 vorgesehene Rücktrittsfrist um zwölf Monate.

(2) Holt der Unternehmer die Informationserteilung innerhalb von zwölf Monaten ab dem gemäß §11 Abs2 für den Fristbeginn maßgeblichen Tag nach, so endet die Rücktrittsfrist 14 Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher diese Information erhält.

Ausübung des Rücktrittsrechts

§13. (1) Die Erklärung des Rücktritts ist an keine bestimmte Form gebunden. Der Verbraucher kann dafür das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B verwenden. Die Rücktrittsfrist ist gewahrt, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Frist abgesendet wird.

(2) Der Unternehmer kann dem Verbraucher auch die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B oder eine anders formulierte Rücktrittserklärung auf der Website des Unternehmers elektronisch auszufüllen und abzuschicken. Gibt der Verbraucher eine Rücktrittserklärung auf diese Weise ab, so hat ihm der Unternehmer unverzüglich eine Bestätigung über den Eingang der Rücktrittserklärung auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln.

Pflichten des Unternehmers bei Rücktritt des Verbrauchers vom Vertrag

§14. (1) Tritt der Verbraucher nach §11 Abs1 vom Vertrag zurück, so hat der Unternehmer alle vom Verbraucher geleisteten Zahlungen, gegebenenfalls einschließlich der Lieferkosten, unverzüglich, spätestens jedoch binnen 14 Tagen ab Zugang der Rücktrittserklärung zu erstatten. Er hat für die Rückzahlung dasselbe Zahlungsmittel zu verwenden, dessen sich der Verbraucher für die Abwicklung seiner Zahlung bedient hat; die Verwendung eines anderen Zahlungsmittels ist aber dann zulässig, wenn dies mit dem Verbraucher ausdrücklich vereinbart wurde und dem Verbraucher dadurch keine Kosten anfallen.

(2) Hat sich der Verbraucher ausdrücklich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden, so hat er keinen Anspruch auf Erstattung der ihm dadurch entstandenen Mehrkosten.

(3) Bei Kaufverträgen und sonstigen auf den entgeltlichen Erwerb einer Ware gerichteten Verträgen kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er entweder die Ware wieder zurückerhalten oder ihm der Verbraucher einen Nachweis über die Rücksendung der Ware erbracht hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Ware selbst abzuholen.

Pflichten des Verbrauchers bei Rücktritt vom Kaufvertrag

§15. (1) Tritt der Verbraucher nach §11 Abs1 von einem Kaufvertrag oder einem sonstigen auf den entgeltlichen Erwerb einer Ware gerichteten Vertrag zurück, so hat er die empfangene Ware unverzüglich, spätestens jedoch binnen 14 Tagen ab Abgabe der Rücktrittserklärung, an den Unternehmer zurückzustellen; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Ware selbst abzuholen. Die Rückstellungsfrist ist gewahrt, wenn die Ware innerhalb der Frist abgesendet wird.

(2) Die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware sind vom Verbraucher zu tragen; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder wenn er es unterlassen hat, den Verbraucher über dessen Kostentragungspflicht zu unterrichten.

(3) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Ware zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert wurde, hat der Unternehmer die Ware auf eigene Kosten abzuholen, wenn solche Waren wegen ihrer Beschaffenheit üblicherweise nicht auf dem Postweg versendet werden.

(4) Der Verbraucher hat dem Unternehmer nur dann eine Entschädigung für eine Minderung des Verkehrswerts der Ware zu zahlen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit derselben zurückzuführen ist. Der Verbraucher haftet in keinem Fall für einen Wertverlust der Ware, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß §4 Abs1 Z8 über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde. (5) Außer den in dieser Bestimmung angeführten Zahlungen und allfälligen Mehrkosten nach §14 Abs2 dürfen dem Verbraucher wegen seines Rücktritts keine sonstigen Lasten auferlegt werden.

Pflichten des Verbrauchers bei Rücktritt von einem Vertrag über Dienstleistungen, Energie- und Wasserlieferungen oder digitale Inhalte

§16. (1) Tritt der Verbraucher nach §11 Abs1 von einem Vertrag über Dienstleistungen oder über die in §10 genannten Energie- und Wasserlieferungen zurück, nachdem er ein Verlangen gemäß §10 erklärt und der Unternehmer hierauf mit der Vertragserfüllung begonnen hat, so hat er dem Unternehmer einen Betrag zu zahlen, der im Vergleich zum vertraglich vereinbarten Gesamtpreis verhältnismäßig den vom Unternehmer bis zum Rücktritt erbrachten Leistungen entspricht. Ist der Gesamtpreis überhöht, so wird der anteilig zu zahlende Betrag auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistungen berechnet.

(2) Die anteilige Zahlungspflicht nach Abs1 besteht nicht, wenn der Unternehmer seiner Informationspflicht nach §4 Abs1 Z8 und 10 nicht nachgekommen ist.

(3) Tritt der Verbraucher nach §11 Abs1 von einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten zurück, so trifft ihn für bereits erbrachte Leistungen des Unternehmers keine Zahlungspflicht.

(4) Außer der in Abs1 angeführten Zahlung dürfen dem Verbraucher wegen seines Rücktritts keine sonstigen Lasten auferlegt werden.

Auswirkungen des Rücktritts auf akzessorische Verträge

§17. Tritt der Verbraucher nach §11 Abs1 vom Vertrag zurück, so gilt der Rücktritt auch für einen akzessorischen Vertrag. Außer den in §§15 und 16 angeführten Zahlungen dürfen dem Verbraucher daraus keine sonstigen Lasten auferlegt werden.

Ausnahmen vom Rücktrittsrecht

§18. (1) Der Verbraucher hat kein Rücktrittsrecht bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über

1. Dienstleistungen, wenn der Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach §10 sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde,

2. Waren oder Dienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Rücktrittsfrist auftreten können,

3. Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind,

4. Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,

5. Waren, die versiegelt geliefert werden und aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind, sofern deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,

6. Waren, die nach ihrer Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,

7. alkoholische Getränke, deren Preis bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, die aber nicht früher als 30 Tage nach Vertragsabschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,

8. Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware, die in einer versiegelten Packung geliefert werden, sofern deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,

9. Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierte mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen über die Lieferung solcher Publikationen,

10. Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Vermietung von Kraftfahrzeugen sowie Lieferung von Speisen und Getränken und Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht werden, sofern jeweils für die Vertragserfüllung durch den Unternehmer ein bestimmter Zeitpunkt oder Zeitraum vertraglich vorgesehen ist,

11. die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten, wenn der Unternehmer – mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers, verbunden mit dessen Kenntnisnahme vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vorzeitigem Beginn mit der Vertragserfüllung, und nach Zurverfügungstellung einer Ausfertigung oder Bestätigung nach §5 Abs2 oder §7 Abs3 – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 mit der Lieferung begonnen hat.

(2) Der Verbraucher hat weiters kein Rücktrittsrecht bei Verträgen über dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich zu einem Besuch zur Ausführung dieser Arbeiten aufgefordert hat. Erbringt der Unternehmer bei einem solchen Besuch weitere Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder liefert er Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden, so steht dem Verbraucher hinsichtlich dieser zusätzlichen Dienstleistungen oder Waren das Rücktrittsrecht zu.

(3) Dem Verbraucher steht schließlich kein Rücktrittsrecht bei Verträgen zu, die auf einer öffentlichen Versteigerung geschlossen werden.

4. Abschnitt

Strafbestimmungen

§19. Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht ein Unternehmer eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 1 450 Euro zu bestrafen, wenn er

1. in die gemäß §4 Abs1 gebotenen vorvertraglichen Informationen falsche Angaben aufnimmt oder die Informationspflichten gemäß §4 Abs1 nicht oder nicht vollständig erfüllt,

2. gegen eine der in §5 Abs1, §6 Abs2 und §7 Abs1 und 2 getroffenen Anordnungen über die Art der Informationsverteilung verstößt,

3. dem Verbraucher entgegen §5 Abs2 oder §7 Abs3 keine Vertragsausfertigung oder -bestätigung zur Verfügung stellt;

4. seine besonderen vorvertraglichen Informationspflichten bei elektronisch geschlossenen Verträgen gemäß §8 Abs1 und 3 nicht oder nicht vollständig erfüllt;

5. ein Ferngespräch beginnt, ohne zu Beginn des Gesprächs den Namen (die Firma) des Unternehmers, gegebenenfalls den Namen der Person, in deren Auftrag er handelt, sowie den geschäftlichen Zweck des Gesprächs gemäß §9 Abs1 offenzulegen;

6. es unterlässt, dem Verbraucher gemäß §13 Abs2 eine Bestätigung über den Eingang der Rücktrittserklärung auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln;

7. gegen seine Erstattungspflicht nach §14 Abs1 verstößt.

[…]

ANHANG I

Informationen zur Ausübung des Widerrufsrechts

A. Muster-Widerrufsbelehrung

Widerrufsrecht

Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen.

Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag [1].

Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns ( [2] ) mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. [3]

Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.

Folgen des Widerrufs

Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. [4] [5] [6]

Gestaltungshinweise:

[1.] Fügen Sie einen der folgenden in Anführungszeichen gesetzten Textbausteine ein:

a) im Falle eines Dienstleistungsvertrags oder eines Vertrags über die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, von Fernwärme oder von digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden: 'des Vertragsabschlusses.';

b) im Falle eines Kaufvertrags: ', an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat.';

c) im Falle eines Vertrags über mehrere Waren, die der Verbraucher im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat und die getrennt geliefert werden: ', an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die letzte Ware in Besitz genommen haben bzw. hat.';

d) im Falle eines Vertrags über die Lieferung einer Ware in mehreren Teilsendungen oder Stücken: ', an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück in Besitz genommen haben bzw. hat.';

e) im Falle eines Vertrags zur regelmäßigen Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum hinweg: ', an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die erste Ware in Besitz genommen haben bzw. hat.'

[2.] Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und, soweit verfügbar, Ihre Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse ein.

[3.] Wenn Sie dem Verbraucher die Wahl einräumen, die Information über seinen Widerruf des Vertrags auf Ihrer Webseite elektronisch auszufüllen und zu übermitteln, fügen Sie Folgendes ein: 'Sie können das Muster-Widerrufsformular oder eine andere eindeutige Erklärung auch auf unserer Webseite [Internet-Adresse einfügen] elektronisch ausfüllen und übermitteln. Machen Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, so werden wir Ihnen unverzüglich (z. B. per E-Mail) eine Bestätigung über den Eingang eines solchen Widerrufs übermitteln.'

[4.] Im Falle von Kaufverträgen, in denen Sie nicht angeboten haben, im Fall des Widerrufs die Waren selbst abzuholen, fügen Sie Folgendes ein: 'Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.'

[5.] Wenn der Verbraucher Waren im Zusammenhang mit dem Vertrag erhalten hat:

a) Fügen Sie ein: – 'Wir holen die Waren ab.' oder – 'Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an … uns oder an [hier sind gegebenenfalls der Name und die Anschrift der von Ihnen zur Entgegennahme der Waren ermächtigten Person einzufügen] zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden.'

b) Fügen Sie ein: – 'Wir tragen die Kosten der Rücksendung der Waren.'; – 'Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.'; – Wenn Sie bei einem Fernabsatzvertrag nicht anbieten, die Kosten der Rücksendung der Waren zu tragen, und die Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht normal mit der Post zurückgesandt werden können: 'Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren in Höhe von … EUR [Betrag einfügen].', oder wenn die Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können: 'Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Kosten werden auf höchstens etwa … EUR [Betrag einfügen] geschätzt.' oder – wenn die Waren bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht normal mit der Post zurückgesandt werden können und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind: 'Wir holen die Waren auf unsere Kosten ab.' und

c) Fügen Sie ein: 'Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.'

[6.] Im Falle eines Vertrags zur Erbringung von Dienstleistungen oder der Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, oder von Fernwärme fügen Sie Folgendes ein: 'Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistungen oder Lieferung von Wasser/Gas/Strom/Fernwärme [Unzutreffendes streichen] während der Widerrufsfrist beginnen soll, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich dieses Vertrags unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht.'

[…]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. In ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten Antrag bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass sie seit vielen Jahren das Maler- und Anstreichergewerbe nach §94 Z47 GewO sowie das Stukkateure- und Trockenausbaugewerbe gemäß §94 Z67 GewO ausübe.

1.1. Zur Zulässigkeit des Antrages sowie zur Antragslegitimation verweist die antragstellende Gesellschaft zunächst auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2015, G164/2014, mit welchem die Antragslegitimation dieser dem Grunde nach bestätigt worden sei. Überdies bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass sie im Rahmen dieser gewerblichen Tätigkeit sowohl mit Unternehmern als auch mit Verbrauchern Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen sowie über den Kauf von Waren schließe. Seit Inkrafttreten des Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (VRUG), BGBl I 33/2014, sei sie verpflichtet, umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten bei sonstigem Verlust des Werklohn- oder Kaufpreisanspruchs und drohenden Verwaltungsstrafen nach §19 Z1 FAGG vollständig und rechtzeitig zu erfüllen bzw. deren Erfüllung zu beweisen. Ein zumutbarer anderer Weg, um die behauptete Verfassungswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, bestehe für die antragstellende Gesellschaft nicht, da von ihr nicht verlangt werden könne, sich bewusst einem Strafverfahren oder einem Wettbewerbsprozess auszusetzen, um die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Normen geltend machen zu können. Überdies sei auch das bewusste Provozieren eines Zivilverfahrens unzumutbar. Aus diesen Gründen sei der Antrag zulässig.

1.2. Auf das Wesentliche zusammengefasst legt die antragstellende Gesellschaft ihre Bedenken wie folgt dar:

1.2.1. Mit dem VRUG habe sich eine erhebliche Änderung der Rechtslage hinsichtlich des Vertragsabschlusses mit Verbrauchern ergeben. So stehe dem Verbraucher – im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage – ein Rücktrittsrecht auch dann zu, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume abgeschlossen worden sei, der Unternehmer jedoch vom Verbraucher ausdrücklich ersucht wurde, zB in dessen Wohnung zu kommen. Dem Verbraucher stehe nunmehr bei Dienstleistungsverträgen ein Rücktrittsrecht binnen 14 Tagen ab Vertragsabschluss zu – unabhängig davon, ob dieser den Vertrag selbst angebahnt hat.

1.2.2. Verfassungsrechtlich bedenklich sei, dass §4 FAGG den Unternehmer verpflichte, gewisse Informationspflichten einzuhalten, bevor der Verbraucher an seine Vertragserklärung gebunden ist. Es sei ferner mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar, dass der Dienstleistungserbringer seinen Anspruch auf Entlohnung der ordnungsgemäß erbrachten Leistungen verliere, wenn über das Rücktrittsrecht gemäß §4 Abs1 Z8 FAGG nicht aufgeklärt wurde. Der Verbraucher könne auf Grund der gesetzlichen Regelung in einem Zeitraum von 12 Monaten und 14 Tagen grundlos vom Vertrag zurücktreten. In Fällen wie den von der antragstellenden Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen, in welchen eine Zug-um-Zug-Rückabwicklung des Vertrages nicht möglich sei, müsse der Unternehmer das Entgelt vollständig zurückzahlen, wobei eine bereicherungsrechtliche Entschädigung durch §16 Abs2 FAGG ausgeschlossen werde. Ähnliche Probleme bestünden auch im Fall von Warenhandelsgeschäften, bei welchen ebenfalls das durch den Verbraucher geleistete Entgelt zur Gänze zurückzuzahlen sei, ein allfälliger Wertverlust bei fehlender Aufklärung über das Rücktrittsrecht nach §15 Abs4 letzter Satz FAGG durch den Verbraucher in keinem Fall zu ersetzen sei.

1.2.3. Es sei ferner überzogen und geradezu unerträglich, dass die Verletzung bzw. die mangelnde Beweisbarkeit der Erfüllung der Aufklärungspflicht zwangsläufig zum Verlust des Werklohnanspruches führe. Auch könne dies durch die Verbraucherrechte-Richtlinie nicht gerechtfertigt werden, da auf diese die Grundsätze der europäischen Grundrechtstradition und insbesondere die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anzuwenden seien. Eine Umsetzung der Richtlinie, wie sie in Österreich erfolgt sei, sei daher geradezu denkunmöglich.

1.2.4. Zu den angefochtenen Bestimmungen bringt die antragstellende Gesellschaft im Einzelnen Folgendes vor (im Original, ohne Hervorhebungen):

"1. Zur Aufhebung der Wortfolge '… oder seine Vertragserklärung' im §4 Abs1 1. Halbsatz FAGG

Diese Formulierung hat der Gesetzgeber offenbar in Anlehnung an Art6 der Verbraucherrechte-Richtlinie (idF VRRL) gewählt, wo es ebenfalls im ersten Halbsatz heißt, 'bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb vom Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebotgebunden ist …' bzw. in der englischen Fassung präziser formuliert 'before the costumer is bound by [ … ] or any corresponding offer'.

Versucht man diesen Bestimmungen einen logischen Sinn zu geben, so soll offenbar der Verbraucher schon bevor er ein verbindliches Angebot abgibt, über sein Rücktrittsrecht informiert werden. Dies ist allerdings in vielen Fällen unmöglich, ja geradezu absurd, weil immer dann, wenn ein Verbraucher der Antragstellerin außerhalb eines Geschäftsraumes spontan (oder im Fernabsatz zB telefonisch) einen Auftrag erteilt, sie keinen Vertrag mehr abschließen dürfte, weil sie ihn nicht (mehr) rechtzeitig über sein Rücktrittsrecht etc informieren könnte. Dies ergibt sich allein daraus, dass jedenfalls nach österreichischem Recht die Erteilung eines Auftrages in Form eines auch (mündlichen) Angebotes des Verbrauchers sofort für den Verbraucher verbindlich ist und angenommen werden kann, sodass der Vertrag perfekt wäre. Eine Festlegung des Preises ist schon aufgrund der Bestimmung des §1152 ABGB (mangels Preisvereinbarung gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen) nicht Voraussetzung für die Gültigkeit eines Angebotes bzw. Vertrages.

Dem österreichischen Gesetzgeber könnte allenfalls noch unterstellt werden, er hätte – im Gegensatz zur VRRL – durch die Formulierung 'Vertragserklärung' die sogenannte Annahme des Vertrages durch den Verbraucher gemeint. Diese Interpretation stünde aber im klaren Widerspruch zur VRRL, die ausdrücklich von einem entsprechenden bzw korrespondierenden Angebot (corresponding offer) des Verbrauchers spricht. Außerdem wäre diese Interpretation auch deswegen verfehlt, weil eine Vertragsannahme den Vertrag zustande kommen lässt, sodass die Formulierung im Gesetz überflüssig wäre. Schließlich heißt es ja ohnehin schon, dass die Informationen der Verbraucher vorVertragsabschluss zu erteilen sind.

Die Formulierung 'seine Vertragserklärung' kann daher auch im österreichischen Recht nur als 'Angebot des Verbrauchers' verstanden werden. Eine richtlinienkonforme Auslegung ist im Übrigen auch deswegen nicht möglich, weil es ein 'korrespondierendes' in der deutschen Fassung salopp übersetztes 'entsprechendes' Angebot nicht geben kann, korrespondierend zu einer Vertragserklärung kann nur die sogenannte Vertragsannahme sein. 'Cor-respondere' kommt aus dem Lateinischen und heißt richtig übersetzt, 'ein übereinstimmendes Gegenversprechen leisten' oder mit anderen Worten im konkreten Fall das Angebot anzunehmen.

Zusammengefasst ist daher zu sagen, dass eine entsprechende Informationspflicht des Unternehmers vernünftigerweise nicht bestehen kann, bevor dieser ein verbindliches Angebot legt oder das Angebot des Verbrauchers annimmt. Die Formulierung im österreichischen Gesetz und noch klarer in der Richtlinie würde aber eine Informationspflicht bereits vor einem Angebot des Verbrauchers vorsehen, was nicht nur absurd wäre (siehe oben), sondern bei entsprechender Auslegung des Richtlinientextes auch gar nicht möglich wäre, weil es 'ein korrespondierendes Angebot' gar nicht geben kann. Ein verbindliches Angebot muss einer korrespondierenden Annahme vorangehen. Eine richtlinienkonforme Auslegung ist daher nicht möglich.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ein sogenanntes 'Angebot' in einem Katalog, einem Schaufenster, einer Werbeaussendung oder auf einer Website udgl kein Angebot im Rechtssinn ist, sondern mangels Bindungswillens eine bloße Aufforderung an den potentiellen Kunden, selbst ein Angebot zu legen, darstellt (siehe dazu etwa Rummel in Rummel, ABGB3, Rz 7 §61).

Dass die angefochtene Textpassage, die – abgesehen von ihrer möglichen Richtlinienwidrigkeit – verfassungswidrig iSd Art7 B‑VG bzw Art5 StGG ist, liegt auf der Hand. Schließlich würde es einen völlig unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie (Recht zum Abschluss privater Verträge, siehe zB VfSlg 12.227) darstellen, wenn ein Unternehmen mit einem Verbraucher keinen Außergeschäftsraum- oder Fernabsatzvertrag mehr schließen dürfte, wenn seinem Angebot das Angebot des Verbrauchers zuvorkäme, ohne sich strafbar iSd §19 Z1 FAGG zu machen.

Eine richtlinienkonforme Interpretation scheidet schon deswegen aus, weil der Richtlinientext insoweit in sich widersprüchlich ist und keinen Sinn ergibt, da es vor Abschluss des Vertrages ein 'korrespondierendes Angebot' rechtlich betrachtet gar nicht geben kann.

Eine Informationspflicht des Unternehmers über das Rücktrittsrecht generell zu verlangen, bevor ein Verbraucher ihm einen Auftrag erteilt, wäre im Übrigen völlig unsachlich und unverhältnismäßig, teilweise wie erwähnt geradezu unmöglich (insbes bei telefonischer Auftragserteilung udgl) und daher auch gleichheitswidrig iSd Art7 B‑VG, 20 GRC und stellt darüber hinaus auch einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit iSd Art16 GRC dar!

2. Zur Aufhebung des §4 Abs1 Z10 FAGG:

Die Aufhebung dieser Bestimmung ist deswegen notwendig, weil der ebenfalls laut VfGH ggf. aufzuhebende §16 Abs1 nicht mehr existieren würde und ein Rücktritt bei 'vorzeitigem Erfüllungsbeginn' nach dem FAGG dann generell nicht mehr möglich wäre, wenn der Vertrag letztlich erfüllt wurde. In weiterer Folge kann es dann auch zu keiner Zahlungspflicht bloß eines anteiligen Betrages, wie die Z10 dies vorsieht, mehr kommen.

3. Zur Aufhebung des §4 Abs3 FAGG iVm Anhang I Teil A

Die Informationen nach §4 Abs1, 9 und 10 könnten derzeit mittels der Muster-Widerrufsbelehrung gem Anhang I Teil A erteilt werden. Dadurch, dass nach Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen (insbes §§14, 16 FAGG) die Muster-Widerrufsbelehrung aber unrichtig und unvollständig werden würde, kann auf diese auch nicht mehr verwiesen werden bzw wäre auch diese aus dem Rechtsbestand zu eliminieren. Jedenfalls unrichtig würde insbes die unter 'Folgen des Widerrufs' gewählte Formulierung sein:

'Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, (….) unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrages bei uns eingegangen ist.'

4. Zur Aufhebung des §10 FAGG:

Die Aufhebung dieser Bestimmung hat der VfGH deswegen für notwendig erachtet, weil sie zumindest mit §16 Abs1 FAGG, der jetzt laut Beschluss des VfGH ebenfalls anzufechten ist, eine untrennbare Einheit bildet. Sie wird daher angefochten.

Darüber hinaus verletzt die Formulierung des §10 letzter HS FAGG auch deswegen die auch grundrechtlich geschützte Privatautonomie (Art5 StGG) bzw den dem Art16 iVm 52 Abs1 GRC immanenten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil offenbar dann, wenn der Verbraucher zwar ausdrücklich (zB telefonisch) – nicht aber auf dauerhaftem Datenträger (also wenigstens auf Papier, siehe Pkt 23 der Erwägungsgründe zur VRRL) – sein Verlangen auf vorzeitige Vertragserfüllung zum Ausdruck bringt, erst recht wieder der Verbraucher uneingeschränkt vom gesamten Vertrag zurücktreten kann, selbst wenn der Unternehmer die Leistung ganz oder teilweise ordnungsgemäß erfüllt hat. Dass diese Regelung auch einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit iSd Art16 GRC bewirkt (siehe dazu jüngst etwa EuGH Rs C-157/14 ), liegt auf der Hand. Dazu kommt, dass nicht einmal geklärt ist, ob etwa eine bloße Email oder ein SMS als dauerhafter Datenträger anzusehen ist.

5. Zur Aufhebung des §14 FAGG:

Die ursprünglich angefochtene Bestimmung der Formulierung des 1. Satzes im §14 Abs1, die im Falle eines Rücktritts des Verbrauchers vom Vertrag generell normiert, dass diesem alle bereits geleisteten Zahlungen zu ersetzen sind bzw der Unternehmer, sollte noch gar nicht (alles) bezahlt sein, seinen Kauf- oder Werklohnanspruch zur Gänze verliert, widerspricht nicht nur der österreichischen, sondern auch der durch die EMRK über Jahrzehnte ausgebildeten Grundrechtstradition in Europa und insbes auch in der gesamten EU (siehe den Hinweis in Art47 Abs2 GRC auch auf die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten sowie Art52 Abs3 GRC, der auf die Geltung der EMRK auch im EU-Recht verweist!).

Warum es sich um eklatante Grundrechtsverstöße bei der Umsetzung dieser Richtlinie handelt, sei im Folgenden erläutert:

Selbst dann, wenn der Verbraucher eine Leistung außerhalb eines Geschäftsraumes sofort in Anspruch nehmen will (zB eine Friseurleistung in einem Krankenhaus, die mehr als € 50,-- kostet), hätte er ein Rücktrittsrecht und nur dann dem Unternehmer (anteilige) Kosten zu ersetzen, wenn er ausdrücklich auf das Rücktrittsrecht und seine (anteilige) Zahlungspflicht hingewiesen wurde (siehe §§16 Abs2, 18 Abs1 Z1 FAGG), nachdem der Verbraucher sich ausdrücklich mit dem vorzeitigen Erfüllungsbeginn einverstanden erklärte. Dass in solchen Fällen ein schriftlicher Hinweis des Unternehmers an den Verbraucher, dass dieser – wenn innerhalb der 14tägigen Rücktrittsfrist die Arbeiten vollendet werden – er zumindest kein Rücktrittsrecht mehr habe (siehe §18 Abs1 Z1 FAGG) geradezu lächerlich anmutet und ein durchschnittlicher Verbraucher einen Unternehmer, der darüber schriftlich (!) aufklärt, sich diese Aufklärung notgedrungen auch noch schriftlich bestätigen lässt und zudem auch noch den Verbraucher zur Erklärung eines ausdrücklichen Verlangens nach 'vorzeitigem Erfüllungsbeginn', bewegen muss (§10 FAGG), für 'verrückt' ansehen würde, hat offenbar weder der österreichische Gesetzgeber noch der Richtliniengeber bedacht. Es kann schlicht nicht ernsthaft so gemeint sein, wie der Gesetzgeber das zum Ausdruck bringt. Aufgrund des klaren Wortlautes ist allerdings eine Korrektur durch den VfGH, allenfalls den EuGH notwendig. Mit einer grundrechtskonformen Auslegung allein ist es freilich nicht getan. Hier muss auch der Gesetzgeber tätig werden (siehe auch Berka, Verbraucherschutz ohne Grenzen? Zur Grundrechtskonformität der Rechtsfolgen eines Rücktritts nach dem FAGG, wbl 2015, 181 insbes 190 ff), weil dieser der klare Wortlaut des Gesetzes entgegensteht!

Ebenso untragbar ist es, dass bei fehlerhafter (oder nicht beweisbarer) Aufklärung des Verbrauchers über das Rücktrittsrecht über ein Jahr lang der gesamte Werklohn oder Kaufpreis samt Lieferkosten zurückgefordert werden kann. Dies umso mehr als gerade Handwerksleistungen oft sehr hohe Kosten mit sich bringen und daher eine derart gravierende Sanktion für ein Unterlassen der Aufklärungspflicht vor allem dann, wenn die Lieferung ordnungsgemäß erfüllt wurde, völlig unverhältnismäßig und damit mehrfach grundrechtswidrig ist (siehe Berka, aaO, 191f).

Ebenso unverständlich ist es, dass mit dieser Regelung es der Gesetzgeber ohne weiteres in Kauf zu nehmen scheint, dass Personen in betrügerischer Absichtvon dieser Rücktrittsmöglichkeit Gebrauch machen könnten, indem sie einen Vertragspartner suchen, der nicht rechtzeitig bzw beweisbar aufklärt. Auch bei Warenhandelsgeschäften oder bei Dienstleistungen, die mit Warenhandelslieferungen verbunden sind (zB Tischlerleistungen) und regelmäßig auch unter Eigentumsvorbehalt geliefert werden, war es bisher völlig klar, dass diese bezahlt werden müssen, auch wenn solche Verträge – aus welchen Gründen immer – nicht mehr rückabgewickelt werden können.

Eine missbräuchliche Verwendung, absichtliche Beschädigung odgl solcher Waren, scheint jetzt völlig sanktionslos für den Verbraucher möglich zu sein.

Verstoß gegen Art5 StGG; Art1 1. ZProtEMRK; Art16 GRC, Art17 GRC, Art7 B‑VG, Art2 StGG, Art20, 21, 52 Abs1 GRC

Gleich vorweg sei darauf hingewiesen, dass ja der VfGH auch die GRC, die natürlich auch für den Richtliniengeber der VRRL verbindlich ist, aufgrund seiner neuen Judikatur zum Prüfungsmaßstab gemacht hat (VSlg 19.632).

In konsequenter Fortbildung dieser Rechtsprechung geht die Antragstellerin davon aus, dass der VfGH im Falle von Verstößen von Richtlinien gegen die GRC dies ebenfalls zum Anlass nimmt, die Richtlinie – soweit sie nicht europarechts- und grundrechtskonform ausgelegt werden kann – unangewendet zu lassen. Allenfalls könnte der VfGH solche Verstöße auch dem EuGH zur Prüfung vorlegen.

Jedenfalls ist auch der österreichische Gesetzgeber verpflichtet, die GRC einzuhalten und die Richtlinien entsprechend der GRC umzusetzen.

Da insbes die GRC auch unmittelbar anwendbares Primärrecht darstellt (Art51 GRC), also den Richtlinien vorgeht bzw primärrechtswidrige Richtlinien wie erwähnt insoweit nicht angewendet werden dürfen, ist von vorn herein eine Zuständigkeit des VfGH gegeben. Da auch der österreichische Gesetzgeber Primärrecht und damit die GRC nicht missachten, sondern vielmehr entsprechend anwenden muss, wäre auch eine Umsetzung, wie sie hier der Fall ist, nicht nur europarechts-, sondern auch verfassungswidrig iSd österreichischen Rechts.

Dazu kommt, dass in der VRRL durchaus Anhaltspunkte für eine mögliche GRC-konforme Umsetzung der Richtlinienvorgaben bei der Umsetzung in nationales Recht vorhanden wären, schließlich ist etwa im Art3 Abs5 VRRL ausdrücklich davon die Rede, dass das allgemeine Vertragsrecht der Mitgliedsstaaten unberührt bleibt. Erst recht müsste dies für Fragen des Bereicherungsrechtes oder der Aufrechnungsmöglichkeiten gelten.

Wie sich aus dem bisher Gesagten fast zwangsläufig ergibt, verstoßen sowohl die VRRL als auch das österreichische Umsetzungsgesetz im angefochtenen Umfang gegen das – auch europarechtlich weit auszulegende, insbes alle Vermögensrechte betreffende – Eigentumsrecht (s Art1 1. ZProt EMRK iVm Art16, 17, 52 Abs2 und 3 GRC). Demnach ist insbes eine Enteignung ohne Entschädigung von Vornherein nicht zulässig (siehe Art17 Abs2 GRC). Dies entspricht mittlerweile auch der gefestigten Rechtsprechung des VfGH.

Gerade bei Dienstleistungsverträgen wie bei jenen der Antragstellerin (insbes Malerarbeiten), wo eine Rückabwicklung schon von der Natur der Sache her unmöglich ist, liegt im Ergebnis eine entschädigungslose Enteignung iSd gänzlichen Entzugs des Werklohnanspruches vor.

Da eine Nichtaufklärung der Konsumenten ohnedies strafbar ist – die Strafdrohung ist jedoch im Vergleich zum möglichen Schaden aufgrund der Rückabwicklung des Vertrages geradezu unbedeutend, was einen Wertungswiderspruch ergibt –, liegt es auf der Hand, dass die Sanktion des offenbar bedingungslosen gänzlichen Entfalls des Werklohns ein völlig unverhältnismäßiges Mittel darstellt, den gesetzgeberischen Zweck (Aufklärung der Konsumenten über das Rücktrittsrecht) zu erreichen. Dies vor allem auch deswegen, weil der Konsument ja in den vollen Genuss der bestellten Leistung kommt, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Der Eingriff von §14 Abs1 Z1 1. Satz FAGG in die verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte auf Eigentumsfreiheit, unternehmerische Freiheit und Gleichheit ist daher auch völlig inadäquat und damit auch gleichheitswidrig (willkürlich).

Dazu kommt, dass Dienstleistungsgewerbetreibende darüber hinaus diskriminiert werden, weil sie im Falle eines Rücktritts des Verbrauchers im Gegensatz zu bloßen Händlern weder ein Zurückbehaltungsrecht ihre Zahlung betreffend haben, solange die Waren nicht wenigstens an sie abgeschickt wurden (§14 Abs3 FAGG) noch die Ausnahme vom Rücktrittsrecht nach §18 Abs1 Z3 leg cit für sie greift.

Während das Rücktrittsrecht für Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt oder persönlichen Bedürfnissen zugeschnitten sind, nämlich nicht gilt, fehlt eine derartige Ausnahmebestimmung für Dienstleistungsgewerbetreibende völlig grundlos! Damit wird auch insoweit der Gleichheitsgrundsatz (Art7 B‑VG, Art21, 22 GRC) verletzt.

Da aber die bloße Anfechtung des §14 Abs1, 1. Satz FAGG im Falle seiner Aufhebung einen 'unverständlichen Torso' hinterlassen würde, wie der VfGH ausgeführt hat, ist der gesamte §14 FAGG ggf. aufzuheben. Dies bringt auch der VfGH selbst klar zum Ausdruck, indem er ausdrücklich festhält, dass §14 Abs1 erster Satz für das Verständnis des gesamten (!) §14 FAGG insgesamt unentbehrlich sei! Dass diese Ansicht zutrifft, ergibt sich auch daraus, dass nach gänzlichem Wegfall des ersten Absatzes völlig unklar wäre, was nun genau rückerstattet werden müsste, und der Eindruck entstünde, es ginge überhaupt nur um Kaufverträge und Modalitäten die Lieferkosten betreffend, was aber ganz offensichtlich niemals dem Willen des Gesetzgebers oder Richtliniengebers entsprochen hat oder hätte. Dass aber auch bei nicht mehr rückgängig zu machenden Dienstleistungsverträgen im Umkehrschluss jedenfalls alles zurückzuzahlen wäre im Falle eines Rücktritts, kann nicht stimmen, vor allem deswegen nicht, weil bei 'vorzeitigem Erfüllungsbeginn' sogar nach dem FAGG eine teilweise Zahlungspflicht vorgesehen wäre. Dies alles ganz abgesehen davon, dass natürlich die Überschriften der §§14f FAGG überhaupt keinen Sinn mehr ergeben würden!

6. Zur Aufhebung des §15 Abs4 letzter Satz FAGG:

Auch diese Bestimmung verstößt in ihrer Allgemeinheit gegen die Grundrechte auf Eigentumsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz (Art5 StGG, 17 GRC, Art1 1. ZProtEMRK sowie Art7 BVG, Art16, 17, 20, 21, 52 GRC). Dass der Verbraucher 'in keinem Fall' bei fehlender Rücktrittsaufklärung für einen Wertverlust der Ware haftet, die häufig sogar noch aufgrund des Eigentumsvorbehaltes der Antragstellerin gehört, ist naturgemäß krass grundrechtswidrig.

Nimmt man diesen Gesetzeswortlaut ernst, könnte der Verbraucher in dem Fall geradezu willkürlich alles mit der – häufig ihm gar noch nicht gehörenden – Ware anstellen, also diese etwa mutwillig zerstören, beschädigen etc, ohne daraus irgendeinen Nachteil zu erleiden. Dieser Eingriff in das Eigentumsrecht ist verfassungswidrig.

7. Zur Aufhebung der Wortfolge 'und allfälligen Mehrkosten nach §14 Abs2' im §15 Abs5 FAGG

Da diese Bestimmung auf den ebenfalls aufzuhebenden §14 Abs2 FAGG verweist, ist dieser Verweis zu eliminieren.

8. Zur Aufhebung des §16 Abs1 FAGG

Die Anfechtung dieser Bestimmung hat der VfGH insbes deswegen für notwendig gehalten, weil diese Bestimmung und auch der ebenfalls angefochtene §10 FAGG 'für Zwecke der Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Rücktrittsfolgen bei Verträgen außerhalb der Geschäftsräume eine untrennbare Einheit bilden'. In Entsprechung dieser Ansicht wird daher der Aufhebungsantrag gestellt.

9. Zur Aufhebung des §16 Abs2 FAGG

Auch diese Bestimmung, die offenbar für Fälle gedacht ist, in denen die Leistung sofort oder innerhalb der Rücktrittsfrist erbracht wird, verstößt in dieser Allgemeinheit jedenfalls gegen Art5 StGG, Art7 B‑VG, Art1 1. ZProtEMRK, Art16, 17, Art20 und Art21 sowie 52 GRC, weil sie einen vollkommen grundlosen Rücktritt vom Vertrag ermöglicht, ohne dass es zu einer Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers kommt.

Dass lediglich ein (anteiliger) Werklohn zu leisten ist, wenn über das Rücktrittsrecht aufgeklärt wurde und der Unternehmer den Verbraucher dazu aufgefordert hat, ihm ausdrücklich und auf dauerhaftem Datenträger (!) zu erklären, dass er eine vorzeitige, also innerhalb der Rücktrittsfrist erfolgende Erfüllung will, ist an sich schon unverständlich (§10 FAGG). Wird vom Verbraucher eine sofortige Vertragserfüllung gewollt, kann schon begrifflich nicht mehr von einer 'vorzeitigen', weil eben vereinbarten Erfüllungsfrist gesprochen werden.

Dass dem Verbraucher auch noch das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang 1 Teil B VRRL zur Verfügung gestellt und er über die Pflicht zur Zahlung eines anteiligen Betrages für die erbrachten Leistungen im Falle des Rücktritts des Verbrauchers informiert haben muss (§16 Abs2 FAGG), um wenigstens ein anteiliges Honorar zu bekommen, ist schlicht unverständlich und widerspricht eklatant der österreichischen Zivil- und Grundrechtstradition (siehe dazu auch Geiger, FAGG: Dienstleistungen in der Rücktrittsfrist, ecolex 2014, 597 f).

Wie anhand des Beispiels eines Friseurs, der in einem Krankenhaus tätig wird, aufgezeigt wurde, ist diese drakonische Sanktion völlig unverhältnismäßig, gleichheitswidrig und im Übrigen die Aufklärungspflicht an sich schon in solchen Fällen lebensfremd (so auch Berka, aaO, 191).

10. Zur Aufhebung des §16 Abs4 FAGG

Wenn iSd VfGH sowohl §16 Abs1 als auch Abs2 ggf. aufzuheben wären, wäre natürlich der Verweis im Abs4 auf den Abs1 nicht mehr möglich. Es würde ein unvollständiger Satz und somit ein unverständlicher Torso übrigbleiben, was dessen Aufhebung also notwendig machen würde.

11. Zur Aufhebung der Wortfolge 'und 16' im §17 2. Satz FAGG: Da nach Aufhebung des §16 Abs1 FAGG keine Zahlungspflicht des Verbrauchers aufgrund dieses Paragraphen mehr besteht, hat dieser Hinweis zu entfallen.

12. Zur Aufhebung der Wortfolge '... – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach §10 sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – ...' des §18 Abs1 Z1 FAGG[.]

Im §18 Abs1 Z1 FAGG ist grundsätzlich eine Ausnahme vom Rücktrittsrecht geregelt: Beginnt der Unternehmer vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 mit der Ausführung der Dienstleistungen und wird die Dienstleistung sodann vollständig erbracht, besteht kein Rücktrittsrecht des Verbrauchers.

Diese eingeschränkte Bestimmung würde die Leistungen des Unternehmers honorieren, indem dem Verbraucher kein Rücktrittsrecht gewährt wird.

Mit der angefochtenen Einfügung, wonach der Verbraucher ausdrücklich die Ausführung der Dienstleistung während aufrechter Rücktrittsfrist verlangt sowie bestätigt, dass er in Kenntnis darüber ist, dass er sein Rücktrittsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung verliert, kommt es jedoch zu einer Unverhältnismäßigkeit zu Ungunsten der Antragstellerin.

Verlangt nämlich der Verbraucher nicht ausdrücklich und auf dauerhaftem Datenträger, dass die Antragstellerin während der aufrechten Rücktrittsfrist mit der Dienstleistung beginnt oder kann der Unternehmer das ausdrückliche Verlangen des Verbrauchers nicht nachweisen, kommt diese Bestimmung schon nicht mehr zur Anwendung. Die Ausdrücklichkeit ist vom Unternehmer nachzuweisen und kann – wie oben ausgeführt – wohl nur durch eine schriftliche Bestätigung des Verbrauchers erbracht werden. Zusätzlich muss der Verbraucher noch ausdrücklich bestätigen – zweckmäßig wieder schriftlich –, dass er in Kenntnis darüber ist, dass er sein Rücktrittsrecht verliert, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist.

Sobald der Antragstellerin eine dieser ausdrücklichen Bestätigungen durch den Verbraucher fehlt, erlischt die Ausnahme vom Rücktrittsrecht und der Verbraucher kann – trotz erbrachter vollständiger Leistung durch die Antragstellerin – vom Vertrag ohne Angabe von Gründen zurücktreten.

Im Übrigen würde durch die Aufhebung dieser Wortfolge die Diskriminierung Dienstleistungsgewerbetreibender gegenüber bloßen Händlern wenigstens insoweit entschärft, als ja bei Warenhandelsgeschäften das Rücktrittsrecht generell ausgeschlossen ist, wenn Waren nach Kundenspezifikationen angefertigt (§18 Abs1 Z3 FAGG) oder Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt werden (Z6 leg cit). Auch die Dienstleistungen der Antragstellerin werden natürlich nach Kundenspezifikationen erbracht und die dabei verwendeten Waren vermischen sich untrennbar mit anderen Gütern, insbes mit Gebäuden.

Dass wiederum nicht der gesamte Wortlaut der Z1 angefochten werden kann, ergibt sich daraus, dass ein Rücktrittsrecht für den Fall, dass der Unternehmer auch mit der Erfüllung in Verzug gerät, gewahrt bleiben muss wie dies etwa §918 ABGB vorsieht (Rücktritt nach Setzung einer angemessenen Nachfrist).

Im Ergebnis sind die oben genannten verfassungsrechtlichen Bestimmungen (insbes Art7 B‑VG, 5 StGG bzw Art16, 17, 52 GRC) verletzt, weil unverhältnismäßig und im Vergleich zu bloßen Warenhandelsgeschäften gleichheitswidrig in die Rechte der Antragstellerin eingegriffen wird.

13. Zur Aufhebung des §19 Z7 FAGG

Da §14 Abs1 FAGG aufzuheben ist, muss auch diese Strafbestimmung entfallen.

Zum Eventualbegehren auf Aufhebung des FAGG insgesamt

Würde der VfGH zur Ansicht gelangen, dass noch weitere Bestimmungen aufzuheben wären, würde eine Aufhebung des gesamten Gesetzes schon aufgrund der unzähligen Verweise unausweichlich sein, schließlich würde dann nicht nur der Rücktritt im Falle einer 'vorzeitigen Vertragserfüllung' iSd §10 FAGG, also einer Vertragserfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist wie dies bei gewerblichen Dienstleistungen typischer Weise (auch im Malerhandwerk) häufig der Fall ist, de facto entfallen und die Rückzahlungsmodalitäten im Rücktrittsfall zur Gänze wegfallen, sondern überhaupt kein normativer Gehalt mehr übrig bleiben. Der Rücktritt bei 'vorzeitiger Vertragserfüllung' – übrigens ein Ausdruck, der an sich schon nur als Nonsens angesehen werden kann, weil dieser Vertragserfüllungsbeginn ja regelmäßig ausdrücklich oder schlüssig (im Interesse des Konsumenten) vereinbart und daher nicht 'vorzeitig' sein kann – wäre nämlich dann nicht mehr möglich, wenn der Vertrag vereinbarungsgemäß erfüllt würde (siehe §18 Abs1 Z1 FAGG nach Wegfall der angefochtenen Wortfolge). Dies wäre zwar ein verfassungskonformes Ergebnis, deswegen hat zB auch §5 f Z1 KSchG im Einklang mit der Fernabsatz-RL das Rücktrittsrecht in diesen Fällen zur Gänze ausgeschlossen (!) – würde aber dem Willen des Gesetzgebers bzw der RL offenbar nicht entsprechen.

Die Ansicht, das FAGG sei zur Gänze aufzuheben, könnte man aber auch schon im Falle der Aufhebung all jener Bestimmungen, wie dies derzeit beantragt ist, vertreten. Jedenfalls würde der Wille des Richtlinien- bzw Gesetzgebers, der offenbar neben dem Rücktrittsrecht bei 'vorzeitigem Erfüllungsbeginn' generell eine (offenbar verfassungswidrige) drakonische zivilrechtliche Sanktion im Falle der nicht befolgten (bzw beweisbaren) umfassenden Aufklärungspflichten beabsichtigt hat (Entfall des gesamten Entgeltes unabhängig von dessen Höhe schon) jetzt völlig unterhöhlt. Was übrig bliebe wäre ein kaum auslegbarer Torso. Dies auch deswegen, weil sich die gebotene richtlinienkonforme Auslegung nicht mit der ebenfalls gebotenen grundrechtskonformen Auslegung in Einklang bringen ließe. Beide Auslegungsgebote schließen sich vielmehr geradezu aus!

Der verbleibende Gesetzestext hätte also mit dem ursprünglichen Regelungsplan der Richtlinie bzw des Gesetzes so gut wie nichts mehr gemein. Schließlich wäre auch das Verhältnis von Kauf- und Dienstleistungsverträgen hinsichtlich der Rücktrittsrechte nicht mehr gewahrt und somit dem Kern des Gesetzes die Grundlage entzogen.

Es liegt daher in jedem Fall ein gravierender Mangel iSd Art140 Abs3 B‑VG vor, weil nur der Verfassungsgesetzgeber befugt wäre, derart massive Eingriffe in Grundrechte zu normieren."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der die Zulässigkeit des Antrages bestritten und den geltend gemachten Bedenken entgegengetreten wird.

2.1. Zur Rechtslage und zur Zulässigkeit bringt die Bundesregierung im Wesentlichen das Folgende vor:

"I.

Zur Rechtslage

1. Das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG), BGBl I Nr 33/2014, dient der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. Nr L 304 vom 22. November 2011, S. 64 (Verbraucherrechte-RL oder RL). Die Verbraucherrechte-RL gilt für Verträge, die ab dem 13. Juni 2014 geschlossen werden, und fasst den Regelungsbestand der Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sowie der Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz zusammen, baut deren Schutzbestimmungen in vielerlei Hinsicht aus und transponiert sie in ein weitgehend vollharmonisiertes Schutzregime (RV 89 BlgNR 25. GP 1).

2. Bei Kapitel III der Verbraucherrechte-RL, welches Fern- und Auswärtsgeschäfte zum Inhalt hat, handelt es sich um vollharmonisiertes Unionsrecht. Das Vollharmonisierungsprinzip, das Abweichungen im nationalen Recht von den Vorgaben von Richtlinien auch nicht zur Gewährleistung eines höheren Verbraucherschutzniveaus erlaubt, lässt den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung kaum inhaltlichen Spielraum. Alle angefochtenen Bestimmungen des FAGG stellen daher getreue Umsetzungen der korrespondierenden Vorgaben der Verbraucherrechte-RL dar, ohne inhaltliche Abweichung (RV 89 BlgNR 25. GP 3). Textliche Abweichungen, wie sie zum Teil von der Antragstellerin moniert werden, dienen ausschließlich dazu, die unionsrechtlichen Vorgaben möglichst harmonisch und systemkonform in die österreichische Rechtslage einzufügen und an diese anzupassen.

3.1. Die in §4 Abs1 erster HS FAGG angefochtene Wortfolge '… oder seine Vertragserklärung' ergibt sich unmittelbar aus der zwingenden Vorgabe des Art6 Abs1 Verbraucherrechte-RL. Gemäß Art6 Abs1 Verbraucherrechte-RL muss die Information erteilt werden, 'bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist'.

Artikel 6 Verbraucherrechte-RL

§4 FAGG

(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, muss ihn der Unternehmer in klarer und verständlicher Weise über Folgendes informieren:

  

Der durch die angefochtene Bestimmung umgesetzte Art6 Abs1 Verbraucherrechte-RL stellt sowohl auf den Vertrag als auch auf ein 'entsprechendes Vertragsangebot' ab. Damit wird explizit – als einer von zwei denkbaren Abläufen – jene Fallkonstellation berücksichtigt, bei der der Verbraucher das Vertragsanbot erstattet und der Unternehmer dieses Anbot in der Folge annimmt. Die unionsrechtliche Vorgabe unterscheidet sich daher von der österreichischen Umsetzung in keiner Weise. Diese Übereinstimmung wird auch von der Antragstellerin anerkannt ('Die Formulierung im österr. Gesetz und noch klarer in der Richtlinie würde aber eine Informationspflicht bereits vor einem Angebot des Verbrauchers vorsehen…', S. 12 des Antrags).

3.2. Die – nicht durchgängig nachvollziehbaren – Ausführungen auf S. 11ff des Antrags, die einen Widerspruch der Umsetzung zur Richtlinie behaupten, sind deshalb nicht zutreffend. Diese Ausführungen dürften auch auf einem Missverständnis über die Bedeutung des Wortes 'korrespondierend' oder 'entsprechend' beruhen. Ein Vertragsangebot kann naturgemäß nicht mit einer anderen Vertragserklärung korrespondieren, weil es eine solche andere Vertragserklärung zum Zeitpunkt der Legung des Angebots ja noch nicht gibt. Es ist also nicht etwa eine andere Vertragserklärung, der das Vertragsangebot entspricht, sondern es ist der später durch Annahme des Angebots zustande kommende Vertrag.

3.3. Die vom Anfechtungsantrag begehrte Aufhebung der Wortfolge 'oder seine Vertragserklärung' würde im Übrigen dem Unternehmer in keiner Weise eine bessere Rechtsposition verschaffen. Auch wenn der Wortlaut der Bestimmung nur auf eine Bindung des Verbrauchers an den geschlossenen Vertrag abstellte, müsste bei einer konkreten Beurteilung des maßgeblichen Zeitpunkts nach österreichischem Vertragsrecht immer auf die Vertragserklärung des Verbrauchers abgestellt werden. Denn entweder wird das Offert zum Vertragsabschluss vom Unternehmer erstattet, sodass der Verbraucher mit seiner Vertragserklärung – nämlich der Annahme dieses Angebots – bereits den Vertrag perfektionieren und dadurch seine Bindung an den Vertrag bewirken würde. Wenn es aber der Verbraucher ist, der die erste Vertragserklärung – also das Vertragsanbot – erstattet, wäre nach allgemeinem Vertragsrecht bereits eine Bindung des Verbrauchers an diese Erklärung insofern gegeben, als es ja im Belieben des Unternehmers steht, innerhalb der Annahmefrist des §862 ABGB das Vertragsanbot des Verbrauchers anzunehmen und dadurch die Bindung des Verbrauchers an den Vertrag zu perfektionieren. In beiden Fällen müsste also die von der Richtlinie geforderte Information bereits vor der Vertragserklärung des Verbrauchers gegeben werden. Und nur dadurch kann ja auch der Sinn von Informationspflichten erfüllt werden, nämlich den Verbraucher in die Lage zu versetzen, eine auf umfassende Information gegründete Entscheidung über den Vertragsabschluss zu treffen. Eine Information des Unternehmers, die den Verbraucher erst nach dessen Bindung an seine Vertragserklärung erreicht, käme dafür zu spät. Auch sonstige Informationspflichten in der österreichischen Rechtsordnung, wie beispielsweise jene nach §9 ECG, §108h Abs3 EStG 1988, §§5, 7 Fern-Finanzdienstleistungsgesetz oder §§9a, 18b Versicherungsaufsichtsgesetz (um nur einige zu nennen), müssen dem Verbraucher bzw. Vertragspartner daher vor dessen Vertragserklärung zugehen. Aber auch die bis zum Inkrafttreten des FAGG geltenden Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes über den Fernabsatz, die in Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG ergingen, sahen eine Informationsverpflichtung vor Abgabe der Vertragserklärung durch den Verbraucher vor. So lautete §5c Abs1 KSchG (idF vor 13.6.2014): 'Der Verbraucher muss rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung über folgende Informationen verfügen: [ ... ]'. §4 Abs1 FAGG steht daher im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie, Verbrauchern Informationen zu erteilen, bevor sie (durch ihre Vertragserklärung) an den Vertrag gebunden sind.

3.4. Richtig ist, dass nach den neuen Regelungen der Richtlinie und des FAGG die Bestimmungen über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge auch dann Anwendung finden, wenn die Initiative für den Vertragsabschluss vom Verbraucher ausgeht. Damit unterscheidet sich die neue Rechtslage nach dem FAGG wesentlich von jener, die schon bisher nach dem Konsumentenschutzgesetz gegolten hat (und partiell auch weiter gilt): Nach dieser Rechtslage liegt ein 'Haustürgeschäft' dann nicht vor und steht dem Verbraucher demgemäß ein Rücktrittsrecht dann nicht zu, wenn der Verbraucher die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer selbst angebahnt hat (§3 Abs3 Z1 KSchG).

Aber auch das FAGG ist – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – nicht automatisch anwendbar, wenn der Unternehmer den Verbraucher etwa zu Hause aufsucht. Ein Ablauf, bei dem zunächst der Handwerker aufgrund entsprechender Initiative des Verbrauchers in die Wohnung des Verbrauchers kommt, um dort (unverbindlich) Maß zu nehmen oder eine Schätzung vorzunehmen, und der Vertragsabschluss dann erst beispielsweise über Fernkommunikationsmittel oder in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschieht, wird nach Erwägungsgrund 21 der Verbraucherrechte-RL nicht von der Definition des Außer-Geschäftsraum-Vertrags erfasst. Dies wird auch bei Auslegung der innerstaatlichen Umsetzungsbestimmung des §3 Z1 FAGG im Wege richtlinienkonformer Interpretation zu berücksichtigen sein.

3.5. Wenn im Antrag hingegen von einer telefonischen Auftragserteilung die Rede ist (S. 13), wird dadurch zur Gänze ausgeblendet, dass ein wirksamer Vertragsabschluss und ebenso eine bindende Vertragserklärung erst nach Festlegung der Leistungspflicht des Werkunternehmers möglich sind. Ein Vertrag kommt erst dann zustande, wenn sich die Parteien über die Hauptgesichtspunkte des Vertrags (die sogenannten 'essentialia negotii') einig sind und darüber Vertragserklärungen mit Abschlusswillen abgeben. Dies kann erst dann geschehen, wenn der – hier beispielsweise genannte – Maler in die Wohnung kommt und im Rahmen des Besuches der gewünschte Leistungsumfang an Malerarbeiten bestimmt wird. Insofern kann in Konstellationen wie den im Antrag angesprochenen keine telefonische Auftragserteilung stattfinden. Freilich wird ein Verbraucher, der einen Unternehmer mutwillig zu sich ruft, obwohl er letztlich gar keinen Vertragsabschluss im Sinn hat, unter Umständen nach den Regeln über die culpa in contrahendo schadenersatzweise zur Abgeltung der dem Unternehmer entstandenen frustrierten Aufwendungen verpflichtet sein. Wenn hingegen der Verbraucher den Unternehmer telefonisch zu einem Besuch bittet und in der Folge der Unternehmer und der Verbraucher – etwa wegen unterschiedlicher Vorstellungen über den Preis – nicht handelseins werden, muss der Verbraucher dem Unternehmer auch aus dem Titel des Schadenersatzes keine Zahlungen leisten. In beiden Fällen ist aber jedenfalls allein durch den Telefonanruf des Verbrauchers noch kein Vertrag zustande gekommen und auch keine bindende Vertragserklärung des Verbrauchers abgegeben worden.

4. §4 Abs1 Z10 FAGG ergibt sich unmittelbar aus Art6 Abs1 lith Verbraucherrechte-RL.

Artikel 6 Verbraucherrechte-RL

§4 FAGG

(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:

h) im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B;

(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, muss ihn der Unternehmer in klarer und verständlicher Weise über Folgendes informieren:

Z10. gegebenenfalls die den Verbraucher im Fall seines Rücktritts vom Vertrag gemäß §16 treffende Pflicht zur Zahlung eines anteiligen Betrags für die bereits erbrachten Leistungen,

  

5. §4 Abs3 FAGG legt fest, dass die Informationen nach Abs1 Z8, 9 und 10 (und nicht – wie von der Antragstellerin vorgebracht – nach den Abs9 und 10) mittels der Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A erteilt werden. Mit dieser formularmäßigen Informationserteilung gelten die genannten Informationspflichten des Unternehmers als erfüllt, sofern der Unternehmer dem Verbraucher das Formular zutreffend ausgefüllt übermittelt hat.

6. Für den Fall, dass der Verbraucher wünscht, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 FAGG mit der Vertragserfüllung beginnt, normiert §10 FAGG, dass der Unternehmer den Verbraucher dazu auffordern muss, ihm ein ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären. Das Erfordernis des ausdrücklichen Verlangens, auf welches §18 FAGG (siehe unten) verweist, ergibt sich im Anwendungsbereich von Außer-Geschäftsraum-Verträgen aus Art7 Abs3 Verbraucherrechte-RL, sowie betreffend Fernabsatzverträge aus Art8 Abs8 Verbraucherrechte-RL.

Artikel 7 Verbraucherrechte-RL

§10 FAGG

(3) Möchte ein Verbraucher, dass die Dienstleistung oder die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, oder von Fernwärme während der Widerrufsfrist gemäß Artikel 9 Absatz 2 beginnt, so fordert der Unternehmer den Verbraucher dazu auf, ein entsprechendes ausdrückliches Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zu erklären.

Hat ein Fernabsatzvertrag oder ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag eine Dienstleistung, die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom oder die Lieferung von Fernwärme zum Gegenstand und wünscht der Verbraucher, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 mit der Vertragserfüllung beginnt, so muss der Unternehmer den Verbraucher dazu auffordern, ihm ein ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären.

Artikel 8 Verbraucherrechte-RL

 

(8) Möchte ein Verbraucher, dass die Dienstleistung oder die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, oder von Fernwärme während der Widerrufsfrist gemäß Artikel 9 Absatz 2 beginnt, so fordert der Unternehmer den Verbraucher dazu auf, ein entsprechendes ausdrückliches Verlangen zu erklären.

 
  

6.2. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin (Antrag, S. 15) ist anzumerken, dass einerseits das ausdrückliche auf vorzeitige Vertragserfüllung gerichtete Verlangen nur dann auf einem dauerhaften Datenträger zu erklären ist, wenn es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag handelt (vgl. zur Definition §3 Z1 FAGG); bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ist dies nicht der Fall, hier ist ein 'ausdrücklich' erklärtes Verlangen ausreichend. Unter einem dauerhaften Datenträger sind im Anwendungsbereich der Richtlinie sehr wohl und entgegen der Behauptung der Antragstellerin auch E-Mails zu verstehen (vgl. Erwägungsgrund 23 Verbraucherrechte-RL). Im Übrigen fallen unter den Begriff des dauerhaften Datenträgers auch SMS-Nachrichten, sofern sie die in Art2 Z10 Verbraucherrechte-RL genannten Anforderungen erfüllen.

6.3. Andererseits hängt das Bestehen eines Rücktrittsrechts des Verbrauchers nicht davon ab, ob er sein Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger oder nur ausdrücklich telefonisch erklärt hat. Das Recht auf 'uneingeschränkten Rücktritt vom gesamten Vertrag' besteht jedenfalls. Ein Unterschied ergibt sich aber bei der Rückabwicklung. Wurde das Verlangen nicht in der durch §10 FAGG vorgeschriebenen Form eingeholt, so hat der Unternehmer keinen Anspruch auf anteiliges Entgelt nach §16 Abs1 FAGG für die erbrachte Leistung. Das Rück-trittsrecht entfällt nur, wenn der Unternehmer die Dienstleistung noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 FAGG auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach §10 FAGG vollständig erbracht hat (§18 Abs1 Z1 FAGG).

7.1. §14 FAGG ergibt sich unmittelbar aus der zwingenden Vorgabe der Verbraucherrechte-RL. Dass §14 Abs1 erster Satz FAGG mit Art13 der RL 'korrespondiert', erkennt auch die Antragstellerin an (S. 4 des Antrags).

Artikel 13 Verbraucherrechte-RL

§14 FAGG

(1) Der Unternehmer hat alle Zahlungen, die er vom Verbraucher erhalten hat, gegebenenfalls einschließlich der Lieferkosten, unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen 14 Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem er gemäß Artikel 11 über den Entschluss des Verbrauchers informiert wird, den Vertrag zu widerrufen.

Der Unternehmer nimmt die Rückzahlung gemäß Unterabsatz 1 unter Verwendung desselben Zahlungsmittels vor, das vom Verbraucher bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt wurde, es sei denn, mit dem Verbraucher wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart, und vorausgesetzt, für den Verbraucher fallen infolge einer solchen Rückzahlung keine Kosten an.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 ist der Unternehmer nicht verpflichtet, zusätzliche Kosten zu erstatten, wenn sich der Verbraucher ausdrücklich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene, günstigste Standardlieferung entschieden hat.

(3) Bei Kaufverträgen kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren wieder zurückerhalten hat oder bis der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren zurückgeschickt hat, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist, es sei denn, der Unternehmer hat angeboten, die Waren selbst abzuholen.

(1) Tritt der Verbraucher nach §11 Abs1 vom Vertrag zurück, so hat der Unternehmer alle vom Verbraucher geleisteten Zahlungen, gegebenenfalls einschließlich der Lieferkosten, unverzüglich, spätestens jedoch binnen 14 Tagen ab Zugang der Rücktrittserklärung zu erstatten.

Er hat für die Rückzahlung dasselbe Zahlungsmittel zu verwenden, dessen sich der Verbraucher für die Abwicklung seiner Zahlung bedient hat; die Verwendung eines anderen Zahlungsmittels ist aber dann zulässig, wenn dies mit dem Verbraucher ausdrücklich vereinbart wurde und dem Verbraucher dadurch keine Kosten anfallen.

(2) Hat sich der Verbraucher ausdrücklich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden, so hat er keinen Anspruch auf Erstattung der ihm dadurch entstandenen Mehrkosten.

(3) Bei Kaufverträgen und sonstigen auf den entgeltlichen Erwerb einer Ware gerichteten Verträgen kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er entweder die Ware wieder zurückerhalten oder ihm der Verbraucher einen Nachweis über die Rücksendung der Ware erbracht hat; dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Ware selbst abzuholen.

  

7.2. Die Antragstellerin verkennt, dass die durch §14 FAGG normierte Pflicht auch schon bisher in §4 Abs1 Z1 KSchG für das 'Haustürgeschäft' und in §5g Abs1 Z1 KSchG idF vor dem 13.6.2014 für den Fernabsatz vorgesehen war (die Regelung des §4 Abs1 Z1 KSchG ist mit eingeschränktem Anwendungsbereich nach wie vor aufrecht).

Wenn die Antragstellerin ausführt, dass Art3 Abs5 Verbraucherrechte-RL dem Umsetzungsgesetzgeber einen weiten Spielraum lässt, verkennt sie deren diesbezügliche Vorgaben. Art3 Abs5 Verbraucherrechte-RL normiert zwar, dass das allgemeine Vertragsrecht der Mitgliedstaaten, wie die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags, unberührt bleiben, schränkt dies aber gleichzeitig auf jene Aspekte des allgemeinen Vertragsrechts ein, die 'in dieser Richtlinie nicht geregelt werden' (vgl. auch Erwägungsgrund 14 Verbraucherrechte-RL). Dies bedeutet daher, dass der innerstaatliche Gesetzgeber – unter anderem – die vollharmonisierten Vorgaben in Kapitel III der Richtlinie uneingeschränkt umsetzen muss und ein Regelungsspielraum der nationalen Gesetzgebung nur insoweit verbleibt, als in diesem Kapitel keine Vorgaben enthalten sind. Dies ist allerdings bei §14 Abs1 erster Satz FAGG nicht der Fall, weil damit nur Art13 Verbraucherrechte-RL umgesetzt wird.

8. §15 Abs4 letzter Satz FAGG übernimmt die Richtlinienregelung – mit Ausnahme des Verweises auf die Gesetzesstelle, die die Informationspflicht über das Rücktrittsrecht vorsieht – wortgleich.

Art14 Verbraucherrechte-RL

§15 FAGG

(2) Der Verbraucher haftet für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist. Der Verbraucher haftet in keinem Fall für den Wertverlust der Waren, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe h über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.

(4) Der Verbraucher hat dem Unternehmer nur dann eine Entschädigung für eine Minderung des Verkehrswerts der Ware zu zahlen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit derselben zurückzuführen ist. Der Verbraucher haftet in keinem Fall für einen Wertverlust der Ware, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß §4 Abs1 Z8 über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde.

  

9. §16 Abs1, Abs2 und Abs4 FAGG dient der Umsetzung der in Art14 Abs3 und 4 Verbraucherrechte-RL vorgesehenen Pflichten des Verbrauchers bei einem 'Widerruf' (nach österreichischer Terminologie: des 'Rücktritts') von Dienstleistungsverträgen und bestimmten Bezugsverträgen nach (zumindest teilweiser) Leistungserbringung. Im Einzelnen befassen sich die §16 Abs1 und 2 FAGG mit Verträgen über Dienstleistungen und Verträgen über den Bezug von Wasser und Energie, Abs3 hat Verträge über die Lieferung von digitalen Inhalten zum Gegenstand, und Abs4 enthält eine für alle genannten Vertragsarten geltende komplementäre Ausschlussklausel. Inhaltliche Abweichungen zur Verbraucherrechte-RL bestehen nicht.

Art14 Verbraucherrechte-RL

§16 FAGG

(3) Übt ein Verbraucher das Widerrufsrecht aus, nachdem er ein Verlangen gemäß Artikel 7 Absatz 3 oder Artikel 8 Absatz 8 erklärt hat, so zahlt er dem Unternehmer einen Betrag, der verhältnismäßig dem entspricht, was bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher den Unternehmer von der Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet, im Vergleich zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Leistungen geleistet worden ist. Der anteilige Betrag, den der Verbraucher an den Unternehmer zu zahlen hat, wird auf der Grundlage des vertraglich vereinbarten Gesamtpreises berechnet. Ist der Gesamtpreis überhöht, so wird der anteilige Betrag auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistung berechnet.

(4) Der Verbraucher hat nicht aufzukommen für:

a) Dienstleistungen, die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, oder von Fernwärme, die während der Widerrufsfrist ganz oder teilweise erbracht wurden, wenn

i) der Unternehmer es unterlassen hat, die Informationen gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben h oder j bereitzustellen oder

ii) der Verbraucher nicht ausdrücklich gemäß Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 8 Absatz 8 verlangt hat, dass die Erbringung der Leistung während der Widerrufsfrist beginnen soll, oder

b) die vollständige oder teilweise Bereitstellung von digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, wenn

ii) der Verbraucher nicht zur Kenntnis genommen hat, dass er mit seiner Zustimmung sein Widerrufsrecht verliert, oder

iii) der Unternehmer es unterlassen hat, eine Bestätigung gemäß Artikel 7 Absatz 2 oder Artikel 8 Absatz 7 zur Verfügung zu stellen.

(1) Tritt der Verbraucher nach §11 Abs1 von einem Vertrag über Dienstleistungen oder über die in §10 genannten Energie- und Wasserlieferungen zurück, nachdem er ein Verlangen gemäß §10 erklärt und der Unternehmer hierauf mit der Vertragserfüllung begonnen hat, so hat er dem Unternehmer einen Betrag zu zahlen, der im Vergleich zum vertraglich vereinbarten Gesamtpreis verhältnismäßig den vom Unternehmer bis zum Rücktritt erbrachten Leistungen entspricht. Ist der Gesamtpreis überhöht, so wird der anteilig zu zahlende Betrag auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistungen berechnet.

(2) Die anteilige Zahlungspflicht nach Abs1 besteht nicht, wenn der Unternehmer seiner Informationspflicht nach §4 Abs1 Z8 und 10 nicht nachgekommen ist.

(4) Außer der in Abs1 angeführten Zahlung dürfen dem Verbraucher wegen seines Rücktritts keine sonstigen Lasten auferlegt werden.

  

10.1. §18 Abs1 Z1 FAGG setzt eine der in Art16 Verbraucherrechte-RL vorgesehenen Ausnahmen vom Widerrufsrecht getreu in nationales Recht um.

Art16 Verbraucherrechte-RL

§18 FAGG

Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Artikeln 9 bis 15 vor, wenn

a) bei Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, wenn der Unternehmer die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen hatte;

(1) Der Verbraucher hat kein Rücktrittsrecht bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über

1. Dienstleistungen, wenn der

Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach §10 sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde,

  

10.2. Die Verpflichtung des Unternehmers, eine Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung einzuholen, leitet sich somit aus Art16 Verbraucherrechte-RL ab. Zwar ist dort nur von der Erbringung mit 'Kenntnisnahme [des Verbrauchers], dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert', die Rede; gemeint ist damit aber auch nach der Verbraucherrechte-RL die Einholung einer Bestätigung oder Erklärung über diese Kenntnis, weil nur ein in dieser Weise manifestierter Kenntnisstand des Verbrauchers nach außen tritt und dadurch im Rechtsleben handhabbar wird (an einen nicht manifestierten Gedankeninhalt kann eine rechtliche Regelung mangels Fassbarkeit und daher mangels Vollziehbarkeit nicht anknüpfen). Dass dies auch der Richtliniengeber so gesehen hat, zeigt sich an den Parallelbestimmungen der Verbraucherrechte-RL über digitale Inhalte in Art7 Abs2 (für Außer-Geschäftsraum-Verträge) und in Art8 Abs7 litb (für Fernabsatzverträge), in denen jeweils von einer 'Bestätigung … der Kenntnisnahme des Verbrauchers' die Rede ist. Wie in anderen Belangen auch, ist die legistische Konzeption der Verbraucherrechte-RL hier nicht vollständig konsistent, zumal eben für Verträge über digitale Inhalte explizit an eine solche Bestätigung angeknüpft wurde, für die gleichgelagerte Regelungskonstellation bei Dienstleistungsverträgen hingegen Derartiges verabsäumt wurde. Bei der österreichischen Umsetzung wurde versucht, auf solche legistischen Inkonsistenzen – mit denen offenkundig kein unterschiedlicher Regelungswille verbunden ist – Bedacht zu nehmen, ohne dass sich damit eine inhaltliche Abweichung von der RL-Vorgabe ergibt.

11. §19 Z7 FAGG normiert eine mit einer Geldstrafe bis zu 1.450 Euro sanktionierte Verwaltungsübertretung, wenn ein Unternehmer gegen seine Erstattungspflicht nach §14 Abs1 FAGG verstößt. Dies setzt Art24 Abs1 Verbraucherrechte-RL um, wonach die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen festlegen.

II.

Zu den Prozessvoraussetzungen:

1. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (zB VfSlg 17.099/2003, 17.102/2004, jeweils mwN).

2. Die Antragstellerin moniert einerseits 'eklatante Grundrechtsverstöße bei der Umsetzung dieser Richtlinie' (S. 15), andererseits vermeint sie, der Verfassungsgerichtshof hätte die 'Richtlinie – soweit sie nicht europarechts- und grundrechtskonform ausgelegt werden kann – unangewendet zu lassen' (S. 18 des Antrags). Wenn die Antragstellerin Rechtswidrigkeiten behauptet, bleibt meist unklar, ob diese der Verbraucherrechte-RL anhaften sollen, dem FAGG, oder beiden. So heißt es etwa, 'Wie sich aus dem bisher Gesagten fast zwangsläufig ergibt, verstoßen sowohl die VRRL als auch das österreichische Umsetzungsgesetz im angefochtenen Umfang gegen das – auch europarechtlich weit auszulegende, insbes alle Vermögensrechte betreffende – Eigentumsrecht' (S. 18 f.).

Es bleibt nach dem Antrag somit unklar, ob die angefochtenen Bestimmungen des FAGG an der Verbraucherrechte-RL gemessen werden sollen oder an verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), oder ob die Verbraucherrechte-RL nach Ansicht der Antragstellerin selbst gegen Unionsprimärrecht verstößt.

3. Hinsichtlich des Antrags auf Aufhebung des §4 Abs3 FAGG, weil die Muster-Widerrufsbelehrung sonst unrichtig oder unvollständig werden würde, ist ferner festzuhalten, dass die in §4 Abs3 Z8, 9 und 10 FAGG genannten Informationen (auf die sich die Antragstellerin beziehen dürfte, s. oben Punkt I.5.) das Rücktrittsrecht, die Kostentragung durch den Verbraucher für die Rücksendung der Ware sowie die Pflicht zur Zahlung eines anteiligen Betrags für die (teilweise) erbrachte Dienstleistung betreffen. Das Rücktrittsrecht und die Rücktrittsfrist sind in §11 FAGG, die Kostentragung für die Rücksendung von Waren ist in §15 Abs2 FAGG geregelt. Diese Bestimmungen sind jedoch nicht angefochten worden. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin würde die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen somit nicht dazu führen, dass die Informationsverpflichtungen nach §4 Abs1 Z8 und 9 wegfallen würden (und die Muster-Widerrufsbelehrung insoweit unrichtig und unvollständig werden würde). Im Übrigen enthält das Formular über die Muster-Widerrufsbelehrung nur Textbausteine, verfügt jedoch über keine eigenständige normative Wirkung, sodass die betroffenen Module des Musters im Fall einer Aufhebung bestimmter Gesetzesstellen einfach unangewendet gelassen werden könnten (siehe 'Gestaltungshinweise' in Anhang I Teil A).

4.1. Den Eventualantrag auf Aufhebung des gesamten FAGG begründet die Antragstellerin einerseits damit, dass dann, wenn der Verfassungsgerichtshof 'zur Ansicht gelangen (würde), dass noch weitere Bestimmungen aufzuheben wären' eine Aufhebung des gesamten Gesetzes wegen der unzähligen Verweise 'unausweichlich' sei, weil kein normativer Gehalt mehr übrig bliebe bzw. der verbleibende Rest dem Willen des Gesetzgebers bzw. der Richtlinie offenbar nicht entspreche. Aber auch bei Aufhebung nur der im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen, 'könnte' das FAGG zur Gänze aufzuheben sein, weil ein kaum auslegbarer Torso übrig bliebe. Es liege daher jedenfalls ein gravierender Mangel im Sinne des Art140 Abs3 B‑VG vor (S. 25 f des Antrags).

4.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Aufhebung eines ganzen Gesetzes (unabhängig vom Antragsvorbringen) gemäß Art140 Abs3 B‑VG nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, dass das Gesetz von einem nach der Kompetenzverteilung nicht berufenen Gesetzgebungsorgan erlassen oder verfassungswidrig kundgemacht worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen in Bezug auf das FAGG vorliegen, gibt es jedoch nicht und wurden von der Antragstellerin auch nicht vorgebracht. Art140 Abs3 B‑VG ermächtigt den Verfassungsgerichtshof – entgegen der offenbaren Auffassung der Antragstellerin – nicht dazu, ein ganzes Gesetz auch aufgrund anderer, ähnlich 'gravierender Mängel' aufzuheben.

4.3. Sollte der Eventualantrag auf der Annahme beruhen, dass sämtliche Bestimmungen des FAGG in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, hält die Bundesregierung fest, dass allein der Umstand, dass ein Verweis ins Leere geht, nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keinen untrennbaren Zusammenhang zwischen den betreffenden Bestimmungen begründet (vgl. VfGH 7.10.2014, G27/2014 mwN). Im Hinblick darauf, dass mit dem Hauptantrag nur die Regelungen über Unternehmerpflichten bei Rücktritt eines Verbrauchers von einem Kaufvertrag oder einem Dienstleistungsvertrag bekämpft werden, das FAGG daneben aber etwa auch Informationspflichten des Unternehmers, das Rücktrittsrecht des Verbrauchers als solches, dessen Ausübung, die Rechtsfolgen bei unterbliebener Aufklärung über das Rücktrittsrecht sowie die Ausnahmen vom Rücktrittsrecht regelt, vermag die Bundesregierung auch nicht zu erkennen, inwiefern das Gesetz bei der Aufhebung im Umfang des Hauptantrags gänzlich unverständlich oder unanwendbar (vgl. VfGH 7.10.2015, G224/2015 mwN) werden würde.

4.4. Insofern weist die Bundesregierung im Übrigen darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist, einen pauschal gegen ein gesamtes Gesetz gerichteten Antrag auf die zur Beseitigung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit notwendigerweise anzufechtenden bzw. aufzuhebenden Bestimmungen zu reduzieren (VfGH 2.3.2015, G140/2015 u.a.).

5. Zusammenfassend ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag als unzulässig zurückzuweisen ist.

6.1. Im Übrigen weist die Bundesregierung auf Folgendes hin: Die Antragstellerin behauptet, dass den bekämpften Bestimmungen Art16, 17, 20 und 21 GRC, somit unmittelbar anwendbares Unionsrecht entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes 'kann ein Individualantrag nach Art140 B–VG nur dann als zulässig angesehen werden, wenn feststeht, daß der Anwendbarkeit der bekämpften Norm nicht unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegensteht' (VfSlg 15.771/2000, 18.298/2007). Ein solcher Widerspruch mit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht liegt allerdings nicht vor:

6.2. Wie oben unter Punkt I. dargelegt, handelt es sich bei den angefochtenen Bestimmungen des FAGG um die getreue Umsetzung der Verbraucherrechte-RL. Die Bundesregierung geht folglich davon aus, dass die Verbraucherrechte-RL – selbst wenn sie unmittelbar anwendbar wäre – schon aus diesem Grund der Anwendung der bekämpften Bestimmungen nicht entgegensteht.

6.3. Da es sich bei den angefochtenen Bestimmungen wie ausgeführt um getreue Umsetzungen der Verbraucherrechte-RL handelt, könnten ihnen daher die Art16, 17, 20 und 21 GRC nur dann entgegen stehen, wenn die Verbraucherrechte-RL selbst mit diesen Artikeln der Grundrechte-Charta unvereinbar wäre. Der Verfassungsgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Vorabentscheidung vor, wenn er Zweifel an der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift, dh. auch der Grundrechte-Charta, oder Zweifel an der Gültigkeit einer Vorschrift des Sekundärrechts hat. Der Verfassungsgerichtshof ist sohin nicht nur in Fragen der Auslegung der Grundrechte-Charta vorlageverpflichtetes Gericht im Sinne des Art267 Abs3 AEUV (VfSlg 19.632/2012), sondern auch in Fällen, in denen in einem bei ihm anhängigen Verfahren die Vereinbarkeit von Sekundärrecht mit der Grundrechte-Charta und damit dessen Gültigkeit in Frage steht (VfSlg 19.702/2012).

In diesem Sinne hat auch der EuGH im Urteil vom 11. September 2014 in der Rs. C-112/13 , A gg. B, Rz. 43, Folgendes ausgesprochen:

'Bevor im Zwischenverfahren die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, dessen Inhalt auf die Umsetzung zwingender Bestimmungen einer Unionsrichtlinie beschränkt ist, im Hinblick auf die gleichen Gründe, aus denen die Gültigkeit der Richtlinie in Frage steht, kontrolliert werden kann, sind die nationalen Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, grundsätzlich nach Art267 Abs3 AEUV verpflichtet, den Gerichtshof zur Gültigkeit dieser Richtlinie zu befragen und anschließend die Konsequenzen zu ziehen, die sich aus dem vom Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren erlassenen Urteil ergeben, sofern nicht das Gericht, das die im Zwischenverfahren erfolgende Kontrolle veranlasst hat, selbst dem Gerichtshof diese Frage gemäß Art267 Abs2 AEUV vorgelegt hat. Handelt es sich um ein nationales Umsetzungsgesetz mit einem derartigen Inhalt, ist nämlich die Frage, ob die Richtlinie gültig ist, angesichts der Verpflichtung zu deren Umsetzung als Vorfrage anzusehen (Urteil Melki und Abdeli, EU:C:2010:363, Rn. 56).'

Würde aber der Gerichtshof der Europäischen Union die Verbraucherrechte-RL wegen eines Verstoßes gegen die genannten Artikel der Grundrechte-Charta für ungültig erklären, käme eine unmittelbare Anwendung dieser Richtlinie, die den Verfassungsgerichtshof zur Wahrnehmung des Anwendungsvorranges veranlassen müsste und die sich auf die Zulässigkeit des Individualantrages auswirken würde, nicht in Betracht (VfSlg 19.892/2014, Rz. 102).

6.4. Die Bundesregierung geht daher zusammenfassend davon aus, dass der Individualantrag nicht wegen des Anwendungsvorranges des Unionsrechts, jedoch aus den zuvor dargelegten Gründen unzulässig ist.

[…]"

2.2. Im Übrigen tritt die Bundesregierung den geltend gemachten Bedenken entgegen und verweist auf den Umstand, dass auf Grund des durch die Verbraucherrechte-Richtlinie angestrebten Grades der Vollharmonisierung die Möglichkeit zur Schaffung einer Ersatzregelung nicht bestehe.

2.3. Die Bundesregierung begehrt daher, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

3. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das bekämpfte Gesetz für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (so VfSlg 8009/1977). Zu untersuchen ist vom Verfassungsgerichtshof hiebei lediglich, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg 8060/1977, 8587/1979, 14.476/1996).

3.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist die antragstellende Gesellschaft durch die Bestimmungen der §§4 Abs1 und 14 Abs1 erster Satz FAGG sowie durch die angefochtene Wortfolge in §18 Abs1 Z1 FAGG unmittelbar und aktuell in ihren Rechten betroffen (VfGH 9.10.2015, G164/2014).

3.3. Die Rechtsvorschriften der §§4 Abs1 und 14 Abs1 erster Satz FAGG greifen unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein, da Verstöße gegen die Informations- und die Erstattungspflicht gemäß §19 Z1 bzw. Z7 FAGG verwaltungsstrafbewehrt sind.

3.4. Das Rücktrittsrecht ist gegenüber dem Verbraucher ferner nur dann ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des §18 Abs1 Z1 FAGG erfüllt sind, wodurch die Bestimmung ebenfalls unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft eingreift, weil bei einer Vorgehensweise, die der Vorschrift nicht genau entspricht, das Rücktrittsrecht des Verbrauchers bei Dienstleistungen, bei denen noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen wurde, fortbesteht und zivilrechtliche Ansprüche des Unternehmers verloren gehen würden (VfGH 9.10.2015, G164/2014).

3.5. In Bezug auf §15 Abs4 letzter Satz und §16 Abs2 FAGG liegt die rechtliche Betroffenheit deshalb vor, weil diese Bestimmungen zivilrechtliche Ansprüche der Unternehmer unter bestimmten Bedingungen gänzlich ausschließen. Diese Eingriffe sind auch ausreichend bestimmt, denn den Verbrauchern sollen – abgesehen von den in den Bestimmungen beschriebenen Verpflichtungen – keine weiteren Lasten auferlegt werden. Der Verlust der zivilrechtlichen Ansprüche der antragstellenden Gesellschaft würde kraft Gesetzes und ohne Dazwischentreten einer weiteren gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Entscheidung eintreten (VfGH 9.10.2015, G164/2014).

3.6. Die antragstellende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bestimmungen auch aktuell betroffen, da sie als Unternehmerin regelmäßig dem Anwendungsbereich des FAGG unterliegende Verträge über den Kauf von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen abschließt. Trotz der überwiegenden Tätigkeit als Dienstleisterin ist die antragstellende Gesellschaft somit auch von §15 Abs4 letzter Satz FAGG – über die Pflichten des Verbrauchers bei Rücktritt vom Kaufvertrag über Waren – aktuell betroffen, da sie zu Warenhandelsgeschäften gemäß §32 Abs1 Z10 GewO berechtigt ist und solche laut Antrag auch vornimmt (VfGH 9.10.2015, G164/2014).

4. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B‑VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).

4.1. Der antragstellenden Gesellschaft steht kein anderer zumutbarer Weg offen, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

4.2. Der bewusste Verstoß gegen eine strafbewehrte Bestimmung und die Provokation eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens stellen nach ständiger Rechtsprechung (VfSlg 8396/1978, 14.585/1996, 19.719/2012) keinen zumutbaren Weg dar, um Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Verstöße gegen §4 Abs1 FAGG und §14 FAGG sind gemäß §19 Z1 bzw. §19 Z7 FAGG mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu € 1.450,– zu belegen. Sowohl §15 Abs4 letzter Satz als auch §16 Abs2 FAGG setzen einen Verstoß gegen §4 Abs1 Z8 bzw. Z10 FAGG voraus, welcher zu einer Verwaltungsstrafe gemäß §19 Z1 FAGG führen kann (VfGH 9.10.2015, G164/2014).

4.3. §18 Abs1 Z1 FAGG ist für sich genommen zwar nicht verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert. Es besteht allerdings kein zumutbarer Weg darin, in der Folge einer bewussten Unterlassung der Einholung eines Verlangens oder der Zustimmung die Ausführung der Dienstleistung vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach §11 FAGG zu beginnen und dadurch allenfalls ein Zivilverfahren zu provozieren. Die Verletzung der Obliegenheit würde zum Entfall des Entgeltanspruches der antragstellenden Gesellschaft für eine gänzlich oder teilweise erbrachte Dienstleistung führen. Mit Rücksicht auf das Gewicht dieser Rechtsfolge im Verhältnis zur gewollten Wirkung ist es nicht zumutbar, deren Eintritt zu provozieren und die gerichtliche Entscheidung abzuwarten (VfSlg 17.574/2005; VfGH 9.10.2015, G164/2014). Die antragstellende Gesellschaft müsste bewusst gegen eine konsumentenschutzrechtliche Pflicht verstoßen. Ein solcher Verstoß ist aber selbst dann nicht zumutbar, wenn ein solches rechtlich verpöntes Verhalten keine Verwaltungsstrafsanktion zur Folge hat, das Zivilverfahren aber nur durch dieses Verhalten provoziert werden kann (VfSlg 12.379/1990, 13.659/1993 ua.).

4.4. In weiterer Folge droht der antragstellenden Gesellschaft – bei Verstoß gegen die verbraucherschutzrechtlichen Obliegenheiten – eine wettbewerbsrechtliche Klage durch einen Mitbewerber oder eine andere aktiv klagslegitimierte Partei gemäß §14 UWG. Die Provokation eines Wettbewerbsprozesses ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aber unzumutbar (VfSlg 11.853/1988 ua.). Ein Zuwiderhandeln ist darüber hinaus auch wegen möglicher Verbandsklagen gemäß §28a iVm §29 KSchG unzumutbar. Auch die erheblichen wirtschaftlichen Folgen durch den möglichen Verlust der gesamten Entgeltansprüche für die Dienstleistung, die die antragstellende Gesellschaft auf sich nehmen müsste, um in einem Zivilverfahren gegen den Verbraucher vorzugehen, begründen die Unzumutbarkeit.

5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.972/2015).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).

5.1. Der Hauptantrag der antragstellenden Gesellschaft ist im Lichte dieser Rechtsprechung zu eng gefasst.

5.1.1. Die antragstellende Gesellschaft ist insoweit im Recht, als sie von einem untrennbaren Zusammenhang zwischen §10, §15 Abs4 und 5 sowie §16 Abs1 und 2 FAGG ausgeht. Wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, besteht zwischen der angefochtenen Bestimmung des §16 Abs2 FAGG und §16 Abs1 FAGG sowie §10 FAGG ein untrennbarer Zusammenhang. Ferner besteht ein untrennbarer Zusammenhang auch zwischen §16 Abs2 und §15 Abs4 FAGG (VfGH 9.10.2015, G164/2014). Aus diesem Grund waren diese Bestimmungen notwendig mitanzufechten.

5.1.2. Soweit sich die antragstellende Gesellschaft jedoch gegen die in §4 Abs1 FAGG enthaltene Pflicht wendet, den Verbraucher in der gesetzlich vorgesehenen Weise zu informieren, bevor dieser durch seine Vertragserklärung gebunden ist, erweist sich der auf Aufhebung der Wortfolge "oder seine Vertragserklärung" in §4 Abs1 FAGG gerichtete Hauptantrag als unzulässig. Im Lichte der zwingenden Vorgaben des Art6 der Verbraucherrechte-Richtlinie ("Bevor der Verbraucher durch […] ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist"), welche der österreichische Gesetzgeber in §4 Abs1 erster Halbsatz FAGG umgesetzt hat, würde die Aufhebung von einzelnen Wortfolgen bei gleichzeitiger Fortgeltung des verbleibenden Regelungstorsos im vorliegenden Fall einen dem Verfassungsgerichtshof verwehrten Akt der positiven Gesetzgebung darstellen (vgl. VfSlg 16.989/2003).

5.1.3. Die in Zusammenhang mit der Anfechtung der Wortfolge in §4 Abs1 FAGG vorgetragenen Bedenken der antragstellenden Gesellschaft richten sich nicht alleine gegen den Zeitpunkt des Entstehens der Informationspflichten, sondern in einem auch gegen die an die Verletzung der Informationspflichten knüpfenden Rechtsfolgen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Antragsbegehren insoweit nicht trennen. Vielmehr besteht im Lichte der geltend gemachten Bedenken zwischen §4 Abs1 FAGG und den übrigen im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen des FAGG ein untrennbarer Zusammenhang (vgl. bereits VfGH 9.10.2015, G164/2014).

5.1.4. Vor dem Hintergrund der durch die antragstellende Gesellschaft geltend gemachten Bedenken erweist sich der Hauptantrag daher als unzulässig.

5.2. Soweit sich die antragstellende Gesellschaft mit ihrem Eventualantrag gegen das FAGG insgesamt wendet, erweist sich der Antrag als zu weit gefasst und daher ebenfalls als unzulässig.

5.3. Der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen ist derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (zB VfSlg 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001; VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua.).

5.4. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit durch alle vom Antrag erfassten Bestimmungen gegeben ist oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014; VfGH 9.12.2014, G73/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die den Antragsteller nicht unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre betreffen, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007, 19.933/2014; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

5.4.1. Wenn jedoch – wie im vorliegenden Fall – das ganze Gesetz angefochten und mehrere Bedenken vorgetragen werden, ist es Sache des Antragstellers, die jeweiligen Bedenken den verschiedenen Aufhebungsbegehren zuzuordnen (vgl. VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006; VfGH 10.12.2014, G57/2013; 13.10.2016, G330/2015).

5.4.2. Die antragstellende Gesellschaft hat Bedenken lediglich in Bezug auf die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen dargelegt, nicht jedoch hinsichtlich aller Bestimmungen des FAGG.

5.4.3. Da jedenfalls nicht alle Bestimmungen des FAGG in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft aktuell und unmittelbar eingreifen, kommt eine Aufhebung des gesamten Gesetzes allenfalls nur bei einem untrennbaren Zusammenhang aller Bestimmungen des Gesetzes in Betracht, der dazu führt, dass auch Bestimmungen aufgehoben werden können, von denen der Antragsteller nicht aktuell und unmittelbar betroffen wäre (VfGH 16.6.2014, G82/2013).

5.4.4. Ein solcher untrennbarer Zusammenhang zu den übrigen Bestimmungen des Gesetzes ist jedoch nicht auszumachen. So steht etwa §11 FAGG nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit jenen Bestimmungen, auf welche sich die dargelegten Bedenken der antragstellenden Gesellschaft beziehen. Die antragstellende Gesellschaft hat auch keinen unmittelbaren und aktuellen Eingriff durch die Bestimmung des §11 FAGG betreffend das Rücktrittsrecht des Verbrauchers dargetan.

5.4.5. Das Rücktrittsrecht des Verbrauchers könnte selbst im Fall einer Aufhebung jener Bestimmungen, welche die Informationspflichten des Unternehmers sowie bestimmte daran anknüpfende Rechtsfolgen in Gefolge der Ausübung des Rücktrittsrechts – teilweise abweichend von allgemeinen zivilrechtlichen Vorgaben – regeln, jedenfalls weiter im Rechtsbestand verbleiben. Unabhängig von der gesetzlichen Systematik lässt sich ein untrennbarer Zusammenhang auch im Lichte der geltend gemachten Bedenken schon deshalb nicht feststellen, da sich der Antrag keineswegs gegen das in §11 FAGG enthaltene Rücktrittsrecht an sich wendet.

5.4.6. Da es sich auch bei §11 FAGG um eine für das FAGG zentrale Rechtsvorschrift handelt, verbliebe selbst im Falle der allfälligen Aufhebung der vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken anzufechtenden Bestimmungen mit dem FAGG insgesamt kein unanwendbarer Regelungstorso. Der Umstand, dass durch die etwaige (teilweise) Aufhebung der mit den Informationspflichten in Zusammenhang stehenden Bestimmungen ein zentrales Element des FAGG entfiele, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

5.4.7. Schon aus diesem Grund erweist sich der pauschal gegen das FAGG gerichtete Eventualantrag vor dem Hintergrund der zuvor dargelegten Rechtsprechung als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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