VfGH G259/2016

VfGHG259/201623.2.2017

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des StGB betreffend die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher mangels Darlegung von Bedenken im Einzelnen; Verweis auf Ausführungen des Antragstellers nicht ausreichend

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
StGB §21 Abs1
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
StGB §21 Abs1
VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 18. Juli 2016, Z 16 Hv 46/16z, wegen im Zustand der auf einer höhergradigen geistigen oder seelischen Abartigkeit beruhenden Unzurechnungsfähigkeit begangenen, mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Taten, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach §107 Abs1 und 2 erster und zweiter Fall StGB sowie als Verbrechen bzw. Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§15, 269 Abs1 erster und zweiter Fall StGB sowie als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§15, 105 Abs1 und 106 Abs1 Z1 erster Fall StGB anzulasten wären, gemäß §21 Abs1 StGB iVm §430 Abs1 StPO in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

1.1. Aus Anlass der unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldeten und am 8. November 2016 – laut Mitteilung des Landesgerichtes Krems an der Donau – fristgerecht ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung stellte der Einschreiter beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines (Partei-)Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG auf Aufhebung (von Teilen) des §21 StGB.

1.2. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2016 wurde dem Antragsteller Verfahrenshilfe in vollem Umfang gewährt; mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 19. Dezember 2016 wurde der einschreitende Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bestellt und in der Folge vom Verfassungsgerichtshof mit Verfügung vom 27. Dezember 2016 aufgefordert, den Parteiantrag gemäß §§62a, 35 VfGG, §464 Abs3 ZPO, §§285 Abs1 und 294 Abs2 StPO innerhalb von vier Wochen einzubringen.

1.3. Am 26. Jänner 2017 brachte der Verfahrenshelfer den auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag auf Aufhebung des §21 StGB wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art7 B‑VG), des Rechtes auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und des Rechtes auf persönliche Freiheit (Art5 EMRK) ein. Nach Schilderung des Sachverhaltes und der Zulässigkeitsvoraussetzungen wird zur Begründung der behaupteten Verfassungswidrigkeit wörtlich ausgeführt:

"Durch die Anwendung des §21 Abs1 StGB des LG Krems/Donau ist der Antragsteller insbesondere im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 [EMRK] verletzt und wird hier insbesondere auf die eigenen Ausführungen des Antragstellers, die mehr als ausführlich sind, hin-gewiesen. Neben der Verletzung des Grundrechtes auf ein faires Verfahren liegt jedoch auch eine Verletzung des Rechtes auf persönliche Freiheit und des Gleichheitsgrundsatzes durch gegenständliche Entscheidung des LG Krems/Donau vor und hat der Antragsteller in seinen Ausführungen die Bedenken im einzelnen ausführlich dargelegt.

Vom LG Krems/Donau wurde im wesentlichen §21 Abs1 StGB angewendet und wurde hier der gesamte §21 StGB angefochten, da bei einer Aufhebung des §21 Abs1 StGB auch §21 Abs2 und §21 Abs3 StGB aufzuheben sind, da diese in unmittelbar in Zusammenhang stehen und auf einander verweisen. Die Aufhebung des §21 StGB hätte auch einen direkten Einfluss auf die Entscheidung des LG Krems/Donau, da §21 Abs1 StGB die unmittelbare Rechtsgrundlage für die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher darstellt.

Hinsichtlich der Begründung wird auf die sehr ausführlichen Ausführungen des Antragstellers verwiesen und stelle diese einen integralen Bestandteil der Ge-setzesbeschwerde dar."

2. Der Antrag ist unzulässig.

2.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

2.2. Der Antragsteller hat den vorliegenden Antrag zwar aus Anlass einer (rechtzeitig eingebrachten) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau erhoben; die im VfGG normierten Vorgaben für Parteianträge sind aber nur zum Teil erfüllt:

Denn gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, auch die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Diesem Erfordernis wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann ent-sprochen, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– im Antrag selbst präzise ausgebreitet werden, d.h., dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungs-bestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994, 14.802/1997).

Dabei reicht es nicht zu behaupten, dass die bekämpfte Gesetzesstelle gegen eine Verfassungsbestimmung verstößt; vielmehr muss konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen der bekämpften Norm die vorgetragene Verfassungs-widrigkeit anzulasten ist. Begnügt sich ein Antrag damit, die Verletzung von Verfassungsgeboten zu behaupten, unterlässt aber Ausführungen darüber, warum die bekämpften Regelungen für verfassungswidrig erachtet werden, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (vgl. zB VfSlg 17.099/2003 mwN).

2.3. Dem Erfordernis der Darlegung von Bedenken im Einzelnen wird der vorliegende Antrag, der bloß unter Verweis auf näher bezeichnete Verfassungs-bestimmungen die Aufhebung des §21 StGB begehrt, ohne eigenständig und konkret Gründe für die behauptete Verfassungswidrigkeit darzutun, nicht gerecht.

2.4. Das Fehlen einer geeigneten Darlegung iSd §62 Abs1 zweiter Satz VfGG stellt kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis dar (vgl. VfSlg 15.342/1998 mwN). Der Verweis auf "die eigenen Ausführungen des Antragstellers" und deren Erklärung zum "integralen Bestandteil der Gesetzesbeschwerde" genügt nicht, zumal es Sache des dem Antragsteller als Verfahrenshelfer beigegebenen Rechtsanwaltes ist, den Parteiantrag selbst abzufassen und einzubringen (§17 Abs2 VfGG; VfSlg 14.287/1995, 15.497/1999, 17.528/2005, 17.759/2006, 19.597/2011).

2.5. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfGH 10.6.2016, G70/2016; 13.10.2016, G330/2015; 24.11.2016, G120/2016).

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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