VfGH G120/2016

VfGHG120/201624.11.2016

Zurückweisung eines Gesetzesprüfungsantrags des Bundesfinanzgerichtes mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen; Verweis auf andere - die Bestimmung in einer anderen Fassung anfechtende - Anträge nicht ausreichend

Normen

VfGG §62 Abs1
GlücksspielG §58 Abs3
VfGG §62 Abs1
GlücksspielG §58 Abs3

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht, "§58 Abs3 des Glücksspielgesetzes in der Fassung BGBl I Nr 54/2010, gültig vom 1.1.2011 bis 31.8.2011 (vor dem Abgabenänderungsgesetz 2011) zur Gänze als verfassungswidrig auf[zu]heben".

II. Rechtslage

1. §1 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 73/2010, §57 GSpG idF BGBl I 111/2010, und §58 GSpG idF BGBl 54/2010, lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Abschnitt I

Glücksspielgesetz

Allgemeiner Teil

Glücksspiele

§1. (1) Ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.

(2) Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes sind insbesondere die Spiele Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two Aces, Bingo, Keno, Baccarat und Baccarat chemin de fer und deren Spielvarianten. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, aus Gründen der Rechtssicherheit durch Verordnung weitere Spiele als Glücksspiele im Sinne des Abs1 zu bezeichnen.

(3) In Angelegenheiten des Glücksspiels kann der Bundesminister für Finanzen Amtssachverständige bestellen.

(4) Der Bundesminister für Finanzen hat per Verordnung einen Beirat oder eine Stelle zur Suchtprävention und Suchtberatung unter Beiziehung des Bundesministers für Gesundheit sowie des Bundesministers für Konsumentenschutz einzurichten, dessen bzw. deren Aufgabe die inhaltliche, wissenschaftliche und finanzielle Unterstützung des Spielerschutzes ist. Zur Finanzierung der Arbeit dieser Stelle oder dieses Beirates wird ab 1. Jänner 2011 ein Finanzierungsbeitrag von 1 vT der jeweiligen Bemessungsgrundlage nach §28 sowie nach §57 Abs4 gemeinsam mit den jeweiligen Abgaben erhoben.

[...]

GLÜCKSSPIELABGABEN

Glücksspielabgaben

§57. (1) Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, unterliegen – vorbehaltlich der folgenden Absätze – einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom Einsatz. Bei turnierförmiger Ausspielung treten außerhalb des Anwendungsbereiches von §17 Abs2 an Stelle der Einsätze die in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Waren oder geldwerten Leistungen) des Turniers.

(2) Für Ausspielungen gemäß §12a (elektronische Lotterien), an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt und die nicht über Video-Lotterie-Terminals im Sinne des §12a Abs2 durchgeführt werden, beträgt die Glücksspielabgabe 40 vH der Jahresbruttospieleinnahmen. Besteht eine Abgabenpflicht nach §17 Abs3, sind Ausspielungen gemäß §12a von der Glücksspielabgabe befreit.

(3) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe – vorbehaltlich Abs4 – 30 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen.

(4) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe 10 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen (Bundes-automaten- und VLT-Abgabe), wenn sie

– im Falle von Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung nach §5 oder

– im Falle von Video-Lotterie-Terminals auf Basis einer Konzession des Bundesministers für Finanzen nach §14 durchgeführt werden.

Die Regelung von Zuschlägen der Länder (Gemeinden) zur Bundesautomaten- und VLT-Abgabe bleibt den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen vorbehalten.

(5) Jahresbruttospieleinnahmen sind die Einsätze abzüglich der ausgezahlten Gewinne eines Kalenderjahres.

(6) Von der Glücksspielabgabe befreit sind

1. Ausspielungen in vom Bundesminister für Finanzen konzessionierten Spielbanken im Sinne des §21,

2. Ausspielungen mit Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung unter Einhaltung der Vorgabe des §4 Abs2 in der Fassung vor dem Bundesgesetz https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2010_I_73 ,

3. die Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol des §4 Abs3 bis 6.

(7) Abweichend von Abs4 gilt für die Glückspielabgabe für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals in den Ländern Kärnten, Niederösterreich, Steiermark und Wien auf Basis einer Konzession des Bundesministers für Finanzen nach §14 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014 bzw. 31. Dezember 2015 (§60 Abs25 Z2) Folgendes:

1. Wenn das Land keine Bewilligungen gemäß §5 vergeben hat, beträgt der Steuersatz 25 vH.

2. Wenn das Land die höchstzulässige Anzahl von Bewilligungen gemäß §5 vergeben hat, beträgt der Steuersatz 10 vH.

3. Wenn das Land nur einen Teil der gemäß §5 möglichen Bewilligungen vergeben hat, wird der Hundertsatz für den Steuersatz entsprechend dem Anteil der vergebenen möglichen Bewilligungen zwischen 10 und 25 eingeschliffen und halbjährlich nach folgender Formel berechnet: 25 – (15 x vergebene Bewilligungen / Höchstzahl der Bewilligungen).

Der Bundesminister für Finanzen hat die Höhe des aktuellen Steuersatzes dem Konzessionär für das jeweilige Halbjahr bis 1. Februar und 1. August verbindlich mitzuteilen.

Ermäßigte Glücksspielabgabe

§58. (1) Verlosungen von Vermögensgegenständen gegen Entgelt, die keine Ausspielungen sind und sich an die Öffentlichkeit wenden, und Lotterien ohne Erwerbszweck nach §§32 bis 35 unterliegen einer Glücksspielabgabe von 12 vH aller erzielbaren Einsätze.

(2) Die Glücksspielabgabe nach Abs1 ermäßigt sich für Lotterien ohne Erwerbszweck nach §§32 bis 35 auf 5 vH, wenn das gesamte Reinerträgnis der Veranstaltung ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet wird. Die widmungsgemäße Verwendung des Reinerträgnisses ist dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel über dessen Aufforderung nachzuweisen.

(3) Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung (Einsatz) unterliegen einer Glücksspielabgabe von 5 vH der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistung (Gewinn)."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Bundesfinanzgericht ist eine Beschwerde der im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligten Gesellschaft (im Folgenden: "Gesellschaft") gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 14. November 2011 anhängig, mit dem die Behörde für den Monat Juni 2011 – nach Anzeige und Antrag der Gesellschaft auf Feststellung des Nichtvorliegens einer Glücksspielabgabepflicht mangels Vorliegens eines Glücksspiels im Rahmen von Gewinnspielen – die ermäßigte Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG für die Verlosung zweier von einer theaterähnlichen Organisation zur Verfügung gestellter Tickets, und die – im Zuge des Ermittlungsverfahrens von der Gesellschaft ebenfalls bekanntgegebene – Verlosung des Ersatzes diverser Auslagen des täglichen Lebens für ein Jahr in näher bestimmter Höhe festsetzte.

2. Das Bundesfinanzgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"[…]

2. Sachverhalt und bisherige Verfahren

[...]

Die gegenständliche Beschwerdesache betrifft den Zeitraum Juni/2011 und wurde im Geltungszeitraum des §58 Abs3 GSpG idF BGBl I 2010/54, gültig vom 1.1.2011 bis 1.9.2011 verwirklicht. Es handelt sich um einen reinen 'Inlandssachverhalt'.

[...]

3. Vom Bundesfinanzgericht anzuwendende Normen

Das Glücksspielgesetz BGBl Nr 620/1989 wurde durch die Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl I 2010/54, aus abgabenrechtlicher Sicht grundlegend novelliert, da die 'Gewinnstgebühren für Glücksspiele' aus dem Gebührengesetz 1957 in das Glücksspielgesetz als Glücksspielabgaben 'überführt' wurden. (658 BIgNR http://XXIV.GP , Allgemeiner Teil). Diese Glücksspielabgaben sind wie ein Steuergesetz für sich in den §§57 bis 59 GSpG geregelt. §57 GSpG bestimmt 'Ausspielungen' als Steuergegenstand der Glücksspielabgabe und §58 GSpG sieht eine ermäßigte Glücksspielabgabe für Verlosungen von Vermögensgegenständen gegen Entgelt (Abs1), für Lotterien ohne Erwerbszweck (Abs2) und für Gewinnspiele (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung (Einsatz) vor. Während §58 Abs1 und Abs2 GSpG inhaltlich die bis 31.12.2010 im Gebührengesetz normierte Rechtslage fortsetzen, ist die Abgabe für Glücksspiele im Rahmen von Preisausschreiben und Gewinnspielen 'ohne Einsatzleistung des Teilnehmenden' gemäß §58 Abs3 GSpG seit 1.1.2011 neu (Bresich/Klingenbrunner/Posch in Strejcek/Bresich, GSpG 1989 2 zu §58 Rz 1).

§58 Abs3 GSpG idF BGBl I 2010/54, gültig vom 1.1.2011 bis 31.8.2011 lautete:

'Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung (Einsatz) unterliegen einer Glücksspielabgabe von 5 vH der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistung (Gewinn).'

Wie das Bundesfinanzgericht im Beschluss BFG 26.1.2016, RN/7100001/2015 festhielt, sind auch §1 GSpG und §2 Abs1 GSpG insoweit anzuwenden, als in §58 Abs3 GSpG der Begriff 'Glücksspiele' auf die Definition des §1 Abs1 GSpG ('Ein Glücksspiel iS dieses Bundesgesetzes ist ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt') verweist, hingegen die Wortfolgen 'vermögenswerte Leistung (Einsatz) .... in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistung (Gewinn)' zwar auf §2 Abs1 GSpG (Ausspielungen sind Glücksspiele, 1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und 2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und 3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine Vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn)) verweisen, aber den §58 Abs3 GSpG von der Ausspielung als entgeltlichem Spielvertrag abgrenzen. Während Steuergegenstand des §57 Abs1 GSpG der Abschluss entgeltlicher Spielverträge iSd §1 Abs1 GSpG und §2 Abs1 GSpG im unternehmerischen Bereich ist, sollte in §58 Abs3 GSpG der Abschluss 'unentgeltlicher' Spielverträge iSd §1 Abs1 GSpG im Rahmen von Preisausschreiben oder Gewinnspielen im unternehmerischen Bereich steuerlich begünstigt werden. Preisausschreiben vor dem 1.1.2011 unterlagen nicht dem Gebührengesetz 1957 (VwGH 22.10.1952, 1641/50; VwGH 27.9.1990, 89/16/0214), sondern bis 31.7.2008 der Schenkungssteuer, waren aber schenkungssteuerbefreit (vgl. Moser, Preisausschreiben (Gewinnspiele) seit 1.1.2011 (wieder) steuerpflichtig! SWK 9/2011 S 448; Moser, Praktische Abwicklungsfragen zu Preisausschreiben (Gewinnspielen) SWK 15/2011, S 656).

In den parlamentarischen Materialien findet sich zu §58 Abs3 GSpG kein Motivenbericht (658 BIgNR http://XXIV.GP zu BGBl I 2010/54).

Die seit 1.9.2011, derzeit geltende Fassung des §58 Abs3 GSpG erfolgte durch das Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl 12011/76 und lautet:

'Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung gemäß §2 Abs1 Z2 (Einsatz) unterliegen einer Glücksspielabgabe von 5 vH der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinn), wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet. Die Steuerpflicht entfällt, wenn die Steuer den Betrag von 500 Euro im Kalenderjahr nicht überschreitet.'

Nach §60 Abs29 GSpG angefügt durch das AbgÄG 2011, traten §58 Abs3 GSpG und §59 Abs1 und 3, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 76/2011, mit 1. September 2011 in Kraft und sind auf Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung gemäß §2 Abs1 Z2 (Einsatz) anzuwenden, deren Spielvertrag ab dem 1. September 2011 zustande kommt.

Die ErläutRV zur Neufassung des §58 Abs3, 1212 BIgNR http://XXIV.GP 31 führen dazu aus

'mit der Änderung soll ein Redaktionsversehen bereinigt werden, da der bisherigen Regelung der Anknüpfungspunkt an das Inland fehlte. Zudem soll eine Bagatellgrenze und eine Jahreserklärung eingeführt werden, um keine unangemessenen Verwaltungslasten zu schaffen.'

Die Neuregelung wurde in der Literatur hinterfragt (z.B. Moser, Änderungen für Gewinnspiele (Preisausschreiben) ab 1.9.2011, SWK 25/2011 S 880; sowie Doralt, Preisausschreiben: Weltweiter Geltungsbereich der Glücksspielabgabe? RdW 2014, 309-311, auf den auch der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes 25.11.2015, A2015/0011-1 [Ro 2015/16/0035-4] verweist).

4. Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität

Vergleicht man den Gesetzestext des §58 Abs3 GSpG indem man die Texte der beiden Fassungen übereinander legt (neue Fassung hervorgehoben),

'Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung gemäß §2 Abs1 Z2 (Einsatz) unterliegen einer Glücksspielabgabe von 5 vH der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistung (Gewinn), wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet. Die Steuerpflicht entfällt, wenn die Steuer den Betrag von 500 Euro im Kalenderjahr nicht überschreitet.'

so stellt sich die neue Fassung als Ergänzung dar, die den ursprünglichen Zweck des §58 Abs3 GSpG nicht veränderte.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem Beschluss vom 25.11.2015, A2015/0011 (Ro 2015/16/0035-4) den Antrag, §58 Abs3 GSpG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2011, BGBl Nr 76 – AbgÄG 2011 zur Gänze aufzuheben. Diesem Beschluss hat sich das Bundesfinanzgericht bereits im Antrag gemäß Art140 Abs1 B‑VG betreffend §58 Abs3 GSpG, BFG 26.1.2016, RN/7100001/2015 angeschlossen. Im Unterschied zum vorliegenden 'reinen Inlandssachverhalt' liegen diesen beiden Anträgen 'grenzüberschreitende' Sachverhalte zugrunde. Die beiden Anträge hegen aber nicht nur wegen der Neuregelung des Inlandsbezuges, der auf [die] vorliegende Beschwerdesache nicht zutrifft, Bedenken, sondern auch deshalb, weil sich die Bemessungsgrundlage iSd §58 Abs3 GSpG vom System des Glücksspielgesetzes entfernt und in exzessiver Weise an Sachverhalte anknüpfen würde. Diese Anträge auf Aufhebung umfassen sozusagen die 'alte Version' mit. Das bedeutet, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken auch für die bis 31.8.2011 gültige Version des §58 Abs3 GSpG zutreffen könnten.

Aus allen diesen Bedenken heraus wurde der Antrag gemäß Art140 Abs1 iVm Abs4 B‑VG gestellt.

Mit der Fortführung des Beschwerdeverfahrens zu RV/7101586/2012 wird bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Nur sicherheitshalber wird dazu bemerkt, dass, in Bezug auf die zwischenzeitig ergangene höchstgerichtliche Judikatur VwGH 16.3.2016, Ro 2015/17/0022 und Beschluss OGH 30.3.2016, 4 Ob 31/16m ua., ein Zusammenhang der Glücksspielabgaben gemäß §§57 bis 59 GSpG mit §3 GSpG (Glücksspielmonopol) grundsätzlich nicht besteht, und Beschwerden, die auf eine Präjudizialität der Befreiungsbestimmungen der Absätze 4 und 6 des §57 abstellten, vom Verfassungsgerichtshof nicht in Behandlung genommen wurden (VfGH 19.2.2015, E49/2015 zu BFG 21.11.2014, RS/7100015/2012; VfGH 11.6.2015, E564/2015 zu BFG 2.2.2015, RV 7103459/2012). Der vorliegende Antrag wendet sich nicht gegen das (steuerrechtliche) System des Glücksspielgesetzes, sondern zielt, in Orientierung an den beiden Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichtes (bzw. auch VwGH 16.3.2016, Ro 2015/17/0022) ausschließlich auf die verfassungsrechtlichen Bedenken ab, dass sich §58 Abs3 GSpG idF BGBl I 2010/54 vor dem AbgÄG 2011 aus dem steuerrechtlichen System des Glücksspielgesetzes hinsichtlich der Bemessungsgrundlage unsachlich entfernt."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie von der Zulässigkeit des Antrags ausgeht und den im Antrag erhobenen Bedenken – unter Verweis auf ihre im beim Verfassungsgerichtshof zu G650/2015 protokollierten Verfahren erstattete Äußerung – wie folgt entgegentritt:

"I.

Zur Rechtslage und den Prozessvoraussetzungen

[...]

In den Erläuterungen zur Neufassung des §58 Abs3 GSpG heißt es dazu (vgl. 1212 http://XXIV.GP 31):

'Mit der Änderung soll ein Redaktionsversehen bereinigt werden, da der bisherigen Regelung der Anknüpfungspunkt an das Inland fehlte. Zudem soll eine Bagatellgrenze und eine Jahreserklärung eingeführt werden, um keine unangemessenen Verwaltungslasten zu schaffen.'

Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die Zulässigkeit des Antrages des Bundesfinanzgerichts sprechen.

II.

Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken

Nach Auffassung der Bundesregierung ist dem Bundesfinanzgericht insoweit zuzustimmen, dass die neue – aktuell geltende – Fassung des §58 Abs3 GSpG lediglich eine geringfügige Ergänzung darstellt, die den ursprünglichen Zweck des §58 Abs3 GSpG idF BGBl I Nr 54/2010 nicht verändert (vgl. Seite 6 des Antrags). Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den zuvor zitierten Erläuterungen zur Neufassung des §58 Abs3 GSpG, worin u.a. von der Bereinigung eines 'Redaktionsversehens' die Rede ist (vgl. 1212 http://XXIV.GP 31).

Vor diesem Hintergrund entsprechen die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesfinanzgerichts iW einer Wiederholung jener Bedenken, die zum einen vom Verwaltungsgerichtshof und zum anderen vom Bundesfinanzgericht selbst in den derzeit beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren G650/2015 und G20/2016 bereits erhoben wurden.

Die Bundesregierung verweist daher im gegenständlichen Verfahren auf die im Verfahren G650/2015 erstattete, beiliegende Äußerung der Bundesregierung vom 19. Jänner 2016, GZ BKA-604.615/0002-V/8/2016: Auf die darin unter Punkt II.1. dargelegte Argumentation darf gesondert hingewiesen werden."

4. Die beim Bundesfinanzgericht beschwerdeführende Gesellschaft erstattete eine Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen den Bedenken des Bundesfinanzgerichtes anschließt und die durch die Abgabenbehörde vorgenommene, nach Ansicht der Gesellschaft exzessive Auslegung des §58 Abs3 GSpG als dem Gleichheitssatz widersprechend erachtet.

IV. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2003, vgl. auch VfGH 10.12.2013, G46/2013; 12.12.2013, G53/2013; 13.6.2014, G10/2014). Dies bedeutet aber, dass das antragstellende Gericht sämtliche Bedenken in einem Antrag selbst darzulegen hat. Zur Darlegung der Bedenken reicht es somit nicht aus, auf Äußerungen desselben oder eines anderen antragstellenden Gerichtes in anderen Verfahren hinzuweisen, ohne eine präzise Zuordnung der Bedenken vorzunehmen. Hinweise auf andere schriftliche Ausführungen, wie etwa Schriftsätze, Gutachten, Aufsätze können die Darlegung dieser Bedenken im Antrag nicht ersetzen (vgl. VfSlg 17.516/2005, 19.933/2015).

2. Das Bundesfinanzgericht verweist in seinem Antrag auf Aufhebung des §58 Abs3 GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 54/2010, begründend lediglich auf den im – dem Antrag auf Aufhebung nicht beigelegten – Beschluss vom 25. November 2015 gestellten und beim Verfassungsgerichtshof zu G650/2015 protokollierten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes (A 2015/0011-1) auf Aufhebung des §58 Abs3 GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 76/2011, wegen Verfassungswidrigkeit, und einen entsprechenden, beim Verfassungsgerichtshof zu G20/2016 protokollierten – ebenfalls nicht beigelegten – Antrag des Bundesfinanzgerichtes, ohne eigenständig und konkret darzulegen, gegen welche verfassungsrechtliche Norm §58 Abs3 GSpG idF BGBl I 54/2010 verstoße bzw. aus welchen Gründen der angefochtenen Gesetzesbestimmung (in ihrer konkreten Fassung) die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten sei. Die (bloße) Darlegung des Bundesfinanzgerichtes, dass jene Anträge auf Aufhebung die "alte Version" (des §58 Abs3 GSpG) mitumfassten, tut dem Erfordernis des §62 Abs1 VfGG nicht Genüge.

3. Der vorliegende Antrag erweist sich aus diesem Grund als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag auf Aufhebung des §58 Abs3 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 54/2010, wird zurückgewiesen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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