UFS RV/0306-F/12

UFSRV/0306-F/1219.7.2013

Geschäftsführerhaftung

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/16/0166 eingebracht. Mit Erk. v. 19.3.2015 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Peter Steurer und die weiteren Mitglieder Mag. Claudia Mauthner, Prok. Bernd Feldkircher und Dr. Ulrike Stadelmann über die Berufungen des Bw., vom 21. März 2012 gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch, vertreten durch Mag. Joachim Loretz, betreffend Haftung gemäß § 9 iVm 80 BAO vom 29. Februar 2012, betreffend Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen vom 9. Juli 2008 und vom 9. März 2009, betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen für das Jahr 2006 und die Folgejahre vom 18. September 2006 sowie betreffend der am 29. Februar 2012 erfolgten Ausstellung eines Rückstandsausweises nach der am 10. Juli 2013 in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

I) Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Haftung gemäß § 9 iVm 80 BAO wird teilweise Folge gegeben und der Haftungsbescheid insofern abgeändert, als die Haftungssumme von bisher 5.480,50 € um den Betrag von 628,73 € auf 4.851,77 € eingeschränkt wird. Darüber hinaus wird diese Berufung als unbegründet abgewiesen.

II) Die Berufung betreffend Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen mit Bescheid vom 9. Juli 2008 in Höhe von insgesamt 114,51 € wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

III) Die Berufung betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages mit Bescheid vom 9. März 2009 in Höhe von 68,05 € wird gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

IV) Die Berufung betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen für das Jahr 2006 und die Folgejahre wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

V) Die Berufung betreffend Ausstellung eines Rückstandsausweises wird gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (in der Folge kurz: Bw.) war Gesellschafter und Geschäftsführer einer zwischenzeitig im Firmenbuch gelöschten Gaststättenbetriebs GmbH. Die Geschäftsführerfunktion hatte der Bw. laut Firmenbuch vom 23.04.2002 bis zum 21.04.2009 inne.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. Juli 2009 wurde der Antrag über das Vermögen der Gesellschaft den Konkurs zu eröffnen, mangels Kostendeckung abgewiesen. Am 4. Februar 2010 erfolgte die amtswegige Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2009 zog das Finanzamt den Geschäftsführer gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für in einer angeschlossenen Rückstandsaufgliederung nach Abgabenart, Zeitraum und aushaftendem Betrag im Einzelnen aufgeschlüsselte Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Höhe von insgesamt 18.008,12 € heran.

Gegen den Haftungsbescheid wurde fristgerecht Berufung erhoben, welche mit Berufungsvorentscheidung vom 10. März 2010 als unbegründet abgewiesen wurde. Nach Einbringung eines Vorlageantrages und Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung wurde die Berufung mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 1. Juli 2011, RV/0178-F/10, hinsichtlich eines zu diesem Zeitpunkt bei der Primärschuldnerin noch aushaftenden Betrages von 12.090,60 € als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich ebenfalls noch aushaftender Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 5.917,52 € wurde der Haftungsbescheid gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben. Der Bw. hat gegen die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht, welche mit Erkenntnis vom 18. März 2013, 2011/16/0184, als unbegründet abgewiesen wurde.

Am 14. November 2011 wurde gegenüber dem Bw. wiederum ein Haftungsbescheid gemäß § 9 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Höhe von insgesamt 12.090,60 € erlassen. In der dagegen am 12. Dezember 2011 eingebrachten Berufung wurde die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides, die Zustellung einer umfassenden Bescheidbegründung sowie die Durchführung einer volksöffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung durch ein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK in Senatsbesetzung begehrt. Zur Begründung wurde vorgebracht, die Ausführungen im angefochtenen Bescheid würden gänzlich an der relevanten Thematik vorbeizielen. So treffe den Bw. als Geschäftsführer der Primärschuldnerin keineswegs eine "volle Beweislast". Vielmehr bestünde eine amtswegige Ermittlungspflicht. Die Behörde hätte zunächst Ermittlungen anzustellen und Feststellungen darüber zu treffen gehabt,

- welche Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin tatsächlich noch aushaften würden,

- zu welchem Zeitpunkt der Bw. seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt habe,

- welche Zahlungen auf die Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin seit dem Zeitpunkt der Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit durch den Bw. noch geleistet worden seien,

- ob weitere Zahlungen deshalb unterblieben seien, weil ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz oder der Bevorrechtungsgrundsatz der Ab- und Aussonderungsberechtigten verletzt worden wäre, sowie

- ob und welche rechtlich möglichen Einbringungsmaßnahmen das Finanzamt unterlassen habe.

Die obig angeführten Ermittlungen und Feststellungen seien bislang nicht erfolgt. Vielmehr habe sich die Erstbehörde mit der Zitierung der für die Rechtmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme maßgeblichen Judikatur begnügt, ohne konkrete schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten durch den Bw. festzustellen.

Tatsache sei, dass der Bw. spätestens am 1. Mai 2008 seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt habe. Vom 1. Mai 2008 bis 21. April 2009 sei X. alleinvertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Daher hätte auch X. die Löschung der Vertretungsbefugnis des Bw. im Firmenbuch veranlassen müssen, nicht aber der Bw., der dazu nicht mehr befugt gewesen sei. Der Verweis der Abgabenbehörde erster Instanz auf § 17 Abs. 3 GmbHG sei gänzlich verfehlt. Auch könne sich das Finanzamt schon deshalb nicht im Nachhinein auf einen Vertrauensschutz im Sinne des § 17 Abs. 3 GmbHG berufen, weil in diesem Zeitraum keine Haftungsinanspruchnahme des Bw. erfolgt sei.

Zudem stelle ein Rückstandsausweis keine Entscheidung darüber dar, welche Abgaben gegenüber der Primärschuldnerin tatsächlich bestünden, wenn über die davon betroffenen Abgaben noch kein in Rechtskraft erwachsener Bescheid erlassen worden sei. Mit Selbstberechnung und Abfuhrverpflichtung habe dies überhaupt nichts zu tun. Daher seien zunächst Bescheide über die relevanten Abgaben der Primärschuldnerin zu erlassen, da dem Bw. insoweit gemäß § 248 BAO eine Rechtsmittelbefugnis zustünde.

Hätte die Abgabenbehörde ab dem Frühjahr 2008, also vor dem 1. April 2008, effiziente Vollstreckungsmaßnahmen (Fahrnisexekution, Pfändung der Einnahmen im Gastlokal, Gewerbepfändung, etc.) gegenüber der Primärschuldnerin durchgeführt und als Gläubigerin allenfalls auch einen Konkursantrag gestellt (§ 70 KO bzw. nunmehr § 70 IO), wäre entweder überhaupt kein berechtigter Abgabenanspruch verblieben oder die Primärschuldnerin hätte unter Bedachtnahme auf die Gläubigerrechte der restlichen Gläubiger keine weiteren Zahlungen an das Finanzamt leisten dürfen. Es seien somit Feststellungen darüber zu treffen, ab welchem Zeitpunkt das Finanzamt welche Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Primärschuldnerin in die Wege geleitet habe und dadurch welche Zahlungen erhalten habe. Der amtswegigen Ermittlungspflicht sei keinesfalls Genüge getan, wenn seitens der Abgabenbehörde eine Aufstellung verfasst werde, in der die angeblich noch aushaftenden Abgaben aufgelistet würden und der Bw. müsse sodann unter Beweis stellen, dass er nicht schuldhaft gehandelt habe. Ob der Bw. eine rechtmäßig bestehende Abgabenschuld der Primärschuldnerin verursacht habe und ob er dabei rechtswidrig gehandelt habe, könne erst beurteilt werden, wenn die obig angeführten Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden seien. Nach Feststellung einer "Verursachung" und Rechtswidrigkeit sei zu prüfen, ob den Bw. eine schuldhafte Pflichtverletzung treffe. Das Vorliegen einer solchen sei jedoch deshalb zu verneinen, weil der Bw. zu den Fälligkeitszeitpunkten der in Haftung gezogenen Abgaben nicht mehr handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei.

Zudem hätte das Finanzamt hinsichtlich des Zahlungsverkehrs und der Gebarung ab dem 01.01.2008 Y., Steuerberater der Primärschuldnerin, sowie X., letzter Geschäftsführer der Primärschuldnerin, als Zeugen vernehmen müssten.

Mit Bescheid vom 29. Februar 2012 wurde der Haftungsbescheid vom 14. November 2011 gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben und mit selben Datum ein neuer Haftungsbescheid erlassen. Mit letzterem wurde der Bw. gemäß § 9 BAO zur Haftung für folgende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Höhe von insgesamt 5.480,50 € herangezogen: Lohnsteuer 10-11/2008, Lohnsteuer 01-03/2009, Dienstgeberbeitrag 10-12/2008, Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10-12/2008 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Körperschaftsteuervorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 2008, Verspätungszuschläge hinsichtlich Umsatzsteuer 01/2008, 02/2008 und 03/2008 sowie Säumniszuschläge 2008 und 2009. Dem Haftungsbescheid vom 29. Februar 2012 beigelegt waren Abschriften des Bescheides vom 18. September 2006, mit dem für 2006 und die Folgejahre eine Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 1.750,00 € festgesetzt wurde (5% von 35.000,00 €), des Säumniszuschlagsbescheides vom 9. Juli 2008 wegen nicht fristgerechter Zahlung der Umsatzsteuer 02/2008 und der Umsatzsteuer 03/2008 sowie des Säumniszuschlagsbescheides vom 9. März 2009 wegen nicht fristgerechter Zahlung der Umsatzsteuer 12/2008.

Mit Schriftsatz vom 21. März 2012 wurde Berufung gegen den am 29. Februar 2012 erlassenen Haftungsbescheid, den Rückstandsausweis vom 29. Februar 2012, den Bescheid vom 18. September 2006, mit dem für 2006 und die Folgejahre eine Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 1.750,00 € festgesetzt wurde (5% von 35.000,00 €), den Säumniszuschlagsbescheid vom 9. Juli 2008 sowie den Säumniszuschlagsbescheid vom 9. März 2009 erhoben. Beantragt wurde die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide, die Zustellung einer umfassenden Bescheidbegründung sowie die Durchführung einer volksöffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung durch ein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK in Senatsbesetzung. Die Begründung entspricht im Wesentlichen jener der obig wiedergegebenen Berufung vom 12. Dezember 2011 gegen den Haftungsbescheid vom 14. November 2011, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese verwiesen wird. Ergänzend wurde lediglich vorgebracht, nach Aufhebung eines Haftungsbescheides könne nicht über eine idente Sache zeitgleich ein neuer Haftungsbescheid erlassen werden. Es werde überdies ausdrücklich bestritten, dass die Primärschuldnerin dem Finanzamt einen Betrag in Höhe von 5.480,50 € schulde, weshalb darüber zunächst konkrete Bescheide auszufertigen und dem Bw. zuzustellen seien. Ein Rückstandsausweis sei kein Bescheid.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Juni 2012 wurden die Berufungen gegen den am 29. Februar 2012 erlassenen Haftungsbescheid, den Bescheid betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen vom 18. September 2006, den Säumniszuschlagsbescheid vom 9. Juli 2008 und den Säumniszuschlagsbescheid vom 9. März 2009 als unbegründet abgewiesen. Nicht abgesprochen wurde über die Berufung betreffend Ausstellung eines Rückstandsausweises. Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

I) Begründungsmängel

Es sei nicht nachvollziehbar, welcher der angefochtenen Bescheide unzureichend begründet sei. Sämtliche der angefochtenen Bescheide würden den von der Abgabenbehörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt anführen, erkennen lassen, wie die Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliege, eine rechtliche Beurteilung enthalten und die Schlussfolgerung erkennen lassen, wie die Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass die festgestellten Sachverhalte die jeweils betreffenden gesetzlichen Tatbestände erfüllten.

Der Rückstandsausweis erfülle lediglich eine Informationsfunktion betreffend der haftungsgegenständlichen Abgaben, da hinsichtlich Selbstbemessungsabgaben keine Bescheidausfertigungen erfolgen würden. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 24.02.2010, 2005/13/0145, klargestellt, dass die zur Haftung herangezogene Partei vom Bescheid über den Abgabenanspruch in einer Weise informiert werden solle, die ihr die Einbringung einer Berufung gegen diesen nicht an sie gerichteten und ihr nicht zugestellten, mangels Bekämpfung aber ihr gegenüber bindenden Bescheid ermögliche. Erforderlich sei jedenfalls, dass ihr die Tatsache der Bescheiderlassung als solcher mit der notwendigen Deutlichkeit zur Kenntnis gebracht werde. Soweit hinsichtlich der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten Bescheide erlassen worden seien, seien sie dem Bw. daher zugleich mit dem Haftungsbescheid zugestellt worden. Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben - wozu sämtliche der im Rückstand ausgewiesenen lohnabhängigen Abgaben gehörten - seien keine Bescheide auszufertigen.

II) Haftungsinanspruchnahme

Die Begründung entspricht jener in der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 1. Juli 2011, RV/0178-F/10, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese verwiesen wird.

Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2012 wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. Ein ergänzendes Vorbringen wurde nicht erstattet.

In dem am 9. Juli 2013 beim Unabhängigen Finanzsenat per Fax eingebrachten Schriftsatz wurde beantragt, im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung die im Folgenden angeführten Personen als Zeugen und den Bw. als Partei einzuvernehmen:

Y (Steuerberater der Primärschuldnerin);

X (letzter Geschäftsführer der Primärschuldnerin);

A;

B;

C;

D.

Mittels der Zeugen bzw. durch Einvernahme des Bw. solle bewiesen werden, dass der Bw. spätestens am 1. Mai 2008 gegenüber den Gesellschaftern und den damaligen Geschäftsführern der Primärschuldnerin unmissverständlich mündlich erklärt habe, mit sofortiger Wirkung als handelsrechtlicher Geschäftsführer zurückzutreten. Ab diesem Zeitpunkt sei der Bw. nicht mehr mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten der Primärschuldnerin betraut gewesen und er habe auch faktisch keine solchen Besorgungen verrichtet. Mit 1. Mai 2008 sei X. zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden.

In der am 10. Juli 2013 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung hat der Bw. auf Nachfrage mitgeteilt, einzig X. und nicht die benannten Zeugen seien anwesend gewesen, als er mündlich seine Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion erklärt habe. Diese Personen könnten aber Aussagen dazu machen, wer die Tageseinnahmen erhalten habe, wer für die Umsätze zuständig gewesen sei und wer die Mitarbeiter bezahlt habe. Auf die Frage, welche Stellung die als Zeugen benannten Personen innerhalb der Gesellschaft gehabt hätten, gab der Bw. an, einer dieser Zeugen (C.) sei Lieferant und zwei weitere (A., B.) seien Mitarbeiter der Primärschuldnerin gewesen. D. sei Angestellter der X-Bank und könne daher Aussagen darüber machen, wer die vereinnahmten Gelder bei der Bank eingezahlt habe und wer Zahlungen veranlasst habe. Dem Bw. sei auch nicht bewusst gewesen, welche Konsequenzen die Übernahme einer Geschäftsführerfunktion nach sich ziehe. Er habe diese Funktion nur deshalb übernommen, weil X. ihm erklärt habe, dies sei für den Fall einer kurzfristigen Abwesenheit seiner Person erforderlich. Nachdem der Bw. mündlich seine Geschäftsführerfunktion zurückgelegt habe, habe ihm X. erklärt, er sei nunmehr lediglich Mitarbeiter der Primärschuldnerin. Zwischenzeitlich habe sich der Bw. selbständig gemacht und führe gemeinsam mit einem Kollegen eine Pizzeria in der Rechtsform einer offenen Gesellschaft (OG).

Über die Berufung wurde erwogen:

Hinsichtlich des Begehrens, der Unabhängige Finanzsenat möge in der Zusammensetzung eines Tribunals iSd Art. 6 EMRK entscheiden, wird vorab auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen (z.B. VwGH 16.12.2008, 2006/16/0107; VwGH 18.03.2013, 2011/16/0184), wonach Abgabenangelegenheiten nicht unter "civil rights" iSd Art. 6 EMRK fallen.

I) Haftungsinanspruchnahme

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2 und 4 sinngemäß.

Voraussetzung für eine Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Seitens des Bw. wird sowohl das Bestehen der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten gegenüber der Primärschuldnerin in Streit gestellt, als auch deren rechtskräftige und richtige Festsetzung in Bezug auf den Bw., die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderungen, eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Bw. bzw. ein allfälliges Verschulden an dieser Pflichtverletzung sowie deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit. Überdies wurde eingewandt, der angefochtene Haftungsbescheid sei schon deshalb "mit Nichtigkeit behaftet", weil ihm ein rechtskräftig abgeschlossenes Haftungsverfahren entgegenstünde.

1) "res iudicata"

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Gemäß Abs. 2 dieser Norm ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

Gemäß § 302 Abs. 1 BAO sind Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheide, soweit nichts anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

Mit dem in der Folge aufgehobenen Haftungsbescheid vom 14. November 2011 wurde eine Vertreterhaftung gemäß § 9 BAO iVm § 80 BAO für Umsatzsteuer 03/2008, Umsatzsteuer 06/2008, Umsatzsteuer 08/2008, Umsatzsteuer 09/2008, Umsatzsteuer 10/2008, Umsatzsteuer 11/2008, Umsatzsteuer 12/2008 und Umsatzsteuer 01/2009 geltend gemacht.

Im Unterschied dazu sind vom Spruch des Haftungsbescheides vom 29. Februar 2012 die Lohnsteuer 10-11/2008, die Lohnsteuer 01-03/2009, der Dienstgeberbeitrag 10-12/2008, der Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10-12/2008 und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, die Körperschaftsteuervorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 2008, die Verspätungszuschläge hinsichtlich Umsatzsteuer 01/2008, 02/2008 und 03/2008 sowie die Säumniszuschläge 2008 und 2009 erfasst. Somit steht der Erlassung des Haftungsbescheides vom 29. Februar 2012 entgegen der Rechtsauffassung des Bw. nicht res iudicata bzw. das Hindernis der materiellen Rechtskraft entgegen.

2) Rechtmäßigkeit des Abgabenanspruchs

In der Berufung wurde dazu im Wesentlichen vorgebracht, eine Haftungsinanspruchnahme setze die vorherige Erlassung von Abgabenbescheiden voraus, und zwar auch dann, wenn es sich wie beim Dienstgeberbeitrag sowie dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag um Selbstbemessungsabgaben handle oder um Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer. Die betreffenden Bescheide hätten dem Bw. überdies zugestellt werden müssen. Zudem habe es das Finanzamt verabsäumt, Feststellungen zu treffen, welche Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin tatsächlich noch aushafteten, bzw. welche Zahlungen die Primärschuldnerin geleistet habe, seit der Bw. seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt habe. Um solche Feststellungen treffen zu können, hätte das Finanzamt Y., Steuerberater der Primärschuldnerin, sowie X., letzter Geschäftsführer der Primärschuldnerin, als Zeugen vernehmen müssen.

Diesen Einwendungen ist Folgendes entgegenzuhalten: Die in § 9 iVm § 80 BAO normierte persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH wird als Maßnahme der Abgabeneinhebung durch Haftungsbescheid (§ 224 BAO) geltend gemacht. Eine solche Haftungsinanspruchnahme setzt lediglich den Bestand von Abgabenschuldigkeiten voraus, nicht jedoch, dass diese Abgaben dem Erstschuldner gegenüber bereits geltend gemacht bzw. dass gegenüber dem Primärschuldner rechtsrichtige oder formell rechtskräftige Bescheide erlassen wurden. Sofern über jene Abgabenschulden, für die der Haftungspflichtige in Anspruch genommen wurde, noch nicht bescheidmäßig abgesprochen wurde, ist nicht in einem dem Haftungsverfahren vorangestellten Verfahren, sondern im Haftungsverfahren selbst über die Richtigkeit der Abgaben zu entscheiden. Sind gegenüber dem Primärschuldner entsprechende Abgaben- oder Haftungsbescheide ergangen, kann der Haftungspflichtige im Haftungsverfahren zwar nicht mit Erfolg Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben erheben, sein Rechtsschutzinteresse ist aber deshalb gewahrt, weil ihm § 248 BAO das Recht einräumt, auch gegen die Abgabenanspruchsbescheide Berufung einzulegen. Da dieses Berufungsrecht die Kenntnis der zur Festsetzung der Abgabenansprüche führenden Grundlagen voraussetzt, hat die Behörde dem Haftungspflichtigen auf Antrag Grund und Höhe der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bekannt zu geben (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³ § 248 E 24 ff). Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung bzw. Ablichtung der maßgeblichen Bescheide über die Abgabenansprüche, allenfalls durch Mitteilung der Bescheidinhalte zu erfolgen.

Gegenständlich wurden dem Bw. anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides (29. Februar 2012) Abschriften des Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheides vom 18. September 2006 und der Säumniszuschlagsbescheide vom 9. Juli 2008 sowie vom 9. März 2009 übermittelt. Die Gründe für die Erlassung der Verspätungszuschlagsbescheide vom 23. Juni 2008 (nicht zeitgerechte Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Zeiträume 01/2008, 02/2008 und 03/2008) und die Höhe dieser Zuschläge (insgesamt 598,02 €) wurden dem Bw. bereits mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 1. Juli 2011, RV/0178-F/10, bekannt gegeben. Zudem wurde dem Bw. hinsichtlich der im Rückstand ausgewiesenen lohnabhängigen Abgaben mit der zitierten Entscheidung Folgendes zur Kenntnis gebracht:

"Die Lohnsteuer 01-12/2008 wurde von der Primärschuldnerin mit insgesamt 3.150,77 € errechnet und angemeldet. Für 01-09/2008 wurde die Lohnsteuer auch entrichtet, für 10-12/2008 unterblieb eine solche. In Folge einer bei der Primärschuldnerin durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde mit Bescheid vom 26. August 2009 die Lohnsteuer 2008 anstatt wie bisher gemeldet mit 3.150,77 € mit 2.729,78 € festgesetzt. In Haftung gezogen wurde die Lohnsteuer 10/2008 in Höhe von 272,38 € und die Lohnsteuer 11/2008 in Höhe von 313,00 €.

Für den Zeitraum 01-05/2009 erklärte die Primärschuldnerin Lohnsteuern in Höhe von insgesamt 584,30 €. Die Lohnsteuern für 04/2009 und für 05/2009 wurden entrichtet, nicht aber die Lohnsteuern für 01-03/2009. Mit Bescheiden vom 26. August 2009 wurde im Anschluss an die Lohnsteuerprüfung die seitens der Primärschuldnerin nicht gemeldete Lohnsteuer für 07/2009 mit 1.373,04 € festgesetzt und jene für den Zeitraum 01-07/2009 mit insgesamt 1.928,18 € (bisherige Lohnsteuer 01-07/2009: 1.957,34 €). In Haftung gezogen wurden die Lohnsteuer für 01/2009 in Höhe von 229,32 €, die Lohnsteuer für 02/2009 in Höhe von 225,73 € und die Lohnsteuer für 03/2009 in Höhe von 225,73 €.

Die Dienstgeberbeiträge 01-12/2008 wurden von der Primärschuldnerin mit insgesamt 4.920,11 € errechnet und angemeldet, eine Entrichtung dieser Beiträge erfolgte für 01-09/2008, für 10-12/2008 unterblieb eine solche. Mit Bescheid vom 26. August 2009 wurde der Dienstgeberbeitrag für 2008 mit 4.899,10 € festgesetzt (das ergibt eine Nachforderung von 21,01 €). Eine Haftungsinanspruchnahme erfolgte hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages 10/2008 in Höhe von 379,02 €, des Dienstgeberbeitrages 11/2008 in Höhe von 666,98 € und des Dienstgeberbeitrages 12/2008 in Höhe von 367,21 €.

Für den Zeitraum 01-05/2009 erklärte die Primärschuldnerin Dienstgeberbeiträge in Höhe von insgesamt 1.593,46 €. Die Dienstgeberbeiträge 04/2009 und 05/2009 wurden entrichtet, nicht aber jene für 01-03/2009. Mit Bescheiden vom 26. August 2009 wurde der seitens der Primärschuldnerin nicht gemeldete Dienstgeberbeitrag für 07/2009 mit 604,46 € festgesetzt und jener für den Zeitraum 01-07/2009 mit insgesamt 1.887,92 € (bisheriger Dienstgeberbetrag 01-07/2009: 2.197,92 €). Hinsichtlich der Dienstgeberbeiträge 01/2009 in Höhe von 323,53 €, 02/2009 in Höhe von 308,24 € und 03/2009 in Höhe von 308,24 € wurde eine Haftung ausgesprochen.

Die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 01-12/2008 wurden von der Primärschuldnerin mit insgesamt 424,61 € errechnet und angemeldet, entrichtet wurden jedoch lediglich jene für die Zeiträume 01-09/2008. Mit Bescheid vom 26. August 2009 wurde der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 2008 mit 426,41 € festgesetzt (das ergibt eine Nachforderung von 1,80 €).

Für die Zeiträume 01-05/2009 wurden Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von insgesamt 138,09 € gemeldet. Mit Bescheiden vom 26. August 2009 wurde der seitens der Primärschuldnerin nicht gemeldete Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 07/2009 mit 52,39 € festgesetzt und jener für den Zeitraum 01-07/2009 mit insgesamt 163,62 € (bisheriger Dienstgeberbetrag 01-07/2009: 190,48 €). Eine Haftungsinanspruchnahme erfolgte für die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 10/2008 in Höhe von 32,85 €, 11/2008 in Höhe von 57,81 €, 12/2008 in Höhe von 31,82 €, 01/2009 in Höhe von 28,04 €, 02/2009 in Höhe von 26,71 € und 03/2009 in Höhe von 26,71 €."

Betreffend der in Haftung gezogenen Körperschaftsteuervorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 2008 sowie der Säumniszuschläge 2008 und 2009 wurde dem Rechtsschutzgedanken des § 248 BAO durch Zustellung von Bescheidabschriften jedenfalls wirksam Rechnung getragen. Aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates war der Bw. aber auch durch die obig dargestellten, vor Erlassung des bekämpften Haftungsbescheides gegenüber dem Bw. in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Primärschuldnerin erfolgten Präzisierungen der Inhalte der übrigen in Haftung gezogenen Bescheide (Verspätungszuschläge und lohnabhängige Abgaben) in der Lage, zeitgerecht - das heißt vor Ablauf der Berufungsfrist gegen diese Abgabenbescheide - die Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzungen zu prüfen. Somit bedarf es entgegen der Rechtsmeinung des Bw. im Haftungsverfahren weder einer Prüfung, ob die haftungsgegenständlichen Abgaben zutreffend festgesetzt wurden, noch stellt die unterlassene Zustellung der obig angeführten Bescheide einen Aufhebungsgrund gemäß § 289 Abs. 1 BAO dar (VwGH 04.11.1998, 98/13/0115; VwGH 24.02.2010, 2005/13/0145; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³ § 248 E 24ff).

Nicht nachvollzogen werden kann auch der Einwand des Bw., seitens der bescheiderlassenden Behörde sei keine Feststellung darüber getroffen worden, ob die in Haftung gezogenen Abgaben bei der Primärschuldnerin tatsächlich noch aushafteten. Die abgabenrechtliche Haftung setzt, entsprechend dem Prinzip der Akzessorietät, den Bestand einer Schuld voraus, d.h. eine Haftung kann nur geltend gemacht werden, sofern und solange eine entsprechende Abgabenforderung gegen den Erstschuldner besteht. In Entsprechung dieses Grundsatzes hat das Finanzamt den Bw. als Haftungspflichtigen für einen Teil der gegenüber der Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides bestehenden Abgabenschulden in Anspruch genommen. Zur Information darüber, wie sich der zu diesem Zeitpunkt bestehende in Haftung gezogene Abgabenrückstand der Primärschuldnerin zusammensetzt, wurde ein Rückstandsausweis beigelegt, in dem der Haftungsbetrag nach Abgabenart, Zeitraum, Fälligkeitstag und aushaftendem Betrag aufgegliedert wurde. Ob die Primärschuldnerin neben dem Haftungsbetrag weitere Abgabenschulden hatte - laut Abgabenkonto wurden am 22.05.2013 aushaftende Abgaben in Höhe von insgesamt 7.459,13 € gemäß § 235 BAO von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht - ist für die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme ohne Belang. Sofern der Einwand des Bw. darauf abzielt, die Richtigkeit der Verbuchungen der Gebarung in Frage zu stellen - für das Vorliegen einer solchen Unrichtigkeit besteht aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates aber kein Anhaltspunkt - wäre dies nicht im Haftungsverfahren zu klären, sondern müsste die Erlassung eines Abrechnungsbescheides beantragt werden. Gemäß § 183 Abs. 3 BAO als unerheblich abzuweisen ist deshalb auch der in diesem Zusammenhang gestellte Antrag auf Zeugeneinvernahme des ehemaligen Steuerberaters der Primarschuldnerin sowie des letzten Geschäftsführers der Primarschuldnerin.

3) Stellung des Bw. als verantwortlicher Vertreter der Primärschuldnerin für die in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten

Der Bw. hat vorgebracht, dass er spätestens am 1. Mai 2008 mündlich die Zurücklegung seiner Geschäftsführertätigkeit gegenüber dem damaligen Alleingesellschafter, der zudem mit selben Datum als Geschäftsführer bestellt worden sei, erklärt habe. Diese Zurücklegung sei damals aber nicht schriftlich festgehalten worden. Als Beweis dafür seien die im Beweisantrag genannten Personen als Zeugen einzuvernehmen und er selbst als Partei. Da er seit 1. Mai 2008 somit nicht mehr mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten der Primärschuldnerin betraut gewesen sei und auch faktisch keine solchen Besorgungen verrichtet habe, der Fälligkeitstag sämtlicher in Haftung gezogener Abgaben aber nach diesem Zeitpunkt läge, sei die Haftungsinanspruchnahme schon deshalb zu Unrecht erfolgt.

Die Zurücklegung der Geschäftsführungsbefugnis erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH (der Generalversammlung oder den Gesellschaftern). Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch; dieser Eintragung kommt nur deklarative Wirkung zu (VwGH 27.02.2008, 2005/13/0074; VwGH 23.01.1997, 95/15/0163; Ritz, BAO4, § 9 Tz 17).

Eine seitens des Unabhängigen Finanzsenates vorgenommene elektronische Abfrage der Urkundensammlung des Firmenbuches ergab, dass der Bw., der seit dem 23.04.2002 Geschäftsführer der Primärschuldnerin war, mit Gesellschafterbeschluss vom 30.03.2009 als Geschäftsführer abberufen wurde. Die Eintragung der Abberufung im Firmenbuch erfolgte am 21.04.2009. Mit Notariatsakt vom 29. Mai 2008 und somit in etwa zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion behauptet wird, hat der Bw. sämtliche Gesellschaftsanteile abgetreten.

Überdies befindet sich in der Urkundensammlung des Firmenbuches ein Firmenbuchgesuch vom 29. Mai 2008, mit dem um Anmeldung von Veränderungen im Stande der Gesellschafter, um Löschung von zwei Geschäftsführern, um Bestellung eines weiteren Geschäftsführers sowie um Neueintragung eines Prokuristen ersucht wurde. In diesem Gesuch wird der Bw. nicht nur ausdrücklich als einer der beiden Geschäftsführer der Primärschuldnerin bezeichnet, der Bw. hat dieses Gesuch auch in seiner Funktion als Geschäftsführer unterschrieben.

Aus dem Notariatsakt vom 29. Mai 2008 ist zudem ersichtlich, dass nicht nur X. und der Bw. bis zu diesem Zeitpunkt Gesellschafter der Primärschuldnerin waren, sondern auch E. (ab 29. Mai 2008 waren X. und F. Gesellschafter der Primärschuldnerin).

Für den erkennenden Senat ist nun aus folgenden Gründen offensichtlich, dass der Bw. nicht bis spätestens 1. Mai 2008 rechtswirksam seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt hat, sondern dass er erst am 30. Mai 2009 mit Gesellschafterbeschluss als Geschäftsführer abberufen wurde:

a) Rechtswirksam ist nur eine Erklärung des Geschäftsführers gegenüber sämtlichen Gesellschaftern. Außer Streit steht aber, dass gegenüber E., der im maßgeblichen Zeitraum ebenfalls Gesellschafter war, keine solche Erklärung erfolgt ist.

b) Der Bw. ist nachweislich am 29. Mai 2008 - und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem nach eigenen Angaben die Geschäftsführerfunktion bereits zurückgelegt wurde - gegenüber Dritten als Geschäftsführer der Primärschuldnerin aufgetreten.

c) Das Entgelt, das der Bw. für seine Tätigkeit als Koch im Betrieb der Primärschuldnerin nach Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion erhalten hat, war nicht geringer als jenes vor dem behaupteten Zeitpunkt der Zurücklegung dieser Funktion. So wurde dem Finanzamt für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2008 ein Nettoeinkommen in Höhe von 9.021,96 € gemeldet und für den Zeitraum 01.01.2009 bis 17.05.2009 ein solches in Höhe von 5.919,06 €.

Da somit die Behauptung des Bw., er habe bis spätestens 1. Mai 2008 rechtswirksam seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt, offensichtlich unrichtig ist, war der Beweisantrag auf Zeugeneinvernahme abzuweisen. Der Antrag auf Einvernahme des ehemaligen Steuerberaters der Primärschuldnerin, eines Lieferanten, zweier Mitarbeiter sowie eines Bankangestellten war überdies schon deshalb abzuweisen, weil diese Personen allenfalls Aussagen darüber machen hätten können, ob der Bw. im maßgeblichen Zeitraum faktisch als Geschäftsführer tätig war. Maßgebend für die Vertreterhaftung gemäß § 9 BAO ist aber einzig die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer einer Gesellschaft und nicht, ob die steuerlichen Angelegenheiten faktisch wahrgenommen werden (Ritz, BAO4, § 9 Tz 1). Eine Befragung des Bw. ist im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung erfolgt.

Als Folge der Feststellung, dass der Bw. die Geschäftsführerfunktion vom 23.04.2002 bis zum 30.03.2009 innehatte, ist nunmehr zu prüfen, ob der Fälligkeitstag der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten vor dem 30.03.2009 liegt.

Die Lohnsteuer für die Zeiträume 10/2008, 11/2008, 01/2009, 02/2009 sowie 03/2009 war gemäß § 210 Abs. 1 BAO iVm § 79 Abs. 1 EStG 1988 am 17.11.2008, am 15.12.2008, am 16.02.2009, am 16.03.2009 und am 15.04.2009 fällig. Die Dienstgeberbeiträge sowie die Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für die Zeiträume 10/2008, 11/2008, 12/2008, 01/2009, 02/2009 und 03/2009 waren gemäß § 210 Abs. 1 iVm § 43 Abs. 1 FLAG am 17.11.2008, am 15.12.2008, am 15.01.2009, am 16.02.2009, am 16.03.2009 und am 15.04.2009 fällig. Die Körperschaftsteuervorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 2008 waren gemäß § 24 KStG 1988 iVm § 45 EStG 1988 am 18.08.2008 bzw. am 17.11.2008 fällig. Die Verspätungszuschläge für die Zeiträume 01/2008, 02/2008 und 03/2008 waren gemäß § 210 Abs. 1 BAO am 30.07.2008 fällig und die ersten Säumniszuschläge 2008 und 2009 gemäß § 210 Abs. 1 BAO am 18.08.2008 bzw. am 16.12.2009.

Auf Grund des Umstands, dass ihr Fälligkeitszeitpunkt nach Beendigung der Vertretertätigkeit liegt, kommt somit eine Haftungsinanspruchnahme für die folgenden Abgabenschuldigkeiten nicht in Betracht:

Abgabenart

Zeitraum

Fälligkeit

Betrag

Lohnsteuer

03/2009

16.04.2009

225,73 €

Dienstgeberbeitrag

03/2009

16.04.2009

308,24 €

Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag

03/2009

16.04.2009

26,71 €

Säumniszuschlag 1

2009

16.04.2009

68,05 €

   

628,73 €

Hinsichtlich der übrigen in Haftung gezogener Abgabenschuldigkeiten fiel der Fälligkeitstag in die Zeit der Vertretungstätigkeit des Bw., weshalb die Nichtentrichtung dieser Abgaben objektiv als eine Verletzung der dem Bw. obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten anzusehen ist.

4) Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung

Außer Streit steht, dass mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. Juli 2009 der Antrag über das Vermögen der Gesellschaft den Konkurs zu eröffnen, mangels Kostendeckung abgewiesen wurde und am 4. Februar 2010 die amtswegige Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch erfolgte.

Bei Vorliegen eines solchen Sachverhaltes kann aber - entgegen der Rechtsmeinung des Bw. - auf die Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden geschlossen werden (siehe dazu VwGH 25.06. 1990, 89/15/0063; VwGH 26.06.1990, 89/14/0185; VwGH 17.08.1994, 94/15/0016; VwGH 21.12.1999, 99/14/0041; VwGH 24.10.2000, 95/14/0090; Ritz, BAO4, § 9 Tz 6). Bei Inanspruchnahme der Haftung des Vertreters einer juristischen Person kommt es auch nicht darauf an, ob bzw. wann die Abgabenbehörde Exekutionsmaßnahmen zur Hereinbringung der offenen Abgabenforderungen gesetzt hat bzw. ob sie rechtzeitig einen Konkursantrag gestellt hat, sondern eben nur darauf, dass die Abgabenforderungen uneinbringlich geworden sind und dies die Folge der schuldhaften Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten ist (VwGH 30.03.1987, 86/15/0080; VwGH 27.02.2008, 2005/13/0100).

Hinsichtlich des Einwandes, bei Setzung effizienter Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Primärschuldnerin vor dem 1. April 2008 wäre kein berechtigter Abgabenanspruch verblieben, ist überdies anzumerken, dass der Fälligkeitstag sämtlicher in Haftung gezogener Abgaben nach diesem Zeitpunkt liegt.

5) Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit

Mit dem Einwand des Bw. im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung, er habe damals nicht gewusst bzw. verstanden, welche Konsequenzen die Übernahme der Geschäftsführertätigkeit für ihn habe, ist für ihn nichts zu gewinnen. Der Umstand, dass eine zum Geschäftsführer bestellte Person rechtsunkundig bzw. der deutschen Sprache nur mangelhaft mächtig ist, enthebt sie nicht von den sie treffenden Verpflichtungen, weil der Geschäftsführer einer GmbH nach der Rechtsprechung dafür einzustehen hat, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt (vgl. VwGH 17.05.2004, 2003/17/0134). Werden daher trotz Rechtsunkenntnis Erkundigungen unterlassen, liegt ein zumindest fahrlässiges Verhalten vor (vgl. VwGH 29.03.2007, 2005/15/0081 sowie VwGH 29.06.1999, 99/14/0128, mwN).

Soweit der Bw. zum Ausdruck brachte, dass Herr XX das Geschäft geführt habe und der "Chef" gewesen sei, was auch durch die namhaft gemachten Zeugen bestätigt hätte werden können, ist ihm entgegenzuhalten, dass auch die Bestellung eine "Geschäftsführers auf dem Papier" nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nichts an seiner Stellung als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten ändert (vgl. VwGH 26.08.2009, 2007/13/0024, mwN). Dass ein allenfalls zum Haftungsausschluss führender Fall der Agendenverteilung unter den handelsrechtlichen Geschäftsführern (vgl. Ritz, BAO4, § 9 Tz 23) vorgelegen wäre, geht aus den Ausführungen des Bw. indes nicht hervor.

Wie obig ausgeführt wurde, ist die Nichtentrichtung der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten objektiv als eine Verletzung der dem Bw. obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten anzusehen. Diese objektive Pflichtverletzung der Nichttilgung wäre dann nicht vorwerfbar, wenn der Primärschuldnerin zu den maßgeblichen Fälligkeitstagen überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung gestanden wären. Von der gänzlichen Illiquidität der Primärschuldnerin zu den Fälligkeitszeitpunkten ist aber schon deshalb nicht auszugehen, weil laut Akten bis einschließlich Juli 2009 sämtliche Löhne ausbezahlt wurden (unter anderem auch an den Bw.) und zumindest bis Mai 2009 Umsätze getätigt wurden. Da die Primärschuldnerin im Gastgewerbe tätig war (Betreibung einer Pizzeria) und in diesem Geschäftszweig die Vereinnahmung der Umsätze bei Leistungserbringung üblich ist, ist aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates zudem der Schluss zulässig, dass die Umsätze auch vereinnahmt wurden.

Der Bw. behauptet nun zwar nicht das Vorliegen einer gänzlichen Illiquidität der Primärschuldnerin zu den maßgeblichen Fälligkeitspunkten, wendet aber ein, das Finanzamt hätte zu prüfen gehabt, ob weitere Zahlungen deshalb unterblieben seien, weil ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz oder der Bevorrechtungsgrundsatz der Ab- und Aussonderungsberechtigten verletzt worden wäre.

Wie aus den Akten zu ersehen ist, ist eine Gleichbehandlung aller Gläubiger schon deshalb nicht erfolgt, weil im maßgeblichen Zeitraum (15.05.2008 bis 16.03.2009) sämtliche Löhne bezahlt wurden, der Abgabenrückstand im selben Zeitraum jedoch von 1.836,61 € auf 16.011,47 € angewachsen ist. Überdies spricht auch das Berufungsvorbringen, bei Setzung effizienter Vollstreckungsmaßnahmen wären die Abgabenverbindlichkeiten problemlos gänzlich einbringlich gewesen, gegen die tatsächliche Gleichbehandlung sämtliche Gläubiger. Aus den Akten ergibt sich auch kein Anhaltspunkt für das Bestehen von Ab- und Aussonderungsrechten.

Hinsichtlich der in Haftung gezogenen Lohnsteuern kommt überdies nach einhelliger Judikatur und Lehre (siehe dazu Ritz, BAO4, § 9 Tz 11d, sowie die dort angeführte Judikatur) der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung. Dies ergibt sich aus § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Bruttoarbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Hinsichtlich der übrigen in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten (Dienstgeberbeiträge, Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag, Körperschaftsteuern, Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge) liegt ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden dann vor, wenn der Vertreter Abgabenschulden des Vertretenen schlechter behandelt als die übrigen Verbindlichkeiten, die aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichen sind. Mangels rechnerischen Nachweises einer allfälligen quantitativen Unzulänglichkeit der zu den Fälligkeitszeitpunkten dieser Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel - auf diese Möglichkeit wurde in der Berufungsvorentscheidung, der insofern Vorhaltscharakter zukommt, hingewiesen - kommt auch diesbezüglich keine Einschränkung der Haftung auf jenen Betrag in Betracht, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat.

Bei schuldhafter Verletzung der Vertreterpflicht, für die Entrichtung der Abgaben aus den Mitteln des Vertretenen zu sorgen, darf die Abgabenbehörde überdies davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit ist.

6) Ermessen

Die Heranziehung zur Haftung ist eine Ermessensentscheidung, die im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bw. beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn verursacht wurde. Unter dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" ist das "öffentliche Interesse an der Einhebung der Abgaben" zu verstehen.

Eine seitens des Unabhängigen Finanzsenates vorgenommene Abfrage bei der Österreichischen Sozialversicherung ergab, dass der Bw. seit 23.06.2010 gewerblich selbständig erwerbstätig ist. Die Höhe seiner Einkünfte und seine Vermögensverhältnisse hat der Bw. zwar nicht bekannt gegeben; angesichts des Alters des Bw. (Jahrgang ZZ) und des Umstands, dass er Einkünfte bezieht, kann aber nicht von vorneherein von einer Unbilligkeit einer Haftungsinanspruchanspruchnahme ausgegangen werden.

Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt vor allem darin, dass nur durch diese Maßnahme überhaupt eine zumindest teilweise Einbringlichkeit der betreffenden Abgaben gegeben ist, und nur so dem öffentlichen Interesse an der Abgabenerhebung nachgekommen werden kann. Gesamthaft war daher in Ausübung des freien Ermessens dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse des Bw., nicht zur Haftung herangezogen zu werden, der Vorzug zu geben.

Gesamthaft war somit der Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 29. Februar 2012 in dem im Spruch genannten Umfang teilweise Folge zu geben.

II) Bescheidcharakter eines Rückstandsausweises

Gemäß § 229 BAO ist als Grundlage für die Einbringung über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden in erster Instanz erlassen, Berufungen zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 273 Abs.1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.

Der Bw. hat im Berufungsschriftsatz zu Recht ausgeführt, dass es sich bei einem Rückstandsausweis um keine Erledigung mit Bescheidcharakter handelt. Da gemäß § 243 BAO nur Bescheide mit Berufung anfechtbar sind, war die Berufung gegen diese Erledigung somit gemäß § 273 Abs. 1 lit. a leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO4, § 273 Tz 6 samt der dort angeführten Judikate).

III) Säumniszuschläge

Mit Bescheid vom 9. Juli 2008 wurden wegen Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 02/2008 in Höhe von 3.088,52 € und der Umsatzsteuer 03/2008 in Höhe von 2.636,91 € an den jeweiligen Fälligkeitstagen (gemäß § 210 Abs. 1 BAO iVm § 21 Abs. 1 UStG 1994 am 15.04.2008 bzw. am 15.05.2008) erste Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 114,51 € festgesetzt. Mit Bescheid vom 9. März 2009 wurde wegen Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 12/2008 in Höhe von 3.402,71 € am Fälligkeitstag (16.02.2009) ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 68,05 € festgesetzt. Aus den Akten ist zudem ersichtlich, dass es sich dabei um gemeldete Umsatzsteuer handelt.

Der mit Bescheid vom 9. März 2009 festgesetzte Säumniszuschlag ist nicht mehr vom vorliegenden Haftungsbescheid umfasst (siehe dazu Pkt. I. 3). Somit hat der Bw. seine Befugnis zur Anfechtung dieses Nebengebührenbescheides verloren und seine diesbezügliche Berufung ist gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig (geworden) zurückzuweisen (siehe dazu Ritz, BAO4, § 273 Tz 5).

Hingegen ist über die Berufung gegen den Bescheid vom 9. Juli 2008 - da der Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 29. Februar 2012 diesbezüglich nicht Folge gegeben wurde (siehe dazu Pkt. I) materiell abzusprechen (Ritz, BAO4, § 248 Tz 16 und § 273 Tz 4f).

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO) nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der Bestimmungen des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Betrages.

Für das Entstehen einer Säumniszuschlagspflicht ist allein maßgeblich, ob die objektiven Tatbestandsmerkmale - Nichtentrichtung einer Abgabe am Fälligkeitstag - erfüllt sind. Es genügt somit der Bestand einer formellen Abgabenzahlungsschuldigkeit unabhängig von der sachlichen Richtigkeit der Abgabenfestsetzung oder des Ergebnisses einer Selbstberechnung (vgl. Ritz, BAO4, § 217 Tz 2ff). Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht entrichtete Abgabenschuldigkeit. Da in der Berufung keine Gründe vorgebracht wurden, die gegen die objektive Säumnisfolge nach § 217 Abs. 1 und 2 BAO bzw. für eine Aufhebung des Säumniszuschlagbescheides sprechen würden, war die Berufung in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

IV) Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid

Mit Bescheid vom 18. September 2006 wurde die Körperschaftsteuer für das Jahr 2005 mit 1.750,00 € erklärungsgemäß veranlagt. Mit selben Datum wurde ein Bescheid erlassen, mit dem die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 2006 und die Folgejahre mit 1.750,00 € festgesetzt wurde.

Über diese dagegen erhobene Berufung ist - da der Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 29. Februar 2012 diesbezüglich nicht Folge gegeben wurde (siehe dazu Pkt. I) materiell abzusprechen (Ritz, BAO4, § 248 Tz 16 und § 273 Tz 4f).

Gemäß § 1 Abs. 1 KStG 1988 sind nur Körperschaften körperschaftsteuerpflichtig. Gemäß Abs. 2 Z 1 dieser Norm sind Körperschaften, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz (§ 27 der Bundesabgabenordnung) haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Als Körperschaften gelten juristische Personen des privaten Rechts.

Gemäß § 24 Abs. 4 Z 1 erster Satz KStG 1988 gilt für unbeschränkt steuerpflichtige inländische Kapitalgesellschaften und diesen vergleichbaren unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Körperschaften Folgendes:

Es ist für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5% eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (§ 7 des Aktiengesetzes 1965, § 6 des GmbH-Gesetzes und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294 vom 10.11.2001 S. 1) zu entrichten.

Außer Streit steht, dass es sich bei der Primärschuldnerin um eine GmbH handelte, dass sie ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Inland hatte und dass sie im Jahr der Erlassung des bekämpften Vorauszahlungsbescheides rechtlich existent und sogar operativ tätig war. Somit sind sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung der Mindestkörperschaftsteuer im Ausmaß von 1.750,00 € erfüllt. Mangels Erkennbarkeit einer Rechtswidrigkeit des gegenständlichen Bescheides war somit die Berufung auch in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

Feldkirch, am 19. Juli 2013

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 273 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 24 Abs. 4 Z 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988

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