VwGH 2007/13/0024

VwGH2007/13/002426.8.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veit-Gasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 17. Jänner 2007, GZ RV/1766- W/05, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. März 2004 nahm das Finanzamt die Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige gemäß § 9 Abs. 1 und § 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der H. GmbH im Ausmaß von EUR 104.581,74 (Umsatzsteuer 1994 in Höhe von EUR 54.553,83 sowie Umsatzsteuer 1995 in Höhe von EUR 50.027,91) in Anspruch. Zur Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei vom 9. März 1994 bis 10. Juni 1995 Geschäftsführerin der H. GmbH gewesen, wobei sie ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Die Uneinbringlichkeit der Abgaben - für die Jahre 1994 und 1995 sei die Umsatzsteuer festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, aber nicht entrichtet worden - bei der Primärschuldnerin stehe fest, weil die Gesellschaft nach Konkursaufhebung mangels Kostendeckung im Firmenbuch am 17. Oktober 2002 amtswegig gelöscht worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Aufgabe des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden abgaberechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe.

In der Berufung vom 5. April 2004 brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei richtig, dass sie in der Zeit vom 9. März 1994 bis zum 10. Juni 1995 als handelsrechtliche Geschäftsführerin der H. GmbH im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Die Gesellschaft sei "die Firma meines damaligen Gatten" gewesen. Dieser selbst sei jedoch nicht tätig geworden, soweit "mir erinnerlich" sei die Leitung vielmehr bei den "Herrn Dr. W., Herrn M. und Herrn O." gelegen gewesen. Ihr damaliger Ehemann habe sie Anfang 1994 ersucht, sich als handelsrechtliche Geschäftsführerin der neu gegründeten Gesellschaft in das Firmenbuch eintragen zu lassen. Er habe ihr diesbezüglich glaubhaft versichert, dass für sie damit keinerlei Rechte und Pflichten verbunden seien, sondern dass einfach nur "jemand im Firmenbuch stehen müsse". Sie habe für ihre "Tätigkeit", die sich auf das Leisten einiger Unterschriften auf den ihr von ihrem Ehemann vorgelegten Unterlagen beschränkt habe, keinerlei Entgelt empfangen. Da die Beschwerdeführerin damals auf Grund der Beteuerungen ihres Ehemannes kein Problem mit der Eintragung ihres Namens im Firmenbuch gesehen habe "und damals wahrscheinlich ohnehin alles für meinen Ex-Gatten getan hätte", habe die Beschwerdeführerin eingewilligt und einen Termin bei einem Notar vereinbart. Auch bei diesem Termin sei ihr nicht mitgeteilt worden, dass mit der Leistung der Unterschrift und Eintragung im Firmenbuch auch Pflichten verbunden gewesen wären. Diesbezüglich sei sie weder vom Notar noch von ihrem Ehemann noch vom Steuerberater der H. GmbH aufgeklärt worden. Die Beschwerdeführerin habe sich damals in Karenz mit ihrem dritten Kind befunden. Sie habe die Geschäftsräumlichkeiten der H. GmbH niemals betreten und weder die Buchhaltung noch sonstige Geschäftsunterlagen "jemals zu Gesicht bekommen". Eine Einsicht in die Unterlagen sei ihr auch niemals angeboten worden und "hätte ich auch mangels jeglicher kaufmännischer Ausbildung aus den Unterlagen keine Schlüsse ziehen können". Ihr Ehemann sowie dessen Steuerberater hätten der Beschwerdeführerin von Zeit zu Zeit mitgeteilt, dass das Unternehmen "gut laufe", womit für die Beschwerdeführerin die Sache "eigentlich erledigt" gewesen sei (sie habe ihrem "Ex-Gatten zu der damaligen Zeit blind vertraut"). In der Zeit ihrer Geschäftsführertätigkeit seien sämtliche Verbindlichkeiten der H. GmbH rechtzeitig bezahlt und keine Gläubiger benachteiligt worden. Die ihr nunmehr vorgeschriebenen Umsatzsteuernachzahlungen für die Jahre 1994 und 1995 seien erstmals im Zuge einer Betriebsprüfung im Jahr 1998 festgestellt worden. Zu der Zeit, als die Beschwerdeführerin noch als Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen gewesen sei, hätte ihr die Forderung des Finanzamtes gar nicht bekannt sein können. Im Oktober 1995 sei die Beschwerdeführerin von ihrem Ehemann geschieden und die "Löschung meines Namens" als Geschäftsführerin sei am 10. Juni 1995 in das Firmenbuch eingetragen worden. Wo sich ihr Ehemann derzeit aufhalte bzw. wer die bezughabenden Geschäftsunterlagen in Gewahrsam habe, könne sie nicht angeben. Sie habe damals ihrem damaligen Ehemann im blinden Vertrauen die Unterschrift geleistet. Wäre sie damals aufgeklärt worden, was es bedeute, als handelsrechtliche Geschäftsführerin in das Firmenbuch eingetragen zu sein, "hätte ich dies sicher niemals getan". Sie habe niemals mit dem operativen Geschäft der H. GmbH etwas zu tun gehabt. Daraus ergebe sich, dass sie lediglich auf dem "Papier" als Geschäftsführerin vorhanden gewesen sei und niemals Einblick in die Gebarung der Gesellschaft sowie die entstandenen Abgabenverpflichtungen gehabt habe. Zur Höhe der geforderten Abgabensumme sei auch auszuführen, dass sie im Jahr 1994 lediglich acht Monate und im Jahr 1995 lediglich fünf Monate als Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen gewesen sei, somit nicht für den gesamten Jahresrückstand zur Haftung herangezogen werden könne.

Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 5. August 2005 keine Folge. Der Abgabenrückstand sei bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Im Zeitraum 9. März 1994 bis 10. Juni 1995 sei kein zweiter Geschäftsführer oder Prokurist bestellt gewesen, sodass die gesamte Unternehmensführung der H. GmbH in den Händen und der Verantwortung der Beschwerdeführerin gelegen sei. Dass die Beschwerdeführerin die Tätigkeit als Geschäftsführerin laut Berufungsvorbringen niemals ordnungsgemäß ausgeübt habe, sei "als klassisches Beispiel der schuldhaften Pflichtverletzung der Geschäftsführertätigkeit anzusehen". Im Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin seien zu Unrecht Umsatzsteuerguthaben beantragt und refundiert worden, die den "heutigen Haftungsrückstand zu Folge hat". Mit Ausnahme einer einzigen Zahlung am 28. November 1994 seien die "Zahlungen" nur durch falsche Umsatzsteuervoranmeldungsgutschriften geleistet worden. Bei ordnungsgemäßer Überprüfung der Gebarung durch den Geschäftsführer (nur dieser habe die Rückzahlung dieser Guthaben beantragen können) hätte es damals keine "Malversationen in Bezug auf die Umsatzsteuer geben dürfen". Zu den Vorschreibungen (Streichung der zu Unrecht bezogenen Vorsteuer) werde auf die Möglichkeit der Bekämpfung der Grundlagenbescheide gemäß § 248 BAO verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 25. August 2005 stellte die Beschwerdeführerin einen - nicht weiter begründeten - Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

In einem (nach einem Wechsel in der steuerlichen Vertretung) ergänzenden Schriftsatz zum Vorlageantrag vom 13. Oktober 2005 machte die Beschwerdeführerin geltend, sie könne nur in der Zeit ihrer Geschäftsführung allenfalls ihre Pflichten gemäß § 9 Abs. 1 BAO verletzt und ungerechtfertigte Guthaben aus Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemacht haben. Wie dem Abgabenkonto der H. GmbH für den relevanten Zeitraum der Geschäftsführung durch die Beschwerdeführerin entnommen werden könne, könnte sie somit nur für die (im einzelnen aufgelisteten) Umsatzsteuergutschriften der Monate März 1994 bis März 1995 im Gesamtbetrag von S 939.113,-- als Haftungspflichtige in Anspruch genommen werden. Diese Umsatzsteuergutschriften seien im wiederaufgenommenen Verfahren mit Bescheid vom 11. Mai 1999 zurückgefordert worden, sodass allenfalls die Auffassung vertreten werden könnte, dass die Beschwerdeführerin durch die schuldhaft rechtswidrige Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen am Entstehen von Abgabenverbindlichkeiten mitgewirkt habe. Im "alleräußersten Fall" komme somit überhaupt nur eine Haftung für einen Betrag in Höhe von S 939.113,-- in Betracht. Aber auch dieser Betrag sei um einen Betrag von S 225.234,-- auf S 713.879,--

zu reduzieren, weil zum Zeitpunkt der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit der Beschwerdeführerin auf dem Abgabenkonto der H. GmbH ein Guthaben in Höhe von S 225.234,-- bestanden habe und die Beschwerdeführerin während der Zeit ihrer Geschäftsführung über dieses Guthaben nicht verfügt habe, somit auch an der späteren Entstehung entsprechender Abgabenverbindlichkeiten durch die Bescheide vom 11. Mai 1999 nicht mitgewirkt habe.

Aber auch hinsichtlich des Betrages von S 713.879,-- (entsprechend EUR 51.879,61) könne der Beschwerdeführerin keine schuldhafte Pflichtverletzung nach § 9 Abs. 1 BAO zur Last gelegt werden. Die Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum März 1994 bis März 1995 seien nämlich vom steuerlichen Vertreter der H. GmbH ausgearbeitet, unterfertigt und beim Finanzamt eingereicht worden. Bei der Betrauung eines Wirtschaftstreuhänders mit den laufenden steuerlichen Agenden treffe den Geschäftsführer aber an der Unrichtigkeit der Ausarbeitung und Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen nur dann ein Verschulden, wenn er seinen Auswahl- und Überwachungspflichten nicht nachgekommen sei. Eine derartige Verletzung von Auswahl- und Überwachungspflichten werde ausdrücklich bestritten und sei von der Abgabenbehörde im bisherigen Haftungsverfahren auch nicht behauptet worden. Der beauftragte Wirtschaftstreuhänder habe "trotz umfänglicher und richtiger Information über die Geschäftstätigkeit" der H. GmbH die Umsatzsteuervoranmeldungen für den relevanten Zeitraum (allenfalls) unrichtig erstellt, was allerdings nicht der Beschwerdeführerin als schuldhafte Pflichtverletzung zur Last gelegt werden könne. Sie habe darauf vertrauen können, dass der beauftragte Wirtschaftstreuhänder die Umsatzsteuervoranmeldungen richtig erstellen und beim Finanzamt einreichen werde.

In einer zweiten Ergänzung des Vorlageantrages vom 28. März 2006 brachte die Beschwerdeführerin vor, das im Schriftsatz vom 13. Oktober 2005 erstattete Tatsachenvorbringen sei dahingehend zu präzisieren, dass die relevanten Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum März 1994 bis März 1995 zwar von den dafür zuständigen Mitarbeitern der H. GmbH ausgearbeitet und von der Beschwerdeführerin bzw. "mit ihrem Wissen und Willen" von den Mitarbeitern der H. GmbH unterfertigt und beim Finanzamt eingereicht worden seien. Diese Ausarbeitung "sei jedoch unter Zugrundelegung entsprechender Auskünfte" des steuerlichen Vertreters der H. GmbH, nämlich der C. Wirtschaftstreuhand GmbH, vertreten durch den Prokuristen Mag. F., erfolgt. Mag. F. habe der Beschwerdeführerin ausdrücklich die Auskunft erteilt, dass von sämtlichen an die H. GmbH gelegten Eingangsrechnungen das Vorsteuerabzugsrecht geltend gemacht werden könne. Zum Beweis dieses Vorbringens werde die Vollmacht vom 23. März 2004 vorgelegt, nach der die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der H. GmbH die C. Wirtschaftstreuhand GmbH am 23. März 1994 mit der steuerlichen Vertretung beauftragt habe. Weiters würden die von der C. Wirtschaftstreuhand GmbH namens der H. GmbH ausgearbeiteten und unterfertigten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1994 und 1995 zum Beweis dafür vorgelegt, dass die C. Wirtschaftstreuhand GmbH - im Sinne der der Beschwerdeführerin erteilten Auskunft - eine Rechtsauffassung vertreten habe, wonach die H. GmbH von sämtlichen ihr erteilten Eingangsrechnungen das Vorsteuerabzugsrecht in Anspruch nehmen könne. Aus den vorgelegten Umsatzsteuererklärungen sei ersichtlich, dass in diesen (von geringfügigen Abweichungen abgesehen) genau diejenigen Vorsteuerbeträge geltend gemacht worden seien, die schon zuvor im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen der Jahre 1994 und 1995 geltend gemacht worden seien. Da die in Rede stehenden Umsatzsteuervoranmeldungen sohin auf Grund der ausdrücklichen Auskunft eines Wirtschaftstreuhänders unter Geltendmachung der haftungsgegenständlichen Vorsteuerbeträge erstellt worden seien, könne der Beschwerdeführerin eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO nicht angelastet werden. Nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage vertrete die Beschwerdeführerin zudem die Auffassung, dass die haftungsgegenständlichen Vorsteuerbeträge tatsächlich zu Recht geltend gemacht worden seien und somit die eine gegenteilige Rechtsauffassung zum Ausdruck bringenden Umsatzsteuerbescheide der H. GmbH für die Jahre 1994 und 1995 vom 11. Mai 1999 unrichtig seien. Mit Schriftsatz vom heutigen Tag sei die Beschwerdeführerin auch der Berufung gegen die in Rede stehenden Umsatzsteuerbescheide beigetreten. Selbst wenn aber die Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 der H. GmbH rechtsrichtig wären, wäre es doch eine vertretbare Rechtsansicht der Beschwerdeführerin gewesen, dass der H. GmbH das gegenständliche Vorsteuerabzugsrecht zugestanden sei. Dass es sich dabei um eine vertretbare Rechtsansicht gehandelt habe, ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass das (damals zuständige) Finanzamt für Körperschaften für den Großteil des hier relevanten Zeitraumes, nämlich für die Monate Juli 1994 bis Juni 1995 im Jahr 1996 eine UVA-Prüfung vorgenommen und "das streitverfangene Vorsteuerabzugsrecht (von einem Kleinbetrag abgesehen) voll inhaltlich anerkannt hat" (zum Beweis dieses Vorbringens werde die Niederschrift vom 3. Juli 1996 über das Ergebnis dieser UVA-Prüfung vorgelegt). Naturgemäß seien dem Finanzamt für Körperschaften anlässlich der UVA-Prüfung sämtliche Belege, sohin die Eingangs- und Ausgangsrechnungen des relevanten Zeitraumes, vorgelegen. Wenn das Finanzamt für Körperschaften damals das Vorsteuerabzugsrecht bejaht habe, dann müsse darin zumindest eine vertretbare Rechtsansicht erblickt werden, die ein Verschulden der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 1 BAO ausschließe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als der Haftungsbetrag auf EUR 50.947,65 (anstatt EUR 104.581,74) eingeschränkt wurde. Es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführerin als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführerin der H. GmbH laut Eintragung im Firmenbuch vom 9. März 1994 bis 10. Juni 1995 die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten diese Gesellschaft oblegen sei. Auch die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben stehe auf Grund des Konkursverfahrens fest. Im Fall der Uneinbringlichkeit der Abgaben sei es im Haftungsverfahren Sache des Geschäftsführers, darzulegen, weshalb er nicht für die rechtzeitige Entrichtung der anfallenden Abgaben gesorgt habe, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen dürfe.

Dem Vorbringen, dass sich die Tätigkeit der Beschwerdeführerin auf das Leisten einiger Unterschriften auf den ihr von ihrem Ehemann vorgelegten Unterlagen beschränkt habe, sei entgegenzuhalten, dass es für das Verschulden im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht maßgeblich sei, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt habe. Der vertretungsbefugte Geschäftsführer werde von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht dadurch befreit, dass die Geschäftsführung (sei es auf Grund eigenen Willensentschlusses oder über Einflussnahme von Dritten) anderen Personen zustehe und der Geschäftsführer seiner Kontrollrechte beraubt sei. Während der Zeit der Geschäftsführerfunktion der Beschwerdeführerin seien - näher aufgelistete - Abgabenbeträge zurückbezahlt bzw. über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zu Gunsten anderer Abgabengläubiger übertragen worden.

Auch sei der Beschwerdeführerin entsprechend dem Vorbringen in der Eingabe vom 13. Oktober 2005 die ungerechtfertigte Geltendmachung von Umsatzsteuergutschriften, welche mit Bescheiden vom 11. Mai 1999 zurückgefordert worden seien, zum Vorwurf zu machen, weil den Rechnungsausstellern laut Niederschrift vom 3. Juli 1996 über das Ergebnis der UVA-Prüfung "infolge Erfüllung der Aufträge weder auf eigenes Risiko noch weisungsfrei in den Geschäftsräumlichkeiten der H. GmbH unter Aufsicht eines Bevollmächtigten die Unternehmereigenschaft" gefehlt und zudem die von der Gesellschaft erzielten Erlöse laut Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 22. März 1999 als Provisionen für Wertpapiergeschäfte unecht befreite Umsätze dargestellt hätten, in deren Zusammenhang gemäß § 12 Abs. 3 UStG ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei. Entgegen der in der Eingabe vom 13. Oktober 2005 ermittelten Höhe der insgesamt zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuer von S 939.113,-- betrage diese jedoch lediglich S 926.289,--, weil die ursprünglich mit Umsatzsteuervoranmeldung für März 1994 geltend gemachte Vorsteuer mit Bescheid vom 20. Juni 1994 vermindert worden sei. Dieser Betrag sei entsprechend den Ausführungen in der Eingabe vom 13. Oktober 2005 mangels Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin um den Betrag von S 225.234,-- auf den offenen Haftungsbetrag von S 701.055,-- (EUR 50.947,65) zu vermindern gewesen.

Die aus der ungerechtfertigten Geltendmachung der Vorsteuer resultierenden Nachforderungen seien mit den Bescheiden vom 11. Mai 1999 festgesetzt worden, sodass die Behörde von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen habe. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ihr die objektive Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens (ungerechtfertigte Geltendmachung der Vorsteuer mit Umsatzsteuervoranmeldungen für März 1994 bis März 1995) subjektiv nicht vorwerfbar sei, weil die in Rede stehenden Voranmeldungen auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht bzw. der ausdrücklichen Auskunft eines Wirtschaftstreuhänders erstellt worden seien, sei zu erwidern, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Abgabe der Voranmeldungen bei Aufwendung der zu fordernden Sorgfalt die Unrichtigkeit des Vorsteuerabzuges auf Grund des Fehlens der Unternehmereigenschaft der Rechnungsaussteller (insbesondere weil diese ihre Tätigkeiten in den Geschäftsräumlichkeiten der H. GmbH unter Aufsicht eines Bevollmächtigten weder weisungsfrei noch auf eigenes Risiko ausgeübt hätten) und wegen des zusätzlichen Vorliegens unecht befreiter Umsätze "sehr wohl" hätte erkennen können. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin seien in der als Beilage vorgelegten Niederschrift vom 3. Juli 1996 über das Ergebnis der UVA-Prüfung auch die Feststellungen hinsichtlich des Fehlens der Unternehmereigenschaft der Rechnungsaussteller und der daraus resultierenden Unzulässigkeit des Vorsteuerabzuges getroffen worden.

Dem Einwand, der Beschwerdeführerin sei eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht anzulasten, weil die Umsatzsteuervoranmeldungen auf Grund der ausdrücklichen Auskunft eines Wirtschaftstreuhänders - "bei umfänglicher und richtiger Information über die Geschäftstätigkeit" der H. GmbH - erstellt worden seien, sei "ebenso wie dem Hinweis auf eine vertretbare Rechtsansicht" entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführerin nach dem - schon wegen der detaillierten Darlegung der Umstände ihrer Bestellung zum Geschäftsführer zu folgenden - Vorbringen in der Berufung von ihrem Ehemann sowie dessen Steuerberater lediglich von Zeit zu Zeit mitgeteilt worden sei, "dass die Firma gut laufe", womit für die Beschwerdeführerin die Sache erledigt gewesen sei. Da die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in der Berufung die Geschäftsräumlichkeiten niemals betreten habe, weder die Buchhaltung noch sonstige Geschäftsunterlagen jemals zu Gesicht bekommen habe und niemals mit dem operativen Geschäft der H. GmbH beschäftigt gewesen sei, habe diese auch nicht - sondern allenfalls der faktische Geschäftsführer - einem Rechtsirrtum hinsichtlich der Zulässigkeit des Vorsteuerabzuges unterlegen sein können. Vielmehr habe sich die Beschwerdeführerin wegen der glaubhaften Versicherung durch ihren Ehemann im Rechtsirrtum darüber befunden, dass für die Beschwerdeführerin mit der Bestellung und Eintragung in das Firmenbuch als Geschäftsführerin keinerlei Konsequenzen verbunden seien. Dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der mit ihrer Bestellung als Geschäftsführerin verbundenen Pflichten einem Rechtsirrtum unterlegen sei, könne sie im Hinblick darauf, dass sie mit der Übernahme der Geschäftsführung auch verpflichtet sei, sich mit den ihr zustehenden Rechten und Pflichten entsprechend vertraut zu machen, nicht entschuldigen. Dass die Umsatzsteuernachzahlungen für die Jahre 1994 und 1995 erstmals im Zuge einer Betriebsprüfung im Jahr 1998 festgestellt worden seien, könne an der Haftung nichts ändern, weil die Pflichtverletzung nach dem Zeitpunkt zu beurteilen sei, in dem die Abgaben selbst zu berechnen und abzuführen gewesen wären. Auch in Ausübung des eingeräumten Ermessens sei die Inanspruchnahme zur Haftung für die unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der H. GmbH im Ausmaß von EUR 50.947,65 gerechtfertigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, auf die die Beschwerdeführerin repliziert hat, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iS des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf; den Vertreter trifft dabei eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht (vgl. für viele z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2004, 99/14/0120, vom 26. Juni 2007, 2006/13/0086, und vom 23. Juni 2009, 2007/13/0005, 0006 und 0007).

Dass die Bestellung eines "Geschäftsführers auf dem Papier" an seiner Stellung als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten nicht das Geringste ändert, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 13. April 2005, 2001/13/0190, und vom 27. Februar 2008, 2005/13/0084). Das Einverständnis, nur formell bzw. nur auf dem Papier als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, befreit nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 2004, 99/14/0278, vom 29. März 2007, 2005/15/0081, und vom 28. November 2007, 2007/15/0164). Als bestellter Geschäftsführer hat er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 2002, 96/14/0076, und vom 13. April 2005, 2001/13/0190; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2006/14/0044, mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung war es offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin sich mit dem in der Berufungsschrift erstatteten Vorbringen, sie sei lediglich auf dem "Papier" als Geschäftsführerin "vorhanden" gewesen, habe ihrem "Ex-Gatten" damals blind vertraut und weder die Buchhaltung noch sonstige Geschäftsunterlagen "jemals zu Gesicht bekommen" (die Geschäftsräumlichkeiten auch niemals betreten), nicht von der Vertreterhaftung nach § 9 Abs. 1 BAO befreien konnte.

Erst in den zum Vorlageantrag vom 25. August 2005 erstatteten ergänzenden Schriftsätzen vom 13. Oktober 2005 und vom 28. März 2006 modifizierte die Beschwerdeführerin ihre Verantwortung dahingehend, dass ihr keine Verletzung der Auswahl- und Überwachungspflichten hinsichtlich des mit der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen beauftragten Wirtschaftstreuhänders anzulasten sei. Sie erläuterte allerdings nicht, weshalb sie bei dem lt. Berufung eingestandenen Fehlen "jeglicher kaufmännischer Ausbildung" die erwähnten Pflichten überhaupt wahrzunehmen in der Lage gewesen wäre oder auch für eine "umfängliche und richtige Information über die Geschäftstätigkeit" hätte sorgen können. Weshalb es lt. Beschwerde bei dem in der Berufung geschilderten Verständnis der Beschwerdeführerin über ihre Funktion als bloß formelle Geschäftsführerin (die sich u.a. auf das Leisten einiger Unterschriften auf den ihr vom Ehemann vorgelegten Unterlagen beschränkt habe) wegen des Vorbringens in der "zweiten Ergänzung des Vorlageantrages vom 28. März 2006", wonach die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuervoranmeldungen der H. GmbH "selbst unterfertigt" habe, "wohl nahe liegend" gewesen wäre, dass sie sich "beim beauftragten Steuerberater auch nach dem Zustehen der ausgewiesenen, teilweise nicht unbeträchtlichen Guthaben erkundigt habe", macht die Beschwerde nicht einsichtig. Schon aus diesem Grund geht die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge ins Leere, die belangte Behörde hätte im Rahmen der amtswegigen Sachverhaltsermittlung den seinerzeit beauftragten Wirtschaftstreuhänder als Zeugen dahingehend vernehmen müssen, welche Auskünfte dieser der Beschwerdeführerin damals erteilt habe. Dass die Beschwerdeführerin einen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt hätte, wird im Übrigen auch in der Beschwerde nicht behauptet, in der außerdem der konkrete Inhalt der angesprochenen Auskunftserteilung nicht dargestellt wird.

Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2008, 2004/13/0142). Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen. Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 2007, 2004/13/0073, sowie vom 23. Juni 2009, 2007/13/0005, 0006 und 0007). Ein nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum wird durch den bloßen Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung im Übrigen noch nicht dargetan (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 23. April 2008, mwN).

Abgesehen davon, dass auch in diesem Zusammenhang in der Beschwerde nicht plausibel gemacht wird, weshalb die Beschwerdeführerin bei der in der Berufung dargestellten "Geschäftsführung auf dem Papier" in Hinblick auf das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die gebotene Sorgfalt nicht außer Acht gelassen hätte, wurde dazu auch in den ergänzenden Schriftsätzen vom 13. Oktober 2005 und 28. März 2006 nicht dargelegt, worin die von der Beschwerdeführerin oder der steuerlichen Vertretung in Bezug auf den Vorsteuerabzug als vertretbar angesehene Rechtsauffassung (die allenfalls auch vom Finanzamt im Rahmen einer UVA-Prüfung 1996 nicht beanstandet worden wäre) konkret bestanden hätte. Soweit dazu in der Replik zur Gegenschrift darauf hingewiesen wird, die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren noch keine diesbezüglichen Ausführungen machen können, weil ihr bis zu dessen Abschluss unklar gewesen sei, auf Grund welcher Ausführungen die belangte Behörde die Bejahung des Zustehens des Vorsteuerabzugsrechts als unvertretbare Rechtsansicht qualifiziere (erstmals finde sich im angefochtenen Bescheid der Hinweis auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung der Betriebsprüfung vom 22. März 1999, wonach die H. GmbH Provisionen für Wertpapiergeschäfte und damit unecht steuerbefreite Umsätze erzielt habe, die zum Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts führen würden), kann ihr nicht gefolgt werden. Bereits in der Berufungsschrift wies nämlich selbst die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die vorgeschriebenen Umsatzsteuernachzahlungen für die Jahre 1994 und 1995 aus der "Betriebsprüfung im Jahr 1998" (die zur Schlussbesprechung vom 22. März 1999 führte) resultierten und auch im zweiten Ergänzungsschriftsatz zum Vorlageantrag vom 28. März 2006 erwähnte die Beschwerdeführerin eine von ihr gegen die Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 vom 11. Mai 1999 gemäß § 248 BAO eingebrachte Berufung, ohne auf die gegebenenfalls von ihr in Bezug auf die Vorsteuerabzugsberechtigung als vertretbar angesehene Rechtsansicht näher einzugehen. Die erstmals in der Replik zur Gegenschrift enthaltenen Ausführungen in Richtung bestimmter Angaben zu einer als vertretbar angesehenen Rechtsauffassung (so habe es sich bei den Umsätzen der H. GmbH nicht um Provisionen für Wertpapiergeschäfte gehandelt, sondern um Entgelte aus Marketingleistungen für ausländische Auftraggeber) sind damit auch schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. August 2009

Stichworte