UFS RV/0130-I/12

UFSRV/0130-I/1225.9.2012

Kein Familienbeihilfenanspruch bei fehlendem Nachweis über das Bestehen einer dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/16/0013 eingebracht. Mit Erk. v. 25.9.2013 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zl. RV/3100441/2013 erledigt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die als Beschwerde bezeichnete Berufung des Bw, Adr, vom 24. Jänner 2012 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 10. Jänner 2012 betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (im Folgenden kurz als Bw bezeichnet) stellte am 23. November 2011 einen Eigenantrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe sowie auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab Jänner 2006.

Das Finanzamt wies die Anträge nach Einholung einer Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen mit Bescheid vom 10. Jänner 2012 ab. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe lägen nicht vor. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 40% und der Bw sei nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Mit Eingabe vom 24. Jänner 2012 wurde dagegen Berufung erhoben. Begründend führte der Bw aus, dass die Behörde unberücksichtigt lasse, dass er am 4. Jänner 2012 beim Bundessozialamt eine Niederschrift zu Protokoll gegeben habe, in welcher er sich mit der Einschätzung von nur 40 % nicht einverstanden erklärt habe, weil weitere für eine derartige Einschätzung relevante Leiden nicht berücksichtigt worden seien. Es sei in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar, wieso insbesondere die anlässlich der Niederschrift vorgelegte Bestätigung seines langjährigen Psychotherapeuten, D., vom 24. Oktober 2011 in Ergänzung zur Untersuchung am 7. Dezember 2012 (gemeint wohl 2011) im Nachhinein in keiner Weise Berücksichtigung gefunden habe.

In dieser Bestätigung werde nach Schilderung seines jahrelangen Leidensweges als Missbrauchsopfer in verschiedenen Kinder- und Jugendheimen sowie der daraus resultierenden Primärfolgen (Gedächtnis-, Konzentrations- und Sprachstörungen) und Sekundärfolgen diagnostisch eine nach wie vor gegebene dissoziale Persönlichkeitsstörung sowie eine weiter latent vorhandene Alkoholabhängigkeit konstatiert.

Gleichzeitig legte der Bw einen neurologischen Befundbericht der X. vom 12. Dezember 2011 vor und führte hierzu aus, dass er auch an symptomatischer Epilepsie leide. Diese Leiden hätten schon bei der Erstellung des Gutachtens des Bundessozialamtes mitberücksichtigt werden müssen.

Am 16. April 2012 legte der Bw eine Kopie des ihm am gleichen Tag gemäß § 40 Bundesbehindertengesetzes ausgestellten Behindertenpasses samt einem Untersuchungsbefund vom 19. März 2012 vor, mit welchem beginnend mit März 2012 ein Behinderungsgrad von 60% festgestellt wurde.

Der Unabhängige Finanzsenat forderte den Bw mit Schreiben vom 9. Juli 2012 unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen nochmals auf, alle relevanten ärztlichen Behandlungsunterlagen und Befunde aus dem Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorzulegen.

In der Folge legte der Bw ein Schreiben der I. vom 26. Juli 2012 mit Auszügen aus dem Krankenakt der L. aus dem Zeitraum vom 20. April bis 30. Juni 1972 und vom 12. September 1973 bis 5. November 1973 vor. Am 6. August 2012 wurde ein weiteres Schreiben mit Auszügen aus dem Akt des S. vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch vor Vollendung des 27. Lebensjahres (ab. 1. Juli 2011: 25. Lebensjahr), eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Gemäß § 8 Abs. 4 iVm Abs. 7 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um 138,30 €.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich somit, dass der Bezug der Familienbeihilfe die Grundvoraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung ist (vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 20). Steht die Familienbeihilfe mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen oder wegen eines Ausschlussgrundes nicht zu, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht gewährt werden.

Im vorliegenden Fall kommt es daher darauf an, ob der am 22. November 1958 geborene, fast 54jährige Bw wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dieser Umstand bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.

Das Finanzamt hat dem § 8 Abs. 6 FLAG 1967 entsprechend eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen eingeholt. Das dieser Bescheinigung zugrunde liegende fachärztliche Gutachten führt als Diagnose aus:

"Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit
Richtsatzposition: 030801 Gdb: 030% ICD: F10.0
Rahmensatzbegründung:
Unterer Rahmensatz, da ärztliche, aber keine medikamentöse Therapie betrieben, sozial gut integriert.

Fokal mot. und generalisierte Epilepsie
Richtsatzposition: 041001 Gdb: 030% ICD: G40.2
Rahmensatzbegründung:
Mittlerer Rahmensatz, da Anfälle innerhalb von Monaten, regelmäßige Therapie

Gesamtgrad der Behinderung: 40 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine(1) Stufe, wegen ungünstiger Leidensbeeinflussung erhöht.
Der (Die) Untersuchte ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen."

Der Anamnese ist ein Alkohol- und Benzodiazepinmissbrauch seit 2004, Epilepsie seit 2008 und eine Lendenwirbelsäulen-OP im Jahr 2007 zu entnehmen.

Eine Untersuchung am 19. März 2012, welche zur Ausstellung eines Behindertenpasses nach § 40 Bundesbehindertengesetz führte, kommt zu folgendem Ergebnis:

"

Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
zu 1: Unterer Rahmensatz, in den letzten Monaten vermehrte große Anfälle trotz medikamentöser Therapie, berichtete kleinere Anfälle auch in der Nacht

zu 2: Oberer Rahmensatz, nach Entzugsbehandlung im Vorjahr bereits wieder Rückfall, nächster stationärer Entzug bereits geplant, ausreichende soziale Integration gegeben

zu 3: Fixer Rahmensatz, mittel- bis hochgradiger Hörverlust beidseits bei 50 % Hörverlust und Ohrgeräusch beidseits

zu 4: Unterer Rahmensatz, nach Operation ausreichende Funktion erzielbar, derzeit stabile Situation

zu 5: Unterer Rahmensatz, fehlende klinische Beeinträchtigung

Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.

Begründung: Es besteht eine negative wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen dem führenden Leiden und Leiden 2, Leiden 3 - 5 erhöhen wegen fehlender Leidensbeeinflussung bzw. wegen Geringfügigkeit nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den beigelegten Krankengeschichten bzw. Befunden diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen GdB.:
Es können nur die Folgen von Missbrauch berücksichtigt werden, nicht der Missbrauch an sich.

Der Gesamtgrad der Behinderung liegt vor seit: 03/12
Eine rückwirkende Bestätigung des GdB über den angeführten Zeitpunkt hinaus ist nicht möglich.

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Erneuter Rückfall bei chronischer Alkoholerkrankung und wiederholte Epilepsiege-schehen in den letzten Wochen zeigen eine deutliche Verschlechterung der führenden Leiden und erfordern damit eine höher Einstufung"

Das letztgenannte Untersuchungsergebnis, welches nunmehr auch die vom Bw in seiner Berufung angeführten zusätzlichen Leiden enthält, zeigt eine Ergänzungsbedürftigkeit der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 9. Jänner 2012 dennoch nicht auf. Es bezieht sich ausdrücklich auf den Zeitraum ab März 2012 und enthält weder Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres, noch zum jetzigen Zeitpunkt. Darüber hinaus lagen offensichtlich zumindest die Leiden 1, 3 und 4 vor Vollendung des 21. Lebensjahres noch gar nicht vor. Verschlechterungen des Gesundheitszustandes (etwa auch durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres können aber für die Beurteilung des Familienbeihilfenanspruches nicht herangezogen werden.

Der Nachweis betreffend die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in einem qualifizierten Verfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen (vgl. zB VwGH 26.05.2011, 2011/16/0059)

Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. UFS 30.12.2012, RV/0309-I/11).

Abgesehen davon, dass nach dem maßgeblichen Gutachten noch im Dezember 2011 keine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt worden ist, liegt der entscheidungsrelevante Zeitpunkt mehr als 32 Jahre zurück. Die Beurteilung eines lange zurückliegenden Sachverhaltes bereitet vor allem in jenen Fällen besondere Schwierigkeiten, in denen ein entsprechendes Krankheitsbild - im Gegensatz zu beispielsweise unfallbedingten körperlichen Beeinträchtigungen - in unterschiedlichen Ausprägungen und unterschiedlicher Schwere bestehen kann. In derartigen Fällen kann auch ein medizinischer Sachverständiger lediglich aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden, in Verbindung mit seinem spezifischen Fachwissen Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt nun tatsächlich eine erhebliche Behinderung oder die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, eingetreten ist (vgl. UFS aaO).

Insbesondere beim vorliegenden Sachverhalt einer Alkoholabhängigkeit (es finden sich keine Anhaltspunkte, dass die Epilepsie, die Einschränkung des Hörvermögens, die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und die chronische Hepatitis bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahr bestanden hätten), bei dem Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit in unterschiedlichster Ausprägung vorliegen können, wäre es Sache des Bw gewesen, durch Vorlage entsprechender Beweismittel den Sachverständigen in die Lage zu versetzen, eine verlässliche Beurteilung im relevanten Zeitpunkt (1979) vorzunehmen zu können. Auf die Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Beweismittel ("sämtliche Behandlungsunterlagen") wird im Antragsformular (Vordruck Beih 3) auch deutlich hingewiesen.

Wie aus dem Gutachten hervorgeht, hat der Bw lediglich einen Befund der P. vom 7. Dezember 2011 vorgelegt. Der im Rahmen der Berufung vorgelegte neurologische Befundbericht vom 12. Dezember 2011 bezieht sich, abgesehen vom Hinweis auf den seit über 30 Jahren bestehenden Alkoholabusus, ebenfalls nur auf den aktuellen Zeitraum.

In diesem Zusammenhang darf auch auf den Beschluss des OGH vom 19. September 2000, Zl. 10ObS240/00t, verwiesen werden, worin der Gerichtshof zu einer vergleichbaren Rechtslage im Bereich der Invaliditätspension ausgeführt hat, dass im Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit zu erörtern und zu klären sei, inwieweit "ein bei aufbieten allenfalls auch großer Anstrengung noch beherrschbarer Fall von chronischem Alkohol- und Suchtgiftmissbrauch vorliegt oder ob der Missbrauch bereits zu einer abnormen Persönlichkeitsstruktur und zu einer unbeherrschbaren Sucht geführt hat, die eine willensmäßige Beeinflussung und eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ausschließt". Auch diesen Ausführungen liegt das Wissen zu Grunde, dass Drogen- als auch Alkoholabhängigkeit nicht in jedem Fall zwangsläufig zu einer dauernden Erwerbsunfähigkeit führt bzw. führen muss.

Das Schreiben der I. vom 24. Oktober 2011 mit der persönlichen Einschätzung des Verfassers, dass bereits damals (wie heute) neben der Alkoholabhängigkeit auch eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorgelegen hätte, findet in den aktuellen Befunden, als auch im Ergebnis der Untersuchung vom 19. März 2012, das nach dem Bw offensichtlich alle seine Leiden beinhaltet, keine Bestätigung und vermag daher eine Ergänzungsbedürftigkeit des dem Abweisungsbescheid des Finanzamtes zugrunde liegenden fachärztlichen Gutachtens nicht aufzuzeigen. Abgesehen davon, dass der Bw dem Verfasser auch erst seit 2005 bekannt ist, wäre selbst bei Zutreffen dieser Beurteilung noch nicht gesagt, dass gleichzeitig auch eine (dauernde) Erwerbsunfähigkeit vorgelegen hat.

Auch in den Auszügen aus dem Krankenakt des Bw betreffend seiner Aufenthalte als 14- bzw. 15jähriger Jugendlicher in der L. finden sich keine Anhaltspunkte für eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Das Verhalten des Bw gegenüber seinen Erziehungsberechtigten - aus welchem Grund auch immer - allein, vermag den Eintritt einer dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht nachzuweisen bzw. das Ergebnis des Gutachtens vom 8. Jänner 2012 nicht in Zweifel zu ziehen

Das gleiche gilt hinsichtlich des Schreibens vom 6. August 2008 mit Auszügen aus dem Akt des S..

Hinzu kommt, dass der Bw laut Versicherungsdatenauszug bis dato immer wieder Arbeitslosengeld bezogen hat. Nach § 7 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld unter anderem unter der Voraussetzung, dass die betroffene Person arbeitsfähig und arbeitswillig ist. Nach § 8 Abs. 1 ALVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid bzw. nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass die zuständigen Stellen in jahrelanger Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen Arbeitslosengeld gewährt hätten, wenn der Bw tatsächlich nicht arbeitsfähig gewesen wäre. Somit stützt auch diese Tatsache die in der Bescheinigung des Bundessozialamtes getroffene Feststellung, dass keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass keine Bescheinigung vorliegt, die bestätigt, dass der Bw bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung dauernd außerstande gewesen wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine solche Bescheinigung ist aber die unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 iVm Abs. 2 lit. d FLAG 1967.

Die Vorbringen des Bw sind nicht geeignet, die Schlüssigkeit der vom Finanzamt eingeholten Bescheinigung und des ihr zu Grunde liegenden Gutachtens in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Hierzu hätte es der Vorlage entsprechender zeitpunktbezogener Beweismittel bedurft (vgl. VwGH 22.12.2011, 2009/16/0307, VwGH 29.9.2011, 2011/16/0063).

Da die Voraussetzungen für den Anspruch auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe nicht vorliegen, besteht auch kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 wegen erheblicher Behinderung.

Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 lit. a bis c und Abs. 5 FLAG 1967, wozu das Finanzamt in seinem Abweisungsbescheid keine Feststellungen getroffen hat, braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 25. September 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 6 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967

Verweise:

VwGH 26.05.2011, 2011/16/0059
UFS 30.12.2012, RV/0309-I/11
OGH, 10ObS240/00t
VwGH 22.12.2011, 2009/16/0307
VwGH 29.09.2011, 2011/16/0063

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