UFS RV/2301-W/11

UFSRV/2301-W/1130.3.2012

Haftung nach § 11 BAO; teilweise Stattgabe wegen lange verstrichtener Zeit zwischen Abschluss des Strafverfahrens und Erlassung des Haftungsbescheides

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung von Herrn A.B., Adresse, vertreten durch Mag. Martin Stoiber, Steuerberater, 1180 Wien, Währinger Straße 121/5, vom 17. Juni 2011 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom 20. Mai 2011 betreffend Haftung gemäß § 11 BAO nach der am 27. März 2012 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, in Anwesenheit des A.B., des steuerlichen Vertreters Mag. Martin Stoiber und des Vertreters des Finanzamtes Wien 1/23, HR Dr. A., im Beisein der Schriftführerin durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insoweit abgeändert, als die Haftungsbeträge mit einem Gesamtbetrag von € 63.916,20 wie folgt festgesetzt werden: Umsatzsteuer 02/2005 in Höhe von € 39.152,70, Umsatzsteuer 03/2005 in Höhe von € 17.279,97, Dienstgeberbeiträge 11/2004 in Höhe von € 2.315,95, Dienstgeberbeiträge 12/2004 in Höhe von € 1.215,02, Dienstgeberbeiträge 01/2005 in Höhe von € 1.155,25, Dienstgeberbeiträge 02/2005 in Höhe von € 1.036,79, Dienstgeberbeiträge 03/2005 in Höhe von € 1.149,64, Dienstgeberzuschläge 11/2004 in Höhe von € 205,86, Dienstgeberzuschläge 12/2004 in Höhe von € 108,00, Dienstgeberzuschläge 01/2005 in Höhe von € 102,69, Dienstgeberzuschläge 02/2005 in Höhe von € 92,15 sowie Dienstgeberzuschläge 03/2005 in Höhe von € 102,19.

II. Die Haftung für die Differenzbeträge an Umsatzsteuer 02/2005 in Höhe von € 13.050,90, Umsatzsteuer 03/2005 in Höhe von € 5.759,99, Dienstgeberbeiträge 11/2004 in Höhe von € 771,98, Dienstgeberbeiträge 12/2004 in Höhe von € 405,01, Dienstgeberbeiträge 01/2005 in Höhe von € 385,08, Dienstgeberbeiträge 02/2005 in Höhe von € 345,60, Dienstgeberbeiträge 03/2005 in Höhe von € 383,21, Dienstgeberzuschläge 11/2004 in Höhe von € 68,62, Dienstgeberzuschläge 12/2004 in Höhe von € 36,00, Dienstgeberzuschläge 01/2005 in Höhe von € 34,23, Dienstgeberzuschläge 02/2005 in Höhe von € 30,72 sowie Dienstgeberzuschläge 03/2005 in Höhe von € 34,06, somit von gesamt € 21.305,40 wird aufgehoben.

III. Darüber hinaus wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom 20. Mai 2011 wurde A.B. (in der Folge: Bw.) als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma AB-GmbH, Adresse-2 (kurz: A-GmbH), im Ausmaß von € 85.221,60, nämlich Umsatzsteuer 02/2005 in Höhe von € 52.203,60, Umsatzsteuer 03/2005 in Höhe von € 23.039,96, Dienstgeberbeiträge 11/2004 in Höhe von € 3.087,93, Dienstgeberbeiträge 12/2004 in Höhe von € 1.620,03, Dienstgeberbeiträge 01/2005 in Höhe von € 1.540,33, Dienstgeberbeiträge 02/2005 in Höhe von € 1.382,39, Dienstgeberbeiträge 03/2005 in Höhe von € 1.532,85, Dienstgeberzuschläge 11/2004 in Höhe von € 274,48, Dienstgeberzuschläge 12/2004 in Höhe von € 144,00, Dienstgeberzuschläge 01/2005 in Höhe von € 136,92, Dienstgeberzuschläge 02/2005 in Höhe von € 122,86 sowie Dienstgeberzuschläge 03/2005 in Höhe von € 136,25

in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung zu entrichten.

Als Begründung wurde ausgeführt, dass der Bw. mit Straferkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 vom 12. April 2007, Strafnummer 001, wegen Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz (FinStrG) zu einer Geldstrafe von € 18.000,00 verurteilt worden sei, weil er vorsätzlich als Geschäftsführer der Firma A-GmbH, Adresse-2, einen Gesamtbetrag in Höhe von € 161.177,55, nämlich:

a) die Lohnsteuer für die Zeiträume 11/2004 bis 03/2005 in Höhe von € 26.801,90 nicht spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet habe;

b) die Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Zeiträume 11/2004 bis 03/2005 in Höhe von € 9.978,04 nicht spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet habe;

c) die Umsatzsteuer für die Zeiträume 10-12/2004 in Höhe von € 33.843,28 und die Umsatzsteuer für die Zeiträume 1-3/2005 in Höhe von € 90.554,33 nicht spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet habe.

Dieses Straferkenntnis sei am 17. Jänner 2008 in Rechtskraft erwachsen. Diese o.a. Abgabenrückstände haften noch mit einem Betrag in Höhe von € 85.221,60 unberichtigt aus.

Die im Rückstand ausgewiesenen Selbstbemessungsabgaben seien nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt. Die darin enthaltenen Umsatzsteuern seien dem Finanzamt Wien 1/23 gemeldet (siehe beiliegende Kopien der Umsatzsteuervoranmeldungen) und bisher nicht in voller Höhe entrichtet worden.

Zu den im Rückstand enthaltenen bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgaben seien dem Bw. die an die Firma A-GmbH ergangenen Bescheide übermittelt worden (Bericht über die Außenprüfung vom 6. Mai 2005).

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom 15. Oktober 2009, AZ 11, sei das am 29. Juli 2005 über das Vermögen der Firma A-GmbH eröffnete Konkursverfahren nach Schlussverteilung gemäß § 139 Konkursordnung (KO) aufgehoben worden. Mit Beschluss vom 19. Februar 2010 sei die Gesellschaft gemäß § 40 Firmenbuchgesetz (FBG) im Firmenbuch gelöscht worden. Der Abgabenrückstand sei daher beim Primärschuldner als uneinbringlich anzusehen.

Gemäß § 11 BAO haften rechtskräftig verurteilte Täter für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

In der dagegen eingebrachten Berufung vom 17. Juni 2011, die sich sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch den Umsatzsteuerbescheid 2005 richtet, wird als Begründung ausgeführt, dass das Finanzamt davon ausgehe, dass infolge des Straferkenntnisses vom 12. April 2007 es gemäß § 11 BAO zwangsläufig zur Haftung des Bw. für im Bescheid angeführte Abgaben in Höhe von insgesamt € 85.221,60 komme.

Dies könne jedoch nicht sein, wenn - ungeachtet der Verurteilung durch den Spruchsenat - die begangene Finanzordnungswidrigkeit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Abgabenausfall stehe.

Hinsichtlich der Höhe der Umsatzsteuern 02/2005 und 03/2005, für die der Bw. zur Haftung herangezogen werden soll, sei zu überprüfen, inwieweit die in den Umsatzsteuervoranmeldungen ausgewiesenen Umsätze durch die A-GmbH tatsächlich vereinnahmt werden haben können oder die Umsatzsteuern - beispielsweise infolge Uneinbringlichkeit - zu berichtigen wären. Insoweit wäre auch eine Haftung nicht gerechtfertigt.

Detaillierte weitere Begründungen zu den angeführten Punkten werden binnen 4 Wochen nachgereicht werden.

Es werde daher beantragt:

1. die Aufhebung des am 24. Mai 2011 zugestellten Haftungsbescheides.

2. die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2005 und Veranlagung der Umsatzsteuer 2005 unter Berücksichtigung der noch darzustellenden Umsatzberichtigungen, insbesondere zu Umsätzen der Monate 02/2005 und 03/2005.

3. die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung für den Fall, dass diese Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt werde.

Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Wien 1/23 vom 28. Juni 2011 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass der Bw. mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 vom 12. April 2007, SpS 52/07-III, wegen des Vergehens der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs.1 lit. a FinStrG für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Die vorsätzlich bei Fälligkeit nicht entrichteten Abgaben wurden folgendermaßen definiert:

Umsatzsteuer 10 - 12/2004 in Höhe von € 33.843,28 Umsatzsteuer 1 - 3/2005 in Höhe von € 90.554,33 Lohnsteuer 11/2004 bis 3/2005 in Höhe von € 26.801,90 DB und DZ 11/2004 bis 3/2005 in Höhe von € 9.978,04.

Sowohl der Bw. als auch der Amtsbeauftragte haben Berufung erhoben. Mit Berufungsentscheidung vom 11. Dezember 2007 habe der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Wien, beide Berufungen als unbegründet abgewiesen; die Zustellung an den Bw. sei am 17. Jänner 2008 erfolgt.

Von den oben genannten Beträgen hafteten im Mai 2011 (und auch heute) noch € 85.211,60 (gemeint wohl: € 85.221,60) unberichtigt aus. Das Finanzamt Wien 1/23 habe daraufhin über diesen Betrag, der nach Abgabenarten, Zeiträumen und Beträgen aufgeschlüsselt worden sei, einen Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO erlassen, der sich auf den Haftungsgrund des § 11 BAO gründete.

Dagegen richte sich die verfahrensgegenständliche Berufung vom 17. Juni 2011. Dies sei damit begründet worden, dass die begangene Finanzordnungswidrigkeit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Abgabenausfall stehe. Die rechtskräftige Verurteilung selbst sei nicht in Frage gestellt worden.

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig sind, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden. Es handle sich hiebei um eine unbeschränkte Primärhaftung und keine Ausfallshaftung (wie etwa nach § 9 BAO). Sie knüpfe an die bescheidmäßige oder urteilsmäßige Bestrafung an; der rechtskräftige Bescheid oder das rechtskräftige Urteil habe somit Tatbestandswirkung. Eine vorab eigenständige Beurteilung der Frage der Abgabenhinterziehung durch die Abgabenbehörde wäre unzulässig (vgl. StoII, BAO-Kommentar, 144).

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (mittels Haftungsbescheides gemäß § 224 Abs. 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 198 BAO) mittels Berufung die Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen.

Die Berufung eines Haftungspflichtigen gegen die Heranziehung zur Haftung einerseits und gegen den Abgabenanspruch andererseits müsse zwar nicht in zwei gesonderten Schriftsätzen erfolgen. Dennoch könne daraus nicht geschlossen werden, dass über beide Berufungen in einem einheitlichen Rechtsmittelverfahren abzusprechen sei.

Vielmehr sei zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung die Legitimation des Berufungswerbers zur Einbringung einer Berufung gegen den Abgabenanspruch ergebe; denn würde der Berufung des Haftenden gegen seine Heranziehung zur Haftung stattgegeben, so wäre seine gegen den Abgabenanspruch eingebrachte Berufung mangels Aktivlegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

Infolgedessen sei Gegenstand des Berufungsverfahrens gegen den Haftungsbescheid einzig und allein die Frage, ob der Bw. zu Recht als Haftender für Abgaben, für deren vorsätzliche Verkürzung er rechtskräftig verurteilt worden sei, herangezogen worden sei, nicht jedoch, ob die vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestehen oder nicht.

Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können in diesem Verfahren nicht erfolgreich erhoben werden. Dies sei erst mit der Berufung gegen den Abgabenbescheid, welcher an den Abgabepflichtigen erlassen worden sei, möglich.

Somit sei die Berufung, soweit sie sich gegen den Haftungsbescheid richtet, als unbegründet abzuweisen gewesen, da die rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens die einzige Tatbestandsvoraussetzung für einen auf § 11 BAO gegründeten Haftungsbescheid darstelle.

Über die Berufung gegen die Abgabenbescheide werde - nach Eintritt der Rechtskraft des Haftungsbescheides - gesondert abgesprochen werden.

Im Schreiben vom 23. Juli 2011 beantragte der Bw. die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit folgender Begründung:

Das Finanzamt verweise in der Berufungsvorentscheidung vom 28. Juni 2011 in der Begründung zur Abweisung der Berufung lediglich auf die rechtskräftige Verurteilung und den Wortlaut des § 11 BAO.

Zweck der Bestimmung des § 11 BAO sei zweifellos die Sicherung des Abgabenanspruches und gehe dabei davon aus, dass die ordnungsgemäße Einreichung der Abgabenerklärungen dafür wesentliche Voraussetzung sei. Zugegebener Maßen werde dies im Normalfall auch zutreffen.

Im vorliegenden Fall sei jedoch zu erkennen, dass dieser Zusammenhang nicht bestehe und kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verurteilung und der Sicherung des Abgabenanspruches bestehe, da die Gesellschaft in unmittelbarer Folge insolvent geworden sei.

Weder die abgabenpflichtige GmbH noch der Bw. haben durch die verspätete Erklärung der gegenständlichen Abgaben einen Vorteil erlangt. Im Gegenteil sei die Entrichtung der Abgaben rechtlich und faktisch nicht möglich gewesen.

Dies werde spätestens dadurch evident, dass auch vom Bw. an das Finanzamt getätigte Zahlungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens durch den Masseverwalter erfolgreich angefochten und schließlich vom Finanzamt rückerstattet worden seien.

Es sei daher als erwiesen anzusehen, dass eine Zahlung der Abgaben nicht rechtens gewesen wäre und selbst im Falle der erfolgten Zahlung vom Finanzamt wieder herausgegeben werden hätten müssen. Auch die sofortige Kenntnis der Abgabenschuld durch das Finanzamt bei fristgerechter Einreichung der Abgabenerklärungen hätte daran nichts geändert.

Dieser Beurteilung stehe auch die nicht entgegen, dass § 11 BAO als unbeschränkte Primärhaftung und nicht als Ausfallshaftung wie § 9 BAO angesehen werde, weil § 11 BAO die Haftung für "den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden" vorsehe - gerade eine solche Verkürzung sei jedoch nicht wegen des Finanzvergehens eingetreten, weil sie auch ohne dieses eingetreten wäre.

Damit bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verurteilung im Finanzstrafverfahren - die ja aufgrund nicht eingereichter Abgabenerklärungen, nicht aber wegen der nicht erfolgten Zahlung erfolgt sei - und dem Abgabenausfall.

Die Geltendmachung der Haftung entspreche daher im vorliegenden Fall nicht Sinn und Zweck des § 11 BAO und sei überdies, soweit Ermessen anzunehmen sei, unbillig im Sinne des § 20 BAO.

In der am 27. März 2012 abgehaltenen Berufungsverhandlung wurden die jeweiligen Standpunkte der Parteien vertieft, ohne neue Argumente vorzubringen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Der Täter oder andere an der Tat Beteiligte muss somit schon vor seiner Heranziehung zur Haftung nach § 11 BAO wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein (VwGH 28.4.2009, 2006/13/0197). Die Haftung besteht bei allen vorsätzlichen Finanzvergehen, derentwegen eine rechtskräftige Bestrafung erfolgte, und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung im finanzbehördlichen Finanzstrafverfahren oder im gerichtlichen Strafverfahren ergangen ist (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, I, 142, VwGH 27.1.1999, 98/16/0411). Die Bestimmung des § 11 BAO erfasst alle vorsätzlichen Finanzvergehen und nicht nur - wie bei der ReichsabgabenO 1919 - die "Steuerhinterziehung" und die "Steuerhehlerei" (VwGH 14.12.1994, 93/16/0011). Als vorsätzliche Finanzvergehen sind in diesem Zusammenhang somit auch Finanzordnungswidrigkeiten anzusehen (Ritz, BAO-Kommentar4, § 11 Tz 2).

Die Haftung nach § 11 BAO trägt den Charakter einer Schadenersatzhaftung. (vgl. z.B. Ritz, BAO4, § 11 Tz 1, mit Hinweis auf Kopecky, Die Haftung im österreichischem Steuerrecht, Wien 1971, 62, der auch auf die Haftung nach § 11 BAO als "Besicherungsinstitut" hinweist). Es handelt sich um eine unbeschränkte Primärhaftung (vgl. z.B. Stoll, BAO-Kommentar, 144).

Zunächst ist festzuhalten, dass mit Beschluss des Landesgerichtes vom 29. Juli 2005, AZ. 11, über die Firma A-GmbH der Konkurs eröffnet wurde. Mit weiterem Beschluss vom 15. Oktober 2009 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung einer Quote von 11,91 % (am 2. Oktober 2009 wurde an das Finanzamt ein Betrag von € 37.437,14 überwiesen) aufgehoben, sodass die Uneinbringlichkeit der danach offen aushaftenden Abgaben bei der Primärschuldnerin evident ist. In der Zeit von 23. August 1994 bis zur Konkurseröffnung war der Bw. selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der genannten GmbH.

Im Zuge einer Überprüfung des Abgabenkontos der A-GmbH ist festgestellt worden, dass im Zeitraum Oktober 2004 bis März 2005 eine Reihe von Versäumnissen im Bereich der Umsatzsteuervorauszahlungen und der Lohnabgaben vorgelegen sind. So wurden für Oktober bis Dezember 2004 zunächst überhaupt keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und keine Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtet, sodass seitens der Abgabenbehörde zunächst schätzungsweise Festsetzungen vorzunehmen waren. Erst im Berufungswege gegen diese Festsetzungsbescheide sind die fehlenden Umsatzsteuervoranmeldungen nachgereicht worden. Die darin ausgewiesenen Zahllasten sind als strafbestimmende Wertbeträge dem Finanzstrafverfahren zugrunde gelegt worden.

Des Weiteren sind auch die Umsatzsteuervoranmeldungen Jänner bis März 2005 erst am 3. Juni 2005 bzw. am 31. Mai 2005 - somit erheblich verspätet - eingebracht und nicht gleichzeitig entrichtet worden.

Die vorliegenden Abfuhrdifferenzen an Lohnabgaben sind im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung, die mit Bericht vom 6. Mai 2005 abgeschlossen wurde, festgestellt worden.

Aus dem Haftungsakt ist zu ersehen, dass der Bw. mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 vom 12. April 2007, SpS 52/07-III, wegen des Finanzvergehens der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs.1 lit. a FinStrG, wonach der Bw. als Geschäftsführer der Firma A-GmbH Umsatzsteuer 10 - 12/2004 in Höhe von € 33.843,28, Umsatzsteuer 1 - 3/2005 in Höhe von € 90.554,33, Lohnsteuer 11/2004 bis 3/2005 in Höhe von € 26.801,90 sowie DB und DZ 11/2004 bis 3/2005 in Höhe von € 9.978,04 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) und auch bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe der geschuldeten Beträge nicht bekannt gegeben hat, zu einer Geldstrafe von € 18.000,00 verurteilt wurde. Eine dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Entscheidung des UFS vom 11. Dezember 2007, FSRV/0088-W/07, als unbegründet abgewiesen. Die Geldstrafe wurde zwischenzeitig entrichtet.

Der Bw. verneint das Vorliegen einer Haftung gemäß § 11 BAO mit dem Hinweis, dass - ungeachtet der Verurteilung durch den Spruchsenat - die begangene Finanzordnungswidrigkeit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Abgabenausfall steht. Damit stellt der Bw. jedoch die dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Bestimmung des § 11 BAO grundsätzlich in Frage, der gerade für jene Fälle, in denen ein Finanzstraftäter wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens verurteilt wurde, für die im Finanzvergehen als strafbestimmende Wertbeträge festgestellten Abgabenbeträge zur Haftung herangezogen werden kann.

Eine Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn - wie im vorliegenden Fall - Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise zu den Fälligkeitstagen nicht entrichtet (abgeführt) wurden. Dabei muss es sich keineswegs um eine endgültige Abgabenvermeidung handelt; selbst eine vorübergehende Verkürzung reicht für die Begehung eines Finanzvergehens aus. Dass der Bw. die im Haftungsbescheid dargestellten Abgaben nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) hat, wurde in der Strafentscheidung (hinsichtlich der eine Bindungswirkung besteht) dokumentiert. Im Übrigen haften die Abgabenbeträge des angefochtenen Bescheides nach wie vor unberichtigt aus, weshalb eine entsprechende Verkürzung bis dato evident ist.

Aufgrund des Legalitätsprinzips des Art. 18 Abs. 1 B-VG hat die Abgabenbehörde sich an die geltende Gesetzeslage zu halten. Es steht der Behörde nicht zu, den Sinn und Zweck einer Bestimmung in Frage zu stellen; sie hat die Bestimmungen dem Zweck des Gesetzes entsprechend anzuwenden. Dabei ist der Gesetzestext "Haftung für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden" wohl nur dahingehend zu verstehen, dassunter dem Verkürzungsbetrag der Betrag zu verstehen ist, der im Finanzstrafverfahren als strafbestimmender Wertbetrag Grundlage für die Strafbemessung gewesen ist. Bei einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG sind dies jene Abgabenbeträge, die nicht fristgerecht bis zum fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet/abgeführt oder zumindest der Abgabenbehörde gemeldet wurden. Damit ist jedoch entgegen der Darstellung in der Berufung der vom Bw. bestrittene Kausalzusammenhang zwischen der Finanzordnungswidrigkeit, für die der Bw. bestraft wurde, und dem Abgabenausfall gegeben.

Die vom Bw. angesprochene Haftungsinanspruchnahme lediglich bei Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall ist allenfalls bei einer Haftung nach § 9 BAO zu prüfen, nicht jedoch im vorliegenden Fall (VwGH 23.1.1997, 95/15/0163).

Dem Berufungsvorbringen, hinsichtlich der Höhe der Umsatzsteuern 02/2005 und 03/2005sei zu überprüfen, inwieweit die in den Umsatzsteuervoranmeldungen ausgewiesenen Umsätze durch die A-GmbH tatsächlich vereinnahmt werden haben können oder die Umsatzsteuern zu berichtigen wären und nur insoweit eine Haftung gerechtfertigt wäre, ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (beispielsweise VwGH 17.12.1992, 91/16/0132), wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, entfaltet, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (VwGH 26.5.1993, 90/13/0155; VwGH 9.12.1992, 90/13/0281; u.a.); die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (VwGH 7.5.1990, 88/15/0044), wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist (VwGH 30.3.2000, 99/16/0141).

Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches der im Finanzstrafverfahren ergangenen Berufungsentscheidung äußert über die Bindung an die Tatsachenfeststellungen hinaus eine rechtliche Wirksamkeit nur in dem Umfang, dass die Abgabenbehörde im Hinblick auf die Tatbestandswirkung der Berufungsentscheidung von der Verwirklichung des Straftatbestandes durch den Bestraften auszugehen hat (§ 11 BAO), ohne dass es ihr zustünde, die Rechtsrichtigkeit einer rechtskräftigen Berufungsentscheidung zu prüfen (vgl. VwGH 10.3.1998, 95/16/0324).

Soweit der Bw. vorbringt, die Vorschreibung der Steuern (hier vor allem Umsatzsteuern) sei zu Unrecht erfolgt, ist darauf hinzuweisen, dass die Behörde diesbezüglich an die Strafentscheidung gebunden ist. Im Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid können daher Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht mit Erfolg erhoben werden. Solche Einwendungen können - wie die Abgabenbehörde erster Instanz bereits richtig ausgeführt hat - nur im Rechtsmittelverfahren betreffend den Bescheid über den Abgabenanspruch mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden (VwGH 30.3.2006, 2003/15/0125). Die Berufungsausführungen hinsichtlich einer allenfalls unrichtigen Abgabenfestsetzung sind daher nicht im Haftungsverfahren zu prüfen.

Geht nämlich einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und sie hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung der Haftung grundsätzlich an diesen Bescheid zu halten. Mit dem gegen die Umsatzsteuern gerichteten Berufungsbegehren (Antrag auf Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2005 und Veranlagung der Umsatzsteuer 2005 unter Berücksichtigung der noch darzustellenden Umsatzberichtigungen, insbesondere zu Umsätzen der Monate 02/2005 und 03/2005) wird der Bw. auf das gemäß § 248 BAO nach Abschluss des Haftungsverfahrens zu erledigende diesbezügliche Berufungsverfahren verwiesen.

Auch der Einwand hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Zahlungen vor Konkurseröffnung und des damit verbundenen Zahlungsverbots, weshalb der Bw. die Abgaben nach den Vorschriften der Konkursordnung nicht mehr begleichen hätte dürfen, geht ins Leere, da schon im Haftungsverfahren nach § 9 Abs. 1 BAO nicht zu prüfen ist, ob eine Anfechtbarkeit im Sinne der KO vorliegt (VwGH 29.3.2007, 2005/15/0081). Bei der gegenständlichen Haftung nach § 11 BAO ist ein solcher Einwand noch weniger geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Haftungsinanspruchnahme aufzuzeigen, da als Verschuldenskomponente lediglich die rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlich begangenen Finanzvergehens vorausgesetzt ist. Allein die mögliche Anfechtbarkeit von Zahlungen an das Finanzamt befreit einen Geschäftsführer einer GmbH nicht von der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten, zu denen auch die fristgerechte Meldung bzw. Entrichtung der Abgaben zu den jeweiligen Fälligkeitstagen gehört. Dass der Bw. diesen ihn treffenden Pflichten nicht nachgekommen ist, ist durch die rechtskräftige Bestrafung evident.

Der Haftungsbestimmung des § 11 BAO liegt der gesetzgeberische Wille zugrunde, dass derjenige, der eine widerrechtliche (finanzstrafrechtlich geahndete) Handlung gesetzt hat, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen hat (siehe Ritz, BAO-Kommentar4, Tz. 1 zu § 11). Soweit der Bw. darauf hinweist, dass Zweck der Bestimmung des § 11 BAO zweifellos die Sicherung des Abgabenanspruches sei, ist diesen Ausführungen nur zuzustimmen.

Dem Berufungsvorbringen, weder die abgabenpflichtige GmbH noch der Bw. hätten durch die verspätete Erklärung der gegenständlichen Abgaben einen Vorteil erlangt, die Entrichtung der Abgaben wäre rechtlich und faktisch nicht möglich gewesen, ist zu erwidern, dass sich die GmbH bzw. der Bw. als deren Geschäftsführer durch die verspätete (bzw. Nicht-)Zahlung jedenfalls einen Zinsvorteil verschafft hat, indem diese Abgaben zunächst nicht fristgerecht entrichtet wurden. Gegenüber Abgabepflichtigen, die die Abgaben fristgerecht zu den jeweiligen Fälligkeitstagen entrichten, hat die abgabenpflichtige A-GmbH bzw. der Bw. somit einen finanziellen Vorteil lukriert.

Nur nebenbei sei erwähnt, dass die Bekanntgabe der Höhe des geschuldeten Abgabenbetrages einen (objektiven) Strafausschließungsgrund darstellt (VwGH 20.9.2006/14/0046). Hätte der Bw. die Höhe der Abgaben fristgerecht bekannt gegeben, hätte er insoweit einen Vorteil erreicht, als das Finanzstrafverfahren infolge des Strafausschließungsgrundes jedenfalls nicht mit einem Schuldspruch geendet hätte.

Dem Berufungsargument, wonach die Entrichtung der Abgaben rechtlich faktisch unmöglich gewesen wäre, ist zu erwidern, dass es zwar zutrifft, dass gewisse Zahlungen des Bw. an das Finanzamt innerhalb von 60 Tagen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Masseverwalter erfolgreich angefochten wurden. Die hier zu beurteilenden Zeiträume liegen jedoch zeitlich vor dieser Frist. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Einhaltung abgabenrechtlicher Pflichten bestand zu den Fälligkeitstagen der im Haftungsbescheid dargestellten Abgaben jedenfalls nicht.

Der Bw. verweist darauf, dass die Geltendmachung der Haftung im Ermessen der Behörde liege, dies im vorliegenden Fall jedoch unbillig im Sinne des § 20 BAO wäre.

Im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 20 BAO ist im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass die haftungsverfangenen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden können, weil das Konkursverfahren über die A-GmbH nach Schlussverteilung aufgehoben wurde und die Uneinbringlichkeit der danach offen aushaftenden Abgaben bei der GmbH evident ist.

Der vom Bw. geltend gemachte "Billigkeitsgrund", dessen Berücksichtigung er bei der Ermessensübung vermisst, nämlich der fehlende Kausalzusammenhang, liegt - wie oben ausgeführt - nicht vor.

Im gegenständlichen Fall ist dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) zweifelsfrei der Vorzug zu geben gegenüber dem Interesse des Bw., nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden (Billigkeitserwägung).

Zudem kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen (vgl. VwGH 16.12.1999, 97/16/0006) und stehen persönliche Umstände wie die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" oder eine Vermögenslosigkeit des Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (vgl. VwGH 25.6.1990, 89/15/0067; VwGH 28.4.2009, 2006/13/0197).

Berücksichtigt man die Tatsache, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nur im Haftungswege beim Bw. einbringlich gemacht werden können, so erweist sich die Haftungsinanspruchnahme grundsätzlich im öffentlichen Interesse als notwendig und zweckmäßig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 3.9.2008, 2006/13/0159) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.

In diesem Zusammenhang war bei der Ermessensübung zu berücksichtigen, dass die Haftung erst nach mehr als drei Jahren nach Zustellung der Strafentscheidung ausgesprochen wurde, wobei die Abgabenbehörde erster Instanz offensichtlich zunächst den Abschluss des Konkursverfahrens (Aufhebung des Konkursverfahrens am 15. Oktober 2009) abgewartet hat.

Liegen keine besonderen Umstände vor, die eine so späte Inanspruchnahme des ehemaligen Geschäftsführers zur Haftung rechtfertigen könnten, ist die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit gegenüber der vom Finanzamt ins Treffen geführten Zweckmäßigkeitserwägung zumindest teilweise zu berücksichtigen.

Um die aufgezeigte Unbilligkeit angesichts lange verstrichener Zeit hintanzuhalten, ist eine Haftungsinanspruchnahme geboten, die zeitnah zum Feststehen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin erfolgt. Im Fall des Konkurses der Gesellschaft steht die Uneinbringlichkeit regelmäßig nach Verteilung des Massevermögens und erfolgter Konkursaufhebung fest, sodass die Entscheidung über die Geltendmachung der Haftung in einem angemessenen Zeitraum nach diesem Zeitpunkt erfolgen muss. Die Angemessenheit hängt dabei von den Umständen des Einzelfalles ab. Wird beispielsweise vom Finanzamt ein umfangreiches Ermittlungsverfahren zur Frage der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des möglichen Haftungspflichtigen durchgeführt, rechtfertigt dies selbstverständlich eine dadurch bedingte spätere Geltendmachung der Haftung.

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung wurde dazu vom Vertreter des Finanzamtes lediglich darauf verweisen, dass er nur vermuten kann, dass das Insolvenzverfahren abgewartet wurde, um den endgültigen Abgabenausfall und damit die korrekte Höhe der Haftungsbeträge abzuwarten.

Aus dem Akt sind weitere Gründe, weshalb die Haftungsinanspruchnahme erst ca. 40 Monate nach Rechtskraft der Strafentscheidung (hier handelt es sich um eine Primärhaftung und keine Ausfallshaftung) erfolgte, im gegenständlichen Fall nicht zu ersehen. Auch ist dem Haftungsbescheid kein umfangreiches Ermittlungsverfahren vorangegangen, womit das Zuwarten bis zur Erlassung des Haftungsbescheides bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens unbedingt erforderlich gewesen wäre oder begründet werden könnte.

Bei der Ermessensübung ist auch auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners Bedacht zu nehmen (vgl. Kopecky, Haftung, 63). Aus der Berufungsentscheidung ist zu ersehen, dass der Bw. selbst in der dortigen Berufung vorgebracht hat, dass "eine zeitgerechte Berechnung der verfahrensgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben durch die Buchhalterin bzw. die Steuerberatungskanzlei (betreffend Lohnabgaben) erfolgt ist und dem Beschuldigten dadurch auch seine ihm ohnehin bekannte Zahlungsverpflichtung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vor Augen geführt wurde." Angesichts der Geldstrafe im Ausmaß von immerhin ca. 22% des Strafrahmens ist die Finanzstrafbehörde von einem hohen Verschuldensgrad ausgegangen.

Zugunsten der Abgabenbehörde war zu werten, dass sie offensichtlich den Abschluss des Konkursverfahrens zur Überprüfung des endgültigen Abgabenausfalles abgewartet hat. Die aufgezeigte Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts der bereits verstrichenen Zeit überwog im gegenständlichen Fall die vom Finanzamt ins Treffen geführte Zweckmäßigkeitserwägung somit nur teilweise, womit jedoch bei Gesamtbetrachtung des Falles die Reduzierung der Haftungsbeträge im Rahmen des Ermessens um 25 % gerechtfertigt erscheint.

Der Berufung war daher insoweit Folge zu geben, als die Haftungsbeträge in Höhe von Umsatzsteuer 02/2005 in Höhe von € 39.152,70, Umsatzsteuer 03/2005 in Höhe von € 17.279,97, Dienstgeberbeiträge 11/2004 in Höhe von € 2.315,95, Dienstgeberbeiträge 12/2004 in Höhe von € 1.215,02, Dienstgeberbeiträge 01/2005 in Höhe von € 1.155,25, Dienstgeberbeiträge 02/2005 in Höhe von € 1.036,79, Dienstgeberbeiträge 03/2005 in Höhe von € 1.149,64, Dienstgeberzuschläge 11/2004 in Höhe von € 205,86, Dienstgeberzuschläge 12/2004 in Höhe von € 108,00, Dienstgeberzuschläge 01/2005 in Höhe von € 102,69, Dienstgeberzuschläge 02/2005 in Höhe von € 92,15 sowie Dienstgeberzuschläge 03/2005 in Höhe von € 102,19, gesamt € 63,916,20 festgesetzt werden.

Abschließend kann nur wiederholt werden, dass der Bw. mit dem Berufungsbegehren auf Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2005 und der Veranlagung der Umsatzsteuer 2005 unter Berücksichtigung der noch darzustellenden Umsatzberichtigungen, insbesondere zu Umsätzen der Monate 02/2005 und 03/2005 gemäß § 248 BAO auf das nachfolgende entsprechende Berufungsverfahren verwiesen wird.

Wien, am 30. März 2012

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