Beurteilung von Verpflegungsleistungen auf einem grenzüberschreitend eingesetzten Flusskreuzfahrtsschiff als Hauptleistung oder als nichtselbständige Nebenleistung (Rechtslage vor 2010)
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0044 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 27.2.2014 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw. gegen die Bescheide des Finanzamtes A vom 27. Juni 2011 betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2009 entschieden:
Den Berufungen wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen. Sie bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs.
Entscheidungsgründe
Nach einer Außenprüfung des Unternehmens der Berufungswerberin (kurz: Bw.) wurden mit Ausfertigungsdatum 27.6.2011 Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2006 bis 2008 sowie Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2009 erlassen. Zur Begründung der Wiederaufnahme der Verfahren wurde auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind.
In Tz. 1 des Prüfungsberichtes über das Ergebnis der Außenprüfung der Jahre 2006 bis 2009 vom 8.6.2011 wurde ausgeführt, dass das geprüfte Unternehmen als Reiseveranstalter für Flusskreuzfahrten mit Kabinenschiffen zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer Reiseleistungen an andere Unternehmer erbringe, die aus Beförderung und Unterbringung, Verpflegung, Hafentaxen, fallweisen Landausflügen und fallweisen Zusatzgetränken bestünden. Das Unternehmen betrachte die Verpflegungsleistung als unselbständige Nebenleistung zur Leistung der Personenbeförderung, welche nach § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 in der bis 31.12.2009 geltenden Fassung (hinsichtlich des inländischen Teils) umsatzsteuerfrei sei. Der Prüfer vertrat - davon abweichend - die Ansicht, dass mehrere selbständige Leistungen erbracht würden, deren "Leistungsort und umsatzsteuerliche Behandlung jede für sich zu beurteilen" sei. Während die Unterbringungsleistung als unselbständige Nebenleistung zur Leistung der Personenbeförderung auf Grund der genannten Gesetzesstelle umsatzsteuerfrei sei, gelte dies für die Verpflegungsleistung nicht. Die Verpflegungsleistung stelle eine eigenständige sonstige Leistung dar, deren Leistungsort sich nach § 3a Abs. 12 UStG 1994 (in der Fassung bis 31.12.2009) richte. Demnach werde die Verpflegungsleistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe. Der Leistungsort liege damit in Österreich. Die Verpflegungsleistung sei mit 10% der Umsatzsteuer zu unterziehen.
In den Berufungen vom 21.7.2011 gegen die neuen Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2009 wurde von der Bw. ausgeführt: In Tz. 1 des Prüfungsberichtes werde die vom Unternehmen erbrachte Verpflegungsleistung "in kompletter Abwendung von der bisherigen Verwaltungspraxis" nicht mehr als unselbständige Nebenleistung zur Personenbeförderungsleistung behandelt. Für die Behandlung als unselbständige Nebenleistung sprächen:
- Ruppe, UStG, Rz 67 zu § 6 und Rz 37 Z 17 zu § 1;
- Dorazil/Hock/Frühwald/Mayer/Paukowitsch, Kommentar zum UStG 1972, Wien 1974, Anm. 6 zu § 6;
- eine Einzelerledigung des Finanzamtes Wien 6/7/15 vom 29.10.2009 (erst widerrufen per 31.5.2011);
- das Urteil des BFH vom 1.8.1996, V R 58/94;
- die deutsche offizielle Verwaltungspraxis: Abschn. 172 Abs. 4 und 5 UStR, Abschn. 12.12 UStAE Abs. 4 und 5;
- die französische offizielle Beurteilung, dargelegt in BOI 3 C-4-03 vom 22.10.2003.
Weiters sei anzumerken, dass eine Beurteilung der Verpflegungsleistung bei Flussschifffahrten als eigene (Haupt-)Leistung in der Rechtslage bis 31.12.2009 zwar nicht gegen Europarecht verstoße, aber verfassungswidrig sei. Dies deshalb, da sie Steuerpflichtige allein auf Grund ihres Wohnortes oder Sitzes in Österreich diskriminiere. Damit seien nicht EU-Ausländer diskriminiert, sondern Österreicher in Österreich. Der VfGH habe wörtlich ausgeführt (VfGH 8.6.2005, G 163/04): Nach ständiger Rechtsprechung sei eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger im Verhältnis zu Ausländern am Gleichheitssatz zu messen und bedürfe daher einer sachlichen Rechtfertigung (vgl. VfSlg 13.084/1992, 14.863/1997, 14.963/1997)". Vgl. auch VfGH 28.2.2008, B 963/06, sowie VfGH 1.10.2007, G 237/06.
Mit Eingaben vom 25.7.2011 wurde "vorsorglich" auch gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2006 bis 2008 für den Fall Berufung erhoben, dass den Berufungen vom 21.7.2011 gegen die Sachbescheide nicht stattgegeben wird. Eingewendet wurde, dass sich der wesentliche Teil der Nachforderungen gemäß Tz. 1 des Prüfungsberichtes aus einer geänderten rechtlichen Beurteilung ergebe (vgl. VwGH 19.5.1993, 91/13/0224; VwGH 19.11.1998, 96/15/0148). Die Sach- und Rechtslage habe sich geändert; sie sei der Behörde durch die vorangehenden Betriebsprüfungen vollständig bekannt gewesen (vgl. VwGH 21.7.1998, 93/14/0187; VwGH 24.2.2004, 2000/14/0186; VwGH 29.9.2004, 2001/13/0135). Die Einhebung der nachgeforderten Umsatzsteuer sei iSd § 236 BAO im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben unbillig (vgl. Ritz, ÖStZ 1991, 285). Zwischen den steuerlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme und den Auswirkungen der Wiederaufnahmsgründe bestehe ein Missverhältnis (vgl. VwGH 28.2.1989, 89/14/0019; VwGH 5.4.1991, 89/17/0226; VwGH 10.5.1994, 94/14/0024; VwGH 23.4.1998, 95/15/0108; VwGH 29.10.2003, 99/13/0061). Zum Gesamtverfahren sei darauf hinzuweisen, dass die Betriebsprüfung hinsichtlich der Jahre 2002 bis 2004 zu keiner Änderung geführt habe. Bei der Betriebsprüfung der Jahre 2006 bis 2009 seien einzig die angeführten Umsatzsteuertatbestände neu beurteilt worden.
Die Berufungen wurden der Abgabenbehörde zweiter Instanz - ohne Erlassung von Berufungsvorentscheidungen - unmittelbar zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufungen wurde erwogen:
I. Umsatzsteuer 2006 bis 2009
1. Eine Personenbeförderungsleistung wird dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Erstreckt sich die Beförderungsleistung sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland, so fällt der inländische Teil der Leistung unter das UStG (§ 3a Abs. 10 UStG 1994). Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 UStG fallenden Umsätzen sind "die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung auf dem Bodensee" steuerfrei (§ 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG).
Bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen ist somit nur der inländische Streckenteil steuerbar. Handelt es sich um die Beförderung von Personen mit Schiffen oder Luftfahrzeugen ist (mit Ausnahme des Bodensees) dieser Streckenteil steuerfrei.
2. Der grenzüberschreitende Personenverkehr mit Schiffen und Luftfahrzeugen war schon im UStG 1972 (hinsichtlich des inländischen Streckenteils) steuerbefreit. Die "Notwendigkeit" dieser Maßnahme wurde in den Gesetzesmaterialien mit internationalen Abkommen begründet (Ruppe/Achatz, UStG, 4. Aufl., § 6 Tz 35). Die Befreiung sollte eine "Folge internationaler Vereinbarungen" sein, denen Österreich beigetreten ist und die die Empfehlung zum Inhalt hatten, das Entgelt, das sich aus einem solchen Verkehr ergibt, weitgehend von Steuern zu befreien (Dorazil/Frühwald/Hock/Mayer/Paukowitsch, UStG 1972, § 6 Anm. 6).
3. Zur Frage, wie Verpflegungsleistungen in Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Leistungen der Personenbeförderung mit Schiffen und Luftfahrzeugen im Geltungsbereich des UStG 1972 zu beurteilen waren, wurden folgende Ansichten vertreten:
Nach Kranich/Siegl/Waba (Kommentar zur Umsatzsteuer, § 6) ist bei einer Personenschifffahrt mit Kabinenschiffen, mittels welcher dem Reisenden die besonderen Schönheiten der Landschaft gezeigt werden sollen (zB bei einer Schiffsreise Wien-Melk-Passau) in der Beförderung die Hauptleistung zu erblicken, die auch die Gewährung der Unterkunft in einer Kabine als Nebenleistung in sich schließe. Hingegen werde der Verkauf von Speisen und Getränken mit den in Betracht kommenden Steuersätzen zur Umsatzsteuer heranzuziehen sein (Tz. 40). Seien im Beförderungsentgelt auch Entgelte für Leistungen enthalten, die mit der Personenbeförderung nicht unmittelbar zusammenhingen, zB die Verabreichung von Speisen und Getränken, so erstrecke sich die Steuerfreiheit nicht auch auf diese Leistungen. Es werde daher im Einzelfall untersucht werden müssen, ob und inwieweit eine Leistung Teil einer Personenbeförderung sei. Im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Flugverkehr von und nach Österreich könne nach Ansicht der Autoren hinsichtlich der Verabreichung der im Flugpreis inbegriffenen Mahlzeiten davon ausgegangen werden, dass diese Speisen im Hinblick auf die Kürze der Flugdauer über österreichischem Staatsgebiet erst im Ausland - und somit nicht steuerbar - geliefert werden, sodass sich die Herausschälung eines steuerpflichtigen Entgeltsanteils erübrige. Im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen auf Schiffen könne eine Aussage wie im grenzüberschreitenden Flugverkehr nicht getroffen werden. Seien im Falle einer grenzüberschreitenden Personenbeförderung mit Schiffen im Beförderungsentgelt auch Entgelte für die Verabreichung von Speisen und Getränken enthalten, so erstrecke sich die Steuerbefreiung nicht auch auf diese Leistungen. Liege der Ort der Lieferung (körperlichen Übergabe) der Speisen und Getränke im Inland, so sei eine für sich zu beurteilende Leistung im Inland anzunehmen (Tz. 47).
Nach Dorazil/Frühwald/Hock/Mayer/Paukowitsch (aaO., § 6 Anm. 6) werden im Hinblick auf den im Umsatzsteuerrecht herrschenden Grundsatz der Unteilbarkeit einer Leistung von der Befreiung auch jene Nebenleistungen zur Personenbeförderung umfasst, die üblicherweise mit der Personenbeförderung verbunden sind. So zB die Verpflegung im Verlauf einer Flugreise, gleichgültig, über welchem Gebiet die Verpflegung verabreicht werde, die im Entgelt mit enthalten sei, oder die Unterbringung und Verpflegung von Flugpassagieren bei durch Schäden am Flugzeug erzwungenen Flugunterbrechungen oder bei Versäumung eines Fluganschlusses.
4. Zum UStG 1994 wird von Ruppe (UStG, 3. Aufl., § 6 Tz 67) bzw. von Ruppe/Achatz (UStG, 4. Aufl., § 6 Tz 67) die Auffassung vertreten, dass die Verabreichung der üblichen Mahlzeiten im Flugverkehr und im Schiffsverkehr die gängige Definition der unselbständigen Nebenleistung erfülle, zumal ihr Umfang stets im Verhältnis zur Dauer der Beförderungsleistung stehe. Gleicher Ansicht seien wohl auch Dorazil/Frühwald/Hock/Mayer/Paukowitsch in ihrem UStG-Kommentar. Wie soeben ausgeführt wurde, äußern sich diese Autoren allerdings nur zu der Verpflegung auf einer Flugreise. Zur Verpflegung auf einer Schiffsreise finden sich keine speziellen Ausführungen. Von der Befreiung werden ihrer Ansicht nach aber jedenfalls auch jene Nebenleistungen zur Personenbeförderung umfasst, die üblicherweise mit der Personenbeförderung verbunden sind.
Scheiner/Kolacny/Caganek beurteilen zwar die Unterkunft in einer Schiffskabine als unselbständige Nebenleistungen. Hinsichtlich der Verpflegung wird von diesen Autoren aber auf die deutschen UStR sowie auf die davon abweichende Rechtsansicht von Kranich/Siegl/Waba verwiesen (Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 6 Abs. 1 Z 3 Tz. 69). im Ergebnis gleicher Ansicht ist Tschiderer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, § 6 Tz 40: Die Verabreichung von Speisen und Getränken an Bord eines Luftfahrzeugs stelle keine unselbständige Nebenleistung zur Reiseleistung dar und sei daher, sofern steuerbar, steuerpflichtig (Hinweis auf Kranich/Siegl/Waba). Ob das Entgelt im Beförderungsentgelt bereits enthalten sei oder gesondert bezahlt werde, sei dabei unerheblich (anderer Meinung sei aber Ruppe). Eine unselbständige Nebenleistung sei zB die Unterkunftsleistung in einer Schiffskabine.
5. Die Abgabe von Mahlzeiten und Getränken in Gaststätten wurde in Österreich traditionell als Lieferung von Gegenständen eingestuft. Nach dem Urteil des EuGH vom 2.5.1996, Rs C-231/94 "Faaborg-Gelting", liegt jedoch in Restaurationsumsätzen, die in der Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verbrauch bestehen, keine Lieferung von Gegenständen. Es handelt sich um Dienstleistungen iSd Art. 6 Abs. 1 der 6. MWSt-RL. Der Leistungsort liegt dort, wo der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Praktische Bedeutung hat dies bei der Verabreichung von Speisen und Getränken in Beförderungsmitteln (Ruppe, UStG, 3. Aufl., § 3 Tz. 142/1).
Art. 28 Abs. 2 lit. d der 6. MWSt-RL erlaubte den Mitgliedstaaten, die am 1.1.1991 auf Umsätze im Gaststättengewerbe einen ermäßigten Steuersatz angewandt haben, diesen Steuersatz weiter anzuwenden. Nach dem Beitrittsvertrag durfte Österreich (im Hinblick auf diese Bestimmung) den ermäßigten Steuersatz auf bestimmte Umsätze im Gaststättengewerbe beibehalten. Durch die Erweiterung des § 10 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 um die lit. d wurde - nach Ergehen des Urteils des EuGH in der Rs. C-231/94 - sichergestellt, dass die Abgabe von begünstigten Speisen und Getränken auch dann (weiterhin) dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, wenn sie im Rahmen einer einheitlichen Dienstleistung erfolgt. Es sollte verhindert werden, dass alle Restaurationsumsätze dem Normalsteuersatz unterliegen (VwGH 24.11.1998, 98/14/0055).
6. Im vorliegenden Fall ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
a.) Die Bw. führt Flussschifffahrten auf europäischen Flüssen, insbesondere der Donau, durch. Die Fahrten (Kreuzfahrten) werden auf Kabinenschiffen durchgeführt und erfolgen auf vorgegebenen, in Reiseprospekten der Bw. angebotenen Routen. Sie umfassen die Beförderungsleistung, die Nächtigung in den gebuchten Kabinenkategorien, Vollpension, die Teilnahme an bestimmten Landausflügen etc.
b.) Die Bw. bietet die Kreuzfahrten als Reiseveranstalter großen ausländischen Reisebüros bzw. Distributoren zum weiteren Vertrieb an Reiseteilnehmer bzw. Reisebüros an. Die Leistungsbeziehungen mit den genannten Unternehmern erfolgen in Form von:
- Gruppenbuchungen, die mit Pauschalpreisen abgerechnet werden, in denen alle Leistungen inkludiert sind, insbesondere Beförderung und Verpflegung (dabei handelt es sich um den überwiegenden Teil der ausgestellten Rechnungen),
- Buchungen, bei denen alle Leistungen von vornherein inkludiert sind, berechnet auf die maximale Passagierzahl (zB Re-Nr. 42151), oder
- Buchungen, bei denen der Vertragspartner den Hauptteil garantiert und Nebenleistungen, wie zB Vollpensionen, nur für die tatsächlich gebuchte Teilnehmerzahl berechnet werden (zB Re.-Nr. 70993).
c.) Zur Ausführung dieser Leistungen mietet die Bw. von verschiedenen Vertragspartnern, v.a. der BA (kurz: B) und der CA (kurz: C), die für die Durchführung der Kreuzfahrten benötigten Schiffskapazitäten. In den Verträgen ist festgehalten, dass die Vertragspartner nur die Schiffe mit Mannschaft zur Verfügung stellen, die Zusammenstellung der Reiseprogramme, insbesondere die Ausarbeitung der Fahrpläne, aber durch die Bw. erfolgt. Marketing und Verkauf der Reisen liegen ausschließlich bei der Bw.; mit den Charterverträgen (zB mit der B) werden keinerlei rechtliche Beziehungen zwischen den beförderten Passagieren und den Verfügungsberechtigten (Dienstleistungsträgern, zB B) begründet. Für die Erbringung der Verpflegungsleistungen auf den Schiffen werden von der Bw. eigene Vereinbarungen mit Caterern abgeschlossen.
d.) Einer (in den Akten befindlichen) Sachverhaltsdarstellung, in der von "im Schiffsrestaurant angebotenen Speisen" sowie davon die Rede war, dass "Art und Umfang der Verpflegungsleistungen in der Regel vom Passagier frei wähl- und buchbar" seien, hat die Bw. (mit Schreiben vom 18.5.2011) widersprochen: Im vorliegenden Fall treffe dies nicht zu. Die Sachlage sei ähnlich der einer Verköstigung an Bord eines Flugzeugs. Auch auf dem Schiff habe der Passagier keine andere Möglichkeit einer Nahrungsaufnahme. Durch die Fahrtzeiten, die teilweise 24 Stunden und länger dauerten, könne er sich zB nicht an Land versorgen. In den Kabinen gebe es auch keine Aufbewahrungsmöglichkeit für selbst mitgebrachte Lebensmittel etc. Daher müsse der Reiseveranstalter für die Verköstigung der Passagiere sorgen bzw. sei der Passagier auf das Schiffsrestaurant angewiesen. Daher erhalte der Passagier auch keinen Einzelpreis für die Verpflegung, sondern nur einen Gesamtpreis. Der Passagier könne zwar zwischen Fleisch, Fisch oder vegetarischer Kost wählen, dies aber ohne Preisunterschied. Auch erhalte er keine Rückerstattung, wenn er zB eine Mahlzeit auslasse. Eine Wahl habe der Passagier nur hinsichtlich solcher Leistungen, die über die Beförderungsleistung samt Unterkunft und Verpflegung hinausgingen (zB Konsumationen an der Bordbar, Exkursionen, Souvenirs etc). Diese Leistungen müssten gesondert bezahlt werden (sie würden auch getrennt der Umsatzsteuer unterworfen).
e.) Wie sich aus einer (im Arbeitsbogen des Prüfers befindlichen) Ablichtung eines Prospekts mit den "wichtigsten Informationen" ergibt, wird für jeden Reisetag ein Tagesprogramm erstellt. Es enthält wichtige Informationen wie Essenszeiten, Beginnzeiten der Ausflüge und diverser Veranstaltungen. Für die Besatzung stellt es den Zeitplan für sämtliche Dienste dar. Die Mahlzeiten finden in einer Sitzung statt, dh. alle Passagiere speisen gemeinsam. Die genauen Zeiten sind dem Tagesprogramm zu entnehmen. Die Tischeinteilung erfolgt durch den Restaurantleiter.
f.) In den Allgemeinen Reisebedingungen ist klargestellt, dass die Verfügungsberechtigung der Schiffe bei der B bzw. der C liegt, soweit es den reinen Schiffsbetrieb betrifft (va. allfällige Haftungen für Handlungen oder Unterlassungen des Schiffseigentümers oder -betreibers). Veranstalterin der mit den Schiffen durchgeführten Kreuzfahrten ist ausschließlich die Bw. (auch als Verkaufsagent bzw. bevorzugter Anbieter bezeichnet).
7. Nach Ansicht der Außenprüfung, der das Finanzamt in den angefochtenen Bescheiden gefolgt ist, sind sämtliche Verpflegungsanteile solcher Reisen in Österreich zu versteuern, "somit nicht nur diejenigen, die während der Durchfahrt durch Österreich abgegeben wurden" (Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 12.6.2010). Die Verpflegungsanteile wurden von der Außenprüfung im Schätzungsweg ermittelt.
8. § 3a Abs. 12 UStG 1994 sieht für alle Fälle, für die keine spezielle Regelung des Leistungsorts getroffen ist, vor, dass eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Sofern die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt wird, gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung.
Unternehmensort ist grundsätzlich der Ort, von dem aus der Unternehmer seine Tätigkeit anbietet, somit der Ort der Geschäftsleitung. Dieser Ort ist auch dann maßgebend, wenn die sonstige Leistung gar nicht an diesem Ort erbracht wird, sofern die Leistung nicht einer festen Niederlassung zuzurechnen ist.
9.) Die 6. MWSt-RL (77/388/EWG ) kannte keine Befreiung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung. Sie erlaubte aber - für eine Übergangszeit - die Beibehaltung der Befreiung für Personenbeförderungen: Nach Art. 28 Abs. 3 lit. b der RL konnten die Mitgliedstaaten (während der Übergangszeit) die in Anhang F aufgeführten Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien. Anhang F erfasste (unter der Z. 17) die "Beförderungen von Personen" mit dem Zusatz "Die Beförderung von Begleitgütern der Reisenden, wie Gepäck und Kraftfahrzeuge, oder die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Beförderung der Personen sind von der Steuer zu befreien, soweit die Beförderungen dieser Personen steuerfrei sind".
In Art 378 Abs. 2 lit. b der System-RL (2006/112/EG ) ist vorgesehen, dass Österreich sämtliche Teile der grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luft-, See- und Binnenwasserstraßenverkehr mit Ausnahme der Personenbeförderung auf dem Bodensee mit Recht auf Vorsteuerabzug von der Steuer befreien darf, und zwar solange die betreffenden Umsätze in einem Staat von der Steuer befreit werden, der am 31.12.1994 Mitglied der Gemeinschaft war (wovon in der Literatur allgemein ausgegangen wird; vgl. zB Rattinger in Melhardt/Tumpel [Hrsg.], UStG, Wien 2012, § 6 Tz 61). Anhang X der System-RL enthält ein Verzeichnis ua. der Umsätze, für die die Ausnahmen gemäß Art. 378 gelten. In Teil B Z 10 ist eine Regelung enthalten, die der vorzitierten der Z 17 des Anhangs F der 6. MWSt-RL vollinhaltlich entspricht.
10. Wie der EuGH im Urteil vom 13.7.2000, C-36/99 , zum Ausdruck gebracht hat, sind die Mitgliedstaaten nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut von Artikel 28 Abs. 3 Buchstabe b der 6. MWSt-RL in Verbindung mit deren Anhang F befugt, bestimmte vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie in ihren Rechtsvorschriften vorgesehene Steuerbefreiungen weiterhin unter denselben Bedingungen anzuwenden. Daher sei den Mitgliedstaaten nach diesem Artikel zwar die Einführung neuer oder die Ausweitung bestehender Befreiungstatbestände nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie nicht erlaubt, doch stehe die Vorschrift einer Einschränkung dieser Tatbestände nicht entgegen, zumal deren Abschaffung Ziel des Art. 28 Abs. 34 der Sechsten Richtlinie sei (Randnr. 32). Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sei (erst) das Ergebnis einer schrittweisen Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Art. 99 und 100 EG-Vertrag (jetzt: Art. 93 und 94 EG).
11. Strittig ist, ob es sich bei den hier zu beurteilenden - ausschließlich an Unternehmer iSd UStG 1994 erbrachten - Verpflegungsleistungen um (umsatzsteuerrechtlich) selbständige Leistungen handelt oder aber um sog. unselbständige Nebenleistungen, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung (Beförderungsleistung) teilen.
Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Ausnahmebestimmungen des Unionsrechts, die auch Nebenleistungen einbeziehen, ist von jenem Verständnis der Steuerbefreiung für die Personenbeförderung auszugehen, das den österreichischen Rechtsvorschriften vor Inkrafttreten des UStG 1994 (mit Wirksamkeit des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union; § 28 Abs. 1 UStG 1994) beizumessen war.
Nach § 6 Z 5 des UStG 1972 waren von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG fallenden Leistungen steuerfrei:
5. die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr sowie die Besorgung und Vermittlung dieser Leistungen.
Unter Personenbeförderung im Sinne des UStG 1972 (wie auch des UStG 1994) ist eine unter eigener Verantwortung des Unternehmers ausgeübte Tätigkeit zu verstehen, die im Rahmen eines Unternehmens stattfindet und als Selbst- und Hauptzweck auf die Fortbewegung von Personen gerichtet ist. Der Begriff der Beförderung ist erfüllt, wenn eine der Raumüberwindung dienende Tätigkeit entfaltet wird, wobei der Zweck der Raumüberwindung in aller Regel bedeutungslos ist. Es stellen daher auch Vergnügungsreisen Beförderungen dar (Kranich/Siegl/Waba, aaO., UStG 1972, § 6 Z 5 Anm. 36). Nach Dorazil/Frühwald/Hock/Mayer/Paukowitsch (aaO., § 6 Anm. 6) ist der Zweck der Reise steuerrechtlich gleichfalls ohne Bedeutung.
12. Eine unselbständige Nebenleistung ist anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Dies ist zu bejahen, wenn die Leistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt. Ob mehrere Leistungen eine Einheit bilden, ist anhand der Leistungen zu beurteilen und nicht anhand des Entgelts (VwGH 19.3.2002, 97/14/0133).
Auch nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Eine einheitliche Leistung ist auch dann gegeben, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Dabei ist eine Leistung insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Ob es sich in einem konkreten Fall so verhält, haben im Rahmen der mit Art. 267 AEUV errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (zB EuGH 10.3.2011, C-497/09 , Randnr. 53 ff.).
13. Nach der Rechtsprechung des deutschen BFH sind die Unterbringung und die Verpflegung bei Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf Binnenwasserstraßen als Nebenleistungen zur Personenbeförderung anzusehen (Urteil vom 1.8.1996, V R 58/94, BStBl. 1997 II, 160). Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung setze voraus, dass sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich sei, mit ihr eng zusammenhänge, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänze, verbessere oder abrunde und üblicherweise mit der Hauptleistung ("in ihrem Gefolge") vorkomme.
14.) Die vom BFH für wesentlich erachteten sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen, um von einer unselbständigen Nebenleistung auszugehen, sind auch für die vorliegenden Verpflegungsleistungen anzunehmen:
a.) Die Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen bei einer mehrtätigen Schiffsreise sind gegenüber den dabei ausgeführten Leistungen der Personenbeförderung nebensächlich (sie hängen damit eng zusammen, ergänzen, verbessern oder runden sie wirtschaftlich ab). Sie werden mit den Leistungen der Personenbeförderung auf Kabinenschiffen üblicherweise verbunden.
b.) Ziel, Dauer und Umstände der Personenbeförderung sind Anlass und Grund für die Buchung der Reise. Die angenehmen, bei einer mehrtätigen Reise auf dem Schiff bereit gehaltenen Leistungen durch Verpflegung und Unterkunft ändern die Art der Leistung nicht. Sie beeinflussen nur die näheren Umstände der Durchführung der Reise.
c.) Der Reisende (Letztverbraucher) will die Fortbewegung auf dem Schiff über eine bestimmte nach dem vorliegenden Angebot (Prospekt) ausgewählte Strecke. Er wählt die Beförderung mit dem Schiff zwar nicht der bloßen Beförderung wegen, die er schneller mit anderen Beförderungsmitteln erlangen kann. Dennoch ist die Art der Schiffsbeförderung für ihn von entscheidender Bedeutung.
d.) Das Kabinenschiff verfügt über die technischen Voraussetzungen, damit den Reisegästen Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen angeboten werden können.
e.) Die Verpflegungsleistungen werden vertraglich mit der Flussreise verbunden. Sie werden wegen des fahrplanmäßigen Reiseablaufs auf dem Schiff, teilweise während der Beförderung, empfangen.
f.) Auf Grund der zeitlichen Lagerung von Ausflügen richten sich ggf. auch die Zeiten der Einnahme von Mahlzeiten nach dem Reiseprogramm, dh. nach dem Zeitpunkt der Rückkehr der Passagiere auf das Kreuzfahrtschiff.
g.) Der Umfang der Verköstigung steht - wie der Umfang der Unterbringungs- bzw. Nächtigungsleistung - stets in einem bestimmten Verhältnis zur Dauer der Beförderungsleistung (Ruppe/Achatz, aaO, § 6 Tz 67; zustimmend Rattinger, aaO., § 6 Tz 66, für den Fall, dass es sich um eine ohne besonderes Entgelt abgegebene Verpflegung handelt, wie dies insbesondere bei Flugreisen anzutreffen sei).
h.) Art und Umfang der Verpflegungsleistungen sind nicht "frei wähl- und buchbar". Die Passagiere speisen gemeinsam ("in einer Sitzung").
i.) Auf Grund der Eigenheiten einer Schiffsreise unterscheidet sich diese - auch nach Ansicht des BFH - wesentlich von einer Pauschalreise auf Land (etwa der Art, wie sie Gegenstand des Urteils des BFH vom 20.11.1975, V R 138/73, BStBl. 1976 II, 307, gewesen war).
15. Der Rechtsprechung des BFH folgen auch Ruppe/Achatz: Zum einen wird von diesen Autoren (wie von Ruppe in der Vorauflage) schon bei der Abhandlung der Nebenleistungen auf die soeben wiedergegebene Rechtsprechung Bezug genommen (aaO., § 1 Tz 37 Pkt. 17); zum anderen wird von ihnen - wie bereits dargestellt wurde - darauf hingewiesen, dass die Verabreichung der üblichen Mahlzeiten im Flugverkehr und im Schiffsverkehr die gängige Definition der unselbständigen Nebenleistung erfülle, zumal ihr Umfang stets im Verhältnis zur Dauer der Beförderungsleistung stünde (aaO., § 6 Tz 67, vorletzter Absatz).
Soweit sich die Außenprüfung auf die Ausführungen von Ruppe (3. Aufl.) im letzten Absatz der Tz 67 (zu § 6 UStG) bezieht, ist zu bemerken, dass darin Besorgungsleistungen im Gefolge einer Flugreise angesprochen werden. Würden gemeinsam mit einer solchen Reise (Flugreise) auch Quartier und Verpflegung besorgt, dann lägen - sofern nicht § 23 UStG zur Anwendung komme - mehrere Hauptleistungen vor, mit denen allerdings wieder jeweils unselbständige Nebenleistungen verbunden sein könnten. So wurde auch in § 1 Tz 37 Pkt. 1 (zu den Nebenleistungen) ausgeführt, dass - dem Erkenntnis des VwGH vom 5.4.1984, 83/15/0045, zufolge - bei einer Flugpauschalreise die Besorgung der Flugreise einerseits und die Besorgung des Quartiers und der Verpflegung andererseits keine einheitliche Leistung darstellen würden (die generell angebotene Beförderung zum Flughafen sei als eine unselbständige Nebenleistung zu qualifizieren). Damit wurde - im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt - aber nicht die Unterbringung und die Verpflegung während der Reise (erst recht nicht einer Reise der hier strittigen Art mit Kabinenschiffen) angesprochen.
16. Die Beurteilung von Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf Binnenwasserstraßen als Personenbeförderungsleistungen mit Nebenleistungen (Unterbringung und Verpflegung) entsprach auch der deutschen Verwaltungsauffassung. Die Ansicht, dass bei Pauschalreisen in Kabinenschiffen eine einheitliche Leistung vorliege, wobei die Beförderung als Hauptleistung und die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung als unselbständige Nebenleistungen zur Beförderung anzusehen seien, war auch nach dem Ergehen des Urteils des BFH vom 20.11.1975 (V R 138/73, BStBl. 1976, II, 307) nicht aufgegeben worden (vgl. BStBl 1984 I. 245 und BStBl. 1984, 1 603). Nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung sind die Unterbringung und die Verpflegung der Reisenden auf den Schiffen erforderlich, um die Personenbeförderung den vertraglichen Vereinbarungen entsprechend durchführen zu können.
17. Der deutsche Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung zur Beurteilung von Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen bei Pauschalreisen auf einem Schiff (Urteil vom 1.8.1996, V R 58/94) in seinen Urteilen vom 29.8.1996, V R 103/93 (BFH/NV 1997, 383; Prospektreisen auf Rhein und Mosel), vom 19.9.1996, V R 129/93 (BStBl 1997 II, 164; Rheinfahrten) und vom 2.3.2011, XI R 25/09 (Hochseeangelreise) aufrecht erhalten.
18. Die (bereits dargestellten) Ausführungen von Kranich/Siegl/Waba (aaO., § 6 Tz 40 und 47) nehmen weder auf die näheren Umstände von Pauschalreisen in Kabinenschiffen Bezug, noch enthalten sie eine nähere Begründung, weshalb Verpflegungsleistungen auf Schiffen und Luftfahrzeugen (schlechthin) nicht als unselbständige Nebenleistungen in Betracht zu ziehen sind. Dazu kommt, dass die vorliegenden Verpflegungsleistungen (Restaurationsleistungen) nach Auslegung des EuGH als Dienstleistungen (und nicht als Liefervorgänge) zu verstehen sind, wobei die gemeinschafts- bzw. unionsrechtlichen Ausnahmebestimmungen "Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Beförderung der Personen" mitumfassen.
19. Wie der steuerliche Vertreter der Bw. (unwidersprochen) ausgeführt hat, wurde in einer Anfragenbeantwortung eines österreichischen Finanzamts gleichfalls die - auf die vorzitierte Rechtsprechung des BFH - gestützte Rechtsansicht vertreten, dass bei Pauschalreisen in Kabinenschiffen (wenn "die Restaurant- und Verpflegungsleistung ... im Gesamtpreis enthalten" ist) von einer Nebenleistung auszugehen sei. Diese Rechtsansicht deckt sich mit dem Inhalt der vom steuerlichen Vertreter vorgelegten französischen Regelung aus dem Jahr 2003, der zufolge Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen als Nebenleistung zur Hauptleistung (dem ermäßigten Steuersatz) zu unterwerfen sind.
20. Auch die Verabreichung von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle stellt daher nur dann eine selbständige sonstige Leistung dar, wenn sie nicht - wie im vorliegenden Fall (ausnahmsweise) - als unselbständige Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen ist.
21. Wie Nieskens in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 3 Anm. 3751, ausführt, ist auch ein Restaurationsumsatz dann als Nebenleistung zu qualifizieren, wenn er "für den Kunden keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, die Hauptleistung des Leistungsempfängers unter optimalen Bedingungen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers in Anspruch zu nehmen". Gegen die Entscheidung des BFH vom 1.8.1996 wendet er freilich ein, dass das gesamte mit der Reise verbundene Ambiente den Charakter der Reise maßgeblich mitbestimmen würde. Es komme dem Reisenden weniger auf die tatsächliche Beförderung von A nach B als vielmehr auf die mit der Reise verbundenen Annehmlichkeiten, auf das damit verbundene Erlebnis, an. Konsequenz dieser Betrachtung sei, dass seines Erachtens entweder die Leistung insgesamt als Erlebnisreise eigenen Charakters mit Gesamtservice zu bewerten wäre (so die Vorinstanz, das FG Köln, in seiner vom BFH aufgehobenen Entscheidung; EFG 1995, 403) oder aber die Beförderung - neben der Unterbringung, der Verpflegung und der Durchführung von Ausflugsprogrammen - als selbständige Leistungen zu bewerten wäre (aaO., § 3 Anm. 500 "Schiffsreise").
Dagegen gilt es darauf zu verweisen, dass der Charakter einer Beförderungsleistung - auch nach dem österreichischen Schrifttum (siehe oben) - nicht dadurch verloren geht, dass es sich um eine "Vergnügungsreise" handelt. Es gilt auch keine Unterscheidung zwischen den Erlebniswerten verschiedener Reiseformen (Flugzeug, Bahn, Schiff) zu treffen. Die mit einer Schiffsreise auf Kabinenschiffen verbundenen Dienstleistungen (Beförderung, Unterbringung, Verpflegung) sind aufs engste miteinander verzahnt. Im Vordergrund der Reisebewegung steht nicht der Charakter eines "(schwimmenden) Hotels", sondern - wie ausgeführt - die Art der Fortbewegung mit einem ausgewählten Beförderungsmittel, das die Möglichkeit bietet, auf der Strecke gelegene Reiseziele (Städte, Landschaften, Bauten etc.) auf eigene Weise ansteuern zu können, vor allem aber auch, besondere Wasserwege kennenlernen zu können.
22. Der in Punkt 6 dargestellte, entscheidungsrelevante Sachverhalt weist alle Merkmale auf, um vom Vorliegen einer unselbständigen Nebenleistung ausgehen zu können. Den Berufungen war daher Folge zu geben. Die mit grenzüberschreitenden Personenbeförderungen verbundenen Verpflegungsleistungen sind steuerfrei. Verpflegungsleistungen in Zusammenhang mit Beförderungsleistungen, die nur im Ausland erfolgt sind, sind nicht steuerbar (siehe Punkt 1.).
II. Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2006 bis 2008
1. Die Bw. erhob gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2006 bis 2008 Berufung "für den Fall", dass der jeweiligen Berufung gegen die Sachbescheide (der Jahre 2006 bis 2008) nicht stattgegeben wird.
2. Die Berufungen gegen die Verfahrensbescheide wurden damit von einer Bedingung abhängig gemacht. Bedingte Verfahrenshandlungen erweisen sich nach der Rechtsprechung des VwGH zwar "im Allgemeinen" als unzulässig (VwGH 7.6.2001, 2001/16/0016). Von dem Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit des Verfahrensrechts wird aber unter anderem für sog. Eventualanträge (zulässige innerprozessuale Bedingungen) eine Ausnahme gemacht.
3. Eventualanträge sind Anträge, die nur für den Fall erhoben werden, dass dem vorgereihten Hauptbegehren nicht entsprochen wird. Die Partei, die ihrem Hauptantrag einen oder mehrere Eventualanträge beifügt, gibt zu erkennen, dass ihr Rechtsschutzziel durch die aufrechte Erledigung des vorgereihten Antrags erreicht ist und sie nur für den Fall der Abweisung des Hauptantrags die Entscheidung über den Eventualantrag anstrebt, dem bei Stattgabe des Hauptantrags die Rechtsgrundlage entzogen ist (OGH 14.10.1992, 3 Ob 563/92; VwGH 28.2.2008, 2006/16/0129).
Bedingte Verfahrenshandlungen sind grundsätzlich dann zulässig, wenn die Bedingung in einem innerprozessualen Umstand oder Vorgang besteht und ihre Beachtung nicht dazu angetan ist, die Vorhersehbarkeit des weiteren Verfahrensablaufes für die Behörde oder den Verfahrensgegner in unerträglicher Weise zu beeinträchtigen. Letzteres ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Bedingung eine behördliche Entscheidung bestimmten Inhaltes ist, sodass namentlich ein Eventualvorbringen und Eventualanträge als zulässige Verfahrenshandlungen anzusehen sind (vgl. OGH 21.3.1974, 7 Ob 35/74).
4. Die (rechtzeitigen) Berufungen gegen die Verfahrensbescheide waren als solche Eventualanträge zu verstehen, und zwar ungeachtet dessen, dass bei Vorliegen von Berufungen gegen den Wiederaufnahmsbescheid als auch gegen den neuen Sachbescheid zunächst über die Berufung gegen den Wiederaufnahmsbescheid zu entscheiden ist, wobei die Entscheidung über beide Berufungen in einer Berufungsentscheidung verbunden werden kann. War - im vorliegenden Fall - aber bereits den jeweiligen Primäranträgen Folge zu geben, so sind die Eventualanträge gegenstandslos geworden (VwGH 23.2.2006, 2005/16/0038).
III. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei bei der Umsatzsteuer 2009 der unter Tz. 5 des Prüfungsberichtes ausgewiesene Ansatz (dem Berufungsvorbringen entsprechend) zu berichtigen war.
Beilage: 2 Berechnungsblätter (USt 2006 bis 2009)
Innsbruck, am 9. Jänner 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Kreuzfahrtsschiff, Kabinenschiff, Pauschalreise |
Verweise: | VfGH 01.10.2007, G 237/06 |