Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgricht die neue Entscheidung über den gegen den Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs aufgetragen.
Text
Begründung
Die klagenden Vermieter brachten gegen den beklagten Mieter am 28. Jänner 1991 die Klage auf Zahlung des für zwei Monate rückständigen Mietzinses und wegen der zufolge der Säumnis nach § 1118 ABGB geforderten Aufhebung des Bestandvertrages auf Räumung der Wohnung ein. Die Klage wurde an den Beklagten nach § 106 ZPO und § 21 Abs 2 ZustG nach erfolgloser Aufforderung zur Anwesenheit durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt, Beginn der Abholfrist war der 25. Feber 1991. Die Ladung zur ersten Tagsatzung am 25. März 1991 wurde nach § 16 ZustG ebenfalls am 25. Feber 1991 an die Arbeitnehmerin des Beklagten Gabriele K***** als Ersatzempfängerin zugestellt.
Da für den Beklagten zur ersten Tagsatzung niemand gekommen und die Zustellung nach den Beurkundungen der Post ausgewiesen war, erkannte das Erstgericht auf Antrag der Kläger stattgebend mit Versäumungsurteil, dessen Ausfertigung dem Beklagten durch Ausfolgung an Gabriele K***** am 9. April 1991 zugestellt wurde, wobei der Zusteller sie als Postbevollmächtigte für RSb-Briefe bezeichnete. Die den Akten beigeschlossene Ausfertigung des Versäumungsurteiles weicht
dadurch von der Urschrift ab, daß sie unvollständig ist, weil der Ausspruch über das Räumungsbegehren fehlt.
Das Erstgericht bewilligte am 5. Juni 1991 den betreibenden Vermietern die Exekution durch zwangsweise Räumung. Die Ausfertigung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses wurde dem Beklagten wieder durch Ersatzzustellung an die Angestellte Gabriele K***** am 2. Juli 1991 zugestellt.
Am Vortag des für den 28. August 1991 anberaumten Räumungstermines wurde der Beklagte erstmals bei Gericht tätig. Er überreichte eine Nichtigkeitsklage mit dem Begehren, das Versäumungsurteil vom 25. März 1991 aufzuheben, weil er sich vom 16. Feber 1991 bis zum 17. März 1991 nicht in Wien aufgehalten habe, die Klage nicht wirksam zugestellt worden sei und er keine Kenntnis vom Termin der ersten Tagsatzung gehabt habe. Die Ausfertigung des Versäumungsurteiles und der Beschluß, womit die Räumungsexekution bewilligt wurde, seien von seiner Angestellten irrtümlich nicht an ihn weitergeleitet worden. Er sei keinen Mietzins schuldig und begehre die Abweisung des Zahlungs- und des Räumungsbegehrens. Dieser Klageschrift fügte der Beklagte und Nichtigkeitskläger weitere Anträge bei: "in eventu, ihm die Klageschrift neuerlich zuzustellen, in eventu, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der ersten Tagsatzung vom 25. März 1991 zu bewilligen, in eventu, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zum Widerspruch gegen das Versäumungsurteil vom 25. März 1991 zu bewilligen", wobei er zugleich Widerspruch erhob, und schließlich, ihm die Aufschiebung der Räumungsexekution zu bewilligen.
Das Erstgericht bewilligte die Exekutionsaufschiebung bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Wiedereinsetzungsanträge, setzte den Räumungstermin ab und verfügte die Zustellung der Klage an den Beklagten.
Nach mündlicher Verhandlung wies das Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der ersten Tagsatzung am 25. März 1991 und den Eventualantrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruches gegen das Versäumungsurteil vom 25. März 1991 ab. Der Beklagte sei spätestens am 17. März 1991 und sodann im April 1991 an die Abgabestelle, wo er das Büro seines Unternehmens betreibe, zurückgekehrt. Damit seien die Zustellungen nach § 16 Abs 5 ZustG wirksam geworden. Der Beklagte habe die Angestellte der von ihm betriebenen Modell- und Komparsenagentur nicht kontrolliert, so daß sie dreimal in kurzer Zeit Gerichtssendungen nicht an ihn weitergab; er habe sich gleichgültig und untätig verhalten und nicht bloß ein Versehen minderen Grades zu verantworten.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß aus Anlaß des vom Beklagten erhobenen Rekurses ersatzlos auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Nichtigkeitsklage sei mit Beschluß vom 27. August 1991 zurückgewiesen, dem hilfsweise gestellten Antrag auf neuerliche Zustellung der Klage aber stattgegeben worden. Da der Beklagte nur in eventu Wiedereinsetzungsanträge für den Fall stellt, daß seinem Zustellantrag nicht stattgegeben werde, seien nach seiner eigenen Reihung die Wiedereinsetzungsanträge nicht zu behandeln gewesen. Dies entspreche ständiger Rechtsprechung.
Diese durch die ersatzlose Aufhebung des erstrichterlichen Beschlusses auf Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge abändernde Entscheidung des Rekursgerichtes bekämpft der Beklagte mit dem außerordentlichen Revisionsrekurs, der zulässig und berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Wohl ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß in beschränkten Umfang die Wirksamkeit von Parteihandlungen von Bedingungen abhängig gemacht werden darf, wenn die Bedingung an in einem bereits eingeleiteten Verfahrensabschnitt eintretende Tatsachen oder Vorgänge geknüpft ist (Fasching, ZPR2 Rz 758). So sind Eventualbegehren und Eventualanträge gestattet, die nur für den Fall erhoben werden, daß dem zuvor gereihten Hauptbegehren nicht stattgegeben wird (Fasching aaO Rz 759; SZ 38/93). Die Partei, die ihrem Hauptantrag einen oder mehrere Eventualanträge beifügt, gibt zu erkennen, daß ihr Rechtsschutzziel durch aufrechte Erledigung des vorgereihten Antrages erreicht ist und sie nur für den Fall der Abweisung die Entscheidung über den Eventualantrag anstrebt, dem bei Stattgebung des Hauptantrages ohnedies die Rechtsgrundlage entzogen ist. Wenn der Beklagte meinte, mit der "Nichtigkeitsklage" die Beseitigung des gegen ihn gefällten Versäumungsurteiles erreichen zu können, so benötigte er nicht mehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der ersten Tagsatzung oder gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist. Insoweit handelt es sich, wenn auch unzulässig mit der neuen Klagsführung verbunden, um nicht unstatthafte Eventualanträge zur Nichtigkeitsklage, die also nur für den Fall einer Behandlung zugeführt werden sollten, daß der erste Schritt erfolglos bleibt. Nach der Zurückweisung der Nichtigkeitsklage war über diese Anträge zu entscheiden.
Es kann nun dem rechtsfreundlich vertretenen Beklagten nicht unterstellt werden, er hätte ernstlich seine Wiedereinsetzungsanträge, deren Reihung untereinander sich sinngemäß schon aus § 147 Abs 2 ZPO ergibt, nur als Eventualanträge für den Fall gestellt, daß seinem Antrag auf Zustellung einer Ausfertigung der Klageschrift nicht stattgegeben wird. In dem Verfahrensabschnitt, in welchem die neue Zustellung der Klage angeordnet und bewirkt wurde, war für den Beklagten durch den Zustellvorgang nichts zu gewinnen. Die Zumittlung der Klageschrift konnte daher das verfolgte Rechtsschutzziel, der Räumungsexekution (deren Bewilligung unangefochten blieb) die Grundlage zu entziehen, indem der Exekutionstitel aufgehoben wird (§ 39 Abs 1 Z 1 EO), keineswegs verwirklichen. Die Prozeßhandlung des Beklagten ist daher zwangslos so zu verstehen, daß der Eventualantrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzungen dem Eventualantrag auf Zustellung der Klageschrift gleichrangig beigeordnet und auch zu behandeln ist, wenn die Klagszustellung erneuert wurde. Das Erstgericht hat daher zutreffend über die Wiedereinsetzungsanträge entschieden.
Kosten hat der Beklagte nicht verzeichnet (vgl § 154 ZPO).
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