UFS RV/0555-G/10

UFSRV/0555-G/1021.12.2011

Auslandspraktikum nicht angerechnet.

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/16/0028 eingebracht. Mit Erk. v. 22.2.2012 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Herrn X in XY, vom 5. November 2009 gegen die Rückforderungsbescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 7. Oktober 2009 betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum 1. März 2009 bis 30. Juni 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe stellte das Finanzamt Graz-Stadt fest, dass der Sohn des Berufungswerbers im Sommersemester 2009 nicht mehr zur Fortsetzung des Studiums gemeldet war. In der Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. Juni 2009 war er als Volontär an der Außenhandelsstelle Chicago tätig. Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag wurden daher mit Bescheid vom 7. Oktober 2009 vom Finanzamt zurückgefordert, weil keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorgelegen ist.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 5. November das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und zusammenfassend ausgeführt, dass der Sohn ein studienbezogenes Auslandssemester absolviert habe und dabei die ordnungsgemäße Fortsetzungsmeldung aus Versehen unterlassen habe. Dies habe jedoch für den Studienfortgang keine Auswirkung, da er zu diesem Zeitpunkt keine Lehrveranstaltungen besuchen musste und nur mehr die Diplomarbeit ausständig war.

Das Finanzamt erließ am 29. Juni 2010 eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte als Begründung zusammenfassend aus, dass der Sohn des Berufungswerbers im Streitzeitraum weder im Inland noch im Ausland zum Studium zugelassen bzw. vom Studium beurlaubt war und deshalb keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorgelegen ist.

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2010 beantragte der Berufungswerber die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Als Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

Mit Bescheid vom 7. Oktober 2009 wurde mir gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz die Rückzahlung von Familienbeihilfe samt Kindergeld für meinen Sohn Name in Höhe von insgesamt € 844,40 aufgetragen.

Das Rückzahlungsbegehren stützt sich auf die Tatsache, dass mein Sohn im Sommersemester 2009 nicht zur Fortsetzung des Studiums gemeldet war, wodurch die Zulassung zum Studium dadurch erloschen ist.

Mein Sohn absolvierte ein zweimonatiges studienbezogenes Auslandspraktikum, welches als integrativer Teil des Studiums von Seiten des rechtswissenschaftlichen Dekanats auch anerkannt worden war. Da er sich bereits einige Zeit vor Praktikumsantritt zum Zwecke kultureller sowie sprachlicher Vorbereitung in den USA aufhielt, hat er aus Versehen die ordnungsgemäße Fortsetzungsmeldung unterlassen. Die dadurch erfolgte Exmatrikulation hatte jedoch auf den Studienfortgang keinerlei Auswirkungen, da er zu diesem Zeitpunkt keine Lehrveranstaltungen mehr besuchen musste, sondern nur noch seine Diplomarbeit fertigzustellen hatte - was aufgrund der damit verbundenen weitgehend selbständigen Arbeitsweise auch unabhängig von einer aufrechten Fortsetzungsmeldung erfolgen kann. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass mein Sohn sein Studium bereits am 1. April 2010 abgeschlossen hat. Seine Studiendauer im dritten Abschnitt liegt mit 11 Semestern somit innerhalb der Toleranzzeit, wobei ein ausreichender Studienerfolg durchgehend gegeben war.

Schließlich kommt es für die Anerkennung einer Berufspraxis im Rahmen der freien Wahlfächer - wie das Finanzamt unter Verweis auf die Rechtslage an der Universität Graz in der angefochtenen Entscheidung selbst feststellt - nicht darauf an, dass der/die Studierende zum Zeitpunkt der Absolvierung an einer inländischen Universität inskribiert war. In Anbetracht der gegebenen Umstände kann am Vorliegen eines ernsthaften und zielstrebigen Studiums und damit einer Berufsausbildung iSd § 2 FLAG als Anspruchsvoraussetzung für die Familienbeihilfe kein Zweifel bestehen.

Mit Bericht vom 20. August 2010 legte das Finanzamt Graz-Stadt die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs.1 lit. b FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester.

Unter "vorgesehene Studienzeit" ist jene in Semestern oder Studienjahren definierte Zeitspanne zu verstehen, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studienabschnittes oder eines Studiums festgelegt ist (= gesetzliche Studiendauer).

Bei Studienrichtungen mit mehreren Studienabschnitten ist in Bezug auf die Gewährung der Familienbeihilfe jeder Studienabschnitt für sich zu betrachten. Jedem Studienabschnitt ist hierbei ein Semester zuzurechnen (= Toleranzsemester). Ein Studienabschnitt plus ein Semester ist somit der für die Gewährung der Familienbeihilfe maßgebende Zeitraum.

Nach § 6 Abs. 1 Universitäts-Studiengesetz (gleichlautend ab 1.10.2002 § 52 erster Satz Universitätsgesetz) besteht das Studienjahr aus dem Wintersemester, dem Sommersemester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Es beginnt am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres.

Unstrittig ist, dass der Sohn des Berufungswerbers ab Mai 2009 als Volontär an der Außenhandelsstelle Chicago tätig und in diesem Semester nicht zur Fortsetzung gemeldet war.

Unstrittig ist auch, dass dieses Praktikum im inhaltlichen Zusammenhang mit seinem rechtswissenschaftlichen Diplomstudium steht. Dies geht aus der Bestätigung vom 21. Oktober 2009 des Dekanats der Rechtswissenschaftlichen Fakultät hervor.

Zunächst ist der vom Finanzamt im Abweisungsbescheid geäußerten Rechtsansicht insoweit zuzustimmen, als ein Anspruchstatbestand für die Gewährung der Familienbeihilfe nur dann zum Zug kommen kann, wenn eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorliegt.

Im FLAG-Kommentar, Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Abs. 1, Rz. 63ff, ist dazu Folgendes ausgeführt:

Meldung der Fortsetzung (bzw "Rückmeldung" zum Studium). Die Studierenden sind verpflichtet, innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist jedes Semesters der Universität, an der eine Zulassung zum Studium besteht, die Fortsetzung des Studiums zu melden. Die Wirkung der Meldung der Fortsetzung des Studiums für ein Semester erstreckt sich bis zum Ende der Nachfrist des unmittelbar darauf folgenden Semesters, sofern die Zulassung zum Studium noch nicht erloschen ist (§ 62 Abs 1 u 3 UG 2002).

Mit der Bezahlung des Studienbeitrags (sofern ein solcher zu entrichten ist) bzw des Hochschülerschaftsbeitrags während der allgemeinen Zulassungsfrist bzw der Nachfrist (Rz 64) im jeweiligen Semester erfolgt die Meldung des Studierenden, dass er das Studium fortsetzen will. Die Meldung muss jedes Semester erfolgen.

Die Zulassung zu einem Studium erlischt, wenn die oder der Studierende die Meldung der Fortsetzung des Studiums unterlässt, ohne beurlaubt zu sein ( § 68 Abs 1 Z 1 UG 2002).

Fortsetzungsbestätigung (früher Inskriptionsbestätigung): Die Universität hat über die Meldung der Fortsetzung des Studiums den Studierenden Studienbestätigungen auszustellen. Diese müssen jedenfalls Namen, Geburtsdatum, Matrikelnummer und Sozialversicherungsnummer der oder des Studierenden sowie den Studierendenstatus, das Studium und das Semester enthalten ( § 62 Abs 4 UG 2002). Nachfristen (an Universitäten). Mit Ablauf der allgemeinen Zulassungsfrist beginnt die Nachfrist, die im Wintersemester am 30. November und im Sommersemester am 30. April endet. Innerhalb der Nachfrist sind die Zulassung und die Meldung der Fortsetzung des Studiums zulässig ( § 61 Abs 2 UG 2002).

Erfolgt die Meldung der Fortsetzung des Studiums nicht spätestens vor Ablauf der Nachfrist, kommt die Erstzulassung als neue/r Studierende/r nicht zustande bzw erlischt die Zulassung zum Studium ohne jegliche Verständigung darüber an die/den Betroffene/n. Das Ablegen von Prüfungen sowie die Abwicklung von Anerkennungsverfahren usw sind in diesem Fall nicht möglich.

Beurlaubung. Nach § 67 Abs 1 UG 2002 haben die Universitäten festzulegen, dass Studierende auf Antrag für höchstens zwei Semester je Anlassfall, insbesondere wegen Ableistung eines Präsenz- oder Zivildienstes, wegen länger dauernder Erkrankung, wegen Schwangerschaft oder wegen Betreuung eigener Kinder, bescheidmäßig zu beurlauben sind. Näheres ist in der Satzung festzulegen.

Während der Beurlaubung bleibt nach § 67 Abs 2 UG 2002 die Zulassung zum Studium aufrecht . Die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, die Ablegung von Prüfungen sowie die Einreichung und Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten sowie künstlerischer Master- und Diplomarbeiten ist unzulässig .

Im Mail von der Frau Studiendekan Univ. Prof. Dr. S. vom 30. Mai 2010 an das Finanzamt wurde dazu Folgendes angeführt:

Im Fall von Herrn HA geht es darum, dass er ein berufsorientiertes Praktikum absolviert hat, das gem. § 16 Abs. 2 letzter Satz des Satzungsteiles Studienrecht der KFUG im Rahmen der freien Wahlfächer anerkannt hätte werden können. Für die Anerkennung von freien Wahlfächern, die etwa auch an anderen Universitäten etc absolviert werden können, kommt es nicht darauf an, ob der Studierende zum Zeitpunkt der Absolvierung an unserer Universität inskribiert war. Im Falle von Herrn HA hat sich die Notwendigkeit/Möglichkeit der Anerkennung dieses Praktikums als freies Wahlfach nur nicht (mehr) gestellt, weil er das für den Studienabschluss notwendige Ausmaß an freien Wahlfächern bereits absolviert hatte.

Ich hoffe, ich konnte den speziellen Hintergrund jetzt darstellen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Anrechnung diese Praktikums grundsätzlich erfolgen hätte können, aber nicht angerechnet worden ist, weil die Anzahl der freien Wahlfächer bereits absolviert worden ist.

Im Telefonat mit dem Dekanat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät vom 2. September 2011 wurde dem UFS mitgeteilt, dass eine Eintragung des Auslandspraktikums in den Erfolgsnachweis nicht möglich war, da der Student in dieser Zeit exmatrikuliert war. Am gleichen Tag wurde der Berufungswerber aufgefordert, einen Anrechnungsbescheid (über das Auslandspraktikum) von der KF-Universität zu erbringen.

Im Telefonat vom 12. Dezember 2011 gab der Berufungswerber an, dass ein Anrechnungsbescheid nicht beigebracht werden kann.

Im gegenständlichen Fall war somit eine Anrechnung des Auslandspraktikums (Eintragung in den Erfolgsnachweis oder mittels Anrechnungsbescheid) nicht möglich, weil der Sohn des Berufungswerbers bereits alle erforderlichen freien Wahlfächer absolviert hatte, bzw. weil er in dieser Zeit exmatrikuliert war.

Daraus folgt, dass dieses Auslandspraktikum zwar im Zusammenhang mit seinem rechtswissenschaftlichen Studium stand, aber kein unabdingbares Erfordernis bestand dieses Praktikum zu absolvieren. So wurde auch im Vorlageantrag Folgendes ausgeführt: ...Da er sich bereits einige Zeit vor Praktikumsantritt zum Zwecke kultureller sowie sprachlicher Vorbereitung in den USA aufhielt, hat er aus Versehen die ordnungsgemäße Fortsetzungsmeldung unterlassen. ... Eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 lit. b FLAG muss aus diesen Gründen verneint werden.

Über die Berufung war daher wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Graz, am 21. Dezember 2011

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992

Stichworte