UFS RV/0822-W/10

UFSRV/0822-W/1031.3.2011

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Karl Kittinger und die weiteren Mitglieder Hofrat Dr. Walter Mette, Mag. Bernhard Pammer und Gerhard Mayerhofer über die Berufung des Bw, vertreten durch HS, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 6/7/15 vom 4. September 2009 betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am 31. März 2011 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf € 39.871,67 anstatt € 44.427,02 eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom 4. September 2009 nahm das Finanzamt den Berufungswerber (Bw) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der R-GmbH im Ausmaß von € 44.427,02 in Anspruch.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bw im Wesentlichen aus, dass der Betrag, für den der Bw zur Haftung herangezogen werde, bereits in dem Bescheid über den Abgabenanspruch gegenüber der R-GmbH zu Unrecht festgesetzt worden sei. Der Bw erhebe daher gemäß § 248 BAO eine gesonderte Berufung gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch.

Aus dem dem Haftungspflichtigen nach § 248 BAO eingeräumten Berufungsrecht ergebe sich, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen sei. Eine solche Bekanntmachung habe durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch (allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhaltes) zu erfolgen. Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung mache den Haftungsbescheid rechtswidrig (Ritz, BAO § 248 Rz 8; VwGH 28.5.1993, 93/17/0049). Dies sei im gegenständlichen Fall unterlassen worden. Es sei dem Bw lediglich eine Rückstandsaufgliederung vom 6. August 2009 übermittelt worden und seien im Haftungsbescheid nicht näher begründete, angeblich offene Umsatzsteuerbeträge genannt worden. Dies entspreche nicht der gesetzlich erforderlichen Vorgehensweise und mache den Haftungsbescheid alleine schon deswegen rechtswidrig.

Die erstinstanzliche Behörde verweise auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe. Die erstinstanzliche Behörde schließe daraus, dass, sofern der Vertreter nicht nachweisen könne, dass er die der Gesellschaft zu Verfügung stehenden Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe, für die nicht entrichteten Abgaben haften würde. Ein solches Vorgehen bedeute eine Überbindung der Beweislast auf den Bw und sei rechtswidrig. Dem Vertreter obliege nämlich kein negativer Beweis, sondern lediglich (die konkrete) schlüssige Darstellung der Gründe, die zum Beispiel der gebotenen Abgabenentrichtung entgegengestanden seien. Der Vertreter habe allenfalls eine "qualifizierte Behauptung- und Konkretisierungslast"; eine Beweislastumkehr gebe es jedoch nicht. Auch einen "Freibeweis" müsse er nicht erbringen. Die (qualifizierte) Mitwirkungspflicht des Vertreters entbinde die Behörde nicht von ihrer Ermittlungspflicht.

Entspreche der Vertreter seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptungen und Beweisanboten zu seiner Entlastung darzutun, so liege es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen. Genau dies habe die Behörde im gegenständlichen Fall unterlassen. Der Bw habe mit Schriftsatz vom 18. August 2009 konkrete Ausführungen zu seiner Entlastung gemacht. Die erstinstanzliche Behörde sei auf diese jedoch in dem bekämpften Bescheid nicht eingegangen und habe keinerlei konkrete Feststellungen oder Rechtsausführungen in dem vom Bw relevierten Zusammenhang getroffen. Die erstinstanzliche Behörde habe sich mit der Wiedergabe eines Standardtextelementes in Hinblick auf die zeitliche Beschränkung der Vertreterhaftung begnügt. Alleine schon dies belaste den Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Der bekämpfte Bescheid setze sich mit dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt kaum auseinander. Er gehe (mit Ausnahme der Ergänzung von drei Datumsangaben, dem Namen der abgabenpflichtigen Gesellschaft und der Ausführungen unter Punkt 9) nicht konkret auf den Sachverhalt ein, sondern erschöpfe sich in der Wiedergabe formelhafter und bereits vorgegebener Textelemente. Dies sei vor allem auch an den Ausführungen in Punkt 6 zu sehen, bei der die erstinstanzliche Behörde sich nicht einmal festlegen könne, ob für die bezogenen Zeiträume die Umsatzsteuer nun "rechtskräftig gemeldet" oder "festgesetzt" oder "veranlagt" sein solle. Diese Auseinandersetzung und Feststellung des Sachverhalts, auf Grund dessen entschieden werden solle, sei mehrfach von Bedeutung. Vor allem sei sie insofern von Bedeutung, als die Umsatzsteuerbemessung im Einvernehmen mit der Behörde durch vollumfängliche Übermittlung der Belege und Unterlagen durchgeführt worden sei, die Festsetzung der Umsatzsteuer aber erst im Juli 2006 (bzw. im Jänner 2007) bzw. im Mai 2007, das heiße erst ein knappes Jahr bzw. halbes Jahr nach Ausscheiden des Bw aus seiner Geschäftsführerfunktion erfolgt sei. Es sei darauf hingewiesen, dass für ein Verschulden ein subjektiv vorwerfbares Verhalten erforderlich sei. Wenn aber wie im gegenständlichen Fall kein Anlass zu einer anderen Vorgehensweise von Seiten des Vertreters bestehe und die Festsetzung erst nach dem Ausscheiden des Vertreters erfolge, so könne diesem kein subjektiver Vorwurf gemacht werden.

Der Bw sei von April 2003 bis Juni 2006 (Anmeldung zum Firmenbuch am 20. Juni 2006) Geschäftsführer der R-GmbH gewesen. Diese Gesellschaft habe sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Energy-Drinks, die ins Ausland (vor allem USA und Arabien) verkauft würden, beschäftigt. Dies sei in Österreich erfolgt, weil es hier ein - weltweit fast einzigartiges - Netz von qualifizierten Produktions- und Abfüllbetrieben gebe. Der Bw sei als Geschäftsführer für die Produktion zuständig gewesen, während sein Geschäftspartner und Mitgeschäftsführer, Herr FK, für die Bereiche Recht, Finanzen, Marketing und Vertrieb zuständig gewesen sei. Beide Geschäftsführer hätten unabhängig von einander agiert und nicht des anderen bedurft, um für die Gesellschaft tätig zu werden, was in der selbstständigen Vertretungsbefugnis beider Geschäftsführer ihren Ausdruck gefunden habe. Der Bw habe sich als Produktionsverantwortlicher nicht mit Fragen der Buchhaltung oder der Steuer befasst, sondern neue Energy Drinks entwickelt. Das heiße, er sei mit chemischen Fragen, Aspekten der Produktion (Planung und Optimierung) und der Abfüllung (Verpackung, Fülltechnik, Haltbarkeit usw.) beschäftigt gewesen. Auf diesem Gebiet seien dem Bw große Erfolge gelungen. Mit Fragen der Finanz (wozu auch Steuerfragen gehörten) sei er nicht beschäftigt gewesen.

Da beide Geschäftsführer unabhängig von einander agiert hätten, habe sich der Bw nicht im Detail über die einzelnen Geschäftsführertätigkeiten des zweiten Geschäftsführers informiert, sondern diese laufend mitverfolgt, wie es bei einer Aufgabenteilung üblich sei. Zu einer näheren Befassung mit den Handlungen von FK habe auch keine Veranlassung bestanden, da dem Bw kein Anlass gegeben worden sei, an dessen Vorgehen zu zweifeln. Im Gegenteil, am 28. November 2008 (gemeint wohl: 2004) habe es eine Außenprüfung für die Monate Jänner bis Oktober 2004 gegeben, die letztlich nur dazu geführt habe, dass gewisse Kraftfahrzeug- und Restaurantkosten nicht anerkannt worden seien, dem umsatzsteuerliche Vorgehen (des FK) aber nicht grundsätzlich die Anerkennung verweigert worden sei. Der Bw habe also keine Veranlassung gehabt, sich mit diesen Themen näher oder weiter zu befassen, sondern habe sich auf seine Aufgaben konzentriert.

Während des Jahres 2005 habe sich das Klima zwischen dem Bw und FK bzw. seinen Mitgesellschaftern verschlechtert und sei es zu diversen Konflikten gekommen, etwa über die Strategie und die Zukunft der Gesellschaft, auch wenn man operativ weiterhin gewisse Erfolge gehabt habe (es seien immerhin knapp 1,4 Mio. Dosen verkauft worden). Der Bw habe sich gegen seine Mitgesellschafter nicht durchsetzen können, da er zwar an der GmbH beteiligt gewesen sei, jedoch nur als Minderheitsgesellschafter. FK und auch ein Teil der übrigen Gesellschafter, die allesamt aus dem Umfeld von FK stammten (etwa Herr RM), hätten mehr Anteile und Stimmrechte gehabt, was ausgereicht habe, um den Bw zu überstimmen. Darüber hinaus sei FK zugleich der Geschäftsleiter und 100%ige Aktionär der RI. gewesen, an welche die österreichische GmbH circa 90% ihrer Exporte getätigt habe (die restlichen Exporte seien wie erwähnt auf die Vereinigten arabischen Emirate entfallen). Die RI sei für den Endverkauf der Energy Drinks zuständig gewesen und habe daher als "finanzierende Gesellschaft" fungiert. Aus eben diesem Grund sei FK auch in der österreichischen GmbH für den Bereich Finanzen zuständig gewesen.

Erst im Laufe des Jahres 2006, und zwar erstmals am 8. März 2006, sei der Bw darauf aufmerksam geworden, dass im Bereich der Umsatzsteuer etwas nicht zu stimmen scheine, und zwar im Rahmen einer Einvernahme in Folge einer USt-Sonderprüfung. Der Bw sei sehr erstaunt gewesen und habe sich der Sache - obwohl nicht in seinem Ressort - unmittelbar angenommen. Er habe veranlasst, dass die Belegsammlung sofort aufgebucht werde und habe diese schon am 3. April 2006 vorlegen können.

FK sei für den Bw in den letzten Monaten immer schwerer zu erreichen gewesen und habe zunehmend die Zusammenarbeit sowie die Lösung anstehender Probleme verweigert, sodass der Bw zu diesem Zeitpunkt die einzige Lösung darin gesehen habe, dass die Gesellschaft verkauft werde und der Bw eine neues Unternehmen gründe, das ein neues Produkt, das der Berufungswerber inzwischen entwickelt habe, herstellen würde. Das habe der Bw auch so am 7. März 2006 zur Niederschrift erklärt.

Der Bw habe also begonnen, sich der Sache mit der Umsatzsteuer selbst anzunehmen und versucht, die Unterlagen beizuschaffen. Er habe etwa selbst (mehrfach) bei der Behörde vorgesprochen. Am 15. Juni 2006 sei der Bw aufgefordert worden, die Ausfuhrbestätigungen beizubringen. Das sei aber schon keine Sache des Ressorts des Bw gewesen und noch weiter dadurch erschwert worden, dass die Gesellschaft (fast ausschließlich) "ex works" verkauft habe, wodurch die Dokumentation sich in den Händen der Abnehmer befunden habe. Es sei dem Bw jedoch nicht möglich gewesen, in Aufgabenbereichen des FK tatsächlich tätig zu werden oder auch nur die Unterlagen (die sich in den USA befunden hätten, wo FK seinen ständigen Aufenthalt gehabt habe und die Abnehmer ihren Sitz gehabt hätten) herbeizuschaffen. Ebenso sei es dem Bw nicht möglich gewesen, eine (rechtliche) Freigabe für die entsprechenden Gelder zu erlangen und diese auch (faktisch) zu erhalten. Die amerikanischen Geschäftspartner des Bw, d.h. FK und seine Mitgesellschafter, hätten diese Vorgänge nicht als ihr Problem betrachtet und hätten durch ihre Mehrheit in der Generalversammlung eine Lösung oder auch nur eine Aufklärung der Probleme (von denen die USt-Frage nur eines gewesen sei) verhindert.

Aufgrund dieser und der oben geschilderten faktischen (und rechtlichen) Machtposition und Verankerung in der Gesellschaft sei der Bw nicht in der Lage gewesen, alle Vorgänge zu 100% zu erfassen, geschweige denn sie auch zu kontrollieren oder gar aktiv zu beeinflussen, vor allem in Krisensituationen. Trotz der erwähnten gewissen (anfänglichen) Erfolge habe sich die (österreichische) Gesellschaft immer schlechter entwickelt, an Liquiditätsmangel gelitten, und habe die alten und die neuen Eingangsrechnungen nicht vollständig bedienen können, sondern habe sie nur zu 10% bedient. Wie der Bw habe eruieren können, habe die Gesellschaft bereits Ende 2005 Schulden von über € 200.000,00 angehäuft gehabt. Schließlich habe der Bw infolge der Nicht-Durchsetzbarkeit seiner Position den einzigen Ausweg darin gesehen, seine Tätigkeit als Geschäftsführer zu beenden, so sehr dies auch nachteilhaft für ihn gewesen sei, da er dann als Gesellschafter gegenüber FK (faktisch und rechtlich) vollkommen ins Hintertreffen geraten sei, was die Information über die Firma anbelangt habe. Daher habe schließlich der Ausweg gefunden werden können, die Gesellschaft zu verkaufen. Während FK Geschäftsführer geblieben sei, sei der Bw als Geschäftsführer und als Gesellschafter ausgeschieden.

Selbst wenn die Behörde aber von einem anderen Sachverhalt ausgehen könnte, so sei die von ihr angewandte Rechtsansicht unrichtig. Der Haftungsbescheid führe aus, dass der Bw handelsrechtlicher Geschäftsführer der Abgabenpflichtigen gewesen sei und somit auch verpflichtet gewesen sei, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen. Das sei in dieser Pauschalität falsch. Der Vertreter der Gesellschaft sei (nur) zu einem gesetzeskonformen Verhalten verpflichtet. Das möge im Normalfall die Abführung der Abgaben sein, nicht aber unter allen Umständen. Weder sei der Vertreter im Falle nicht ausreichender Mittel verpflichtet, die Forderungen des Finanzamtes zu bevorzugen, noch sei er verpflichtet, im Falle eines akkordierten Vorgehens mit dem Finanzamt mehr als diesem akkordierten Vorgehen entsprechend zu leisten, noch sei er verpflichtet, in unklaren oder strittigen Situationen dem Finanzamt - sofern nicht bescheidmäßig oder anderswie rechtkräftig festgesetzt - überflüssige Zahlungen zu leisten. Der handelsrechtliche Geschäftsführer einer GmbH sei nämlich schon alleine gesellschaftsrechtlich verpflichtet, der Gesellschaft nicht unnötig Liquidität zu entziehen (dies auch dann, wenn durch den Entzug keine Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt werde, erst recht aber in einer solchen Situation), da er dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet sei, und sich andernfalls (und zwar gegenüber der Gesellschaft bzw den Gesellschaftern) schuldhaft verhalten und haftbar machen würde. Der Geschäftsführer habe nicht nur abgabenrechtliche, sondern auch handelsrechtliche (und natürlich auch arbeits-, insolvenz-, datenschutz-, umweltrechtliche, usw) Bestimmungen einzuhalten. Die Haftung nach § 9 BAO setze eine schuldhafte Verletzung des Geschäftsführers voraus. Schuldhaft könne aber ein bestimmtes Verhalten nur sein, wenn der Handelnde dazu nicht durch andere Vorschriften (und mögen diese auch den faktischen Interessen der Finanz entgegenstehen) verpflichtet sei. Genau dies sei hier aber geschehen. Der Bw habe sich nicht pflichtwidrig, sondern geradezu pflichtkonform verhalten, in dem er in der gegenständlichen Situation für eine möglichst hohe Liquidität der Gesellschaft gesorgt habe. Es werde erneut darauf hingewiesen, dass es ja nicht darum gehe, dass die Gesellschaft fällige Umsatzsteuer nicht abgeführt hätte, sondern darum, dass sie ihr - nach jedenfalls vertretbarer Ansicht - zustehende Vorsteuerforderungen sich habe rückerstatten lassen.

Der bekämpfte Bescheid sei insofern rechtswidrig, als er nicht berücksichtige, dass der Bw in seiner aktiven Zeit alles dazu beigetragen habe, um Unklarheiten zu beseitigen und seine gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Er habe nämlich, kaum dass er Hinweise auf Handlungsbedarf erhalten habe, sich der Sache angenommen und alles unternommen, um die Sache zu bereinigen. Dem Bw liege auch insoferne kein Verschulden zur Last, als es eine Aufgabentrennung zwischen den Geschäftsführern gegeben habe. Der Bw sei als Geschäftsführer für den Bereich der Produktion zuständig gewesen, wohingegen der zweite (ebenfalls selbständig vertretungsbefugte) Geschäftsführer, FK, für die Bereiche Finanz, Recht, Marketing und Vertrieb zuständig gewesen sei. Letzterer sei mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut gewesen und habe der Bw seine Überwachungspflichten nicht verletzt. Er sei also insofern exkulpiert und hafte nicht (Ritz, BAO § 9 Tz 23). Die Haftung sei daher in erster Linie an FK zu richten.

Die von der Behörde bemängelten Rechnungen (Vorwurf von Scheinrechnungen) über Werbemaßnahmen seien in das Ressort von FK (Marketing und Vertrieb) gefallen und seien vom Bw weder beauftragt noch bezahlt worden, da dies nicht sein Aufgabengebiet gewesen sei. Da das Finanzamt im gesamten Jahr 2005 keine Beanstandungen gemacht habe, habe der Bw auch von der Richtigkeit dieser Rechnungen (wie aller anderen) ausgehen können.

Für die Haftung nach § 9 BAO sei nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehörten zwar auch die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwalte, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen, vor allem aber auch - und das sei hier relevant - die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht. Dieser entsprechend hätten die Vertreter der Abgabenpflichtigen (wie erwähnt, habe ja primär eine diesbezügliche Verantwortung des zweiten Geschäftsführers, FK, bestanden) stets die Behörde der Wahrheit entsprechend informiert und ihre Abgabenforderungen (es seien ja eben gerade keine Verbindlichkeiten der Gesellschaft gewesen) offengelegt. Die Belege und Unterlagen der Gesellschaft seien möglichst zeitnah nach Ablauf des jeweiligen Monats vollumfänglich übermittelt und dergestalt die Umsatzsteuerbemessung durchgeführt worden. Die Behörde habe gegen diese Vorgehensweise keine Einwände gehabt und auf dieser Grundlage die Vorsteuer ausbezahlt. Der Bw habe also darauf vertrauen können, dass diese Vorgehensweise einschließlich der Auszahlungen rechtskonform sei. Im Falle eines solchen Vertrauen-Dürfens treffe den Vertreter jedoch kein Verschulden (Ritz, BAO § 9 Rz 19).

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.5.2001, 2001/14/0006; 17.12.2003, 2000/13/0220), wonach die Haftung auch für Abgabenforderungen bestehen könne, deren bescheidmäßige Festsetzung oder Anmeldung nach Beendigung der Vertreterfunktion erfolgt sei, wenn die Fälligkeit ex lege bereits im Zeitraum der aufrechten Vertretung eingetreten sei, sei auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden. Diese Entscheidungen gingen davon aus, dass der Vertreter der Pflicht zur Bezahlung von Umsatzsteuer (bzw anderen Selbstbemessungsabgaben) nicht nachgekommen sei. Hiebei handle es sich um die Verpflichtung zur Abführung einer Abgabe. Im gegenständlichen Fall habe die Gesellschaft jedoch zur Auszahlung gelangende Vorsteuerguthaben entgegengenommen. Genau darin liege nun der Unterschied. Wenn die Abgabenbehörde, der sämtliche Informationen und Unterlagen offengelegt worden seien, ein Vorsteuerguthaben zur Auszahlung bringe, und ein Geschäftsführer dieses für die Gesellschaft entgegennehme, so habe er sich damit eben rechtskonform verhalten (im Gegensatz zu einem Geschäftsführer, der Umsatzsteuerbeträge zu den sich aus den Selbstbemessungszeiträumen sich ergebenden Zeitpunkten nicht bezahle). Wie hätte denn ein angeblich rechtskonformes Alternativverhalten des Vertreters aussehen sollen? Dass er die Zeitpunkte, zu denen die USt- bzw. Vorsteuerzahlungen fällig seien, missachtet hätte, was ja den Kern des Vorwurfs in den angeführten VwGH-Judikaten darstelle, werde dem Bw im gegenständlichen Fall ja gerade nicht vorgeworfen. Hätte er also trotz Offenlegung gegenüber der Behörde die sich (auch nach Ansicht der Behörde) ergebende (und jedenfalls als vertretbar anzusehende) Vorsteuerauszahlung nicht entgegennehmen sollen? Das sei nicht nur beinahe absurd, sondern würde den Bw auch gegen seine Verpflichtungen als handelsrechtlicher Geschäftsführer verstoßen lassen.

Im Übrigen wäre dem Bw, selbst wenn sein Verhalten objektiv rechtwidrig gewesen wäre, und er zu dem eben dargestellten Verhalten verpflichtet gewesen wäre, schon insoferne kein Verschulden vorzuwerfen, als gerade in Folge der Offenlegung der Informationen gegenüber der Behörde und der entsprechenden Auszahlung der Behörde ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, auf den der Geschäftsführer dahingehend habe vertrauen können, dass er keine Verpflichtungen verletzt habe. Dies treffe auf den Bw umso mehr zu, als dieser ja gar nicht mit der Erfüllung der Abgabenpflichten betraut gewesen sei und bis zum Frühjahr 2006 keinen Grund gehabt habe, vermuten zu müssen, dass das praktizierte Vorgehen nicht zulässig oder ausreichend sei.

Darüber hinaus sei ja die Behörde bei 2 Prüfungen (Außenprüfung über den Zeitraum Jänner 2004 bis Oktober 2004 durch Herrn HSc und Anschlussprüfung über den Zeitraum November 2004 bis November 2005 durch Frau Amtsdirektor MB) hinsichtlich der Frage nach umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen zu dem Ergebnis gekommen, dass keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze durchgeführt worden seien. Schließlich sei zu beachten, dass der Vertreter schon alleine durch die Offenlegung der Informationen seinen gesetzlichen Pflichten nachkomme, vor allem in dem Fall, wenn es um die Rückerstattung von Vorsteuer gehe und die Gesellschaft keine USt-Pflicht treffe, da sie (praktisch) nur ins Nicht-EU-Ausland exportiere.

Schließlich hafte der Bw schon deswegen nicht, weil er an der Erfüllung seiner Aufgaben durch seinen Mitgeschäftsführer und die Gesellschaft gehindert worden sei (vgl Ritz, BAO § 9 Rz 17). Eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche auf Geschäftsführung in der kurzen Zeit sei aussichtslos gewesen, da der Mitgeschäftsführer und die Gesellschafter aus bzw. in den USA gewesen seien. Eine Klagsführung unter diesen Umständen (und mit dem bekannt unvorhersehbaren amerikanischen Recht) sei dem Bw unzumutbar gewesen. Ihm sei daher nur der Versuch einer außergerichtlichen Lösung geblieben, und falls dieser scheiterte, der Rücktritt. Dies habe der Bw auch getan, und zwar auch in angemessener Zeit. Zu einem Rücktritt schon im März sei er nicht verpflichtet gewesen, da er damals erstmalig von den Problemen erfahren habe, und diese zu lösen versucht habe. Den Vorwurf, zu lang mit dem Rücktritt gewartet zu haben, müsse sich der Geschäftsführer erst ab dem Zeitpunkt gefallen lassen, in dem er die Ergebnislosigkeit seiner Bemühungen erkannt habe, wobei drei Monate ab diesem Zeitpunkt vom Verwaltungsgerichtshof als noch vertretbar angesehen worden seien (VwGH 25.6.1990, 89/15/0159). Diese Drei-Monats-Frist sei zwischen März und Juni gewahrt, wobei im gegenständlichen Fall sogar eine längere Frist rechtens sei, da es nicht nur um den Rücktritt als Geschäftsführer gehe, sondern der Bw auch (Minderheits-) Gesellschafter gewesen sei, und daher auch für diesen Punkt eine Lösung habe gefunden werden müssen. Der Bw sei daher rechtzeitig zurückgetreten und hafte daher schon aus diesem Grunde nicht.

Die erstinstanzliche Behörde versuche, den Bw in der vollen Höhe der (nach ihrer nachträglichen Ansicht) im Zeitraum 2004 und 2005 angefallenen Umsatzsteuer von € 44.427,02 haften zu lassen. Dies sei insoferne rechtswidrig, als sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag erstrecke, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie in Folge des pflichtwidrigen (gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßenden) Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen habe. Die Pflichtverletzung des Vertreters sei nur kausal für den anteiligen Abgabenausfall, nicht jedoch für die Abgabe zur Gänze (Ritz, BAO § 9 Rz 27). Selbst wenn sein Verhalten als Pflichtverletzung anzusehen wäre, wäre es nur für einen Betrag von € 4.442,70 kausal. Die Gesellschaft habe im relevanten Zeitraum (bis Sommer 2006, dann sei der Bw ja ausgeschieden) die Eingangsrechnungen aus den oben dargestellten Gründen zwar bedient, jedoch nur quotenweise zu 10%. Im darüber hinausgehenden Umfang sei der Bescheid jedenfalls als rechtswidrig aufzuheben.

Der Bw beantrage, eine Senatsentscheidung vorzunehmen, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen und den bekämpften Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 9. Februar 2010 als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom 11. März 2010 beantragte der Bw die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Ergänzend brachte der Bw vor, dass die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides entgegen den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht dadurch saniert werde, dass die ursprünglichen Bescheide rechtmäßig der Gesellschaft zugestellt worden seien.

Der Bw habe auf Aufforderung mit Bescheid vom 28. Dezember 2009 auf Vorlage von Unterlagen zur Dokumentation der Aufgabenverteilung zwischen dem Bw und FK mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2010 den die Geschäftsverteilung enthaltenden Syndikatsvertrag vom 5. April 2003 vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass der Bw nicht für abgabenrechtliche Belange, sondern nur für die Produktion zuständig gewesen sei. Das scheine die Abgabenbehörde erster Instanz auch übernommen zu haben, was sich aus der Argumentation in der Berufungsvorentscheidung ergebe.

In der am 31. März 2011 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass bei Bedarf Bestätigungen der Zulieferfirmen vorgelegt werden könnten, aus welchen hervorgehe, dass der Bw für die Produktion der R-GmbH zuständig gewesen sei. Ebenso werde angeboten, eine Bestätigung der Lebensmittelversuchsanstalt dahingehend, dass er mit der Produktentwicklung befasst gewesen sei.

Der zuständige Geschäftsführer FK sei in New York ansässig gewesen und habe für die Erledigung der steuerlichen Belange den steuerlichen Vertreter RT und die Buchhalterin IS, eine selbstständige Buchhalterin, beschäftigt.

Im Zuge der Gründung der GmbH sei die Kanzlei S (PK) mit der Erstellung des Syndikatsvertrages beauftragt worden. Sobald der Bw Kenntnis von der nicht zeitgerechten Entrichtung von Umsatzsteuervorauszahlungen auf Grund einer Prüfungshandlung der Abgabenbehörde gehabt habe, habe er die Buchhalterin MA mit der Erstellung der Buchhaltung und Aufbuchung der Belege beauftragt und dafür ca. € 3.000,00 aus eigener Tasche bezahlt. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der gegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen sei man in der GmbH noch von einer USt-Gutschrift ausgegangen. Die den Scheinrechnungen zugrunde liegenden Geschäfte betreffend den Marketingbetrieb seien von FK abgeschlossen worden. Über deren Inhalt habe der Bw keine Kenntnis gehabt.

Auf Vorhalt, dass bei Gründung der GmbH dem Finanzamt eine Unterschriftprobe des Bw als einzig zeichnungsberechtigtem Geschäftsführer gegenüber dem Finanzamt vorgelegt worden sei und alle im Akt ersichtlichen Unterschriften auch vom Bw stammten, wird ausgeführt, dass der Bw die Vertretungshandlungen gegenüber der Abgabenbehörde deswegen gesetzt habe, weil FK in New York gesessen sei. Sämtliche Belege seien von der Buchhaltung einmal pro Woche im Büro der Firma in Wien aufgebucht und in der Folge die Buchhaltung dem Steuerbrater übermittelt worden. Die Umsatzsteuervoranmeldungen seien entweder von der Buchhalterin oder vom Steuerberater erstellt worden, genau könne der Bw das nicht sagen. Es sei richtig, dass der Bw als in Österreich anwesender Geschäftsführer mitbekommen habe, dass es hier für die prüfungsrelevanten Zeiträume keine Buchhaltung gegeben habe, führe aber dazu aus, dass das auch nicht sein Ressort gewesen sei. Erst als er im März 2006 durch die Abgabenbehörde aufmerksam geworden sei, dass es Probleme mit der Umsatzsteuer gebe, habe er unverzüglich gehandelt. Aus seiner Sicht hätte es ausschließlich monatliche Umsatzsteuerguthaben geben müssen und sei eine Zahlungsverpflichtung nicht gegeben gewesen. Auch seien dem Finanzamt monatlich die in den abgegebenen Gutschrifts-Umsatzsteuervoranmeldungen zum Vorsteuerabzuge geltend gemachten Rechnungen dem Finanzamt vorgelegt und von diesem überprüft worden. Erst nach dieser Überprüfung habe es die Gutschrift und in der Folge die Auszahlung gegeben, sodass der Bw von der Ordnungsgemäßheit der Umsatzsteuergebarung bis zur Betriebsprüfung habe ausgehen können.

Die Rechnungen seien automatisch mit der Umsatzsteuervoranmeldung mitgeschickt worden. Dies auf Empfehlung des Steuerberaters, damit es im Nachhinein keine Probleme geben könne. Wer die Umsatzsteuervoranmeldungen mit den Rechnungen an das Finanzamt geschickt habe, könne der Bw nicht mehr genau sagen, teilweise die Buchhalterin, teilweise der Bw, möglicherweise ein Bote.

FK habe seinen Bereich von New York aus dirigiert und auch Aufträge erteilt. Auch die hier in Rede stehenden Rechnungen stammten von ihm. Der Bw habe nicht einmal bei allen Banken, sondern nur bei einer oder zwei eine Zeichnungsberechtigung gehabt. Sämtliche Geldflüsse seien von FK per Onlinebanking kontrolliert worden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vorerst ist dem Einwand des Bw, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen sei, was durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch (allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhaltes) zu erfolgen habe, sodass das durch Übermittlung lediglich einer Rückstandsaufgliederung vom 6. August 2009 und Nennung nicht näher begründeter, angeblich offene Umsatzsteuerbeträge im Haftungsbescheid erfolgte Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung den Haftungsbescheid rechtswidrig mache, zu entgegnen, dass der Bw laut Aktenlage am 22. Oktober 2009 neben der Berufung gegen den Haftungsbescheid auch eine Berufung gegen die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide eingebracht hat. Diese Berufung enthält nach § 250 Abs. 1 BAO die Bezeichnung der Bescheide, gegen den sie sich richtet, die Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten werden, die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, und eine Begründung. Aus dieser Begründung geht auch hervor, dass dem Bw bei einer Gewährung der Akteneinsicht am 1. Oktober 2009 - wohl anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides, zumal der Bw nicht mehr als Vertreter der Gesellschaft einschreiten durfte - über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis verschafft wurde, sodass eine Behinderung der Verteidigungsrechte des Bw weder im Berufungsverfahren gegen die Abgabenbescheide noch im Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid vorliegt. Aus dem zum Schutze des herangezogenen Haftungspflichtigen normierten Berufungsrecht auch gegen den Abgabenanspruch kann nicht das Recht auf Zustellung des allein an den Abgabepflichtigen zu erlassenden, das Leistungsgebot enthaltenden Abgabenbescheides abgeleitet werden (vgl. VwGH 25.7.1990, 88/17/0235).

Unbestritten ist, dass dem Bw. als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von 12. April 2003 bis 22. Juni 2006 neben einem weiteren Geschäftsführer die Vertretung der Gesellschaft oblag. Hinsichtlich des Einwandes, dass der Bw als Geschäftsführer für die Produktion zuständig gewesen sei, während sein Geschäftspartner und Mitgeschäftsführer, Herr FK für die Bereiche Recht, Finanzen, Marketing und Vertrieb zuständig gewesen sei, ist vorerst auf Bekanntgabe der Abgabepflichtigen vom 14. April 2003 zu verweisen, wonach (nur) der Bw für das Unternehmen gegenüber dem Finanzamt zeichnungsberechtigt ist. Aus dem Vergleich der Unterschriftsprobe laut Unterschriftsprobenblatt mit diversen Eingaben an das Finanzamt (etwa vom 3. Dezember 2004 betreffend Urgenz der Umsatzsteuerrückvergütung, 27. August 2004 betreffend Bekanntgabe der Änderung der Firmenadresse), Abgabenerklärungen (für 2003 vom 6. Juli 2005), der Bevollmächtigung in steuerlichen Angelegenheiten vom 26. April 2006 an Steuerberater FR und der Niederschrift über die Schlussbesprechung am 29. November 2004 ergibt sich, dass der Bw auch der Abgabenbehörde gegenüber als zuständiger Vertreter aufgetreten ist, zumal FK nach dem Vorbringen des Bw in den USA seinen ständigen Aufenthalt gehabt habe. Da der Bw somit ungeachtet der internen Agendenverteilung offenbar infolge Abwesenheit des intern Zuständigen die Abgabenerklärungen und sonstigen Eingaben unterfertigt hat und dadurch intern als Stellvertreter aufgetreten ist, kann er sich damit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.10.1995, 91/13/0037) aber auf die interne Unzuständigkeit nicht mehr berufen, weil ihn insoweit auch intern die Verantwortung für die entsprechenden Abgabenangelegenheiten trifft.

Die unbestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 30.5.1989, 89/14/0044) spätestens mit der Eintragung der Löschung ihrer Firma im Firmenbuch gemäß § 40 FBG am 19. August 2008 fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 19. November 1998, 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Bezüglich der Festsetzung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist vorerst auf eine Stellungnahme der Außenprüfung vom 6. September 2006 zu verweisen, wonach für die R-GmbH mit 11. Jänner 2006 ein Prüfungsauftrag für eine USt-Sonderprüfung für die Monate November und Dezember 2004 und Jänner bis November 2005 ausgestellt worden sei. Da der Bw telefonisch nicht zu erreichen gewesen sei, sei am 20. Jänner 2006 die erste und am 10. Februar 2006 die zweite Vorladung zur Vorlage der steuerlichen Unterlagen verschickt worden. Auf die zweite Vorladung habe der Bw mit der Entschuldigung reagiert, dass es sich bei der Betriebsadresse um ein angemietetes Postfach handle, er selbst viel im Ausland unterwegs gewesen sei und deshalb das Postfach nicht regelmäßig entleeren würde, und er daher erst jetzt von der Prüfung erfahren hätte.

Am 8. März 2006 sei im Zuge einer ersten Vorsprache des Bw eine Niederschrift über den Firmengegenstand und den Sitz der Firma aufgenommen worden. Für den Prüfungszeitraum sei nur die Belegsammlung vorgelegt worden, jedoch keine vollständige Buchhaltung. Am 3. April 2006 seien die aufgebuchten Monate November und Dezember 2004 sowie Jänner bis November 2005 vorgelegt worden. Nach Prüfung der Unterlagen sei dem Bw seitens der Prüferin erstmals am 21. April 2006 telefonisch mitgeteilt worden, dass für die Eingangsrechnungen der Firma U-GmbH, C-GmbH und V-GmbH neben den vorgelegten Eingangsrechnungen ein weiterer Leistungsnachweis, bzw. da der Bw angegeben habe, dass die Gegenstände in die USA geschickt worden wären, ein Ausfuhrnachweis für jene von diesen Firmen hergestellten Werbematerialien zu erbringen sei. Von der U-GmbH seien DJ-Pulte und Gastrobars, von der C-GmbH Leuchtreklamen und von der V-GmbH der Bau, die Montage und der Abbau eines Messestandes in Rechnung gestellt worden. Sämtliche Rechnungen seien bar bezahlt worden. Es habe keinen Nachweis über den Geldfluss der in Rechnung gestellten Beträge gegeben.

Am 26. April 2006 habe sich Herr FR, dessen Vollmacht gefaxt worden sei, telefonisch als neu beauftragter Vertreter dem Finanzamt vorgestellt. Auch ihm sei nochmals mitgeteilt worden, welche Unterlagen für die genannte Firmen zu erbringen wären, da ansonsten ein Vorsteuerabzug fraglich wäre.

Bei allen drei Firmen habe es sich ausnahmslos um Baufirmen gehandelt, die ihrerseits bereits in Konkurs und aufgelöst gewesen seien und somit eine Kontaktaufnahme seitens der Behörde mit den jeweiligen Rechnungslegern nicht mehr möglich gewesen sei. Durch Erhebungen der SEG sei bekannt geworden, dass es sich bei der V-GmbH um eine Baufirma handle, die ausschließlich Eisenbiegerarbeiten auf Baustellen durchführe. Außerdem sei zum Zeitpunkt der Rechnungslegung, nämlich im November 2005, mit dem damaligen Geschäftsführer eine Niederschrift aufgenommen worden, in der er angegeben habe, dass die Firma seit Juli 2005 ruhend gemeldet sei. Weiters habe man durch Nachfragen bei der Zollbehörde erfahren, dass jeder Gegenstand, der ausgeführt werde, in einer Ausfuhrbescheinigung erfasst werden müsse. Sollte dies nicht geschehen sein, wäre die Ausfuhr dieser Gegenstände laut Auskunft der Zollbehörde illegal. Obwohl aufgrund dieser amtswegigen Ermittlungen für zumindestens einen Teil der fraglichen Rechnungen der begründete Verdacht bestanden habe, dass es sich um Scheinrechnungen handle, sei der Bw bei seiner persönlichen Vorsprache am 16. Mai 2006 ein weiteres Mal aufgefordert worden, die Ausfuhrbestätigungen dieser Gegenstände vorzulegen. Da trotz schriftlicher Bestätigung des Bw, die geforderten Unterlagen binnen zwei Wochen vorzulegen, keine weiteren Unterlagen nachgereicht worden seien, sei der Bw ein letztes Mal schriftlich aufgefordert worden, die Ausfuhrnachweise bis 6. Juli 2006 nachzureichen.

Am 6. Juli 2006 sei die USt-Sonderprüfung seitens der Prüferin abgeschlossen worden. Da bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Nachweise vorgelegt worden seien und sich aufgrund des amtswegigen Ermittlungsverfahrens der Verdacht von Scheinrechnungen ergeben habe, seien die fraglichen Vorsteuern in Höhe von € 38.730,40 nicht anerkannt worden. Aus der Darstellung des Prüfungsablaufes, der auch im Arbeitsbogen ausreichend dokumentiert worden sei, ergebe sich eindeutig, dass dem Bw mehrmals über einen Zeitraum von fünf Monaten die Gelegenheit gegeben worden sei, die von der Behörde geforderten Unterlagen nachzureichen, daher sei nach Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz auch dem Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs mehr als ausreichend Rechnung getragen worden.

Die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuerforderungen für das Jahr 2005 wurden mit Bescheiden vom 10. Juli 2006 (€ 20.940,00 für Jänner bis August 2005 und € 17.790,40 für Oktober und November 2005) und 7. Mai 2007 (€ 6.201,30) festgesetzt, wobei die Umsatzsteuer 1-8/2005 laut Rückstandsaufgliederung vom 25. Februar 2011 nur mehr mit einem Betrag von € 15.879,97 unberichtigt aushaftet, sodass sich für das Jahr 2005 der haftungsgegenständliche Betrag von € 39.871,67 ergibt.

Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuerforderung für das Jahr 2004 in Höhe von € 4.555,35 haftet laut Rückstandsaufgliederung vom 25. Februar 2011 nicht mehr aus, daher war der Berufung diesbezüglich stattzugeben.

Sofern der Bw die inhaltliche Richtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen bestreitet, ist dem entgegenzuhalten, dass dem Haftungsbescheid Abgabenbescheide vorangegangen sind, sodass es der Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.2.1999, 98/13/0144) im Verfahren über die Heranziehung des Bw zur Haftung daher verwehrt ist, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen. Der Bw hat neben der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung ohnehin gemäß § 248 BAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen die Bescheide über den Abgabenanspruch berufen. Wird aber neben einer Berufung gegen den Haftungsbescheid eine Berufung gegen den Abgabenanspruch erhoben, so ist zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt. Die Voraussetzungen für eine Verbindung der beiden Berufungen zu einem gemeinsamen Verfahren (§ 277 BAO) liegen in einem solchen Fall nicht vor (vgl. VwGH 10.9.1987, 86/13/0148).

Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.8.2009, 2007/13/0024) von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen. Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen. Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Ein nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum wird durch den bloßen Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung allerdings noch nicht dargetan.

Obwohl dem Bw zweifelsohne - schon aufgrund der Anführung des Berichtes vom 6. Juli 2006 und der Stellungnahme vom 6. September 2006 als Beweis und seines diesbezüglichen Vorbringens in der Berufung - der Vorwurf der Geltendmachung der haftungsgegenständlichen Vorsteuerbeträge mittels Scheinrechnungen bekannt war, hat er hiezu in der Berufung lediglich vorgebracht, dass die von der Behörde bemängelten Rechnungen (Vorwurf von Scheinrechnungen) über Werbemaßnahmen in das Ressort von FK gefallen seien und vom Bw weder beauftragt noch bezahlt worden seien, da dies nicht sein Aufgabengebiet gewesen sei. Dass die Aufgabenverteilung den Bw nicht zu exkulpieren vermag, da er intern als Stellvertreter aufgetreten ist, wurde bereits dargelegt. Zudem durfte sich der Bw nach der Lage des Falles auch aufgrund des ständigen Aufenthaltes des FK im Ausland nicht auf den intern zuständigen Vertreter verlassen, wurden doch die den Scheinrechnungen angeblich zugrunde liegenden Umsätze im Inland ausgeführt, sodass deren Kontrolle nur durch den Bw stattfinden konnte. Auch aufgrund des Umstandes, dass das Finanzamt im gesamten Jahr 2005 keine Beanstandungen gemacht hat, konnte der Bw nicht von der Richtigkeit dieser Rechnungen (wie aller anderen) ausgehen und auf die Rechtskonformität der Vorgehensweise einschließlich der Auszahlungen vertrauen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7.9.1990, 89/14/0132) trifft den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Mit dem Vorbringen, dass es dem Bw nicht möglich gewesen sei, in Aufgabenbereichen des FK tatsächlich tätig zu werden oder auch nur die Unterlagen (die sich in den USA befunden hätten, wo FK seinen ständigen Aufenthalt gehabt habe und die Abnehmer ihren Sitz gehabt hätten) herbeizuschaffen, vermag sich der Bw daher nicht zu exkulpieren. Der Bw hätte im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen bei Aufwendung der zu fordernden Sorgfalt die Unrichtigkeit des Vorsteuerabzuges auf Grund der Nichterbringung der fakturierten Leistungen durch die erwähnten drei (österreichischen) Firmen und des Fehlens der erforderlichen Nachweise sehr wohl erkennen können.

Da dem Bw die unrechtmäßige Geltendmachung des Vorsteuerabzuges und nicht die Behinderung an der Erfüllung seiner Verpflichtungen durch FK zum Vorwurf zu machen ist, erweist sich auch der Einwand hinsichtlich eines rechtzeitigen Rücktrittes als nicht zielführend.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 30.5.1989, 89/14/0044) auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war. Sofern der Bw vermeint, dass seine Pflichtverletzung nur für den anteiligen Abgabenausfall von € 4.442,70 kausal sei, nicht jedoch für die Abgabe zur Gänze, da die Gesellschaft im relevanten Zeitraum die Eingangsrechnungen aus den dargestellten Gründen nur quotenweise zu 10% bedient habe, ist dem zu erwidern, dass der Bw selbst ausführt, dass es ja nicht darum gehe, dass die Gesellschaft fällige Umsatzsteuer nicht abgeführt hätte, sondern darum, dass sie sich ihr nicht zustehende Vorsteuerforderungen habe rückerstatten lassen.

Laut Firmenbuchauszug war der Bw einziger Geschäftsführer der Gesellschaft im Inland, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinne der § 9 Abs. 1 BAO, und können diese Abgabenschulden bei der Gesellschaft nicht mehr eingebracht werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.1.2003, 97/14/0176) ist die Behörde daher auch in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw als Haftungspflichtiger für die laut Rückstandsaufgliederung vom 25. Februar 2011 nach wie vor unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der R-GmbH im Ausmaß von € 39.871,67 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 31. März 2011

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Geschäftsführer, schuldhafte Pflichtverletzung, Uneinbringlichkeit, Scheinrechnung, Vorsteuerabzug, interne Unzuständigkeit

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