VwGH 89/14/0044

VwGH89/14/004430.5.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des AK in A, vertreten durch Dr. Hermann Aflenzer, Rechtsanwalt in Linz, Blumauerstraße 3-5/2, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 27. Dezember 1988, Zl. 830/2-10/R-1988, betreffend Haftung für Vermögensteuer, Umsatzsteuer und Säumniszuschläge, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen dieser GmbH wurde vom Gericht am 22. Jänner 1986 abgewiesen. Die Aufforderung des Finanzamtes an den Beschwerdeführer zur Bekanntgabe der Gründe, aus denen dieser nicht für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft habe sorgen können, blieb unbeantwortet. Hierauf zog das Finanzamt den Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid zur Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO für die ausstehenden Abgabenschulden der GmbH im Betrag von über 1 Mio S heran, weil der Beschwerdeführer seiner Pflicht, für die Abgabenentrichtung durch die GmbH zu sorgen, nicht entsprochen habe.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, mit den Angelegenheiten der Buchhaltung nie beauftragt gewesen zu sein, diese Agenden seien ausnahmslos von den beiden Prokuristen wahrgenommen worden. Einer der Prokuristen befinde sich seit längerer Zeit in Haft, sein genauer Aufenthalt sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Dieser Prokurist müsse im Besitz sämtlicher Buchhaltungsunterlagen sein. Der Beschwerdeführer sei im Lokal "X" (Nachtklub) der GmbH als "Mädchen" für alles verantwortlich gewesen, mit anderen Worten heiße dies, daß er im Lokal für Ordnung und reibungslosen Ablauf habe sorgen müssen. Der Beschwerdeführer habe bereits im Jahre 1985 seine Enthebung bzw. Entbindung als Geschäftsführer veranlassen wollen. Er habe jedoch trotz intensiver Nachforschungen die einzige Gesellschafterin nicht auffinden können. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, diesen Schritt in die Wege zu leiten. Der Beschwerdeführer habe seinerzeit sämtliche eingehenden Poststücke dem Prokuristen übergeben, von diesem sei dem Beschwerdeführer mehrmals die Erledigung zugesichert und auch versprochen worden. In Anbetracht der Tatsache, daß der Prokurist mit der Vermögensverwaltung beauftragt gewesen sei und dieser seinen Angaben zufolge diese Verantwortung auch wahrgenommen habe, habe der Beschwerdeführer aus einer rechtsirrigen Ansicht die Aufträge des Finanzamtes nicht wahrgenommen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid beschränkte die belangte Behörde die Haftung auf die im Zeitraum zwischen der Bestellung des Beschwerdeführers zum Geschäftsführer (11. Februar 1985) und der Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens fällig gewordenen, im einzelnen angeführten Abgaben (Vermögensteuer, Umsatzsteuer, Säumniszuschläge betreffend Umsatzsteuer) im Ausmaß von zusammen S 409.000,--. Ungeachtet der Betrauung von Prokuristen habe der Beschwerdeführer als Geschäftsführer für deren Überwachung einzustehen. Bei Wahrnehmung dieser Aufgaben hätten dem Beschwerdeführer die Steuerrückstände nicht verborgen bleiben können. Die Abwesenheit der einzigen Gesellschafterin hätte den Beschwerdeführer an der Niederlegung der Geschäftsführung nicht gehindert. Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, daß er für die Entrichtung der Abgaben durch die GmbH nicht habe Sorge tragen können. Da die Gesellschaft am 28. Oktober 1986 von Amts wegen im Handelsregister gelöscht worden sei, könnten die Abgaben bei ihr endgültig nicht mehr eingebracht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, nicht zur Haftung herangezogen zu werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt, den angefochtenen Bescheid deshalb aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der GmbH stand spätestens mit deren amtswegiger Löschung im Handelsregister fest. In einem solchen Fall ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet, widrigens von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters (Geschäftsführers) angenommen werden darf (vgl. zuletzt etwa Verwaltungsgerichtshof 13. September 1988, 87/14/0148 = ÖStZB 1989, 140). Hat der Geschäftsführer aber schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, daß die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Mit seiner Behauptung, es sei durch nichts erwiesen, daß der Beschwerdeführer der Verursacher der Uneinbringlichkeit sei, verkennt der Beschwerdeführer daher die Verteilung der Beweislast.

Auch die Betrauung von Prokuristen mit steuerlichen Agenden enthebt den Geschäftsführer einer GmbH nicht der Pflicht, die Tätigkeit dieser Personen zu überwachen, und zwar zumindest in solchen Abständen, die es ausschließen, daß ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 13. September 1988). Durch die Entgegennahme von Zusicherungen der beauftragten Personen, die überwacht werden sollen, sie verhielten sich dem Auftrag gemäß, wird einer Überwachungspflicht nicht entsprochen.

Mit seinem Vorbringen vor den Abgabenbehörden hat der Beschwerdeführer daher die Erfüllung seiner Überwachungspflicht gegenüber den Prokuristen nicht dargetan; die Abgabenbehörden durften daher davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen hat, daß er für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten durch die GmbH, insbesondere die Pflicht, aus den Mitteln der Gesellschaft die Abgaben zu entrichten, Sorge getragen habe. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß sich nach Darstellung des Beschwerdeführers in seiner Berufung der Prokurist, der mit den betreffenden Agenden beauftragt gewesen sein soll, seit längerer Zeit in Haft befunden habe. Umso weniger durfte der Beschwerdeführer daher auf dessen seinerzeitige Versicherung vertrauen, der betreffende habe seine Aufgaben erfüllt und werde sie weiter erfüllen.

Die belangte Behörde durfte daher annehmen, daß der Beschwerdeführer seine abgabenrechtlichen Pflichten als Vertreter der GmbH verletzt und hiedurch die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgaben verursacht hat.

Da der Beschwerdeführer seine Funktion als Geschäftsführer nicht zurückgelegt hat, ist es für das Fortbestehen seiner Verantwortlichkeit ohne Bedeutung, aus welchem Grund die Niederlegung der Geschäftsführung unterblieben ist. Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig von der Eintragung im Handelsregister. Die Eintragung im Handelsregister hat nur deklarative Wirkung. Die Niederlegung der Geschäftsführung hat nicht zur Voraussetzung, daß gleichzeitig ein neuer Geschäftsführer bestellt wird. Der Erklärungsempfänger der Niederlegung sind jedenfalls der Aufsichtsrat oder die Gesellschafter (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, Seite 166). Sollte daher die Behauptung des Beschwerdeführers richtig sein, daß die einzige Gesellschafterin abwesend war, so hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, die Bestellung eines Abwesenkurators (§ 276 ABGB) für die Gesellschafterin zu erwirken und die Niederlegung der Geschäftsführung dem Abwesenheitskurator gegenüber zu erklären. Es kann daher keine Rede davon sein, daß dem Beschwerdeführer die Niederlegung seiner Funktion unmöglich gewesen wäre.

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist allein die Haftungsfrage, nicht die Frage nach Grund und Höhe der Abgabenforderungen gegen die GmbH. Von der dem Haftpflichtigen gemäß § 248 BAO zustehenden Möglichkeit hat der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht. Seine Einwendungen gegen den Abgabenanspruch verstoßen überdies gegen das Neuerungsverbot gemäß § 41 VwGG und sind daher unbeachtlich.

Die Ansicht des Beschwerdeführers, er könne nur für Abgabenschuldigkeiten haftbar gemacht werden, die nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer entstanden sind, der Haftungsbetrag müsse sich daher auf rund S 204.000,-- reduzieren, steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben gemäß § 80 Abs. 1 BAO dafür Sorge zu tragen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Subjektive Rechte des Beschwerdeführers wurden daher dadurch nicht beeinträchtigt, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nur für die Abgaben haftbar gemacht hat, die ab seiner Bestellung zum Geschäftsführer und bis zum Eintritt der durch den Gerichtsbeschluß vom 22. Jänner 1986 zutage getretenen Zahlungsunfähigkeit der GmbH fällig geworden sind.

Mit seinem Vorbringen, die Finanzbehörde habe durch Saumseligkeit die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung verursacht, verstößt der Beschwerdeführer ebenfalls gegen das Neuerungsverbot. Einen derartigen Verursachungszusammenhang hat er vor den Abgabenbehörden nicht behauptet. Auf das betreffende Vorbringen durfte der Verwaltungsgerichtshof daher nicht eingehen.

Da dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit anhaftet, die den Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten verletzt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Wien, am 30. Mai 1989

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