Aufwendungen für Badereisen nach Ungarn als Kurkosten absetzbar?
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Adr, vertreten durch Manfred Weissinger, Steuerberater, 6850 Dornbirn, Steggasse 2, vom 14. Juni 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 28. Mai 2010 betreffend Einkommensteuer 2008 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem am Ende der folgenden Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.
Entscheidungsgründe
In seiner Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 führte der Berufungswerber aus, einerseits habe das Finanzamt die von ihm geltend gemachte außergewöhnliche Belastung nicht berücksichtigt, andererseits sei die Weihnachtszulage der AHV/IV/FAK Vaduz als laufender Bezug besteuert worden.
Im Hinblick auf die außergewöhnliche Belastung erläuterte er näher, er beantrage die steuerliche Berücksichtigung der ihm tatsächlich für die eigene Behinderung erwachsenen Kosten in Höhe von 6.092,80 €, wobei er bereits eine Haushaltsersparnis von 250,05 € abgezogen habe. Die Berücksichtigung dieser Auslagen für Kuraufenthalte im ungarischen BB möge ohne Selbstbehalt erfolgen und an die Stelle des Freibetrages wegen eigener Behinderung von 99,00 € gestellt werden. Bis zum Jahr 2003 sei eine Vorgangsweise wie die beantragte seitens der Finanzbehörden gepflogen worden. Schon seit 1994 melde er sich jeweils vor Kurantritt bei seinem hiesigen Arzt "zwecks Befürwortung", nachträglich erhalte er eine Jahresbestätigung. Für 2008 lege er auch eine kurärztliche Bestätigung aus Ungarn bei. Er beantrage daher die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung in ungekürzter Form.
Die vorgelegte Bestätigung aus Ungarn liegt den Abgabenbehörden in Kopie vor. Sie ist handschriftlich abgefasst und schwer leserlich. Die Überschrift lautet: "BB, Februar 2009, Kurärztliche Untersuchungen und Kontrollen". Dann folgt der Text:
"ME, geb. 1941, kommt seit vielen Jahren in das Bad nach X, um Sitzbäder zu erhalten. Andere Verschreibungen wie Massage oder Streckbecken (?) haben keine Wirkung gezeigt. ME meldet sich sogleich, wenn er in BB ankommt bei mir zur kurärztlichen Untersuchung und ......(unleserlich) sowie zu einer Schlussuntersuchung. Im Jahr 2008 war er in meiner Ordination zu nachstehenden Zeiten: 2.1.08, 10.2.08, 2.4.08, 11.8.08, 19.11.08 und 22.12.08".
Darunter befindet sich ein Stempel "Familia Doktor" mit einer ungarischen Adresse. Ein ebenfalls unter dem Schreiben angebrachter Rundstempel scheint einen Arztnamen wiederzugeben, der wegen der schlechten Kopie unleserlich ist. Zudem ist ein Schriftzug erkennbar, möglicherweise eine Unterschrift. Sie weist ein anderes Schriftbild auf, als der geschriebene Text.
Des weiteren findet sich im Akt ein "Ärztliches Attest" des Hausarztes Dr. JF aus B, datiert mit 3. Februar 2009. Darin "berichtet" der Arzt gleichlautend wie in den Vorjahren, dass sich BB für den von ihm als Hausarzt betreuten Berufungswerber auch im Jahr 2008 wieder als einzig sinnvoller Kurort erwiesen habe. Anschließend erfolgt die Auflistung von 6 "Kuraufenthalten", die eine Dauer von 6 bis 15 Tagen umfassen.
In einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung wurde dem Begehren des Berufungswerbers hinsichtlich Weihnachtszulage Rechnung getragen. Betreffend die Nichtanerkennung der Kuraufwendungen wies die Abgabenbehörde I. Instanz auf das Erkenntnis des VwGH 2006/15/0120-5 hin.
Der Berufungswerber brachte einen Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz ein. Er hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und ergänzte, ein "legales Recht" auf die Anerkennung seiner Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu haben, zumal er sämtliche Anforderungen durch Beibringung ärztlicher und kurärztlicher Bestätigungen erfüllt habe.
Über die Berufung wurde erwogen:
Vorerst ist ein weiteres Mal auf die den analogen Sachverhalt für 2004 betreffende Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates RV/0233-F/05 vom 10.2.2006 zu verweisen, die infolge Beschwerdeerhebung durch den Berufungswerber vom Verwaltungsgerichtshof überprüft und vollinhaltlich bestätigt wurde, dh, seine Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen (VwGH 24.9.2008, 2006/15/0120). Weiters wird auf die Berufungsentscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates RV/0251-F/08 hinsichtlich 2005 und 2006 sowie RV/0316-F/09 hinsichtlich 2007 Bezug genommen.
Die erschöpfenden Ausführungen in den zitierten Entscheidungen haben unumschränkte Geltung für die streitgegenständliche Berufungsentscheidung.
Zur neu eingereichten, kurärztlichen Bestätigung wird ausgeführt:
Zu den Beweismitteln iS des § 166 BAO zählen die Urkunden. Man unterscheidet öffentliche und Privaturkunden. Die Aussagekraft eines Beweismittels ist von der Behörde in freier Beweiswürdigug zu beurteilen, wobei es Ausnahmen hievon für öffentliche Urkunden gibt. Nach § 294 ZPO begründen Privaturkunden, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mit ihrem gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen versehen sind, vollen Beweis dafür, dass die in denselben enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern stammen. Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Richtigkeit unterliegen Privaturkunden der freien Beweiswürdigung (vgl. Ritz, BAO³, §§ 167, 168 mit Hinweisen auf Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Tz 345).
Das vom Berufungswerber als "kurärztliche Bestätigung" eingereichte Schreiben stellt eine Privaturkunde dar. Aufgrund der äußeren Form - schlechte Kopie in schwer leserlicher Handschrift - ist für den Unabhängigen Finanzsenat nicht nachvollziehbar, von wem konkret dieses Schreiben stammt. Wer hat den handgeschriebenen Text verfasst? Handelt es sich um einen Arzt, falls ja, um was für einen Arzt ("Familia Doktor"?) und inwieweit ist dieser/diese als Kurarzt/Kurärztin autorisiert? Hat allenfalls der Berufungswerber selbst den Text geschrieben? Ist der Arzt/die Ärztin der deutschen Sprache so weit mächtig, diesen Text abzufassen? Das Schriftbild unterscheidet sich - wie oben angeführt - von der Unterschrift. In rein formaler Hinsicht handelt es sich bei dem eingereichten Schriftstück daher nicht um eine "unbedenkliche" Urkunde iS der BAO (vgl. Ritz, BAO³, § 168, Tz 10).
Die formale Bedenklichkeit enthebt die Behörde grundsätzlich von einem Eingehen auf den inhaltlichen Teil. Seitens des Unabhängigen Finanzsenates wird jedoch zur Abrundung des Gesamtbildes auch dazu Stellung genommen: Geht man davon aus, dass der Berufungswerber zutreffenderweise jeweils bei Beginn und Beendigung seines BB - Aufenthaltes einen Arzt/eine Ärztin aufgesucht hat, der/die ihn untersucht und mit ihm über die Sitzbäder gesprochen hat, so handelt es sich hiebei noch nicht um eine nachweislich kurmäßig geregelte Tages- und Freizeitgestaltung in einer Kurinstitution, wie es der VwGH verlangt (VwGH 2006/15/0120 mit Hinweis auf VwGH 98/15/0123). Eine sonst gegenüber den Vorjahren abweichende Gestaltung seiner Aufenthalte hat der Berufungswerber nicht behauptet und finden sich im Akt auch keine Hinweise darauf, dass er etwa in einem anerkannten Kurhotel abgestiegen wäre. Vielmehr liegt, wie schon bisher immer, eine Aufstellung von Kilometergeldern, Tagessätzen à 26,60 €, Nächtigungsgebühren à 26,60 €, Eintritten in das Bad à 5,60 €, Auslagen für Liegen à 2,30 € im Akt auf. Es ist daher davon auszugehen, dass er nach wie vor seine Reisen nach BB in Eigenregie plant und gestaltet.
Im Übrigen widerspricht sich der Berufungswerber mit seiner nunmehr eingereichten Bestätigung, wonach er sich jeweils bei Ankunft in BB bei einem Kurarzt/einer Kurärztin melde, selbst. In der mündlichen Verhandlung vom 8.2.2006 betreffend Einkommensteuer 2004 (RV/0233-F/05) hat er nämlich über Befragung durch die die Verhandlung leitende Referentin zu Protokoll gegeben:
"Können Sie eine kurärztliche Untersuchung, eine kurärztliche Überwachung und einen Therapieplan nachweisen? Eine kurärztliche Untersuchung und Überwachung findet in Ungarn nicht statt. Ich weiß aus Erfahrung, in welchem Umfang mir die Aufenthalte im Wasser gut tun und teile mir meine Anwendungen selbst ein. Auch ein befreundeter Arzt in Österreich hat mir geraten, es so zu halten, wie ich mich wohlfühle"
An anderer Stelle hat er im Akt angegeben, sein Hausarzt kenne ihn und sein Leiden besser als jeder Kurarzt und werde von ihm auch vor und nach seinen Reisen aufgesucht.
Im Weiteren fällt auf, dass der Berufungswerber, der sich laut Aktenlage seit 1.2.2006 in Pension befindet, seine Reisen nach BB nach wie vor u.a. in der sommerlichen Haupturlaubszeit sowie in der Weihnachtszeit lagert: 2006 u.a. 6.7. bis 9.7. und 20.12.06 bis 4.1.07, 2007 u.a. 15.6. bis 20.6., 23.7. bis 29.7. und 20.12.07 bis 4.1.08, 2008 u.a. 9.8. bis 17.8. und 21.12.08 bis 4.1.09. Das anlässlich der Abhandlung seines Falles für das Streitjahr 2004 verwendete Argument, er müsse sich nach den Betriebsferien richten (schon damals ein untaugliches, da sich Leidensschübe naturgemäß nicht nach Betriebsurlauben richten), ist hier umso weniger zugkräftig. Vielmehr ist ein starkes privates Interesse erkennbar, den Sommerurlaub und die Weihnachtszeit in BB zu verbringen.
Nach allen obenstehenden Ausführungen kann das erstmals für 2008 eingereichte Schreiben bestenfalls als Gefälligkeitsbestätigung qualifiziert werden. Die Absicht des Berufungswerbers ist es offensichtlich, seiner bisherigen Verantwortung damit eine neue Wendung zu geben und Beweis für einen kurmäßig geregelten Ablauf seiner Aufenthalte in BB zu erbringen. Dieser Beweis ist aus den dargelegten Gründen nicht geglückt.
Resümierend ist aus den die Jahre ab 2004 betreffenden, alljährlich wieder erhobenen Berufungen erkennbar, dass es dem Berufungswerber an Akzeptanz für die fundierte und höchstgerichtlich bestätigte Entscheidung RV/0233-F/05 vom 10. 2. 2006 (i. Vbdg. mit VwGH 24.9.2008, 2006/15/0120) fehlt. Darüber hinaus ist er nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass jede auf den Prinzipien eines Rechtsstaates beruhende Behörde selbstverständlich verpflichtet ist, von einer als unrichtig erkannten Verwaltungsübung augenblicklich abzugehen.
Nur der Vollständigkeit halber ist seitens des Unabhängigen Finanzsenates aber auch festzuhalten, dass der Berufungswerber auf wesentliche, in der oben zitierten Berufungsentscheidung ausführlich dargelegte Punkte in seinen nachfolgenden Berufungen nie eingegangen ist, etwa:
- auf das Erfordernis, ein vor Antritt der Kur ausgestelltes ärztliches Zeugnis beizubringen, welches Verordnungscharakter hat,
- auf die Frage, warum er nie beim Träger der gesetzlichen Sozialversicherung einen Kurantrag stellte und den Vertrauensarzt aufsuchte,
- auf den Umstand, dass er niemals Rechnungen betreffend seine Ungarnaufenthalte vorlegte, wie etwa Hotel-/Pensionsrechnungen, Rechnungen betreffend Eintritte in das Bad oder Benzinrechnungen,
- auf die Feststellung, dass man unter einer "Kur" im medizinischen - und steuerrechtlich beachtlichen - Sinn einen zumindest dreiwöchigen Aufenthalt mit Therapieplan und strengem Reglement versteht, nicht zuletzt zusammenhängend mit der schwierigen Abgrenzung zwischen Kurreisen und ebenfalls der Gesundheit zuträglichen Erholungsreisen.
Wie schon in den Vorjahren wird aber ein Freibetrag wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 in Ansatz gebracht.
Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.
Beilage: Ein Berechnungsblatt
Feldkirch, am 4. Jänner 2011
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |