Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben?
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Gde X, L-Gasse xx, vertreten durch die W Wirtschaftstreuhand und Steuerberatungs GmbH, Gde X, A-Straße yy, vom 18. August 2009 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch, vertreten durch Dr. Brigitte Metzler, vom 24. Juli 2009 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (in der Folge kurz: Bw.) erklärte im Streitjahr negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb (SB am Standort Gde X, K-Straße zz) in Höhe von 3.481,70 € (nachträgliche Betriebsausgaben unter dem Titel "Zinsen und ähnliche Aufwendungen", Kennzahl 9220; vgl. die elektronisch eingelangte Einkommensteuererklärung 2008 vom 8. Mai 2009) sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Grenzgängerin nach der Schweiz; sie war dort bei der Fa. S AG (St und EP), Gd R, W-Straße ss, beschäftigt. Laut Schreiben der steuerlichen Vertretung der Bw. vom 25. September 2007 habe die Bw. ihren Betrieb (Einzelunternehmen mit dem Betriebsgegenstand einer LSt und P) per 1. Oktober 2007 ihrem Gatten C geschenkt; nachdem der Betrieb somit per 1. Oktober 2007 auf Ihren Gatten übergegangen sei, habe sie auch ab diesem Zeitpunkt keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb mehr (vgl. dazu auch den Schenkungsvertrag vom 30. September 2007 bzw. die Verständigungen über Gewerbelöschungen jeweils zum 30. September 2007 vom 18. September 2007). Entsprechend dem erwähnten Schenkungsvertrag übernahm der Ehegatte der Bw. hinsichtlich der betrieblichen Bankverbindlichkeiten nur einen Betrag in Höhe von 50.000,00 €; die restlichen Bankverbindlichkeiten wurden von der Bw. zurück behalten (vgl. dazu auch die in weiterer Folge erwähnte Vorhaltsbeantwortung der steuerlichen Vertreterin der Bw. vom 19. Juni 2009).
Im Rahmen eines Vorhalteverfahrens (vgl. das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom 8. Juni 2009) legte die steuerliche Vertreterin der Bw. mit Schriftsatz vom 19. Juni 2009 das Anlageverzeichnis per 31. Dezember 2007 vor und führte ua. aus, dass sich die geltend gemachten nachträglichen Betriebsausgaben aus Zinsen (2008) in Höhe von 3.185,65 € und Spesen (2008) im Betrage von 296,05 € (H Kto. aaa) zusammensetzen und die Anlagegüter jenen per 30. September 2007 entsprechen würden; alle Anlagegüter seien an den Ehegatten der Bw. übergegangen. Die AfA sei im Jahr 2007 anteilig auf die Bw. und den Ehegatten aufgeteilt worden. Ein separates Anlageverzeichnis per 30. September 2007 liege nicht vor. Die Schulden seien vom Ehegatten im Zuge der Schenkung nur in Höhe von 50.000,00 € übernommen worden, da der Betrieb ansonsten überschuldet gewesen wäre.
Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2008 vom 24. Juli 2009 versagte das Finanzamt den geltend gemachten Schuldzinsen und Spesen die Anerkennung als nachträgliche Betriebsausgaben und setzte Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Betrage von 0,00 € fest. Begründend führte es dazu Folgendes aus: "Wenn ein Betrieb im Schenkungswege übertragen wird, bedeutet dies, dass nicht nur die Aktivwerte, sondern auch die Schulden auf den Übernehmer übergehen. Im gegenständlichen Fall wurde der Betrieb unter Rückbehaltung von Bankverbindlichkeiten im Schenkungswege an den Gatten übertragen. Da diese Rückbehaltung nicht fremdüblich ist, stellen die aus der Rückbehaltung des Darlehens anfallenden Zinsen nichtabzugesfähige Aufwendungen im Sinne des § 20 EStG 1988 dar."
Gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2008 wurde mit Schriftsatz vom 18. August 2009 Berufung erhoben. Die Berufung richtet sich in concreto gegen die Feststellung, dass die aus der Rückbehaltung des Darlehens anfallenden Zinsen und Spesen nichtabzugsfähige Aufwendungen im Sinne des § 20 EStG darstellen würden. Die steuerliche Vertretung der Bw. beantragte die Anerkennung der angefallenen Zinsen und Spesen als nachträgliche Betriebsausgaben und somit die Anpassung der Einkommensteuer 2008 an das tatsächliche Ergebnis und brachte zur Begründung Folgendes vor: "Mit Schenkungsvertrag vom 30. September 2007 erfolgte die Übertragung des SBes der Berufungswerberin auf deren Gatten C. Von den Bankverbindlichkeiten der Berufungswerberin ist nur ein Betrag in Höhe von 50.000,00 € auf den Erwerber übergegangen. Grund für die Rückbehaltung der restlichen Bankverbindlichkeiten war, dass das Unternehmen bei Übertragung sämtlicher Bankverbindlichkeiten keinen positiven Verkehrswert gehabt hätte. Wenn in der Bescheidbegründung die fehlende Fremdüblichkeit als Grund für die Abweisung der angefallenen Zinsen als abzugsfähige Aufwendungen angeführt wird, so ist dem zu entgegnen, dass gerade aus diesem Grund die Rückbehaltung der Bankverbindlichkeiten erfolgte. Es wäre unserer Meinung nach nicht fremdüblich, wenn ein überschuldeter Betrieb übernommen worden wäre. Bei Übernahme eines Betriebes durch eine fremde Person würden keine Verbindlichkeiten übernommen werden, die die Aktiva einschließlich stiller Reserven und einen eventuell vorhandenen Firmenwert übersteigen. Aus Gründen des Fremdvergleiches war es daher zwingend erforderlich, den Betrag der übernommenen Verbindlichkeiten zu beschränken. Vom Erwerber eines Betriebes nicht übernommene Verbindlichkeiten sind weiterhin dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Die darauf entfallenden Aufwendungen (insbesondere Zinsen) stellen nachträgliche Betriebsausgaben dar. Die sofortige Tilgung der noch bestehenden Verbindlichkeiten ist der Berufungswerberin nicht zumutbar. Es liegen im gegenständlichen Fall daher alle Vorraussetzungen für die Geltendmachung der oben genannten Zinsen als nachträgliche Betriebsausgaben vor."
Nach Ergehen der abweisenden Berufungsvorentscheidung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008 vom 1. September 2009, auf deren Bescheidbegründung an dieser Stelle verwiesen wird, stellte die Bw. mit Schriftsatz vom 30. September 2009 einen Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, womit die Berufung wiederum als unerledigt galt. Im Vorlageantrag beantragte die steuerliche Vertretung der Bw. erneut, die Zinsen samt Spesen aus dem anlässlich der Übertragung des Betriebes zurückbehaltenen Darlehen als nachträgliche Betriebsausgaben anzuerkennen bzw. die Einkommensteuer 2008 an das tatsächliche Ergebnis anzupassen und führte unter Verweis auf das bisherige Berufungsvorbringen ergänzend Nachstehendes aus: ""Die abweisende Berufungsvorentscheidung begründete die Behörde damit, dass nach § 32 Z 2 EStG nur Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit erfasst seien. Eine "ehemalige Tätigkeit" liege nur dann vor, wenn die Einkunftsquelle veräußert oder aufgegeben worden ist. Im gegenständlichen Fall liege eine unentgeltliche Betriebsübertragung vor, die keine Betriebsaufgabe sei. Der Tatbestand der Betriebsaufgabe erfordere, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, in einem Zuge mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit, an verschiedene Erwerber entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder in das Privatvermögen übernommen werden. Die Begründung der Behörde wurde dabei offensichtlich der Entscheidung des UFS vom 12. Oktober 2004, RV/0389-G/02 , entnommen. Allerdings weicht der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt vom hier vorliegenden Sachverhalt wesentlich ab. Es handelte sich dabei um die unentgeltliche Übertragung eines Hotels, bei dem die Aktiva die vorhandenen Verbindlichkeiten bei weitem überstiegen haben. Die Rückbehaltung des Darlehens war in diesem Fall daher wohl durch die familiäre Nahebeziehung motiviert. Im gegenständlichen Fall waren aber im SB der Berufungswerberin wesentlich höhere Verbindlichkeiten als Aktiva vorhanden. Der Betrieb der Berufungswerberin war real überschuldet. Wäre dieser real überschuldete Betrieb übertragen worden, so wären jene Verbindlichkeiten, die die Aktiva des Betriebes übersteigen, als Überzahlung anzusehen, deren Veranlassung der Privatsphäre zuzuordnen wäre. In Höhe dieser Überzahlung wäre eine Zuwendung an die Berufungswerberin anzunehmen. Diese übernommenen Schulden wären daher in Höhe der Zuwendung nicht abzugsfähig (vgl. UFS 2.3.2007, RV/0090-I/06 ). Da weder die Geschenkgeberin noch der Geschenknehmer einen überschuldeten Betrieb übertragen wollten, wurde beschlossen, Verbindlichkeiten nur geringfügig über dem Wert des Betriebsvermögens zu übernehmen. Der Unternehmenswert wurde aus den Jahresüberschüssen der letzten drei Jahre ermittelt:
2004 | 2005 | 2006 | |
Jahresüberschüsse: | 66.884,72 | 22.599,02 | 33.334,39 |
durchschnittliche Jahresüberschüsse:abzgl. GF-Bezugadaptierter durchschn. JÜ | 40.939,3725.000,0015.939,37 | ||
Unternehmenswert bei einer Nachhaltigkeit von drei Jahrengerundet: | 47.818,1150.000,00 |
Durch die Zurückbehaltung der diesen Betrag übersteigenden Schulden war es überhaupt erst möglich den Betrieb übergabefähig zu machen. Wie der UFS in der obgenannten Entscheidung vom 2. März 2007 ausgesprochen hat, führen in einem derartigen Fall Zinsen, die ausschließlich aus zurückbehaltenen Passiva resultieren, nach Maßgabe zumutbarer Tilgung zu nachträglichen Betriebsausgaben. Wenn die Behörde darauf verweist, dass der Tatbestand der Betriebsaufgabe es erfordere, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, in einem Zuge mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit, an verschiedene Erwerber entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder in das Privatvermögen übernommen werden, so ist darauf zu verweisen, dass die angeführte Literatur und Rechtsprechung sich auf die begünstigte Besteuerung und nicht auf das Vorliegen nachträglicher Einkünfte bezieht. Im Übrigen ist dieser zitierten Literatur und Rechtsprechung nur zu entnehmen, dass die Aufgabe eines Betriebes nur dann vorliegt, wenn der bisherige Betriebsinhaber im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges sich in einem Zug mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit aller Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens entweder begibt oder sie in sein Privatvermögen überführt. Damit wird sichergestellt, dass nicht noch ein Restbetrieb fortgeführt wird. Es besteht jedoch kein Erfordernis, die Wirtschaftgüter auf verschiedene Erwerber aufzuteilen. Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass es bei der Zurückbehaltung von Verbindlichkeiten einen Unterschied macht, ob ein real überschuldetet Betrieb übertragen wird oder nicht. Ist ein Betrieb nicht überschuldet, so finden die Verbindlichkeiten im übertragenen Aktivvermögen Deckung. Dem Geschenknehmer bleibt durch die Übertragung ein positiver Wert. Wenn dieser Wert durch die Zurückbehaltung von Verbindlichkeiten erhöht wird, geschieht dies in der Regel aus privaten Motiven. Auf einen solchen Fall treffen die Aussagen der genannten Rechtsprechung auch zu, wonach Zinsen aus zurückbehaltenen Verbindlichkeiten nicht als nachträgliche Betriebsausgaben angesetzt werden können. Dies hat den Grund darin, dass der Geschenkgeber keineswegs dazu verhalten ist, Verbindlichkeiten zurück zu behalten. Im Falle eines real überschuldeten Betriebes werden aber nicht sämtliche Verbindlichkeiten durch das Aktivvermögen gedeckt. Einem Erwerber eines solchen Betriebes würde damit ein negativer Wert übertragen werden. Wenn daher Verbindlichkeiten im Ausmaß der Überschuldung zurückbehalten werden, so soll damit der negative Wert des übertragenen Vermögens beseitigt werden. Die Zurückbehaltung erfolgt in diesem Falle nicht aus privaten Gründen, sondern zum Zweck der Schaffung eines übergabefähigen Betriebes. Bei real überschuldeten Betrieben können daher die obgenannten Aussagen des UFS nicht angewendet werden. Es kann auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, wenn bei einem überschuldeten Betrieb die Zinsen aus zurückbehaltenen Verbindlichkeiten nicht als nachträgliche Betriebsausgaben berücksichtigt werden. In diesem Fall würde dies nämlich auch zu einer unsachgemäßen Ungleichbehandlung führen, wenn man bedenkt, dass jemand der einen überschuldeten Betrieb zur Gänze aufgibt, die Zinsen sämtlicher verbleibender Verbindlichkeiten als nachträgliche Betriebsausgaben ansetzen kann. Da die Berufungswerberin mit der Übergabe des SBes an ihren Gatten ihre betriebliche Tätigkeit vollkommen eingestellt hat und sie auf Grund der Überschuldung dazu verhalten war, einen Teil der Verbindlichkeiten zurück zu behalten, stellen die Zinsen aus diesen Verbindlichkeiten nachträgliche Betriebsausgaben dar.""
Das Finanzamt legte in der Folge die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (Unabhängiger Finanzsenat) zur Entscheidung vor.
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung erwogen:
Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die von der Bw. geltend gemachten Schuldzinsen und Spesen in Höhe von insgesamt 3.481,70 € im Berufungsjahr als nachträgliche Betriebsausgaben (nachträgliche negative Einkünfte im Sinne des § 32 Z 2 EStG 1988) zu berücksichtigen sind.
Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind jene Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind, Betriebsausgaben.
Nach § 32 Z 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften in Sinne des § 2 Abs. 2 EStG 1988 ua. auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988. Diese Bestimmung soll gerade dazu dienen, solche Einkünfte, die zwar erst nach Beendigung der betrieblichen Tätigkeit anfallen, aber einen engen (wirtschaftlichen) Zusammenhang zum Betrieb aufweisen, noch der betrieblichen Sphäre zuzuweisen. Es handelt sich dabei um eine besondere Ausprägung des Veranlassungsprinzips.
Nachträgliche Betriebsausgaben liegen nur insoweit vor, als die Aufwendungen mit der ehemaligen Tätigkeit in (unmittelbarem) wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (vgl. Doralt, EStG12, § 32 Tz 72; Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer-Kommentar, § 32 EStG 1988 Tz 28). Dies ist ua. dann nicht der Fall, wenn Aufwendungen ihre Ursache in der Zeit nach Beendigung der betrieblichen Tätigkeit haben.
Nach der Betriebsaufgabe bzw. Betriebsveräußerung anfallende Schuldzinsen für (nachweislich) betrieblich begründete Verbindlichkeiten sind nur insoweit als nachträgliche Betriebsausgaben abzugsfähig, als diese Verbindlichkeiten betrieblich veranlasst bleiben (VwGH 22.10.1996, 95/14/0018). Geht der betriebliche Veranlassungszusammenhang durch die Veräußerung bzw. Aufgabe verloren, dann sind die Zinsen nicht mehr abzugsfähig (VwGH 24.2.2004, 99/14/0250). Dies ist insbesondere dann der Fall, soweit - die Verbindlichkeiten der Finanzierung von Wirtschaftsgütern gedient haben, die der Steuerpflichtigen bei der Betriebsaufgabe in sein Privatvermögen überführt hat, - die Verbindlichkeiten im Veräußerungserlös bzw. in den vorhandenen Aktiva Deckung finden (VwGH 30.9.1999, 99/15/0106), - die Verbindlichkeiten durch die Verwertung von zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern beglichen werden könnten (VwGH 22.10.1996, 95/14/0018), oder - dem Steuerpflichtigen nach der Betriebsaufgabe (-veräußerung) eine Tilgung der Schuld zugemutet werden kann (vgl. Doralt, EStG4, § 32 Tz 74; Hofstätter-Reichel, a.a.O., § 32 EStG 1988 Tz 38).
Im konkreten Fall steht unstrittig fest, dass mit den in Rede stehenden Bankverbindlichkeiten (H Kto. aaa) betrieblich verhaftete Schulden zur Abdeckung gebracht wurden bzw. dass der Kredit dazu diente, Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens anzuschaffen. Unstrittig war auch davon auszugehen, dass die Bw. ihren (St-)Betrieb per 1. Oktober 2007 ihrem Gatten C geschenkt hat, der Ehegatte hinsichtlich der betrieblichen Bankverbindlichkeiten nur einen Betrag in Höhe von 50.000,00 € übernahm und die restlichen Bankverbindlichkeiten von der Bw. zurück behalten wurden.
Dem Finanzamt ist beizupflichten, wenn es der Bw. in der Berufungsvorentscheidung vor Augen führt, dass eine "ehemalige Tätigkeit" nur dann vorliegt, wenn die Einkunftsquelle selbst veräußert oder aufgegeben worden ist, bzw. dass § 32 Z 2 EStG 1988 nur solche Einkünfte erfassen kann, welche sich nach dem Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe ereignen (vgl. Doralt, EStG4, § 32 Tz 60; siehe auch Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2010, § 32 Rz 26; Ryda/Langheinrich, Nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 32 Z 2 EStG 1988, FJ 2004, 366 und FJ 2009, 224; UFS 12.10.2004, RV/0389-G/02).
Die Voraussetzung "ehemalige Tätigkeit", damit das Vorliegen einer Betriebsaufgabe bzw. Betriebsveräußerung, ist im vorliegenden Fall zweifellos nicht zu bejahen. Der Betrieb der Bw. wurde von ihrem Ehegatten am selben Standort mit den bisherigen wesentlichen Betriebsgrundlagen weiter geführt. Die Schenkung ist keine entgeltliche Übertragung und damit keine Veräußerung; die Bw. und ihr Ehegatte waren sich des Charakters der Leistung als unentgeltlich bewusst, beide haben die Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt und haben dies auch insofern zum Ausdruck gebracht, als die Bw. ihr Unternehmen mit Schenkungsvertrag an ihren Ehegatten abgetreten und die strittigen Bankverbindlichkeiten zur Herstellung eines positiven Verkehrswertes des Betriebes zurückbehalten hat; in diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, dass von Seiten der Bw. kein Veräußerungsgewinn ermittelt wurde und der Ehegatte die Buchwerte der Rechtsvorgängerin (der Bw.) fortgeführt hat. Die unentgeltliche Betriebsübertragung stellt auch keine Betriebsaufgabe dar; eine Betriebsaufgabe und damit keine Betriebsübertragung läge nur dann vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Personen verschenkt würden (vgl. dazu Doralt, EStG10, § 24 Tzen 111 und 142; Doralt/Mayr, EStG6, § 6 Tz 405; siehe auch VwGH 27.11.1978, 59, 171/78; VwGH 25.2.1998, 97/14/0141). Nach einhelliger Auffassung liegt eine Betriebsaufgabe vor, wenn sich der bisherige Betriebsinhaber im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit in einem Zuge der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens begibt oder sie in sein Privatvermögen überführt. Durch die Aufgabe des Betriebes muss der Betrieb als lebender selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufgehört haben. Es kommt zur Zerschlagung einer betrieblichen Einheit in der Form, dass der Betrieb als solcher zu bestehen aufhört. Bei einer Betriebsaufgabe werden somit die wesentlichen Betriebsgrundlagen zwar in einem einheitlichen Vorgang, aber einzeln getrennt an verschiedene Erwerber entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder ins Privatvermögen übernommen; dagegen werden bei einer Betriebsveräußerung die wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen einzigen Erwerber veräußert (vgl. dazu Doralt, EStG4, § 24 Tz 122 ff; Hofstätter-Reichel, a.a.O., § 24 Tz 31.1). Wesentliche Grundlagen eines Betriebes sind die Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzen. Es muss sich um Wirtschaftsgüter handeln, bei welchen es aus der Sicht des Betriebes wirtschaftlich einen deutlichen Unterschied macht, ob sie vorhanden sind und dem Betrieb dienen oder nicht, wenn sie also geradezu gemessen an der Art, der Struktur und dem Umfang des fortzuführenden Betriebes unentbehrlich sind. Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des gegenständlichen SBes, einem produktions- bzw. ausstattungsgebundenen Unternehmen, zählen (regelmäßig) das Betriebsgebäude (zumindest Mietrecht) sowie die Maschinen, Anlagen und Einrichtungen, die eben die Ausübung der betrieblichen Tätigkeit und deren Entfaltung in der bisherigen Art und im bisherigen Umfang ermöglichen; Schulden gehören jedoch nicht zu den wesentlichen Grundlagen, auch wenn sie mit Wirtschaftsgütern in Zusammenhang stehen, die zu den wesentlichen Grundlagen gehören, zumal diese nicht die Möglichkeit des Erwerbers, den Betrieb fortzuführen, beeinträchtigen (siehe dazu auch Hofstätter-Reichel, a.a.O., § 24 Tz 15; Doralt, EStG10, § 24 Tzen 33 ff; Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2010, § 24 Rz 17; Atzmüller/Krafft/Wanke, in: Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG 10. GL § 24 [Anm 30]).
Wurden nun lediglich unwesentliche (zur Fortführung des Betriebes nicht erforderliche) Wirtschaftsgüter - im konkreten Fall eben die in Rede stehenden Verbindlichkeiten - nicht übertragen, wurde also der Nachfolger durch den Übertragungsakt in die Lage versetzt, den Betrieb weiterzuführen, ohne dass er entscheidende ergänzende Anschaffungen oder Veränderungen vorzunehmen genötigt wäre, dann kann dennoch von einer unentgeltlichen Betriebsübertragung ausgegangen werden. Ein derartiger Übertragungsakt ist mit dem Verbot der Gewinnrealisierung und dem Gebot der Buchwertfortführung (Buchwerte des Rechtsvorgängers sind gemäß § 6 Z 9 lt. a EStG 1988 fortzuführen) verbunden. Die mit dem Betrieb nicht übertragenen einzelnen (unwesentlichen) Wirtschaftsgüter, im konkreten Fall die Bankverbindlichkeiten, welche sich die Bw. zurückbehalten hat, scheiden aus der Sphäre des Betriebes der Bw. aus; dieser Zurückbehaltevorgang stellt eine (gewinnvermehrende) Entnahme dar (vgl. VwGH 29.6.1995, 93/15/0134; Doralt, EStG10, § 24 Tz 112 sowie Doralt/Mayr, EStG6, § 6 Tz 408; Stoll, Rentenbesteuerung4, Rz 373; siehe auch UFS 12.10.2004, RV/0389-G/02).
Da gegenständlich weder eine Betriebsveräußerung noch eine Betriebsaufgabe, sondern eine unentgeltliche Übergabe des Betriebes (Schenkung) vorlag, kann von Einkünften aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit keine Rede sein und war daher § 32 Z 2 EStG 1988 nicht anwendbar.
Die oben angesprochene Überführung des ehemaligen Betriebskredites in das Privatvermögen der Bw. - Zug um Zug mit der (unentgeltlichen) Betriebübertragung an den Ehegatten - und das damit einhergehende Verlorengehen der betrieblichen Veranlassung dieser strittigen Bankverbindlichkeiten durch deren Zurückbehalten, lässt - selbst wenn der Anfall der Schuldzinsen bzw. Spesen mangels zur Schuldtilgung verfügbarer Mittel nicht vermieden werden kann und die strittigen Bankverbindlichkeiten planmäßig getilgt werden - eine Erfassung der von der Bw. geltend gemachten Schuldzinsen und Spesen als (nachträgliche) Betriebsausgaben bzw. nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb außerdem nicht zu.
An dieser Einschätzung (Verwirklichung eines Entnahmetatbestandes) vermag nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates auch der Einwand der steuerlichen Vertretung der Bw., wonach die Zurückbehaltung wirtschaftlich begründet gewesen sei (Herstellung eines positiven Verkehrswertes, Beseitigung der Überschuldung), nichts ändern (vgl. dazu auch VwGH 24.9.2008, 2006/15/0255, bzw. VwGH 30.9.2009, 2004/13/0169, betreffend Schuldzinsen für umgründungsbedingt ins Privatvermögen übernommene, ehemals betrieblich veranlasste Verbindlichkeiten; siehe auch unter Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2010, § 32 Rz 31).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am 25. November 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH 22.10.1996, 95/14/0018 |